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Zogen einst funf wilde Schwane ist ein Volks und Antikriegslied aus Westpreussen Ostpreussen und dem Memelland Uberregional bekannt wurde das Lied durch den ostpreussischen Volkskundler Karl Plenzat der die Weise 1918 in seine Sammlung Der Liederschrein aufnahm Aufgrund der Angaben von Plenzat wurde das Lied bis 2005 als litauisches Volkslied eingeordnet Die Veroffentlichung alterer Niederschriften durch eine Volksliedforscherin des Deutschen Volksliedarchivs im Jahr 2005 deutet darauf hin dass das Lied eher aus den deutschen Siedlungsgebieten um die Danziger Bucht stammt Der eingangige und mit seinen eindringlichen Wiederholungen nahezu lakonische Text thematisiert die einschneidenden Folgen des Krieges Nach der Veroffentlichung im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs traf das Lied auf die Ernuchterung und Stimmungslage in der Zwischenkriegszeit und wurde sehr schnell von der deutschen Jugendbewegung aufgegriffen und ab Mitte der 1920er Jahre in Gesamtdeutschland verbreitet Ab 1935 eliminierten die Nationalsozialisten das Lied nahezu vollstandig aus dem gedruckten Liedrepertoire Nach den Entbehrungen des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit traf das Lied erneut den Nerv der Zeit Ende der 1970er Jahre griff die Friedensbewegung das Lied verstarkt auf und es wurde von verschiedenen Liedermachern vorgetragen beispielsweise von Hannes Wader und vom Folk Duo Zupfgeigenhansel In der Erinnerungskultur der Heimatvertriebenen aus West und Ostpreussen spielt das Lied eine wichtige Rolle In verschiedenen Buchtiteln wurde es als Liedincipit verwendet Inhaltsverzeichnis 1 Text und Melodie 1 1 Textfassungen 1 2 Melodie 2 Inhalt 3 Liedgeschichte 3 1 Ursprung und Niederschriften 3 2 Verbreitung 3 3 Erinnerungskultur und Verwendung als Buchtitel 4 Literatur 5 Weblinks 5 1 Noten 5 1 1 Chorsatze 5 2 Horbeispiele 6 EinzelnachweiseText und Melodie BearbeitenTextfassungen Bearbeiten Der Text wurde mehrfach leicht verandert Links der heute gangige Text laut Volksliederarchiv der wahrscheinlich auf das Jahr 1924 zuruckgeht 1 Rechts der nach mundlicher Uberlieferung im Kreis Putzig Westpreussen 1908 durch den Lehrer Johannes Patock erstmals notierte Text 2 Heute gangiger Text 1924 Zogen einst funf wilde Schwane Schwane leuchtend weiss und schon Sing sing was geschah Keiner ward mehr gesehn Wuchsen einst funf junge Birken grun und frisch an Bachesrand Sing sing was geschah Keine in Bluten stand Zogen einst funf junge Burschen stolz und kuhn zum Kampf hinaus Sing sing was geschah Keiner kehrt nach Haus Wuchsen einst funf junge Madchen schlank und schon am Memelstrand Sing sing was geschah Keins den Brautkranz wand Westpreussen 1908 Zogen einst funf wilde Schwane Schwane leuchtend weiss und schon Sing sing was geschah Keiner ward mehr gesehn Wuchsen einst funf junge Birken frisch und grun an Baches Rand Sing sing was geschah Keine in Blute stand Zogen einst funf junge Burschen kuhn und stolz zum Kampf hinaus Sing sing was geschah Keiner die Heimat wiedersah Wuchsen einst funf junge Madchen schlank und schon am Ostseestrand Sing sing was geschah Kein e den Brautkranz wand In einer Textfassung der deutschen Jugendbewegung von 1925 sind sowohl die Schwane als auch die Burschen stolz und kuhn und sowohl die Birken als auch die Madchen schon und schlank Dadurch wurde die Parallele zwischen Schwane Burschen und Birken Madchen noch starker betont 3 Weitere Fassungen liegen vor fur Ostpreussen 1915 Plenzat 4 aus dem Vertriebenenliederbuch 1958 5 und unter dem Titel Ziehen schon die wilden Schwane ein stark abgewandelter Text von Heini Prufer aus dem Antikriegsliederbuch 1983 6 Melodie Bearbeiten nbsp source Die Audiowiedergabe wird in deinem Browser nicht unterstutzt Du kannst die Audiodatei herunterladen Die traditionelle Weise Horbeispiele ist im 4 4 Takt gehalten Die beiden letzten Zeilen gelegentlich auch die beiden ersten Zeilen jeder Strophe werden im Refrain gesungen Dabei wird an die letzte Refrain Zeile jeweils ein ja angehangt das in der Wiederholung entfallt Am Beispiel der ersten Strophe lautet der Refrain Sing sing was geschah Keiner ward mehr gesehn ja Sing sing was geschah Keiner ward mehr gesehn Der Refrain beginnt mit einem diatonischen Intervall einer kleinen Septime Sing sing was geschah Der Gesang wird in der Regel gemessen schreitend von einer Gitarre oder Laute begleitet Inhalt BearbeitenDer eingangige und mit seinen eindringlichen Wiederholungen nahezu lakonische Text thematisiert die einschneidenden Folgen des Krieges Die beiden Anfangsstrophen beinhalten ungewohnliche Vorgange in der Natur Schwane die verschwunden bleiben Birken die nicht bluhen die dritte und vierte schmerzvolle Erfahrungen der Menschen Burschen die im Krieg bleiben Madchen die ehelos bleiben Dabei verweisen die ungewohnlichen Vorgange in der Natur auf die leidvollen Erfahrungen der Menschen Die Schwane der ersten Strophe die nicht mehr gesehen wurden korrespondieren mit den Burschen der dritten Strophe die vom Krieg nicht zuruckkehrten Die Birken der zweiten Strophe die nicht in Bluten standen korrespondieren mit den Madchen der vierten Strophe von denen keine den Brautkranz wand Die Analogien werden hergestellt durch pragnante Anaphern Die Schwane und Burschen zogen einst die Birken und Madchen wuchsen einst In der Plenzatschen Fassung von 1918 standen die Birken zur noch klareren Verdeutlichung im Diminutiv Birkchen Madchen Die beiden ersten Zeilen jeder Strophe wecken mit verheissungsvollen Attributen frohgestimmte Erwartungen Die Schwane schon in der griechischen Mythologie Symbol fur edle Reinheit sind wild leuchtend weiss und schon Die Birken jung grun und frisch lassen an ihre hellgrunen Blatter und den hellen Stamm denken und versprechen den Fruhling und Lebensfreude Die Burschen ziehen jung stolz und kuhn in den Kampf in Analogie zu den Schwanen geradezu wild entschlossen und von leuchtender Gesinnung Die Madchen stehen jung schlank und schon am Strand in Analogie zu den Birken zudem im verheissungsvollen Fruhling Auf die Frage Sing sing was geschah werden alle Erwartungen enttauscht In der Antwort erfahrt man nicht was konkret geschah nur die Folgen der Geschehnisse beziehungsweise des Krieges Verlust Zerstorung und Trennung Da unklar ist wann der Text genau entstand mit Sicherheit vor dem Ersten Weltkrieg lasst sich nicht sagen ob sich der Inhalt auf einen bestimmten Krieg bezieht Mit seiner lakonischen Melancholie druckt er die allgemeine Ernuchterung nach vielen Kriegen aus Ziehen die Menschen zu Beginn noch siegesgewiss und mit Abenteuerlust in den Krieg stolz und kuhn bleiben am Ende in der Regel Tod und Verwustung und Frauen die den Brautkranz zur Hochzeit nicht mehr winden konnen und ehelos bleiben 1 Liedgeschichte BearbeitenUrsprung und Niederschriften Bearbeiten nbsp Wahrscheinliches Entstehungsgebiet des Liedes Danziger Bucht bis MemelmundungDer Ursprung des Textes und der Melodie ist nicht bekannt Bis Anfang der 2000er Jahre galt Zogen einst funf wilde Schwane als litauisches Volkslied Die Einordnung beruhte auf der Niederschrift des ostpreussischen Volkskundlers Karl Plenzat der das Lied 1918 in seiner Sammlung Der Liederschrein mit deutschen litauischen und masurischen Volksliedern aus Ostpreussen veroffentlichte Nach Plenzats Angaben sang ihm sein Vater der Prazentor Friedrich Plenzat das Lied vor Er habe es aufgezeichnet und aus dem Litauischen ins Deutsche ubersetzt 1 2 Noch in einer Kurzbiographie aus dem Jahr 2002 wurde Plenzat falschlich als Verfasser des Liedes bezeichnet 7 Nachforschungen der Bibliothekarin und Forscherin am Deutschen Volksliedarchiv Barbara Boock zeigten hingegen 2005 dass sich Plenzats angebliche Ubersetzung aus dem Litauischen nur sehr geringfugig von einem Text unterscheidet den der Lehrer Johannes Patock aus dem Kreis Putzig im westpreussischen Regierungsbezirk Danzig bereits 1908 nach mundlicher Uberlieferung in den Pfarreien Strellin Schwarzau und Oxhoft notiert und als deutschsprachig bezeichnet hatte Eine weitere fruhe Niederschrift mit Melodie aus Enzuhnen in der heutigen Oblast Kaliningrad legt nahe dass das Lied ursprunglich aus den deutschen Siedlungsgebieten um die Danziger Bucht stammte 1 Dafur spricht auch dass es im Text von 1908 in der vierten Strophe noch Ostseestrand statt spater Memelstrand heisst Laut Frauke Schmitz Gropengiesser Lehrbeauftragte am Musikwissenschaftlichen Seminar der Universitat Freiburg ist ungeklart ob es seinerzeit tatsachlich auch eine litauische Fassung dieses Liedes gab Bislang habe noch keine nachgewiesen werden konnen 1 Verbreitung Bearbeiten Uber die Bedeutung Funktion und Verbreitung des Liedes im ost und westpreussischen Ursprungsraum ist bislang nichts Naheres bekannt Nach Plenzats Veroffentlichung im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs traf das Lied auf die Ernuchterung und Stimmungslage in der Nachkriegszeit und wurde sehr schnell von der deutschen Jugendbewegung aufgegriffen und ab Mitte der 1920er Jahre in Gesamtdeutschland verbreitet Es fand sich in Turnerliederbuchern und Liederbuchern der Bundischen Jugend der Wandervogel und Pfadfinder und in weiteren Wanderliederbuchern fur Jugendliche Bevor die Nationalsozialisten das Lied wegen seines antimilitaristischen Inhalts nahezu vollstandig aus dem gedruckten Liedrepertoire eliminierten war es bis etwa 1935 auch in Liederbuchern der Hitlerjugend und des Bunds Deutscher Madel vertreten 1 Nach den Entbehrungen des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit traf das Lied erneut den Nerv der Zeit Seine einsetzende Verbreitung ging nun weit uber die Jugendbewegung hinaus Neben Volks und Wanderliederbuchern fand es Eingang in Kinder Schul und konfessionelle Liederbucher Die breite Rezeption des Liedes nach dem Zweiten Weltkrieg halt bis heute an Einen Hohepunkt erlebte sie in der Friedensbewegung Ende der 1970er Jahre in der es von verschiedenen Liedermachern vorgetragen wurde beispielsweise von Hannes Wader und vom Folk Duo Zupfgeigenhansel Der Bariton Hermann Prey nahm es in sein Album Kein schoner Land Deutsche Volkslieder auf 8 In der Feierstunde zum 18 Marz wurde das Lied 2009 nach der Ansprache des Prasidenten des Abgeordnetenhauses Walter Momper auf dem Platz des 18 Marz vor dem Brandenburger Tor in Berlin gesungen 9 Als Antikriegslied fand es Eingang in Unsere Lieder Lieder aus Hessen 1980 und in programmatische Liederbucher wie Lasst uns Frieden schaffen ohne Waffen Hrsg Manfred Bonson 1983 oder das Antimilitaristische Liederbuch Hrsg Norbert Gerbig 1981 Seit dieser Zeit wird das Lied von den wilden Schwanen laut Frauke Schmitz Gropengiesser gelegentlich in Verbindung gebracht zu Where have all the flowers gone Sag mir wo die Blumen sind von Pete Seeger Demgegenuber sei festzuhalten dass beide Lieder trotz motivischer Nahe liedgeschichtlich nichts miteinander zu tun haben 1 Erinnerungskultur und Verwendung als Buchtitel Bearbeiten Zudem spielt das Volkslied in der Erinnerungskultur der Heimatvertriebenen aus West und Ostpreussen eine wichtige Rolle und wurde als Liedincipit in verschiedenen Buchtiteln verwendet Das Lied Zogen einst funf wilde Schwane gilt in diesem Kontext als untrennbar mit den ehemaligen Siedlungsgebieten im Osten verbunden weshalb der Liedincipit gelegentlich auch in Buchtiteln Verwendung findet Etwa beim Liederbuch Der wilde Schwan Lieder aus dem Nordostdeutschen Kulturraum 1990 womit hier der Bereich von Pommern bis zum Baltikum gemeint ist oder bei der Neuveroffentlichung des Romans Urte Kalwis 1917 von Clara Ratzka im Jahre 1978 Dieser Roman spielt in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in der Landschaft von Memelmundung und Haff Bei der Neuausgabe gab der Verlag das Buch im Einvernehmen mit dem Enkel der Dichterin unter dem Titel Zogen einst funf wilde Schwane Leer Rautenberg 1978 heraus Das allgemein bekannte Lied wird somit als spezifischer Erinnerungstrager funktionalisiert der ehemals in Ostpreussen beheimatete Verlag sieht seine alte Tradition als Verpflichtung die Erinnerung wachzuhalten an die deutschen Ostgebiete auch wenn das Lied selbst in Ratzkas Urte Kalwis Roman gar nicht vorkommt Wie stark das Schwane Lied mit dem Thema Krieg assoziiert wird verdeutlicht noch ein weiterer Buchtitel der seinen Incipit verwendet Zogen einst funf wilde Schwane Roman einer Jugend von Eva Wolf Berlin 1988 10 hier geht es um Schulerinnen und Schuler eines Gymnasiums die im Herbst 1944 an die Ostfront bzw an die Heimatfront mussen Frauke Schmitz Gropengiesser Zogen einst funf wilde Schwane Historisch kritisches Liederlexion 2010 1 Die Balladendichterin und Schriftstellerin Agnes Miegel trug das Lied bei einer Lesung zur Mutter Ostpreussen vor 11 Der Autor und Verleger Werner Boschmann uberschrieb 2001 ein Kapitel in Sternkes inne Augen Liebesgeschichten aus dem Ruhrgebiet mit Zogen einst funf wilde Schwane 12 Literatur BearbeitenBarbara Boock Die Sammlung Patock im Deutschen Volksliedarchiv Eine kleine Sammlung deutscher Volkslieder 1908 bei Kaschuben gesammelt In Heike Muns Hrsg Musik und Migration in Ostmitteleuropa Oldenbourg Munchen 2005 ISBN 3 486 57640 2 S 319 331 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Zogen einst funf wilde Schwane Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Frauke Schmitz Gropengiesser Zogen einst funf wilde Schwane 2010 In Populare und traditionelle Lieder Historisch kritisches LiederlexikonNoten Bearbeiten Noten im Alojado Lieder Archiv Zogen einst funf wilde Schwane Chorsatze Bearbeiten Satz fur gemischten Chor SATB von Josef Meinolf Opfermann Satz fur gemischten Chor SATB von Egon Poppe Satz fur gemischten Chor SATB von Georg Sothilander Noten und Audiodateien im International Music Score Library ProjectHorbeispiele Bearbeiten Anja amp Bernd auf YouTube Tre Sorelle auf YouTube a cappella Trompete solo mit Streichorchester Buschfried auf YouTube Kurzes Horbeispiel von Hermann Prey im Radiokiosk Track 3 auf CD 3 anklicken Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h Frauke Schmitz Gropengiesser Zogen einst funf wilde Schwane 2010 In Populare und traditionelle 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Berlin 2002 ISBN 3 11 016841 3 Sp 1077 1079 Hermann Prey Kein schoner Land Deutsche Volkslieder CD 3 An der Saale hellem Strande Programm zum Freitag 18 Marz 2009 Eva Wolf Zogen einst funf wilde Schwane Roman einer Jugend Ullstein Taschenbuchverlag Berlin 1991 ISBN 3 548 22504 7 Agnes Miegel Ostpreussen Es war ein Land CD Werner Boschmann Sternkes inne Augen Liebesgeschichten aus dem Ruhrgebiet Memento vom 30 Januar 2012 im Internet Archive Pseudonym Wernfried Stabo Henselowsky Boschmann Bottrop 2001 ISBN 3 922750 41 9 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zogen einst funf wilde Schwane amp oldid 233437992