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Vollwerternahrung bezeichnet ein Ernahrungskonzept bei dem frische und unbehandelte Nahrungsmittel sowie Vollkornprodukte bevorzugt werden Vollwerternahrung erfordert nach Ansicht von Claus Leitzmann und anderen Vertretern dieser Theorie eine hohe Qualitat der Nahrungsmittel sowie eine bessere Umwelt Sozial und Wirtschaftsvertraglichkeit 1 Historisch geht die Vollwerternahrung auf die Vollwertkost von Werner Kollath und Maximilian Bircher Benner zuruck Vollwertige Ernahrung basiert auf den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft fur Ernahrung und bezeichnet ein Mischkost Konzept mit ernahrungsmedizinischer Zielsetzung ohne jedoch Aspekte der Nachhaltigkeit zu berucksichtigen Bei der vollwertigen pflanzlichen Ernahrung wird eine rein vegane Kost angestrebt Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Ernahrungsreformer vor 1933 1 2 Nationalsozialismus 1 3 Entwicklung nach 1945 2 Vollwertkost 2 1 Das Konzept der unbehandelten Nahrungsmittel 3 Vollwertige Ernahrung 4 Vollwerternahrung 5 Vollwertige pflanzliche Ernahrung 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenErnahrungsreformer vor 1933 Bearbeiten Der Begriff Vollwertkost wurde zwar erst von dem nationalsozialistischen Wissenschaftler Werner Kollath 1942 eingefuhrt das Prinzip wurde jedoch bereits Ende des 19 Jahrhunderts entwickelt unter dem Einfluss der Naturheilkunde und der Lebensreform Bewegung Die Uberzeugung der meisten Lebensreformer um 1900 war dass sich ein Grossteil der Menschen im Zeitalter der Industrialisierung vollig falsch und damit ungesund ernahrte zu viel Fleisch zu viel Fett zu viel Zucker zu viel Weissmehl zu viele Gewurze zu viele Genussmittel Die meisten Ernahrungsreformer waren Anhanger des Vegetarismus der um 1850 zunehmend Anhanger gewann Allgemein wurden von ihnen weitgehend unbehandelte Lebensmittel bevorzugt Die Ernahrungsreformer die fast alle aus dem deutschsprachigen Raum kamen wandten sich zwar prinzipiell an alle Schichten der Bevolkerung fanden aber fast ausschliesslich beim Burgertum Interesse vor allem beim Bildungsburgertum 2 Der amerikanische Prediger und Vegetarier Sylvester Graham entwickelte 1829 als Alternative zum damals popularen Weissbrot ein Brot aus dem feinen Vollkorn Schrot des Weizens Ab 1861 machte der Naturheilkundler und Vegetarier Theodor Hahn dieses sogenannte Grahambrot in der Schweiz popular Hahn sah im Verzehr von weissem kleiefreien Brot eine Ursache fur diverse Krankheiten einschliesslich Hysterie und Gemutskrankheiten Auch der Laienheiler Louis Kuhne propagierte eine moglichst naturbelassene Kostform also vor allem Rohkost Am wertvollsten sei Getreide in Form ganzer Korner gefolgt von Schrot und Schrotbrot Die naturgemasse Ernahrung sei die wesentliche Voraussetzung fur Gesundheit 3 Auch Sebastian Kneipp stellte als Teil seiner Kneipp Medizin Richtlinien fur gesunde Ernahrung auf Er war kein Vegetarier betonte jedoch auch den Wert moglichst einfacher Kost und wenig verarbeiteter Nahrungsmittel Er schrieb unter anderem Fur Alle welche gesund bleiben und kraftig und stark werden wollen ist vor Allem vom Schopfer das Getreide bestimmt und Lasst das Naturliche so naturlich wie moglich Die Zubereitung der Speisen soll einfach und ungekunstelt sein Je naher sie dem Zustande kommen in welchem sie von der Natur geboten werden desto gesunder sind sie 4 Kneipp empfahl die Verwendung von kleiehaltigem Vollkornmehl und bezeichnete fein gemahlenes Mehl als Kunstmehl dem die wichtigsten Nahrstoffe fehlten 5 Als ein Pionier der Vollwertkost gilt der Schweizer Arzt Maximilian Bircher Benner 1867 1939 der unter anderem das Musli erfand Er entwickelte daruber hinaus eine eigene Ernahrungslehre in der pflanzliche Kost im Mittelpunkt stand Allen roh geniessbaren Pflanzenteilen vor allem den Blattern schrieb er einen besonders hohen Nahrwert zu Bircher Benner sprach von Sonnenlichtnahrung denn er ging davon aus dass die Pflanzen aus dem Sonnenlicht besondere Energie bezogen Die Vitamine waren um 1900 noch nicht entdeckt Gekochte Pflanzenkost betrachtete er als weniger wertvoll Fleisch stand bei Bircher Benner auf der unteren Stufe der Werteskala Ausserdem lehnte er Konserven und stark bearbeitete Lebensmittel ab Er sprach von einer Ordnung der Ernahrung Das Bircher Musli entstand als Versuch eine optimale Kost zuzubereiten die alle wichtigen Nahrstoffe in ausreichendem Masse enthalt Der Begriff vollwertige Nahrung wird bereits von Bircher Benner in seinen Schriften verwendet 6 Nationalsozialismus BearbeitenIn der Phase des Nationalsozialismus in Deutschland wurde auch die Ernahrung der Bevolkerung staatlich beeinflusst und gelenkt Ziel der Ernahrungspolitik war es die Gesundheit des Volkskorpers zu gewahrleisten Im Mittelpunkt des Interesses stand die sogenannte Vollkornbrotfrage Um die Backereien dazu zu bringen vor allem Vollkornbrot herzustellen statt Brot aus Auszugsmehl wurde 1939 der Reichsvollkornbrotausschuss gegrundet 7 Der Reichsarztefuhrer Leonardo Conti erklarte Der Kampf um das Vollkornbrot ist ein Kampf fur die Volksgesundheit Ein Gutesiegel fur Brot wurde eingefuhrt 8 7 Werner Kollath 1892 1970 hatte Kontakt zu Bircher Benner und publizierte in dessen Zeitschrift Der Wendepunkt 9 1942 veroffentlichte Kollath sein Hauptwerk Die Ordnung unserer Nahrung Darin verwendete er den Begriff Vollwertkost fur eine Kost die alles enthalt was der Organismus zu seiner Erhaltung und zur Erhaltung der Art benotigt Was das Ernahrungskonzept selbst anbelangt konnte er vor allem auf die Veroffentlichungen Bircher Benners zuruckgreifen Kollaths Postulat Lasst unsere Nahrung so naturlich wie moglich ist die Abwandlung eines Kneipp Zitats Kollath teilte alle Lebensmittel in sechs Wertgruppen spater als Wertstufen rezipiert 10 ein je geringer der Grad der Verarbeitung desto hoher die Wertigkeit Pflanzliche Nahrung wird von ihm grundsatzlich hoher bewertet als tierische Rohkost hoher als gekochte Kollath unterschied begrifflich auch zwischen nicht oder wenig verarbeiteten Lebensmitteln die noch lebendig seien und starker verarbeiteten Nahrungsmitteln die fur ihn tote Nahrung darstellten 11 Der Leiter des nationalsozialistischen Reichspropagandaamt Mecklenburg stufte Kollaths Werk als kriegswichtig ein Er unterstutzte noch wahrend des Krieges den Druck der zweiten Auflage weil es sich seiner Uberzeugung nach um ein wertvolles gerade auch durch den Krieg im Vordergrund stehendes Werk handelt 12 Entwicklung nach 1945 Bearbeiten Nach 1945 und bis in die 1960er Jahre hinein gab es in Deutschland wenig Interesse an speziellen Ernahrungsphilosophien denn zunachst ging es darum die Versorgung der Bevolkerung sicherzustellen Dann uberwog der Wunsch die Mangeljahre der Kriegszeit auszugleichen und es folgte in den 1950er Jahren die so genannte Fresswelle In England waren Lebensmittel noch bis 1954 rationiert Erst in den 1970er Jahren wurde gesunde Ernahrung wieder zu einem offentlich diskutierten Thema Die Deutsche Gesellschaft fur Ernahrung DGE 1953 gegrundet fuhrte den Begriff vollwertige Ernahrung ein und definiert diese im Wesentlichen als Ernahrung die alle notwendigen Nahrstoffe in ausreichender Menge im richtigen Verhaltnis und in der optimalen Form enthalt Fleischkonsum wird nur in Massen empfohlen 1954 grundete Hans Adalbert Schweigart die Internationale Gesellschaft fur Nahrungs und Vitalstoff Forschung IVG zu deren Schwerpunkten auch die wissenschaftliche Forschung zur vollwertigen Ernahrung gehorte Sie spricht im Unterschied zur DGE von Vollwert Ernahrung und erklart 1955 dazu gehore auch eine naturliche Bodenfruchtbarkeit eine biologisch hygienische Dungung mit harmonischer Mineraldungung und Spurenelement versorgung mit einer Tierhaltung in gesunden Stallen zur Erzeugung gesunder antibiotikafreier Milch 13 In den 1960er Jahren entwickelte Max Otto Bruker 1909 2001 in Anlehnung an Kollath eine Ernahrungslehre die er ab 1966 vitalstoffreiche Vollwertkost nannte Diese Bezeichnung ist eine Kombination aus dem von Schweigart eingefuhrten Sammelbegriff Vitalstoffe und Kollaths Terminus Vollwertkost 14 Eine weitere Variante ist die Schnitzer Kost nach Johann Georg Schnitzer Ende der 1970er Jahre entwickelten Ernahrungswissenschaftler um Claus Leitzmann an der Universitat Giessen auf der Grundlage von Kollaths Konzept und in Anlehnung an die IVG eine Ernahrungslehre die sie Vollwert Ernahrung nannten Karl von Koerber kannte die Vollwertkost Brukers durch seine Eltern und grundete 1976 an der Uni Giessen als Student der Okotrophologie einen Arbeitskreis alternative Ernahrung er vermittelte auch den Kontakt Leitzmanns zu Bruker Noch als Studenten grundeten Koerber und Thomas Mannle gemeinsam mit Bruker die Gesellschaft fur Gesundheitsberatung traten 1980 aber wieder aus 15 Ein Jahr spater grundete Thomas Mannle zusammen mit Elmar Schropp in Giessen den Verband fur Unabhangige Gesundheitsberatung der sich bis heute fur die Verbreitung der Vollwert Ernahrung und eine neutrale wissenschaftliche begrundete Ernahrungsaufklarung einsetzt 16 Leitzmann Koerber und Mannle modernisierten Kollaths Lehre und berucksichtigten okologische und soziookonomische Aspekte bei ihren Ernahrungsempfehlungen Pflanzenkost wird wie bei Kollath und Bircher Benner eine grossere Bedeutung beigemessen als tierischen Lebensmitteln 1981 veroffentlichten sie ein Buch zur Vollwert Ernahrung das zuletzt 2004 in uberarbeiteter Neuauflage erschienen ist Vollwertkost BearbeitenDer Bakteriologe und Hygieniker Werner Kollath stellte 1942 in seinem Buch Die Ordnung unserer Nahrung das Ernahrungskonzept der Vollwertkost vor Der Grundgedanke ist das Postulat Lebensmittel seien umso wertvoller und gesunder je weniger sie bearbeitet werden Kollath unterteilte die Lebensmittel in sechs Wertgruppen unveranderte frische Lebensmittel die nicht erhitzt wurden mechanisch veranderte Lebensmittel enzymatisch veranderte Lebensmittel hitzebehandelte Nahrungsmittel konservierte oder stark verarbeitete Nahrungsmittel isolierte Lebensmittelsubstanzen oder ihre KombinationDie ersten drei Gruppen werden zusammengefasst als Lebensmittel die anderen drei als Nahrungsmittel 17 Nach Kollaths Theorie enthalten nur moglichst unbehandelte Lebensmittel genugend essentielle Inhaltsstoffe die er Auxone nannte Durch den Mangel von Auxonen wurde Mesotrophie eine Mangelernahrung die zu chronischen Erkrankungen fuhre hervorgerufen Kollath unterschied zwischen lebender Kost die Fermente enthalte und die er als Lebensmittel bezeichnete und toter Nahrung die er Nahrungsmittel nannte Dem Kalorien wert stellt er den Frischwert gegenuber die Nahrungsenergie sei der Teilwert die Frische dagegen der Vollwert der Nahrung Gekochte Kost ist seiner Auffassung nach grundsatzlich nur teilwertig 18 Hitzeanwendung beschrieb Kollath als das wichtigste praktische Konservierungsverfahren Durch Hitze wurden jedoch Aromastoffe und Eigenfermente vernichtet Aus Lebensmitteln wurden so Nahrungsmittel 19 Der Zahnarzt Johann Georg Schnitzer und der Internist Max Otto Bruker entwickelten eigene Ernahrungslehren in Anlehnung an die Vollwertkost Im Zusammenhang mit den Bio Lebensmitteln hat sich auch der Begriff Naturkost verbreitet der jedoch aus der Lebensreform Bewegung stammt und somit einen anderen Ursprung als die im 20 Jahrhundert dazu verbreiteten ernahrungswissenschaftlichen Theorien hat 20 Das Konzept der unbehandelten Nahrungsmittel Bearbeiten Viele Nahrungsmittel sind fur den Menschen uberhaupt nur vertraglich weil der Mensch im Laufe der Geschichte gelernt hat diese entsprechend zuzubereiten 21 Die Vermeidung einer Denaturierung in der Vollwertkost ignoriert zum Beispiel auch den denaturierenden Effekt des sauren pH Werts der Magensaure 22 Viele Nahrungsmittel wie z B Kartoffeln Hulsenfruchte oder Reis sind nur gekocht geniessbar 21 Der Anteil der Rohkost sagt daher nichts daruber aus inwieweit eine Ernahrungsweise gesund ist Kollaths Einteilung der Lebensmittel in sechs Wertstufen ist nicht immer nachvollziehbar So gilt z B Muskelfleisch als hitzebehandelt Wertstufe 4 Innereien aber werden zu den isolierten Substanzen Wertstufe 6 gezahlt blanchierte Hulsenfruchte gelten als unerhitzt Wertstufe 1 Fruchtsafte dagegen als erhitzt Wertstufe 4 Fruchtetee wird als unerhitzt Malzkaffee als erhitzt eingestuft Muscheln werden als mechanisch verandert eingeordnet 23 Vollwertige Ernahrung BearbeitenDen Begriff vollwertige Ernahrung benutzt die DGE in Abwandlung des Begriffs Vollwertkost Die Kurzdefinition der DGE besagt dass eine Kost dann als vollwertig gilt wenn sie alle notigen Nahrstoffe in ausreichender Menge im richtigen Verhaltnis und in der richtigen Form enthalt Auch der Sattigungswert der Lebensmittel wird berucksichtigt Das richtige Verhaltnis bedeutet nach Auffassung der meisten Ernahrungswissenschaftler 50 bis 60 Prozent der Zufuhr an Nahrungsenergie aus Kohlenhydraten 30 Prozent aus Fett und maximal 20 Prozent aus Eiweiss Die vollwertige Ernahrung kann vegetarisch sein muss es jedoch nicht Vegane Ernahrung wird als ernahrungsphysiologisch ungunstig beurteilt Die DGE wurde 1953 gegrundet mit dem Ziel Gesundheit und Leistungsfahigkeit der Bevolkerung durch Anleitung zu richtiger und vollwertiger Ernahrung zu erhalten und zu steigern 24 Von Anfang an wurden Vollkornbrot Kartoffeln Milchprodukte und ein relativ hoher Anteil von Rohkost empfohlen 1955 heisst es in einem Artikel der DGE Zeitschrift Ernahrungs Umschau Unter einer vollwertigen Ernahrung versteht man im wissenschaftlichen Sinne eine Ernahrung in der alle notwendigen Bestandteile in ausreichender Menge enthalten sind und durch die der menschliche Energiebedarf hinreichend gedeckt wird 25 Seit Anfang der 1960er Jahre fasst die DGE ihre Ernahrungsempfehlungen in zehn Regeln zusammen Die aktuellen Ernahrungsregeln der vollwertigen Ernahrung ausgewogene Ernahrung die alle Nahrstoffe enthalt pflanzliche Nahrungsmittel werden bevorzugt taglich sollen funf Portionen Obst und Gemuse verzehrt werden wenig Zucker und wenig Salz schonende Zubereitung der Lebensmittel Getreideprodukte und Milch sowie Milchprodukte sollen taglich gegessen werden 300 Gramm bis maximal 600 Gramm Fleisch und Fisch pro Woche wenig Wurst wenig Fett und fettreiche Lebensmittel pflanzliche Fette sind zu bevorzugen 1 5 bis 2 Liter taglich trinken abwechslungsreiche Nahrung Den Schwerpunkt der vollwertigen Ernahrung bilden Getreideprodukte Kartoffeln Hulsenfruchte Gemuse und Obst Bevorzugt werden Vollkorn produkte Rohkost wird als besonders wertvoll angesehen Die DGE empfiehlt taglich funf statt der oft ublichen drei Mahlzeiten Obst oder Gemuse sollten Bestandteil jeder Mahlzeit sein Fleisch sollte nicht taglich gegessen werden Fisch ein bis zweimal pro Woche Wurst und Eier nur selten Die bevorzugten Getranke sind Mineralwasser verdunnte Safte und ungesusster Tee Milch gilt nicht als Getrank sondern als Lebensmittel Kaffee schwarzer Tee und Alkoholika gelten als ungeeignete Flussigkeitszufuhr 26 Die Angepasste Vollkost ist ein Konzept der DGE und legt dar wie trotz Unvertraglichkeit bestimmter Lebensmittelgruppen eine vollwertige Ernahrung erreicht werden kann 27 Vollwerternahrung BearbeitenDer Begriff Vollwerternahrung wurde erstmals in den 1950er Jahren von der IVG verwendet die bereits Gesichtspunkte der Okologie einbezog 1956 hiess es in einer Publikation Unter gesunder Vollwerternahrung verstehen wir eine solche die auf einer biologisch ausgerichteten Land und Gartenwirtschaft beruht somit auf einem Landbau der mit naturgemasser harmonisch eingepasster Tierhaltung verbunden ist 28 Das Konzept der heute aktuellen Vollwert Ernahrung stammt von den Ernahrungswissenschaftlern Claus Leitzmann Karl von Koerber und Thomas Mannle und wurde 1981 erstmals publiziert und zuletzt 2003 aktualisiert Wissenschaftliche Belege uber den gesundheitlichen Nutzen erbrachte Claus Leitzmann mit seinen Mitarbeitern in den 1990er Jahren an der Universitat Giessen Giessener Vollwert Ernahrungsstudie Die Definition wird in Anlehnung an den Standort der Autoren als Giessener Formel bezeichnet 29 Vollwert Ernahrung ist eine uberwiegend pflanzliche lakto vegetabile Ernahrungsweise bei der gering verarbeitete Lebensmittel bevorzugt werden Gesundheitlich wertvolle frische Lebensmittel werden zu genussvollen und bekommlichen Speisen zubereitet Die hauptsachlich verwendeten Lebensmittel sind Gemuse und Obst Vollkornprodukte Kartoffeln Hulsenfruchte sowie Milch und Milchprodukte daneben konnen auch geringe Mengen an Fleisch Fisch und Eiern enthalten sein Ein reichlicher Verzehr von unerhitzter Frischkost wird empfohlen etwa die Halfte der Nahrungsmenge Zusatzlich zur Gesundheitsvertraglichkeit der Ernahrung werden im Sinne der Nachhaltigkeit auch die Umwelt Wirtschafts und Sozialvertraglichkeit des Ernahrungssystems berucksichtigt Das bedeutet unter anderem dass Erzeugnisse aus okologischer Landwirtschaft sowie regionale und saisonale Produkte verwendet werden Weiterhin wird auf umweltvertraglich verpackte Erzeugnisse geachtet Ausserdem werden Lebensmittel aus Fairem Handel mit sog Entwicklungslandern verwendet Mit Vollwert Ernahrung sollen hohe Lebensqualitat besonders Gesundheit Schonung der Umwelt faire Wirtschaftsbeziehungen und soziale Gerechtigkeit weltweit gefordert werden C Leitzmann K v Koerber Th Mannle Giessener Formel aktualisiert In UGB Forum 20 5 S 256 2003 Die Vollwert Ernahrung baut nach Aussage der Giessener Wissenschaftler auf die Ernahrungslehren von Bircher Benner und Kollath auf Moglichst wenig verarbeitete Lebensmittel enthalten nach ihrer Uberzeugung den vollen Wert der naturlichen Inhaltsstoffe und seien daher vollwertig Den Begriff Vollwertkost den Kollath 1942 eingefuhrt hatte haben sie geandert in Vollwert Ernahrung Das Giessener Ernahrungsmodell teilt Nahrungsmittel nur noch in vier statt sechs Wertstufen ein von nicht gering verarbeitet sehr empfehlenswert bis zu ubertrieben verarbeitet nicht empfehlenswert Empfehlungen zur Nahrstoffzufuhr werden nicht gegeben Beim Getreide sollen Vollkorn Produkte bevorzugt werden Milch und Milchprodukte sollen nur in massigen Mengen verzehrt werden am besten Vorzugsmilch oder pasteurisierte Vollmilch Der Verzehr von Fleisch Fisch und Eiern wird als unnotig eingestuft jedoch nicht vollig abgelehnt Als angemessen gelten pro Woche zwei Fleischmahlzeiten eine Fischmahlzeit und zwei Eier Wurst wird uberhaupt nicht empfohlen ebenso wenig Innereien wegen der Schadstoffbelastung Zucker und Sussstoff sollen gemieden werden mit Hinweis auf die potenzielle Begunstigung verschiedener Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes mellitus Etwa die Halfte der taglichen Kost soll aus Rohkost bestehen was mit dem hoheren Gehalt wichtiger Inhaltsstoffe begrundet wird Allerdings wird eingeraumt dass nicht alle Menschen Rohkost gut vertragen so dass u a fur Senioren ein geringerer Anteil besser sei Zusatzstoffe in Lebensmitteln werden mit der Begrundung abgelehnt dass gesundheitliche Risiken nicht vollig auszuschliessen seien Zur Gruppe 4 der nicht empfehlenswerten Lebensmittel gehoren bei der Vollwert Ernahrung unter anderem Nahrungserganzungsmittel Tiefkuhlkost gentechnisch veranderte Lebensmittel Novel Food Pommes frites extrahierte Sojaprodukte wie Sojafleisch Sojaprotein Sojalecitin gehartete Margarine Kondensmilch Schmelzkase Limonade Aromastoffe und Susswaren 30 Das Modell der Vollwert Ernahrung geht jedoch uber ein rein ernahrungswissenschaftliches Konzept hinaus und enthalt daruber hinaus ideologische Elemente und politische sowie okologische Aussagen Neben der Gesundheitsvertraglichkeit sollen auch Umwelt und Sozialvertraglichkeit bei der Ernahrung berucksichtigt werden Daher soll Erzeugnissen aus der Region der Vorzug gegeben werden Auch der weitgehende Verzicht auf Fleisch wird okologisch begrundet Insbesondere Getreide und Hulsenfruchte vor allem Sojabohnen konnten auch direkt der menschlichen Ernahrung dienen anstatt zur Produktion von Fleisch Milch und Eiern eingesetzt zu werden Auf diese Weise konnten wesentlich mehr Menschen von der gleichen Ackerflache ernahrt werden da bei der Umwandlung zu tierischen Produkten durchschnittlich 65 bis 90 Prozent der Nahrungsenergie und des Proteins pflanzlicher Futtermittel verloren gehen Im Sinne sozialer Gerechtigkeit wird solidarisches Kaufverhalten von den Konsumenten gefordert indem sie z B Produkte aus fairem Handel bevorzugen Kritik geubt wird auch am Agrarprotektionismus der EU Gentechnik Novel Food und Lebensmittelbestrahlung werden abgelehnt 31 Die Giessener Ernahrungswissenschaftler haben fur ihre Ernahrungslehre sieben Grundsatze aufgestellt 32 Genussvolle und bekommliche Speisen Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel uberwiegend lakto vegetabile Kost Bevorzugung gering verarbeiteter Lebensmittel reichlich Frischkost Okologisch erzeugte Lebensmittel Regionale und saisonale Erzeugnisse Umweltvertraglich verpackte Produkte Fair gehandelte ProdukteVollwertige pflanzliche Ernahrung BearbeitenDie vollwertige pflanzliche Ernahrung beschreibt eine rein vegane Ernahrungsweise auf Basis von Vollkornprodukten Hulsenfruchte Gemuse Obst Nussen und Samen 33 Im Englischen wird sie als Whole Food Plant Based Diet bezeichnet 34 Literatur BearbeitenMax Otto Bruker Unsere Nahrung Unser Schicksal Alles uber Ursachen Verhutung und Heilbarkeit ernahrungsbedingter Zivilisationskrankheiten 31 Auflage emu Verlags und Vertriebsgesellschaft Ernahrung Medizin Umwelt Lahnstein 1999 ISBN 3 89189 003 6 Werner Kollath Die Ordnung unserer Nahrung 17 Auflage Karl F Haug Verlag Stuttgart 2005 Claus Leitzmann Die Giessener Konzeption der Vollwert Ernahrung In Zeitschrift fur Ernahrungsokologie 1 2000 S 195 199 Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 Uwe Spiekermann Der Naturwissenschaftler als Kulturwissenschaftler Das Beispiel Werner Kollaths In Gerhard Neumann Alois Wierlacher Rainer Wild Hrsg Essen und Lebensqualitat Natur und Kulturwissenschaften im Gesprach Frankfurt am Main New York 2001 S 247 274 Hans Jurgen Teuteberg Hrsg Die Revolution am Esstisch neue Studien zur Nahrungskultur im 19 20 Jahrhundert Steiner 2004 ISBN 3 515 08447 9 Karl von Koerber Thomas Mannle Claus Leitzmann Vollwert Ernahrung 11 uberarbeitete Auflage Haug Verlag 2012 ISBN 978 3 8304 7494 4 Weblinks BearbeitenGiessener Vollwert Studie I Hoffmann In UGB Forum Fachzeitschrift fur Gesundheitsforderung 1999 Giessener Formel aktualisiert In UGB Forum 20 5 S 256 2003 Stellungnahme der DGE zu gesundheitlichen Risiken von Vollkorn Memento vom 10 Februar 2013 im Webarchiv archive today 1 Marz 2002Einzelnachweise Bearbeiten Claus Leitzmann Markus Keller Andreas Hahn Anspruche der Vollwert Ernahrung als zeitgemasse Ernahrungsform In Alternative Ernahrungsformen 2 Auflage Georg Thieme 2005 ISBN 978 3 8304 5324 6 S 138 139 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Judith Baumgartner Ernahrungsreform In Kerbs Reulecke Hrsg Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880 1933 S 15 ff Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Steiner 2004 ISBN 978 3 515 08278 5 Zitate von Sebastian Kneipp Memento vom 4 September 2012 im Webarchiv archive today Sebastian Kneipp So sollt ihr leben Neu herausgegeben und bearbeitet von Christian Frey Munchen 1981 S 80 f Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 S 127 a b Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 S 183 ff Robert N Proctor Blitzkrieg gegen den Krebs Klett Cotta Stuttgart 2002 Orig 1999 ISBN 3 608 91031 X Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 S 138 Bernhard Watzl Claus Leitzmann Eine Kommentierung der ernahrungswissenschaftlichen Arbeiten von Werner Kollath In Werner Kollath Die Ordnung unserer Nahrung 17 Auflage Georg Thieme Verlag 2013 S 289 ff ISBN 978 3 8304 7801 0 Sabine Merta Die Mesotrophie und Vollwert Lehre Kollaths In Wege und Irrwege zum modernen Schlankheitskult Diatkost und Korperkultur als Suche nach neuen Lebensstilformen 1880 1930 Franz Steiner Verlag 2003 S 128ff ISBN 978 3 515 08109 2 Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 S 249 In Google books Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 S 311 Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 S 384 Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 S 392 ff Elisabeth Klumpp 20 Jahre UGB Vom Studententreff zur Institution UGB FORUM 5 2001 S 230 233 Werner Kollath Die Ordnung unserer Nahrung 13 Auflage 1987 Seite 32 ff Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 S 253 Werner Kollath Die Ordnung unserer Nahrung 17 unveranderte Auflage Georg Thieme Verlag 2005 S 49 Archivierte Kopie Memento vom 18 Marz 2016 im Internet Archive a b Tamas Nagy Vollwertkost Unverdauliche Wiederbelebungsversuche Memento vom 12 Februar 2013 im Webarchiv archive today Jeremy M Berg John L Tymoczko Lubert Stryer Biochemie 6 Auflage Spektrum Heidelberg 2007 ISBN 3 8274 1800 3 vgl Udo Pollmer Susanne Warmuth Lexikon der popularen Ernahrungsirrtumer 7 Auflage Piper Munchen Zurich 2007 ISBN 3 492 24023 2 S 325 ff Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 S 291 Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 S 298 Ernahrungsregeln der DGE Laura Merten Leichte Vollkost heisst jetzt Angepasste Vollkost 24 Januar 2020 abgerufen am 25 Februar 2021 deutsch Jorg Melzer Vollwerternahrung Diatetik Naturheilkunde Nationalsozialismus sozialer Anspruch Franz Steiner Verlag Stuttgart 2003 DNB 3515082786 S 313 f C Leitzmann K v Koerber Th Mannle Giessener Formel aktualisiert In UGB Forum 20 5 S 256 2003 Karl v Koerber Thomas Mannle Claus Leitzmann Vollwert Ernahrung Konzeption einer zeitgemassen Ernahrungsweise 10 Auflage Heidelberg Stuttgart 2004 S 190 ff Claus Leitzmann u a Alternative Ernahrungsformen Stuttgart 1999 Kapitel Vollwerternahrung S 150 180 Karl v Koerber Thomas Mannle Claus Leitzmann Vollwert Ernahrung Konzeption einer zeitgemassen Ernahrungsweise 10 Auflage Heidelberg Stuttgart 2004 S 110 ff Expertenseminar Vegane Vollwert Ernahrung UGB Gesundheitsberatung Abgerufen am 13 Februar 2022 Vgl Niko Rittenau Vegan Klischee ade Wissenschaftliche Antworten auf kritische Fragen zu veganer Ernahrung Ventil Verlag 2018 ISBN 978 3 95575 096 1 Eine vegane Ernahrung eine vollwertige pflanzliche Ernahrung Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4069483 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vollwerternahrung amp oldid 238671730