www.wikidata.de-de.nina.az
Die Diatetik von altgriechisch diaithtikh texnh diaitetikḗ techne Lehre von der Lebensweise in medizinischer Hinsicht zu altgriechisch diaita diaita Lebensart Lebensweise Lebensunterhalt Diat oder Diatologie von diaita diaita und logie ist ein Sammelbegriff der ursprunglich alle Massnahmen im Sinne einer geregelten Lebensweise umfasste die zur korperlichen als auch seelischen Gesunderhaltung oder Heilung beitragen Neben Medikamentengabe und Operation stellt die Diatetik seit jeher eine der drei Ansatze medizinischer Therapie dar 1 Die Bedeutung des Begriffes hat sich gewandelt Ursprunglich war die von der hippokratischen Medizin begrundete allgemeine Diatetik ein Lehre von der gesunden Lebensfuhrung 2 Heute beschreibt der Begriff die Versorgung und Beratung von Patienten hinsichtlich der Ernahrung als Teil der Behandlung einer Erkrankung oder zur Prophylaxe Im Gegensatz zur Ernahrungswissenschaft zeichnet sich die Fachdisziplin Diatetik in Osterreich Diatologie durch einen Anwendungsbezug aus Diatetik konnte demnach als angewandte Ernahrungswissenschaft bezeichnet werden Dies trifft aber nicht ganz zu da Diatetik einen Bezug zu vielen wissenschaftlichen Disziplinen hat wie z B der Medizin Ernahrungsmedizin Padagogik Psychologie und Soziologie Im Gegensatz zu den meisten Landern der Welt ist die Fachdisziplin Diatetik in Deutschland nicht universitar angesiedelt Der Verband der Diatassistenten Deutscher Bundesverband e V VDD setzt sich seit langerer Zeit fur die Akademisierung der Diatassistenten ein was die Etablierung der Diatetik an Fach Hochschulen voraussetzt Ohnedies ist Deutschland vom europaischen und internationalen Wissenstransfer im Bereich Diatetik ausgeschlossen da keine in der Diattherapie und Ernahrungsberatung tatige Berufsgruppe in Deutschland die gesetzlichen und formalen Voraussetzungen erfullt auf internationaler Ebene tatig zu sein Inhaltsverzeichnis 1 Ernahrungslehren 2 Geschichte der Diatetik 3 Ausbildung 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 AnmerkungenErnahrungslehren BearbeitenEs gibt keine allgemeinverbindliche Ernahrungslehre Ausser speziellen Diaten die fur bestimmte Krankheiten entwickelt werden zum Beispiel bei Diabetes mellitus oder Stoffwechselstorungen gibt es eine ganze Reihe von Ernahrungslehren die alle den Anspruch erheben zur Gesundheit beizutragen Krankheiten vorzubeugen oder sogar zu heilen Dazu gehoren auch alle Kostformen die als Dauerernahrung propagiert werden Die so genannte vollwertige Ernahrung im Sinne einer nahrstoffreichen Mischkost nicht zu verwechseln mit Vollwerternahrung die beispielsweise von der Deutschen Gesellschaft fur Ernahrung bevorzugt wird ist nur eine Variante Einige extreme Ernahrungslehren bzw formen sind zumindest bei dauerhafter Befolgung als gesundheitsschadlich einzustufen Bekannte ErnahrungslehrenEine Auswahl relativ bekannter Ernahrungslehren Vollwerternahrung Vegetarismus Veganismus Rohkost Makrobiotik Trennkost die Ernahrungslehre der traditionellen chinesischen Medizin TCM bekannt als chinesische Diatetik die Ernahrung nach den Funf Elementen im Westen entstanden angelehnt an die chinesische Diatetik nach den Grundsatzen der TCM die Ernahrungslehre nach Ayurveda die Ernahrungslehre der AnthroposophieGeschichte der Diatetik BearbeitenGrosse Bedeutung hatte das Thema der Ernahrung und die Erforschung von Unvertraglichkeiten bereits in der altindischen Medizin Diatetik als Begriff fur ein umfassendes Salutogenese Konzept geht auf die hippokratische Tradition zuruck Deren Autoren forderten neben einer guten Ernahrung auch korperliche Betatigung und ein geregeltes Leben Die Texte regten auch mit praktischen Tipps zu Sport Baden Schlaf und sexueller Aktivitat an Gemass Aulus Cornelius Celsus gestorben um 50 n Chr war die Diatetik Regelung der Lebensweise mit der Pharmakotherapie und der Chirurgie eines der drei Teile der antiken 3 Medizin Auch Diokles von Karystos 4 beschaftigte sich im 4 Jahrhundert v Chr mit diatetischen Fragen Der hippokratische Ansatz wird in der romischen Kaiserzeit von Galenos im 2 Jahrhundert wieder aufgegriffen und weiterentwickelt Er legte die Grundlage fur die sex res non naturales sechs nicht naturliche Dinge Gemeint sind die von dem sich unter anderem auf Galen stutzenden Christen Johannitius entworfenen sechs modi bzw Grundgegebenheiten der sechs wesentlichen Lebensbereiche wobei non naturalis im Sinne von nicht konstitionell ubersetzbar ist mit konditionell bzw dispositional 5 auf deren Balance man nach dem Konzept der Humoralpathologie zu achten habe um ein ausgewogenes Mischungsverhaltnis der Korpersafte zu erhalten Licht und Luft aer bzw Umgebung Speise und Trank cibus et potus Bewegung Arbeit und Ruhe motus et quies bzw exercitium Schlaf en und Wachen Wachsein somnus et vigilia Absonderungen und Ausscheidungen secreta et excreta bzw Aufnahme und Ausscheidung Fullung und Entleerung repletio et evacuatio oder repletio et inanitio Anregung des Gemuts Gemutsbewegungen affectus animi bzw accidentia animae 6 7 8 9 Galens Nachruhm fuhrte dazu dass die Vorschriften zur Lebensfuhrung etwa in Form des Regimen sanitatis im Mittelalter 10 uber diatetische Vorschriften 11 in Mondkalendern 12 13 14 bzw Monatskalendarien 15 und uber populare Gesundheitshandbucher weite Verbreitung so etwa auch in der Kochbuchliteratur 16 erfuhren Entsprechend dem hippokratischen Vorbild bezeichnete man eine den griechischen Arzt Hippokrates zu Beginn nennende mittelalterliche Monatsdiatetik Ipocras mit Ernahrungsvorschriften fur die einzelnen Monate aber auch weiteren Anweisungen zur Gesundheitsvorsorge 17 18 Im Jahr 1315 verfasste der spanische Arzt Peter Fagarola Gesundheitsregeln betreffend Ernahrung Schlaf Wohnung Luft Kleidung korperliche Bewegung inklusive Gymnastik fur seine studierenden Sohne 19 Auch arabischsprachige Mediziner des Mittelalters knupften an die antike Diatetik an und die sex res non naturales wurden in vielen heilkundlichen Schriften des islamischen Kulturkreises strukturbildend So bei Rhazes im Liber regius ad Almansorum Haly Abbas in der Pantechne und bei Avenzoar 20 Im 15 und 16 Jahrhundert entwickelte sich unter Einfluss des Humanismus eine Gelehrtendiatetik als neuer Zweig der diatetischen Literatur beispielsweise bei Gianmatteo Ferrari da Gradi Giovanni Matteo Ferrari da Grado 21 Marsilio Ficino und Johann Ulrich Surgant sowie Robertus Geopretius Jacobus Sylvius Guilielmus Gratarolus Conrad Gesner Hieronymus Cardanus Thomas Cogan Gregor Horst und Simon Gunther 22 Auch in der Renaissance erschienen gehauft Ratgeber die sich ausgehend von den sechs nicht naturlichen Dingen mit gesunder Lebensfuhrung befassten Andrew Boorde Compendyous Regyment or a Dyetary of Healthe Umfangreiches Regimen oder Gesunde Lebensfuhrung 1547 u a mit Vorschriften zu Hausbau Haushaltsfuhrung Ernahrung und Bewegung Andre du Laurens Diskurs uber den Erhalt der Sehkraft uber melancholische Krankheiten uber Rheuma und uber das Alter 1597 u a mit der These der Alterungsprozess werde durch korperliche und geistige Faktoren z B Mussiggang beschleunigt John Harington The Englishman s Doctor 1608 eine Ubersetzung des Regimen sanitatis Salernitatum mit guten Ratschlagen und dem Tipp sich an Doktor Ruhe Doktor Frohlich und Doktor Diat zu halten Luigi Cornaro Discorsi della vita sobria Vom massigen Leben und der Kunst ein hohes Alter zu erreichen zusammengesetzt aus dem eigentlichen trattato einem compendio einer esortazione und einer lettera an Daniel Barbaro 1558 1565 mit dem Rat den begrenzten Vorrat an Lebensgeist im Korper zu schonen durch massvolles Leben mit korperlicher und geistiger Betatigung 23 sowie Diat im engeren Sinne Um die Wende vom 18 zum 19 Jahrhundert vor dem Hintergrund der Aufklarung und absolutistischer Gesundheitspolitik erlebte die Lehre von gesunder Lebensweise das nachste Hoch Vor allem mit Ernahrungsfragen befasste man sich intensiv Beruhmte Veroffentlichungen waren Die Kunst das menschliche Leben zu verlangern 1797 von Christoph Wilhelm Hufeland 1762 1836 welches einen hohen Verbreitungsgrad genoss Hufeland fuhrte darin den Begriff Makrobiotik ein und gab sogar sein Werk spater unter dem Titel Makrobiotik neu heraus Er verstand darunter allerdings etwas anderes als die heute als Makrobiotik bekannte Ernahrungslehre nach Georges Ohsawa 1893 1966 Versuch einer Lebenserhaltungskunde 1803 von Georg August Bertele 1767 1818 das vor allem von Luft und Nahrungsmitteln als lebenserhaltenden Mitteln spricht Gesundheits Katechismus zum Gebrauche in den Schulen und beym hauslichen Unterrichte 1794 von Bernhard Christoph Faust 1755 1842 welcher eine sechsstellige Auflage erreichte und in zahlreiche Sprachen ubersetzt wurde Philipp Karl Hartmann Gluckseligkeitslehre fur das physische Leben des Menschen 1808 diverse Neuauflagen 1874 erschien eine Bearbeitung durch Moritz Schreber Digitalisat Ausbildung BearbeitenIn Osterreich wurde im Jahr 2006 der erste akademische Studiengang Diatologie an der FH Joanneum in Bad Gleichenberg eingefuhrt An der Campus Hochschule Wien ist ein Studium zum Bachelor der Diatik moglich In Deutschland sind die staatlich anerkannten Diatassistenten die einzige Berufsgruppe die durch eine staatlich anerkannte Ausbildung fur den Arbeitsbereich Diatetik und Ernahrung qualifiziert wird Bei den Diatassistenten handelt es sich um einen bundesrechtlich geregelten Heilberuf in Deutschland Die Diatassistenten werden durch den Verband der Diatassistenten Deutscher Bundesverband e V VDD berufspolitisch vertreten Auf europaischer Ebene vertritt die European Federation of the Associations of Dietitians EFAD die Dietitians englisch fur Diatassistent in Deutschland Diatologe in Osterreich und Diplom Ernahrungsberater SRK in der Schweiz die Berufsgruppe der Mitgliedslander Siehe auch BearbeitenHygiene ArbeitsmedizinLiteratur BearbeitenSven David Muller Praxis der Diatetik und Ernahrungsberatung 2 Auflage Stuttgart 2007 Werner Friedrich Kummel Der Homo litteratus und die Kunst gesund zu leben Zur Entwicklung eines Zweiges der Diatetik im Humanismus In Rudolf Schmitz Gundolf Keil Hrsg Humanismus und Medizin Acta humaniora Weinheim an der Bergstrasse 1984 Deutsche Forschungsgemeinschaft Mitteilungen der Kommission fur Humanismusforschung Band 11 S 67 85 Georg Harig Jutta Kollesch Gesellschaftliche Aspekte der antiken Diatetik In NTM Schriftenreihe fur Geschichte der Naturwissenschaften Technik und Medizin Band 8 1971 Heft 2 S 14 23 Heinrich Schipperges Diatetik fur den homo litteratus Ein historischer Beitrag zur Gesundheit der Gelehrten In Semper attentus Beitrage fur Heinz Gotze zum 8 August 1977 Berlin Heidelberg New York 1977 S 308 316 Weblinks BearbeitenErnahrungs Informations System der Uni Hohenheim Zur Geschichte der DiatetikAnmerkungen Bearbeiten Dietrich von Engelhardt Diatetik In Werner E Gerabek Bernhard D Haage Gundolf Keil Wolfgang Wegner Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte De Gruyter Berlin New York 2005 ISBN 3 11 015714 4 S 299 303 hier S 299 Werner Friedrich Kummel Der Homo litteratus und die Kunst gesund zu leben Zur Entwicklung eines Zweiges der Diatetik im Humanismus In Rudolf Schmitz Gundolf Keil Hrsg Humanismus und Medizin Acta humaniora Weinheim an der Bergstrasse 1984 Deutsche Forschungsgemeinschaft Mitteilungen der Kommission fur Humanismusforschung Band 11 S 67 85 hier S 67 Vgl auch Ludwig Edelstein Antike Diatetik In Die Antike Band 7 1931 S 255 270 auch in Medizinhistorisches Journal Band 1 1966 S 162 174 Jutta Kollesch Diethard Nickel Antike Heilkunst Ausgewahlte Texte aus dem medizinischen Schrifttum der Griechen und Romer Philipp Reclam jun Leipzig 1979 Reclams Universal Bibliothek Band 771 6 Auflage ebenda 1989 ISBN 3 379 00411 1 S 36 f 41 und 150 157 Gundolf Keil Vegetarisch In Medizinhistorische Mitteilungen Zeitschrift fur Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung Band 34 2015 2016 S 29 68 hier S 32 33 Heinrich Schipperges Der Garten der Gesundheit Medizin im Mittelalter Artemis Verlag Munchen 1985 ISBN 3 7608 1911 7 S 251 270 Wolfram Schmitt Theorie der Gesundheit und Regimen sanitatis im Mittelalter Habilitationsschrift Heidelberg 1973 S 10 29 Wolfram Schmitt Res non naturales In Lexikon des Mittelalters Band 7 1995 Sp 751 f Gundolf Keil regimen sanitatis rates leben Gesundheitsregeln des Mittelalters In Ria Jansen Sieben Frank Daelemans Hrsg Voeding en geneeskunde Alimentation et medecine Acten van het colloquium Brussel 1990 Brussel 1993 Archief en bibliotheekwezen in Belgie Extranummer 41 S 95 124 Ortrun Riha Fruhmittelalterliche Monatsdiatetik Anmerkungen zu einem komplexen Thema In Wurzburger medizinhistorische Mitteilungen Band 5 1987 S 371 379 Ortrun Riha Die diatetischen Vorschriften der mittelalterlichen Monatsregeln In Licht der Natur Medizin in Fachliteratur und Dichtung Festschrift fur Gundolf Keil zum 60 Geburtstag Kummerle Goppingen 1994 Goppinger Arbeiten zur Germanistik 585 ISBN 3 87452 829 4 S 339 364 Rainer Reiche Einige lateinische Monatsdiatetiken aus Wiener und St Galler Handschriften In Sudhoffs Archiv Band 57 1973 S 113 141 Gundolf Keil Die Grazer fruhmittelhochdeutschen Monatsregeln und ihre Quelle In Gundolf Keil Rainer Rudolf Wolfram Schmitt Hans Josef Vermeer Hrsg Fachliteratur des Mittelalters Festschrift Gerhard Eis Metzler Stuttgart 1968 S 131 146 Vgl auch Gerhard Eis Meister Alexanders Monatsregeln In Lychnos Band 19 Upsala 1950 S 104 136 Ortrun Riha Fruhmittelalterliche Monatsdiatetik Anmerkungen zu einem komplexen Thema In Wurzburger medizinhistorische Mitteilungen Band 5 1987 S 371 379 hier S 372 f Trude Ehlert Wissensvermittlung in deutschsprachiger Fachliteratur des Mittelalters oder Wie kam die Diatetik in die Kochbucher In Wurzburger medizinhistorische Mitteilungen Band 8 1990 S 137 159 Wolfgang Hirth Ipocras In Verfasserlexikon 2 Auflage Band 4 Sp 415 417 Gundolf Keil Ipocras auch Ypocras Hippokrates In Werner E Gerabek u a Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte 2005 S 680 681 Werner Friedrich Kummel Der Homo litteratus und die Kunst gesund zu leben Zur Entwicklung eines Zweiges der Diatetik im Humanismus In Humanismus und Medizin Hrsg von Rudolf Schmitz und Gundolf Keil Weinheim an der Bergstrasse 1984 Deutsche Forschungsgemeinschaft Mitteilungen der Kommission fur Humanismusforschung Band 11 S 67 85 hier S 73 Ausfuhrlicher Lynn Thorndike Advice from a Physician to his Sons In Speculum Band 6 1931 S 110 114 Ortrun Riha Mittelalterliche Heilkunst Das Arzneibuch Ortolfs von Baierland um 1300 Deutscher Wissenschafts Verlag Baden Baden 2014 ISBN 978 3 86888 071 7 S 18 Maria Muccillo Dizionario Biografico degli Italiani Band 46 1996 Werner Friedrich Kummel Der Homo litteratus und die Kunst gesund zu leben Zur Entwicklung eines Zweiges der Diatetik im Humanismus 1984 S 73 85 Vgl auch Werner Friedrich Kummel Der Homo litteratus und die Kunst gesund zu leben Zur Entwicklung eines Zweiges der Diatetik im Humanismus In Humanismus und Medizin Hrsg von Rudolf Schmitz und Gundolf Keil Weinheim an der Bergstrasse 1984 Deutsche Forschungsgemeinschaft Mitteilungen der Kommission fur Humanismusforschung Band 11 S 67 85 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Diatetik amp oldid 232404801