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Als Vergeltungswaffen oder kurz V Waffen bezeichnete man in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland insbesondere den Marschflugkorper Fieseler Fi 103 V1 die Rakete Aggregat 4 V2 und die Kanone V3 Im Einsatz wurden diese Waffensysteme gegen grossflachige zivile Ziele abgefeuert insbesondere im Raum London sowie in Belgien Vergeltungswaffe V1 Fi 103 Vergeltungswaffe V2Im Kohnsteintunnel entdeckten Angehorige der US Army am 3 Juli 1945 etwa 250 V2 Raketen Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Nachrichtendienstliche Bedeutung 3 Literatur 4 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenMit den Vergeltungswaffen wollte man aus deutscher Sicht Vergeltung fur die Zerstorung deutscher Stadte durch englische und amerikanische Bombergeschwader uben Wie bei diesen alliierten Luftangriffen wurden auch beim Einsatz der V Waffen Opfer unter der Zivilbevolkerung bewusst in Kauf genommen In der Endphase des Krieges wurden V Waffen vornehmlich fur Angriffe auf Antwerpen und Luttich verwendet um den Nachschub der alliierten Truppen an der Westfront zu storen 1 Weitere V Waffen waren unter anderem V4 Reichenberg Gerat bemannte Version der V1 Amerikarakete V2 Variante Kombination aus Aggregat 9 und Aggregat 10 nicht gebaut Hochdruckpumpe Kanone V3 ein Mehrkammer Geschutz mit multiplen TreibladungenDie V Waffen sollten als Wunderwaffen eine entscheidende Wende im Zweiten Weltkrieg erzwingen doch war ihre militarisch strategische Wirkung aufgrund fehlender Zielgenauigkeit sehr gering Zwar steckten insbesondere hinter der V1 erster Marschflugkorper und der V2 erste Grossrakete zukunftsweisende Ideen jedoch stand deren Entwicklung noch ganz am Anfang und somit waren sie fur den militarischen Gebrauch ungeeignet Hinzu kamen die alliierten Gegenmassnahmen der Operation Crossbow die sich gegen samtliche Bereiche der V Waffen Herstellung des Transports und des Einsatzes richtete Die psychologischen Wirkungen gefordert durch NS Propaganda waren enorm Bei der deutschen Bevolkerung wurde der Glaube an einen moglichen Endsieg gestarkt ebenso in England und Belgien den Hauptzielen der V Waffen der Glaube an die Notwendigkeit eines Sieges uber das NS Regime Nachrichtendienstliche Bedeutung BearbeitenDie Vergeltungswaffen waren von grossem Interesse fur deutsche und alliierte Geheimdienste Trotz der sehr verschiedenen Hintergrunde in Entwicklung und Produktion wurden insbesondere V1 und V2 von beiden Seiten in weiten Teilen parallel behandelt In britischen Geheimdienstkreisen wurde die Moglichkeit eines Einsatzes weitreichender deutsche Raketen spatestens im Oktober 1939 behandelt auch wegen eigener Versuche in diese Richtung in den Jahren zuvor Erste konkrete Hinweise gab im November 1939 der Oslo Report der vor allem den Entwicklungsstandort Peenemunde korrekt angab Allerdings schenkten britische Aufklarungsstellen dem Dokument wenig Glauben Ahnlich wurden abgehorte Gesprache deutscher Kriegsgefangenen kaum beachtet in denen sowohl von Gleitbomben als auch von Raketen die Rede war Hintergrund fur diese Haltung durfte die Konzentration auf die konventionelle Luftkriegsfuhrung und deren nachrichtendienstliche Behandlung wahrend der Luftschlacht um England gewesen sein 2 Beginnend mit dem Dezember 1942 steigerte sich der auf britischer Seite eingehende Informationsfluss sowohl durch Agenten und Informanten im Reichsgebiet als auch durch abgehorte und bespitzelte Kriegsgefangene Daraufhin vorgenommene Aufklarungsfluge uber Peenemunde brachten zunachst jedoch keine Erkenntnisse Entscheidend dafur dass die Briten die Bedrohung durch die V Waffen ernst nahmen durfte ein belauschtes Gesprach zwischen den gefangenen Generalen Wilhelm von Thoma und Ludwig Cruwell sowie Kapitanleutnant Hans Diedrich von Tiesenhausen am 22 Marz 1943 gewesen sein Insbesondere von Thoma wurde von den Briten als hochintelligent und gut informiert eingeschatzt 3 Daraufhin setzte sich vor allem der Geheimdienstoffizier Reginald Victor Jones fur eine gezielte Nachforschung nach den V Waffen ein Parallel legte der Vizechef des Imperialen Generalstabs Archibald Edward Nye dem Gremium einen Bericht vor der erstmals alle Erkenntnisse uber die V Waffen bundelte Auf diesem Weg wurde auch Winston Churchill daruber informiert Dieser beauftragte im April 1943 Duncan Sandys mit der gezielten Auswertung von Erkenntnissen uber die gegnerischen Langstreckenwaffen und dem Entwurf von Gegenmassnahmen 4 In den folgenden Monaten richteten die britischen Nachrichtendienste alle Formen der Informationsbeschaffung starker auf die V Waffen aus und bewerteten vorhandenes Material unter diesem Gesichtspunkt neu Am 29 Juni 1943 legte Sandys dem britischen Verteidigungskomitee einen Bericht vor der insbesondere Teile des V2 Programms korrekt darstellte aber auch einige falsche und ubertriebene Angaben enthielt und die V1 nur am Rande behandelte Zwar vermuteten einige Mitglieder des Komitees einen deutschen Tauschungsversuch nach einer energischen Debatte beschloss das Gremium schliesslich Peenemunde bombardieren zu lassen In der Nacht zum 18 August 1943 wurde dies als Operation Hydra umgesetzt 5 Ebenfalls im Sommer 1943 begannen Vorbereitungen den innenpolitischen Umgang mit moglichen Einschlagen deutscher Langstreckenwaffen Dabei wurden die moglichen Folgen eines Beschusses weitaus hoher eingeschatzt als sie sich spater darstellten Erwartet wurden jeweils bis zu 100 000 Tote und Schwerverletzte innerhalb eines Monats Ein Komitee unter der Leitung von Samuel Findlater Stewart entwarf Vorschlage zu einer Verminderung der psychologischen Wirkung und der gegnerischen Fahigkeit zur Bewertung seines Waffenerfolgs So sollte der Presse fur 48 Stunden eine Berichterstattung uber Einschlage untersagt werden Nach dem Beginn des Beschusses mit V1 Mitte 1944 wurde diese Informationssperre jedoch zunachst unbegrenzt ausgeweitet und festgelegt dass auch nach dem Ende dieser Sperre keine exakten Angaben uber Einschlagsorte und Opferzahlen offentlich werden sollten Nach dem Beginn des V2 Beschusses im September 1944 wurde die Nachrichtensperre dann fur rund zwei Monate eingehalten 6 Im September 1943 gewannen die Briten ein klareres Bild der technischen Unterschiede von V1 und V2 Daraufhin ging die Behandlung der V1 an der Luftfahrtministerium uber wahrend Sandys sich weiter mit der V2 befasste und dazu eine Gruppe aus Wissenschaftler zur Verfugung gestellt bekam 7 Parallel erarbeiteten sich die Briten einen zunehmend besseren Informationsstand uber die deutschen Langstreckenwaffen der schnell in Operationen umgesetzt wurde So erfolgten am 27 August und am 7 September 1943 erste Luftangriffe auf die geplante V2 Startrampe Blockhaus d Eperlecques Auch die Strukturen des V1 Programms wurden immer besser bekannt so dass inzwischen auch die Funkaufklarung von damit betreuten Truppenteilen Ergebnisse erbrachte Im November 1943 wurde Sandys von seinen Aufgaben abgelost und seine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Norman Bottomley dem Joint Intelligence Committee unterstellt wo sie die Grundlage fur die Operation Crossbow bildete Auch Crossbow wurde von umfangreichen nachrichtendienstlichen Aktivitaten begleitet Eine besondere Rolle spielten dabei Informanten und Agenten sowohl in den Reihen der Deutschen als auch in der belgischen und franzosischen Zivilbevolkerung sowie die Auswertung von Luftbildern Die Bekampfung von Abschussanlagen und Munitionslagern erhielt einen grosseren Stellenwert aber auch Produktionsorte der V Waffen wurden weiter angegriffen 8 Von Fruhjahr 1944 an und insbesondere mit dem im Juni des Jahres beginnenden Beschuss stand die V1 im Brennpunkt des alliierten Aufklarungsinteresses Parallel verbesserte sich aber auch der Informationsstand zur V2 9 Den geheimdienstlichen Schutz der Abschusseinrichtungen in Nordfrankreich also die Gegenspionage bezuglich Agenten der Alliierten ubernahm 1943 die Abwehrstelle Arras Seit Oktober war diese Abwehrstelle auch im Bergischen Land in der Eifel in Westfalen und in den Niederlanden tatig 10 Nach dem Beginn des V2 Einsatzes gelang die britische Informationssperre nur teilweise Mundlich weitergetragene Berichte machten schnell die Runde in London und in der US amerikanischen Presse erschien drei Tage nach dem Einschlag der ersten V2 eine entsprechende Meldung 11 Der Begriff V2 war indes in der britischen Presse bereits seit dem Sommer 1944 gelaufig und auch die Einordnung als Raketenwaffe Nachdem das Oberkommando der Wehrmacht am 8 November den Einsatz der V2 bekanntgegeben hatte und die Diskussion daruber in der Presse zunahm raumte Churchill in einer Parlamentsansprache am 10 Dezember erstmals den Beschuss ein 12 Die Operation Overcast die gezielte Erbeutung deutscher Technik und technischer Unterlagen sowie die gezielte Gefangennahme deutscher Techniker und Ingenieure richtete sich unter anderem auf die V Waffen Die Geheimhaltung der Operation und der gefundenen Dokumente sowie der Nimbus der V Waffen im Verlauf des Krieges fuhrten zu langjahrigen Spekulationen uber den Stand der Technik Literatur BearbeitenHorst Boog Strategischer Luftkrieg in Europa und Reichsluftverteidigung 1943 1945 in Das Deutsche Reich in der Defensive Strategischer Luftkrieg in Europa Krieg im Westen und in Ostasien 1943 1944 45 Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg 7 Stuttgart Munchen 2001 S 3 418 Franz Josef Burghardt Spione der Vergeltung Die deutsche Abwehr in Nordfrankreich und die geheimdienstliche Sicherung der Abschussgebiete fur V Waffen im Zweiten Weltkrieg Eine sozialbiografische Studie Schonau 2018 ISBN 978 3 947009 02 2 Heinz Dieter Holsken Die V Waffen Entstehung Propaganda Kriegseinsatz Stuttgart Deutsche Verlags Anstalt 1984 Schriftenreihe Studien zur Zeitgeschichte hrsg vom Institut fur Zeitgeschichte Munchen ISBN 3 421 06197 1 Einzelnachweise Bearbeiten Ausfuhrlich dazu Boog Strategischer Luftkrieg Falko Bell Britische Feindaufklarung im Zweiten Weltkrieg Ferdinand Schoningh Paderborn 2016 S 202f Falko Bell Britische Feindaufklarung im Zweiten Weltkrieg Ferdinand Schoningh Paderborn 2016 S 204 209 Falko Bell Britische Feindaufklarung im Zweiten Weltkrieg Ferdinand Schoningh Paderborn 2016 S 210 212 Falko Bell Britische Feindaufklarung im Zweiten Weltkrieg Ferdinand Schoningh Paderborn 2016 S 218f Charlie Hall Flying Gas Mains Rumour Secrecy and Morale during the V 2 Bombardment of Britain In Twentieth Century British History Volume 33 Issue 1 Oxford University Press Marz 2022 S 59 f Falko Bell Britische Feindaufklarung im Zweiten Weltkrieg Ferdinand Schoningh Paderborn 2016 S 225 Falko Bell Britische Feindaufklarung im Zweiten Weltkrieg Ferdinand Schoningh Paderborn 2016 S 226ff Falko Bell Britische Feindaufklarung im Zweiten Weltkrieg Ferdinand Schoningh Paderborn 2016 S 237 240 Burghardt Spione der Vergeltung Charlie Hall Flying Gas Mains Rumour Secrecy and Morale during the V 2 Bombardment of Britain In Twentieth Century British History Volume 33 Issue 1 Oxford University Press Marz 2022 S 61 Charlie Hall Flying Gas Mains Rumour Secrecy and Morale during the V 2 Bombardment of Britain In Twentieth Century British History Volume 33 Issue 1 Oxford University Press Marz 2022 S 68 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vergeltungswaffe amp oldid 236648569