www.wikidata.de-de.nina.az
Die Stammesschule osmanisch مكتب عشيرت همايون IA Mekteb i ʿAsiret i Humayun deutsch Grossherrliche Stammesschule war eine osmanische Schule die am 21 September 1892 von Sultan Abdulhamid II in Istanbul gegrundet wurde Ihr Ziel war die Sohne von Stammesfuhrern enger an den Osmanischen Staat zu binden 1 da dieser in seinem Fortbestand gefahrdet war Anfangs wurden nur Sohne arabischer Stamme zur Schule zugelassen Spater kamen noch kurdische und albanische Stammeskinder hinzu 2 Das Schulgebaude Foto von 1892 oder 1893Die Schule kann auch als Versuch gesehen werden den Schulern und damit den Bewohnern der arabischen und anatolischen Provinzen am Rande des Osmanischen Reiches staatlich sanktionierte ubernationale Identitaten gemass den Ideen des Osmanismus und des Panislamismus nahezubringen 3 Inhaltsverzeichnis 1 Der osmanische Staat und die Stamme 2 Grundung der Schule 3 Lehrplan 4 Schulalltag 5 Werdegang nach Abschluss der Schule 6 Schliessung der Schule 7 Einzelnachweise und Anmerkungen 8 Quellen 9 LiteraturDer osmanische Staat und die Stamme BearbeitenNomadisierende Stamme konnten von den Steuerbehorden des Reiches kaum erfasst werden Sie waren bewaffnet gehorchten dem Stammesrecht veranstalteten Razzien in Dorfern und Ortschaften und waren damit ein standiger Unruheherd Die Regierung versuchte die Loyalitat der Stammesfuhrer durch ihre Ausbildung in der Hauptstadt Istanbul zu fordern 4 1886 wurden 48 Schuler aus entfernten Provinzen wie den Hedschas Jemen und Tripolitanien nach Istanbul entsandt und an der Offiziersschule Harbiye ausgebildet Bevor diese in ihre Heimat zuruckkehrten wurden sie vom Sultan personlich empfangen und mit dem Titel eines Adjutanten des Sultans ausgezeichnet Yaver i fahri 5 In den 1890er Jahren wurden Stammesfuhrer nach Istanbul eingeladen mit der Absicht sie durch die Vergabe von Titeln zur Sesshaftigkeit zu bewegen Dies gelang erstmals bei dem Stammesfuhrer der Ruwala Scheich Sattam al Shaʿlan der den Rang eines Paschas und den Medjidie Orden zweiter Klasse verliehen bekam Mehrere andere Fuhrer von nomadischen Stammen baten daraufhin ebenfalls um eine Audienz beim Sultan 6 Mit der Grundung einer Stammesschule im Jahr 1892 sollte die Loyalitat der Stamme gefestigt werden 6 Grundung der Schule Bearbeiten nbsp Sultan Abdulhamid II nbsp Schuler der Stammesschule Gruppenfoto von 1892 oder 1893Sultan Abdulhamid II der grosses Interesse an der Schule hatte gab die Anweisungen zur Grundung und war Ehrendirektor und Stifter Am 6 Juli 1892 beauftragte der Grosswesir das Bildungsministerium die Vorbereitungen zu treffen Die Schule sollte symboltrachtig am Geburtstag des Propheten Mohammed am 4 Oktober 1892 Osmanischer Kalender 12 Rabiʿ al awwal 1310 eroffnet werden Es wurden eine Schulordnung Nizamname und ein Lehrplan aufgestellt sowie Lehrer ernannt Das Nizamname wurde Ende Juli von der Ministerversammlung verabschiedet 7 Die Provinzgouverneure erhielten Anweisung nach geeigneten Schulern zu suchen Als Schulgebaude sollte der ungenutzte Esma Sultan Konagi dienen der im Stadtteil Kabatas lag 8 Die Unterkunfte der Schuler sollten in funf Gebauden im Stadtteil Besiktas eingerichtet werden Die Schule wurde von einem Direktor Mudir mit einem Sekretar Katip geleitet Fur die Ernennung oder Entlassung von Angestellten fur Lehrbucher und Lehrplan war das Bildungsministeriums zustandig im Hintergrund entschied jedoch der Sultan Im ersten Jahr sollten 50 Schuler im Alter zwischen 12 und 16 und in den folgenden Jahren jeweils 40 weitere aufgenommen werden Die Kosten fur Unterkunft und Verpflegung wurden von der Regierung ubernommen Ausserdem erhielt jeder Schuler monatlich 30 osmanische Kurus Nach Artikel 4 der Nizamname sollten nur die Sohne der angesehensten Stamme ausgewahlt werden Doch bis einen Monat vor Eroffnung der Schule waren lediglich 20 Schuler nach Istanbul geschickt worden Insgesamt waren es weniger als die angestrebten 50 Die Schuler wurden mit Dampfschiffen nach Istanbul gebracht wo die meisten zum ersten Mal eine Grossstadt sahen Der Eindruck und die Prasentation der modernen Zivilisation waren geplant um den Schulern die Bedeutung des Reiches und des Zentrums zu verdeutlichen Die Eroffnungsansprache hielt am 4 Oktober der Bildungsminister auf Arabisch Er betonte in seiner Rede den Kontrast zwischen der naturlichen Welt aus der die Schuler kamen und der zivilisierten Welt in der sie sich nun befanden 9 Jeder Schuler wurde anschliessend von den Hoffotografen Abdullah Freres in traditioneller Kleidung fotografiert Als Kontrast dazu wurde ein Gruppenfoto aufgenommen auf dem die Schuler die Schuluniform und einen Fes als Kopfbedeckung trugen Diese Fotos liess der Sultan als Werbung fur seine Politik an europaische und amerikanische Bibliotheken verschicken 10 Lehrplan BearbeitenDie Ausbildung dauerte funf Jahre und umfasste Facher wie Islamische Wissenschaften Turkische Orthografie Kalligrafie und Franzosisch In diesem Zeitraum wurde der Lehrstoff von sieben Jahren der staatlichen Mittel und Hochschule der Rusdiye und der Iʿdadiye komprimiert behandelt Die Schuler lernten klassisches Arabisch und Osmanisch bzw Turkisch und erhielten drei Jahre Franzosisch und zwei Jahre Persischunterricht Um sie auf ihre spatere Laufbahnen und Berufe vorzubereiten umfasste der Lehrplan im letzten Jahr auch Technikunterricht 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4 Jahr 5 JahrKoran Koran Koran Koran Koran Arabisches Alphabet Koranrezitation Koranrezitation Koranrezitation KoranrezitationIslamische Wissenschaften ulum i diniye Islamische Wissenschaften Islamische Wissenschaften Islamische Wissenschaften Islamische WissenschaftenTurkische Orthografie Turkische Orthografie Turkische Orthografie Turkische Orthografie Turkische OrthografieKorperertuchtigung taʿlim Korperertuchtigung Korperertuchtigung Korperertuchtigung KorperertuchtigungTurkische Texte Turkische Texte Turkische Texte Persisch PersischKatechismus ilmihal Kalligrafie Kalligrafie Kalligrafie KalligrafieSprache und Lexikologie Sprache und Lexikologie Sprache und Lexikologie Arabische SyntaxArithmetik Arithmetik Arithmetik ArithmetikGeschichten uber die Propheten Islamische Geschichte Osmanische GeschichteTurkische Grammatik Turkische Syntax Osmanische GrammatikGeographie Geographie GeographieFranzosisch Franzosisch FranzosischFranzosische Kalligrafie Franzosische Kalligrafie Franzosische KalligrafieArabische Grammatik Konversation auf TurkischZeichnen ZeichnenSchreiben des Turkischen Schreiben und Lesen des TurkischenVerschiedenes VerschiedenesMaschinenbauErste HilfeGrundlagen der BuchfuhrungSchrittubungen ayak taʿlimi Quelle Salname i Nezaret i Maarif i Umumiye 1316 S 296 11 Schulalltag Bearbeiten nbsp Schuler der Stammesschule Foto von 1892 oder 1893Die Prufungen am Ende jedes Schuljahres dauerten vier Wochen und wurden von zwei oder drei Prufern pro Fach durchgefuhrt 12 Es gab maximal zehn Punkte wobei vier Punkte zum Bestehen notig waren Schuler mit mehr als 90 der moglichen Punkte bekamen ein Aliyulʿ aʿla علی الاعلا sehr gut mit mehr als 80 ein Aʿla علی gut und mit mehr als 60 ein Karib i aʿla قریب علی beinahe gut Schuler mit Punktzahlen zwischen 40 und 60 erhielten ein Zayif ضعيف schwach und unter 40 ein Fena فنا ungenugend In den Prufungen vom August 1894 fielen vier von 23 Schulern durch Die hochste Durchfallquote gab es im Fach Osmanische Orthografie Bis auf wenige Ausnahmen erreichten die Schuler mehr als 60 der Punkte Die Schuler mussten drei Hefte fuhren die regelmassig von den Lehrern kontrolliert wurden Eines der Hefte enthielt taglichen Notizen In ein anderes wurde am Ende der Woche eine Zusammenfassung des Unterrichtes einer Woche eingetragen Dieses Heft diente dem Direktor zur Beurteilung der Schuler Ein drittes Heft beinhaltete die wochentlichen Ereignisse Fehler durften nicht retuschiert sondern mussten durchgestrichen werden Das korrekte Wort wurde daruber geschrieben 13 Auch Briefe an die Familien wurden von den Lehrern kontrolliert korrigiert und dem Direktor vorgelegt 14 Der Schuleralltag war streng Die Gebaude waren mangelhaft beheizt und viele Schuler wurden krank Kleidung und Essen waren unzureichend Den ersten Winter mussten die Schuler wegen der schlechten Heizung in den Unterkunften der Hofmusikergruppe verbringen Die Klassen trafen sich nach Unterrichtsende und dem Essen mit dem Direktor zum gemeinsamen Gebet um ihre Dankbarkeit gegenuber Gott seinem Propheten und dem Sultan auszudrucken Der Kontakt zur Aussenwelt wurde strikt kontrolliert Auf dem Weg von ihren Unterkunften zum Schulgebaude wurden die Schuler von Schulangestellten begleitet Freitags wurde eine Moschee zum Freitagsgebet aufgesucht Besuche von aussen waren grundsatzlich verboten Wegen diese Gangelung kam es manchmal zu Unruhen und zu Fehlverhalten yaramazlik Im Ganzen schien es dass die Schuler eher dem ursprunglichen Ziel entfremdet wurden statt sie mehr an das Osmanische Reich zu binden Werdegang nach Abschluss der Schule BearbeitenWenn ein Schuler nach funf Jahren die Schule abschloss war er zwischen 17 und 21 Jahre alt Vor ihm lagen entweder die Militarakademie Mekteb i Harbiye oder die Verwaltungshochschule Mekteb i Mulkiye Allerdings waren die Absolventen nicht auf dem gleichen Stand wie die Hochschulstudenten denn sie hatten den Lehrstoff von sieben Jahren innerhalb von funf Jahren bewaltigen mussen Aber auch an den Hochschulen wurde fur sie der Lehrstoff komprimiert Wahrend das normale Hochschulstudium drei Jahre dauerte schlossen die Absolventen der Stammesschule die Hochschule nach nur einem Jahr ab Dahinter steckte die Absicht des Sultans so schnell wie moglich viele Stammessohne in hohe Positionen zu bringen Die Absolventen der Stammesschule wurden in separaten Klassen unterrichtet So gab es an der Militarakademie eine eigene Stammesklasse Asiret Sinifi Auf dem Lehrplan standen Facher wie Religion praktische und theoretische Topographie ziviles und militarisches Kriminalrecht Militarformationen und Manoverubungen 15 Die Verwaltungshochschule hatte ebenfalls eine Spezialklasse Sinif i Mahsus fur die Absolventen der Stammesschule Einige Unterrichtsfacher waren Zivilrecht Verwaltungsrecht Prinzipien der Verwaltung Philosophie Turkisch Persisch und Kalligraphie 16 Die Prufungsergebnisse entschieden uber die spatere Stellung in der Verwaltung Offenbar waren die Absolventen nicht so gut ausgebildet wie die regularen Absolventen der Verwaltungshochschule so dass sie vermehrt in entfernten Provinzen eingesetzt wurden Sie erhielten pro Monat 350 Kurus Als erstes arbeiteten sie als Gehilfen des Gouverneurs Maiyet memuru ihrer Heimatprovinz Spater waren sie meistens als Verwalter von Gemeinden Nahiye mudiri oder als Kaymakam eingesetzt 1897 schlossen die ersten 45 Schuler die Hochschulen ab Von diesen gingen 33 zur Infanterie oder Kavallerie die anderen zwolf arbeiteten in der Reichsverwaltung 17 Schliessung der Schule BearbeitenDie Schule wurde im Februar 1907 geschlossen nachdem die Schuler wegen schlechten Essens gestreikt hatten 18 Die Schuler wurden in ihre Heimat zuruckgeschickt In dem Gebaude wurde die Kabatas Iʿdadiye Kabatas Hochschule untergebracht Es stellte sich heraus dass die Schule ihre Ziele uberwiegend verfehlt hatte Zum einen hatte die Zahl der Schulanfanger im Lauf der Jahre immer mehr abgenommen da es schwierig war die Stammesfuhrer davon zu uberzeugen ihre Sohne nach Istanbul zu schicken Das hing auch damit zusammen dass in den Jahren von 1876 bis 1909 die Zahl der Rusdiye Mittelschulen von 250 auf 600 und der Iʿdadiye Hochschulen von 5 auf 104 angestiegen war 19 Viele dieser Schulen lagen in den arabischen Provinzen so dass die Stammesfuhrer ihre Sohne lieber auf die naher gelegenen Schulen schickten die auch das Besuchsrecht weniger restriktiv behandelten Fur die Schuler war die Ausbildung in vielen Fallen durchaus erfolgreich Von 88 Schulern der ersten drei Jahre studierten 45 an den Militar und Verwaltungsakademien Viele wurden Kaymakam zwei erhielten den Rang eines Paschas und funf sassen spater im osmanischen Parlament Ob das Ziel einer starkeren Loyalitat zum Sultan erreicht wurde lasst sich schwieriger feststellen Einige Absolventen blieben bis zum Ende des Reiches loyal und arbeiteten weiter in der turkischen Republik wahrend andere zu Verfechtern des arabischen Nationalismus wurden und gegen das Reich agierten Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Engin Akarli Abdulhamid II s Attempt to Integrate Arabs into the Ottoman System In David Kushner Hrsg Palestine in the Late Ottoman Period Political Social and Economic Transformation E J Brill Yad Izhak Ben Zvi Leiden Jerusalem 1986 zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 83 Eugene L Rogan 1996 S 86 Eugene L Rogan 1996 S 83 Eugene L Rogan 1996 S 84 Eugene L Rogan 1996 S 84f a b Eugene L Rogan 1996 S 85 Das erste Nizamname war im Salname i Nezaret i Maarif i Umumiye Dem Jahresbuch des Bildungsministeriums auf S 293 295 nachzulesen Ein zweites umfanglicheres Nizamname mit 24 Artikeln wurde im Januar 1893 erlassen Dokument Y A Hus 274 72 vom 20 Mai 1893 Aus dem AMP zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 86 Komplette Rede im Dokument Y A Hus 265 20 Aus dem AMP zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 91 Carney E S Gavin Ed Imperial Self Portrait The Ottoman Empire as Revealed in the Sultan Abdul Hamid II s Photographic Albums Erschienen in Journal of Turkish Studies Nr 12 1988 zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 91 zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 93 Eine Auswahl der Prufungen von 1895 ist im Dokument Y Mtv 122 11 13 Juni 1895 erhalten Aus dem AMP zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 92 Artikel 12 des Nizamname aus dem AMP zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 94 Artikel 20 des Nizamname aus dem AMP zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 94 Dokument Y A Res 112 59 vom 10 Juni 1901 Aus dem AMP zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 96 Ali Cankaya Yeni Mulkiye Band 1 S 290 zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 98 Dokument Y Mtv 165 90 vom 20 August 1897 Aus dem AMP zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 98 Osman Ergin Turkiye Maarif Tarihi zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 100 Bayram Kodaman Abdulhamid Devri Egitim Sistemi S 164 Erschienen 1988 zitiert bei Eugene L Rogan 1996 S 100Quellen BearbeitenArchiv des turkischen Ministerprasidenten kurz AMP Dokumente mit einem Y stammen aus dem Yildiz Palast des Sultans Beides zitiert bei Eugene L Rogan 1996 Literatur BearbeitenAlisan Akpinar Eugene L Rogan Asiret Mektep Devlet Osmanli Devleti nde Asiret Mektebi Aram Yayinlari Istanbul 2002 ISBN 978 975 8242 18 4 turkisch Erweiterung von Eugene L Rogan 1996 Eugene L Rogan Asiret Mektebi Abdulhamid II s School for Tribes 1892 1907 In International Journal of Middle East Studies Vol 28 Nr 1 Feb 1996 S 83 107 Bayram Kodaman Abdulhamid devri egitim sistemi Otuken Nesriyat Istanbul 1980 S 277 nbsp Dieser Artikel wurde am 21 Januar 2009 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stammesschule Osmanisches Reich amp oldid 213475378