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Als Sozialisierungskommission bezeichnet man eine im November 1918 vom Rat der Volksbeauftragten eingesetzte Expertengruppe die Wege zur Sozialisierung von Teilen der deutschen Wirtschaft prufen sollte Der offizielle Name lautete Kommission zur Vorbereitung der Sozialisierung der Industrie Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Erste Sozialisierungskommission 3 Zweite Sozialisierungskommission 4 Quellen 5 Literatur 6 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenInnerhalb des Rates der Volksbeauftragten drangte die USPD unmittelbar nach der Novemberrevolution zur raschen Sozialisierung wichtiger Wirtschaftszweige Die MSPD sah sich in einem Dilemma Auf der einen Seite sah sie in der Veranderung der Besitzverhaltnisse eine zusatzliche Gefahr fur die ohnehin schwierige wirtschaftliche Lage Auf der anderen Seite wollten sich die Mehrheitssozialdemokraten keinen Verrat an sozialistischen Grundsatzen vorwerfen lassen Der Rat beschloss am 18 November 1918 grundsatzlich dass alle dafur reifen Industriezweige sofort sozialisiert werden sollten Die Mehrheitssozialdemokraten hatten allerdings durchgesetzt dass zuvor eine Kommission namhafter Nationalokonomen zu berufen sei um unter Hinzuziehung der Praktiker aus den Reihen der Arbeiter und Unternehmer die Einzelheiten festzulegen 1 Erste Sozialisierungskommission BearbeitenIn der ersten Sozialisierungskommission sassen neben fuhrenden marxistischen Theoretikern aus beiden Arbeiterparteien und den Gewerkschaften Vertreter der burgerlichen Sozialreform und der Wissenschaft Aus der Wissenschaft waren etwa Joseph Schumpeter Emil Lederer Carl Ballod und Robert Wilbrandt Mitglieder der Kommission Geleitet wurde sie von Karl Kautsky dem fuhrenden Theoretiker der Sozialdemokratie und Ernst Francke von der Gesellschaft fur soziale Reform Obwohl bereits fur die erste Kommission vorgesehen scheiterte die Berufung des Industriellen Walther Rathenau vorerst noch am Widerstand der USPD Ein Vertreter der Wirtschaft war Theodor Vogelstein Von den Gewerkschaften war unter anderem Otto Hue vertreten Aus den sozialistischen Parteien kamen Heinrich Cunow und Rudolf Hilferding Generalsekretar der Kommission war der Sozial und Wirtschaftswissenschaftler Eduard Heimann Die Kommission erarbeitete unter anderem Gutachten und Gesetzesentwurfe zur Sozialisierung des Kohlebergbaus zur Kommunalisierung von bestimmten Einrichtungen sowie zur Verstaatlichung des Fischerei und Versicherungswesens Erste Ergebnisse uber die Grundsatze der Sozialisierungsarbeit wurden am 7 Januar 1919 veroffentlicht Das bedeutendste Papier war ein vorlaufiger Bericht zur Sozialisierung des Kohlebergbaus Es wurde am 15 Februar 1919 veroffentlicht und enthielt ein Mehrheits und ein Minderheitsgutachten Die Arbeit der Kommission litt aber massiv unter Einflussversuchen der aus der Zeit des Kaiserreichs ubernommenen Burokratie Vor allem Unterstaatssekretar August Muller obwohl Sozialdemokrat ein erklarter Gegner jeder Sozialisierung hat die Kommission stark behindert dem Reichswirtschaftsamt unterstellt 2 Aus Protest legte die Kommission Anfang April 1919 die Arbeit nieder Obwohl es im Marz 1919 zur Verabschiedung des Gesetzes zur Sozialisierung des Kohlebergbaus kam blieb die Umsetzung aus Zweite Sozialisierungskommission BearbeitenNach dem Kapp Putsch war die Wiedereinsetzung der Sozialisierungskommission Teil der Vereinbarung zwischen Reichsregierung Gewerkschaften und Parteien vom 20 Marz 1920 Sie trat in der Folgezeit in einer etwas anderen Zusammensetzung als in der ersten Phase zusammen Am 3 September 1920 veroffentlichte die Kommission ihren Bericht zur Sozialisierung des Kohlebergbaus Darin enthalten waren zwei unterschiedliche Vorschlage Der erste kam von einer Gruppe um Walter Rathenau und Rudolf Wissell Sie sprachen sich fur Massnahmen aus die bewirken sollten das Verhalten der Kohleproduzenten fur die Offentlichkeit durchsichtig zu machen und sie zu einer angemessenen Preisgestaltung nach den Selbstkosten anzuhalten Eine Sozialisierung im Sinne einer Verstaatlichung wurde hingegen nur als allmahlicher Prozess vertreten und eher als Konzession an die Mitglieder der Kommission denen diese Vorschlage nicht weit genug gingen 3 Diese bildeten eine zweite Gruppe innerhalb der Kommission und formulierten einen eigenen Vorschlag In dieser Gruppe waren u a Emil Lederer Rudolf Hilferding Karl Kautsky und auch Joseph A Schumpeter Sie verlangten eine sofortige Sozialisierung allerdings nicht einfach als Wechsel vom Konzernmonopol zum Staatsmonopol sondern der Vorschlag sah die Ausgestaltung des Tragers der zukunftigen Kohleorganisation als einer Korperschaft des offentlichen Rechts vor in der alle an der Kohlewirtschaft Beteiligten anteilmassig vertreten sein sollten 4 In beiden Vorschlagen war zudem eine Entschadigung vorgesehen die nach dem Buchwert und dem Ertragswert der Kohlenbergwerke berechnet werden sollte 5 Die Kommission bestand bis 1923 ohne dass die Vorschlage irgendeine konkrete wirtschaftspolitische Wirkung entfalteten 6 Dafur werden mehrere Grunde angegeben Neben der Uneinigkeit seitens der Arbeitnehmerverbande und den Gewerkschaften wurde vor allem die Politik seitens der Unternehmen gesehen welche als Strategie der Verhinderung betrieben wurde Dazu gehorten Verzogerungstaktiken und auch versuchte personale Einflussnahmen bis hin zur aktiven Uminterpretation einstiger Vorstellungen So gelang es insbesondere Hugo Stinnes in Kritik der Sozialisierungsvorhaben als zu zentralistisch und zu burokratisch einen Gegenvorschlag einzubringen in dem das vertikale Zusammenrucken aller Interessenten vorgeschlagen wurde 7 Infolgedessen kam es im Zuge der damaligen Entwicklungen zu einer weiteren Zunahme der Konzentration der Wirtschaftsstrukturen nun nicht nur als horizontale sondern zunehmend auch als vertikale Konzentration Bis 1933 dann war Deutschland das Land der Kartelle in Europa geworden 8 9 Quellen BearbeitenHirsch Julius 1920 Auszug aus den Ausfuhrungen des Unterstaatssekretars Hirsch in der Vorbesprechung der Sozialisierungs Kommission am 15 April 1920 in Verhandlungen der Sozialisierungskommission uber den Kohlenbergbau im Jahre 1920 vol I Berlin Verlag Hans Robert Engelmann S 1 4 Verhandlungen der Sozialisierungs Kommission uber den Kohlenbergbau Berlin 1920 1921 Bd 1 Verhandlungen der Sozialisierungskommission uber die Reparationsfragen Engelmann Berlin 1921 1922 Bd 3 Verhandlungen der Sozialisierungskommission uber die Kaliwirtschaft Engelmann Berlin 1921 Verhandlungen der Sozialisierungskommission uber die Organisation der Reichseisenbahnen Engelmann Berlin 1922 Verhandlungen der Sozialisierungskommission uber die Kommunalisierung 1921 Verhandlungen der Sozialisierungs Kommission uber die Neuregelung des Wohnungswesens Engelmann Berlin 1921 Walther Lotz Die Deutsche Sozialisierungskommission und die Reparationsfragen Besprechung von Verhandlungen der Sozialisierungskommission uber die Reparationsfragen Bd 1 Berlin 1921 In Weltwirtschaftliches Archiv 1922 S 424 430 Literatur BearbeitenManfred Behrend Der Wandschirm hinter dem nichts geschieht Bildung Tatigkeit und Ende der ersten deutschen Sozialisierungskommission In Beitrage zur Geschichte der Arbeiterbewegung PDF 706 kB 4 1998 Nicht mehr online verfugbar In www trafoberlin de Archiviert vom Original am 28 September 2007 abgerufen am 29 Mai 2023 Ludwig Preller Sozialpolitik in der Weimarer Republik Kronberg 1978 ISBN 3 7610 7210 4 S 238 f Michael Schneider Hohen Krisen und Tiefen Die Gewerkschaften in der Weimarer Republik 1918 bis 1933 In Klaus Tenfelde u a Geschichte der deutschen Gewerkschaften von den Anfangen bis 1945 Koln 1987 ISBN 3 7663 0861 0 S 298 Heinrich August Winkler Weimar Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie 1918 1933 Munchen 1993 S 46 f Franz Osterroth Dieter Schuster Chronik der deutschen Sozialdemokratie Bd 2 Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges Verlag J H Dietz Nachf Hannover 1963 ISBN 3 8012 1084 7 S 72 Peter Wulf 1977 Die Auseinandersetzungen um die Sozialisierung der Kohle in Deutschland 1920 1921 In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 25 1 S 46 98 Jurgen Backhaus Gunther Chaloupek Hans A Frambach 2019 Title The First Socialization Debate 1918 and Early Efforts Towards Socialization Cham Springer ISBN 978 3 030 15023 5 Hans Joachim Bieber Gewerkschaften in Krieg und Revolution Arbeiterbewegung Industrie Staat und Militar in Deutschland 1914 1920 Teil II Hamburg 1981 DigitalisatEinzelnachweise Bearbeiten Zit nach Winkler Weimar S 46 Wie die erste deutsche Sozialisierungskommission scheiterte 14 Februar 2022 abgerufen am 10 April 2023 in Peter Wulf 1977 Die Auseinandersetzungen um die Sozialisierung der Kohle in Deutschland 1920 1921 In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 25 1 S 46 98 darin S 58 in Peter Wulf 1977 Die Auseinandersetzungen um die Sozialisierung der Kohle in Deutschland 1920 1921 In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 25 1 S 46 98 darin S 60 in Peter Wulf 1977 Die Auseinandersetzungen um die Sozialisierung der Kohle in Deutschland 1920 1921 In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 25 1 S 46 98 darin S 59 Ursula Backhaus Gunther Chaloupek Hans A Frambach 2019 Introduction In Jurgen Backhaus Gunther Chaloupek Hans A Frambach Hg Title The First Socialization Debate 1918 and Early Efforts Towards Socialization Cham Springer S v xi darin S vi in Peter Wulf 1977 Die Auseinandersetzungen um die Sozialisierung der Kohle in Deutschland 1920 1921 In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 25 1 S 46 98 darin S 72 73 in Bose Christian 2018 Kartellpolitik im Kaiserreich Berlin Verlag de Gruyter darin S 1 in Schroter Harm G 1994 Kartellierung und Dekartellierung 1890 1990 In Vierteljahrschrift fur Sozial und Wirtschaftsgeschichte 81 4 S 457 493 darin S 457 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sozialisierungskommission amp oldid 234136593