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Dieser Artikel beschreibt das historische Wiener Streichquartett Ensemble Zu dem modernen Kolner Streichquartett siehe Schuppanzigh Quartett Koln Unter Schuppanzigh Quartett werden hier mehrere zwischen ca 1794 und 1830 von Ignaz Schuppanzigh in Wien geleitete Streichquartett Formationen zusammengefasst Vor allem durch die erstmalige Veranstaltung offentlicher Kammermusik Konzertzyklen und die Einfuhrung und Verbreitung der Streicherwerke Ludwig van Beethovens nehmen sie eine uberaus bedeutende Rolle in der Musikgeschichte ein Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Lichnowsky Quartett 1 2 Schuppanzigh Quartett I 1 3 Rasumowsky Quartett 1 4 Intermezzo 1 5 Schuppanzigh Quartett II 2 Bedeutung 2 1 Professionalisierung des Ensemblespiels 2 2 Erste offentliche Kammermusikkonzerte 2 3 Erschliessung und Festigung des klassischen Repertoires 2 4 Einfuhrung und Verbreitung von Kammermusikwerken Beethovens und Schuberts 2 5 Wandel des musikalischen Ausdrucks 2 6 Bedeutungsgewinn fur die Gattung 3 Mitglieder 4 Literatur 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenQuartettmusik in der Besetzungsform mit zwei Violinen einer Bratsche und einem Cello wurde ursprunglich von Joseph Haydn als mehrsatzige Unterhaltungsstucke Divertimenti geschrieben Sie entwickelte sich in Wien rasch zu einer beliebten Kammermusik Gattung in differenzierten Auspragungen fur den Eigen oder Salongebrauch von adeligen burgerlichen Dilettanten Ensembles ebenso wie fur die im engsten Kreis gepflegte burgerliche Hausmusik Daraus resultierte eine breite Streichquartettkultur mit einem grossen Bedarf an Kompositionen In systematischer Auseinandersetzung und Weiterentwicklung Haydn Mozart entstand aus den einfacheren Divertimenti das klassische Streichquartett Dieses hatte zu der Zeit als Schuppanzigh das Ensemblespiel aufnahm seinen Unterhaltungscharakter schon weitgehend verloren Fur Kenner und Auffuhrungen in grosserem gesellschaftlichem Rahmen komponiert mutierte es bald zu einer der anspruchsvollsten Gattungen der Kammermusik Verbunden damit waren immer hohere Anforderungen an die technischen Fahigkeiten der Interpreten und an die Horgewohnheiten des Publikums In diesem Prozess der Professionalisierung des Ensemblespiels und dessen Weg aus Musizierstube und Salon in den offentlichen Konzertsaal spielte Schuppanzigh eine zentrale Rolle In unterschiedlichen Lebensphasen war er Grunder bzw Primgeiger von zumindest vier Streichquartett Ensembles die als Lichnowsky Quartett Schuppanzigh Quartett I Rasumowsky Quartett und Schuppanzigh Quartett II in die Geschichte eingegangen sind Lichnowsky Quartett Bearbeiten Bereits um 1794 als Achtzehnjahriger ist Schuppanzigh als Primarius eines festen von Furst Karl Lichnowsky unterhaltenen Streichquartetts hervorgetreten Dessen Palais war eines der Zentren des musikbegeisterten Wiener Adels und Treffpunkt beruhmter Komponisten und Virtuosen Nicht nur Musikliebhaber sondern auch guter Pianist stand Furst Lichnowsky unter anderen mit seinem Lehrer Mozart in freundschaftlicher Verbindung Dem wegen seiner jungen Musiker zuweilen als Knabenquartett bezeichneten Ensemble gehorten neben Schuppanzigh die noch um zwei Jahre jungeren Louis Sina Schuler von Emanuel Forster als zweiter Violinist Franz Weiss als Bratschist und Nikolaus Kraft als Cellist an Dieser wurde ofter von seinem Vater Anton vertreten der unter Joseph Haydns Leitung Mitglied der Esterhazy Kapelle war bis zur Auflosung 1790 Auch die Position des zweiten Violinisten scheint nicht selten von anderen Musikern eingenommen worden zu sein Das Lichnowsky Quartett konzertierte wochentlich freitagmorgens vor ausgesuchter Gesellschaft der zuweilen auch Joseph Haydn und Emanuel Forster und oft Ludwig van Beethoven angehorten Haydns Forsters und Mozarts Quartettwerke gehorten zum festen Repertoire des Ensembles und die Komponisten waren vereinzelt auch an den Proben beteiligt wobei sie wichtige Interpretationshinweise gaben Schon fruh lernten die Musiker so neben technischer Perfektion die Unterordnung im Ensemble zugunsten einer vom Komponisten kommunizierten Werkintention Noch intensiver war aber die Zusammenarbeit mit Beethoven der 1792 zum Studium bei Joseph Haydn nach Wien gekommen war Offenbar rasch mit Furst Lichnowsky bekannt geworden wurde dieser sein grosszugiger Forderer und gab ihm bis 1796 auch eine Unterkunft Auch sein Quartett stand Beethoven zur Erprobung seiner ersten Kammermusikwerke und zu deren Erstauffuhrung im privaten Kreis zur Verfugung Dies galt insbesondere fur die Klaviertrios op 1 Jahreswende 1793 94 das Streichquintett op 4 1795 96 das Septett op 20 1799 1800 und vermutlich die 1798 bis 1800 im Auftrag von Furst Lobkowitz entstandenen Streichquartette op 18 1799 scheinen die Quartettveranstaltungen bei Furst Lichnowsky geendet zu haben ohne dass sich dazu in der einschlagigen Literatur Naheres findet Schuppanzigh Quartett I Bearbeiten Vermutlich seit 1795 gesichert aber seit 1798 99 war Schuppanzigh auch mit der Durchfuhrung von Konzerten im Augarten beschaftigt Im Winter 1804 1805 begann er dann mit einem eigenen Ensemble regelmassig offentliche Kammermusikkonzerte zu veranstalten Seine Partner waren sein Schuler Joseph Mayseder der Bratschist Anton Schreiber und Anton Kraft der vertretungsweise schon haufig im Lichnowsky Quartett mitgewirkt hatte Musikgeschichtlich waren diese offentlichen Streichquartett Konzerte ein Novum Die Ausgangssituation umschrieb Eduard Hanslick in seiner Geschichte des Concertwesens in Wien folgendermassen Die Virtuosen liessen sich offentlich zum Quartettspiel nicht herab die Dilettanten wagten sich damit an die Offentlichkeit nicht hinauf das Publicum endlich an ein bunteres effectvolleres Concertgenre gewohnt empfand lange Zeit nach offentlichen Kammermusiken keinerlei Sehnsucht Ja bei dem grossen Publicum stand die Quartettmusik als kalt finster und gelehrt in einigem Verruf 1 Bis dahin hatte sich also in Wien eine umfassende Streichquartett Kultur ausgebildet und Quartettmusik war eifrig aber von Berufsmusikern und Dilettanten eben nur im Rahmen adeliger oder burgerlicher Salons bzw der Hausmusik gepflegt worden Erst das Schuppanzigh Quartett bot nun frei zugangliche im Abonnement mit Vorauszahlung zu buchende Quartettsoiree Zyklen an Deren Zuhorer kamen freilich auch hauptsachlich aus gehobenen Schichten oder waren Fachleute diese Annahme scheint schon allein deswegen berechtigt weil aus heutiger Sicht befremdend die Konzerte meist donnerstags zwischen 12 00 und 14 00 Uhr stattfanden Auffuhrungsort war anfangs ein Privathaus spater ein Saal im Hotel Zum Romischen Kaiser Das Auffuhrungsrepertoire lasst sich nur vage nachvollziehen Schwerpunkte scheinen jedenfalls wieder Haydn Mozart und vor allem Beethoven gewesen zu sein der in engem Kontakt zu Schuppanzigh und dem Quartett stand Zeitgenossische Kritiken hoben vor allem das hohe Niveau des Ensemblespiels hervor das sich wohltuend von der selbst inszenierenden Dominanz virtuoser Einzelmusiker unterscheide Ferner dass es Schuppanzigh bey seinem vortrefflichen Quartettvortrage gelang in den Geist der Komposition genau einzudringen und das Feurige Kraftige aber auch Feinere Zahrte Humoristische Liebliche Tanzelnde bezeichnend herauszuheben 2 Diese Veranstaltungen erfreuten sich bald zunehmender Beliebtheit und ihr Ruf verbreitete sich rasch in ganz Europa In Folge entstanden etwa in Prag 1808 Leipzig 1808 Konigsberg 1810 Berlin 1813 und Paris 1814 ortsfeste professionelle Streichquartett Ensembles in relativ fixer Besetzung die offentliche Konzerte gaben Rasumowsky Quartett Bearbeiten 1808 gewann Furst Rasumowsky das Schuppanzigh Quartett gegen eine feste lebenslange Besoldung fur seine Hausmusik Historisch fur Hanslick ein finaler Akt in der Genese des Orchesterwesens von der furstlichen Privatkapelle hin zum offentlich auftretenden professionellen Ensemble Als letztes Glied dieser Kette kann man das beruhmte Rasumowsky sche Quartett betrachten das fur Beethoven und durch Beethoven so grosse Bedeutung erlangte 3 Neben Schuppanzigh als Primarius spielte der Furst anfanglich selbst die 2 Violine doch uberliess er diese Position bald Louis Sina Franz Weiss der schon im Lichnowsky Quartett die Bratsche gespielt hatte und der aus Schlesien nach Wien gekommene Joseph Linke als Cellist waren die anderen Partner Die Konzerte des Ensembles im Palais Rasumofsky hatten schon mehr offentlichen Charakter und da auch Beethoven durch den Fursten unterstutzt wurde stand es ihm mehr oder weniger zur Verfugung In Rasumowskys Auftrag hatte Beethoven bereits 1806 die drei Streichquartette op 59 komponiert die hochstwahrscheinlich durch dieses Quartett uraufgefuhrt wurden Das Gleiche ist fur die Streichquartette op 74 1809 und op 95 1810 anzunehmen Die Zusammenarbeit zwischen Beethoven und den Musikern des Rasumowsky Quartetts wurde vom Komponisten Ignaz von Seyfried recht eindrucklich charakterisiert Wie bekannt war Beethoven im furstlichen Hause so zu sagen Hahn im Korbe Alles was er componirte wurde dort bruhwarm aus der Pfanne durchprobirt und nach eigener Angabe haarscharf genau wie er es ebenso und schlechterdings nicht anders haben wollte ausgefuhrt mit einem Eifer mit Liebe Folgsamkeit und einer Pietat die nur solch gluhenden Verehrern seines Genius entstammen konnte und einzig blos durch das tiefste Eindringen in die geheimsten Intentionen durch das vollkommene Erfassen der geistigen Tendenz gelangten jene Quartettisten im Vortrage Beethoven scher Tondichtungen zu jener universellen Beruhmtheit woruber in der ganzen Kunstwelt nur eine Stimme herrschte 4 Vertraglich aber nicht eingeschrankt veranstaltete das Ensemble mit denselben Programmschwerpunkten weiterhin seine offentlichen Konzertzyklen und so wurde das Rasumowsky sche Quartett fur die Verbreitung und das Verstandnis der Beethoven schen Kammermusik von grosster Wichtigkeit 5 Als nach dem Brand des Rasumowsky Palais Ende 1814 die Voraussetzungen fur die furstlichen Quartettauffuhrungen verloren gegangen waren wurden die Musiker 1816 von ihrem Gonner bei Entgeltfortzahlung aus den Diensten entlassen Noch im Sommer 1815 hatte aber Schuppanzigh begonnen in Anlehnung an die Augartenkonzerte sogar im Prater Morgenunterhaltungen jeweils dienstags um 8 00 Uhr mit Schwerpunkt Kammermusik zu veranstalten Intermezzo Bearbeiten Nach der Auflosung des Rasumowsky Quartetts unternahm Schuppanzigh nun ausgedehnte Reisen nach Deutschland Polen und Russland die allerdings nur sehr luckenhaft dokumentiert sind So wird zwar vermutet dass er auch in St Petersburg an Quartettauffuhrungen am Hof des Fursten Galitzin teilgenommen und sich dort fur Beethovens Streichquartette eingesetzt hat Nachweise daruber fehlen aber In Wien selbst versuchte der junge Joseph Bohm 1816 die Schuppanzigh schen Quartett Zyklen mit dessen Partnern fortzufuhren doch zunachst mit wenig Erfolg Ein neuerlicher Versuch 1821 mit Karl Holz Franz Weiss und Joseph Linke die Quartett Unterhaltungen im Prater wieder aufzunehmen war hoffnungsvoller doch wurde auch dieser nicht fortgesetzt Schuppanzigh Quartett II Bearbeiten Schon bald nach der Ruckkehr Schuppanzighs nach Wien im Fruhjahr 1823 ubernahm er Bohms Quartettkollegen zur Grundung eines neuen Ensembles und bestritt ab Juni 1823 wieder regelmassig offentliche Soiree Zyklen Diese fanden nunmehr an Sonntagnachmittagen im Musikvereinssaal statt Anfanglich wenig besucht erfreuten sie sich bald wieder immer grosseren Zuspruchs Das aufgefuhrte Repertoire konzentrierte sich jetzt noch starker auf die Werke von Haydn Mozart und Beethoven dessen Streichquartett Schaffen mit der Ruckkehr Schuppanzighs einen starken Impuls erfuhr Dieser war es moglicherweise auch der noch in St Petersburg Furst Nikolaus Galitzin 1822 zur Bestellung von drei Quartettkompositionen bei Beethoven angeregt hatte Auch auf Schubert scheint Schuppanzighs Wiederaufnahme der Konzertzyklen befruchtend gewirkt zu haben denn er begann nun seine Quartette statt wie bisher fur den hauslichen Eigengebrauch in Hinblick auf offentliche Prasentation durch professionelle Musiker zu komponieren Die in Folge entstandenen spaten Quartette Beethovens wurden fast alle durch das Schuppanzigh Ensemble uraufgefuhrt op 127 op 132 op 130 op 131 was auch fur einige Werke Schuberts gilt D 803 D 804 Nur selten fanden sich daruber hinaus andere Komponisten wie z B George Onslow oder Louis Spohr in den Programmen soweit diese uberhaupt dokumentiert sind Die neue Quartett Formation selbst stellte qualitativ offenbar nochmals eine Steigerung gegenuber den vorangegangenen dar weshalb diese Periode als Hohepunkt von Schuppanzighs Ensemblepflege angesehen wird Auch die zeitgenossische Kritik sah das offenbar so Fremde Kunstler Kenner und Kunstfreunde welche das eine oder andere dieser Quartette besuchten versicherten nie und nirgends etwas so vollendetes in dieser Art Ausfuhrung gehort zu haben Wirklich waren die meisten dieser Productionen vollkommen zu nennen Da ist kein Vordringen kein Gehortseynwollen keine Vereinzelung der Seelen und Stimmen welche die meisten solcher Leistungen verunstalten alle vier Kunstler kennen nur einen Zweck und streben demselben mit wahrer intensiver Virtuositat die sich in der Subordination zum Ganzen ausspricht mit klarem Bewusstsein und steter Aufmerksamkeit entgegen Auf solche Weise werden diese Quartette zur wahren Geschmacks und Vortragsschule und erhalten sich seit Jahren mit steigendem Beyfall und Interesse 6 Tatsachlich scheint das musikbegeisterte und allgemein intellektuelle Wien von diesen Kammermusikveranstaltungen angezogen worden zu sein Franz Schubert und Franz Grillparzer etwa gehorten zu den Besuchern der Konzertreihen Diese fanden durch Schuppanzigs fruhen und plotzlichen Tod infolge eines Schlaganfalls im Marz 1830 aber ein definitives Ende Wenige Wochen vorher war bereits der langjahrige Bratschist seines Ensembles Franz Weiss gestorben Bedeutung BearbeitenDie Pionierleistungen der Schuppanzigh Quartette fur die Entwicklung der Kammermusik konnen nicht hoch genug eingeschatzt werden Dazu gehort zunachst eine Professionalisierung des Ensemblespiels auf Spitzenniveau mit neuen Komponenten des musikalischen Ausdrucks Dazu gehort selbstverstandlich auch die Begrundung des offentlichen Konzertwesens fur Kammermusik mit all ihren Folgen fur deren Produktion und Rezeption Und naturlich sind die Etablierung des klassischen Quartettrepertoires Haydn Mozart Beethoven in der Programmgestaltung sowie die Einfuhrung und Verbreitung der bedeutendsten Streichquartette Beethovens Teil dieser Pionierleistung Nicht zuletzt hatte dies schliesslich die ansteigende Bedeutung der Gattung Streichquartett zur Folge Professionalisierung des Ensemblespiels Bearbeiten Bereits beim Lichnovsky Quartett wird die pragende Ausrichtung auf unterhaltungs zweckungebundene Kammermusik ebenso deutlich wie deren Perfektionierung Damit verbunden war wohl eine intensivere Probenarbeit doch wurde dieser im Vergleich zu heute weniger Aufmerksamkeit geschenkt Uber die technische Schulung der einzelnen Musiker hinaus war auch eine solche des harmonischen Zusammenwirkens im Ensemble notwendig Schuppanzigh der selbst nicht unbedingt als Violinvirtuose galt ist es als Primarius offenbar immer wieder gelungen die Partner der jeweiligen Besetzungen zu niveauvollen Ensembles zu verschmelzen Dazu hat neben seiner zunehmenden Primgeiger Erfahrung wohl auch die enge Zusammenarbeit mit Komponisten Haydn Forster vor allem aber Beethoven beigetragen die ihre Werke entsprechend ihrer Intentionen aufgefuhrt haben wollten Das Ringen um Verstandnis der Stucke und deren richtige Interpretation fuhrte offenbar zur Unterordnung unter den Geist der Komposition wie es sich in einigen zeitgenossischen Kritiken so bedeutungsvoll als Leistung des Ensembles hervorgehoben findet siehe oben Erste offentliche Kammermusikkonzerte Bearbeiten Der erste initiative Schritt an die Offentlichkeit wird aus heutiger Sicht nicht dadurch weniger bedeutsam dass Schuppanzigh und ein Teil seiner Partner ihre Aktivitaten ab 1808 unter finanzieller Absicherung durch die Anstellung Rasumowskys fortsetzen konnten Zu diesem Zeitpunkt stand das professionelle Quartettspiel im Ubergang vom Mazenatentum zum finanziell rein oder teilweise vom Markt abhangigen Musizieren Fur das Streichquartett allgemein implizierte der Weg vom Salon mit eher entspanntem unterhaltsamem Musizieren unter Gleichgesinnten hin zum offentlichen Konzertsaal eine neue Konstellation von Ausfuhrenden und Publikum mit entscheidenden Impulsen von und Ruckwirkungen auf die Komponisten Den von Haydn und Mozart vorgezeichneten Weg hin zur Komposition als zweckfreiem autonomen Kunstwerk konnte Beethoven schliesslich konsequent weiter verfolgen Mit einer Gattung fur Kenner und deren hohen Anspruchen konfrontiert war er schliesslich frei fur wegweisende musikalisch kunstlerische Auseinandersetzungen Die Horbarmachung der daraus resultierenden Produkte aber wiederum war nur durch ein Ensemblespiel auf hochstem professionellem Niveau denkbar Der neue Auffuhrungsrahmen ermoglichte nun auch einem anderen Publikum einer burgerlichen Mittelschicht Zutritt zu Kammermusikkonzerten in adeligen oder burgerlichen Salons war dies bisher meist nur geladenen Gasten vorbehalten Auf ein fachlich elitares Zielpublikum ausgerichtet mit professioneller Auffuhrungspraxis in geandertem Prasentationsrahmen vorgetragen war damit auch eine weitere Anderung in der Rezeptionshaltung selbst und in der Aufnahme der Werke inklusive Konzertkritik verbunden Erschliessung und Festigung des klassischen Repertoires Bearbeiten Was das Repertoire anlangt so haben die Schuppanzigh Quartette die drei Saulen der Programmgestaltung Haydn Mozart und Beethoven zu ihrer Bedeutung verholfen Gleichzeitig wurde dieses Repertoire auch fast unumstosslich nur Schubert fand schliesslich noch vergleichbare Beachtung Einfuhrung und Verbreitung von Kammermusikwerken Beethovens und Schuberts Bearbeiten Zentraler Stellenwert kommt den Ensembles bei der Einfuhrung wenn nicht schon dem Zustandekommen Interpretation und Verbreitung der Beethoven Quartette zu Die musikalische Bedeutung der Spatwerke erkennend die noch vielfach auf Ablehnung stiessen waren Schuppanzigh und seine Partner den Zeitgenossen Jahrzehnte voraus Das Publikum partiell von der Grosse dieser neuartigen Musik uberzeugen zu konnen war ein Teil ihres eigenen Erfolgs Die langjahrige Zusammenarbeit mit Beethoven und die Auseinandersetzung mit dessen Werken liess Schuppanzigh und seinen jeweiligen Ensemblemitgliedern eine besondere Rolle der Kennerschaft zukommen Kritiker warfen dem Primarius zuweilen aber vor dass er sein intimes Verhaltnis zu Beethoven und dessen Quartetten allmahlig als ein formliches Privilegium diesen Meister zu verstehen und wiederzugeben auffasste und gegen andere geltend machte 5 Betrachtet man die Wechselbeziehung zwischen Schuppanzigh und seinen Quartetten einerseits und Beethoven andererseits als Ganzes so war sie fur beide Partner ebenso fruchtbar wie fur die Gattung selbst Die Ensembles wuchsen unter Beethovens direktem oder indirektem Einfluss und haben diesem einen Teil ihrer Qualitat und Beruhmtheit zu danken Andererseits aber war fur den Komponisten wohl von unschatzbarem Wert sich so unmittelbar mit den instrumentalen Realisierungsmoglichkeiten eigener und fremder Kompositionen auseinandersetzen und die Interpretation mit beeinflussen zu konnen Die Ruckbezuge der professionellen Musiker und die Auffuhrungsproben selbst haben denn auch oft genug zu Revisionen und Umarbeitungen seiner Streicherwerke gefuhrt Nicht zuletzt war das jeweils erreichte Niveau des Ensemblespiels auch pragend fur die mogliche Komplexitat neuer Werke sollten sie denn adaquat aufgefuhrt werden konnen Dies gilt trotz Beethovens beruhmt gewordener Aussage Glaubt er dass ich an seine elende Geige denke wenn der Geist zu mir spricht Mit diesen ungnadigen Worten soll er Schuppanzigh zurechtgewiesen haben als dieser sich uber die technischen Schwierigkeiten in einem Streichquartett beklagte 7 Beethovens Spatwerke entstanden als er bereits vollkommen taub war Ein Impuls dafur war wohl auch in der Ruckkehr Schuppanzighs nach siebenjahriger Abwesenheit von Wien zu suchen namlich im Vertrauen darauf deren Erst Interpretation in besten Handen zu wissen Letzteres gilt auch noch fur einzelne Streicherwerke Schuberts der aus Schuppanzighs Ruckkehr gleichfalls neue Impulse zog und diesem einige zur Urauffuhrung ubergab Schuberts Rosamunde Quartett D 804 ist ohnehin seinem Freund Schuppanzigh gewidmet das erste und einzige seiner Streichquartette ubrigens das wahrend seines kurzen Lebens offentlich aufgefuhrt und publiziert wurde Wandel des musikalischen Ausdrucks Bearbeiten Die Beherrschung der in den neuen Streicherwerken von Beethoven enthaltenen technischen Schwierigkeiten und kompositorischen Eigenheiten gelang den Musikern nicht immer auf Anhieb Uberliefert ist die Anekdote dass die Musiker des Schuppanzigh Quartetts als sie das F Dur Quartett erstmalig vor sich auf den Pulten liegen hatten hochst irritiert auf den neuen Weg Beethovens reagierten Sie hielten es schlichtweg fur undenkbar dass es sich bei dem Stuck um das erwartete neue Quartett handeln sollte und nahmen an es handle sich um einen Spass 8 Aber an deren Auffuhrung und Interpretation einmal entwickelte und geschulte Meisterschaft und Charakteristika wurden auf die Werke anderer Komponisten ubertragen und setzten so einen Wandel der Standards und offenbar auch des musikalischen Ausdrucks in Gang Prazision Leichtigkeit Gewandtheit und Sicherheit in der Ausfuhrung schwieriger Passagen richtige Akzentuierung und Nuancenreichtum der Auffuhrung waren zentrale Kriterien der positiven Musikkritik Das zierliche Spiel galt bald als Anachronismus auch Haydn und Mozart verlangten nun nach mehr Kraft und Intensitat im Ausdruck Dass Schuppanzigh in spaten Jahren offenbar einen etwas expressiven Interpretationsstil entwickelte erfuhr nicht ungeteilte Zustimmung Schuppanzighs Vortrag wird uns von fachkundigen Zeitgenossen als energisch und geistvoll geschildert nicht frei jedoch von einer absichtlichen Zerrissenheit welche gern durch Trennen zusammengehoriger Phrasen Hervorheben unwichtiger Noten selbst durch willkurliche Behandlung des Taktes bedeutend und originell erscheinen wollte und so vielleicht die Quelle einer spateren Vortragsweise wurde die man kurz die affectierte heissen kann 5 Bedeutungsgewinn fur die Gattung Bearbeiten Neben Beethovens Quartett Schopfungen fuhrten auch Schuppanzighs Interpretationserfolge schliesslich dazu dass das Streichquartett an Bedeutung gewann und noch mehr den Nimbus der anspruchsvollsten Gattung der Instrumentalmusik bekam Man kann sagen dass er durch seine fruheren Leistungen sehr viel zur Cultur dieser edlen Gattung von Musik beygetragen und sich auf diese Weis viel Verdienst um die musikalische Wiener Welt erworben hat Seit jener Zeit ist das Violin Quartett hier viel allgemeiner geachteter und beliebter geworden 9 Als erstaunliches Phanomen bleibt dass die Kompositionen ausgerechnet in dem Moment dramatisch an Komplexitat zunahmen als bereits deren Vortrag in breiterer Offentlichkeit intendiert war Was Schuppanzighs plotzliches Ableben im Marz 1830 fur die Musikkultur in Wien bedeutete fasste Hanslick resumierend zusammen Seit Schuppanzighs Tod lag die Quartettmusik in Wien fast ganzlich brach bis 1845 Leop Jansa und 1849 Jos Hellmesberger deren regelmassige Pflege wieder aufnahmen 10 Mitglieder BearbeitenReihenfolge Violine I Violine II Viola Violoncello Lichnowsky Quartett ca 1794 1799 Ignaz Schuppanzigh 1776 1830 Ludwig Louis Sina 1778 1857 und andere Franz Weiss 1778 1830 und Nikolaus Kraft 1778 1853 ofter vertreten von seinem Vater Anton Kraft 1749 1820 oder auch Nikolaus Zmeskall Schuppanzigh Quartett I 1804 1808 Ignaz Schuppanzigh 1776 1830 Joseph Mayseder 1789 1863 und andere Anton Schreiber Anton Kraft 1749 1820 Rasumowsky Quartett 1808 1816 Ignaz Schuppanzigh Furst Rasumowsky Louis Sina 1778 1857 Franz Weiss 1778 1830 Joseph Linke 1783 1837 Schuppanzigh Quartett II 1823 1829 Ignaz Schuppanzigh 1776 1830 Karl Holz 1798 1868 Franz Weiss 1778 1830 Joseph Linke 1783 1837 Literatur BearbeitenBiographisches Lexikon des Kaisertums Osterreich 32 Band Wien 1876 S 215 Uwe Harten Schuppanzigh Ignaz In Osterreichisches Biographisches Lexikon 1815 1950 OBL Band 11 Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 1999 ISBN 3 7001 2803 7 S 373 f Direktlinks auf S 373 S 374 Eduard Hanslick Geschichte des Concertwesens in Wien 2 Bde Braumuller Wien 1869 1870 Clemens Hellsberg Ignaz Schuppanzigh Wien 1776 1830 Leben und Wirken Univ Diss Wien 1979 Sven Hiemke Hrsg Beethoven Handbuch Barenreiter Metzler Kassel u a 2009 Walther Durr Andreas Krause Hrsg Schubert Handbuch 2 Aufl Barenreiter Metzler Kassel u a 2007 Gerd Indorf Beethovens Streichquartette Kulturgeschichtliche Aspekte und Werkinterpretation Rombach Freiburg i Br 2004 Klaus Martin Kopitz Die fruhen Wiener Auffuhrungen von Beethovens Kammermusik in zeitgenossischen Dokumenten 1797 1828 in Beethovens Kammermusik Das Handbuch hrsg von Friedrich Geiger und Martina Sichardt Laaber 2014 S 165 211Einzelnachweise Bearbeiten Eduard Hanslick Geschichte des Concertwesens in Wien Bd 1 Braumuller Wien 1869 S 202 Anonym Ignaz Ritter von Seyfried in Allgemeine Musik Zeitung Leipzig Jg 7 H 33 15 Mai 1805 Sp 534f Eduard Hanslick Geschichte des Concertwesens in Wien Bd 1 Braumuller Wien 1869 S 38 Zitiert nach Gerd Indorf Beethovens Streichquartette Kulturgeschichtliche Aspekte und Werkinterpretation Rombach Freiburg i Br 2004 S 32 a b c Eduard Hanslick Geschichte des Concertwesens in Wien Bd 1 Braumuller Wien 1869 S 204 Allgemeine Theaterzeitung Wien Nr 50 26 April 1827 S 203 Zitiert nach Gerd Indorf Beethovens Streichquartette Kulturgeschichtliche Aspekte und Werkinterpretation Rombach Freiburg i Br 2004 S 33 Sven Hiemke Hg Beethoven Handbuch Barenreiter Metzler Kassel 2009 S 187 Allgemeine Theaterzeitung Wien Nr 150 16 Dezember 1823 S 599 Eduard Hanslick Geschichte des Concertwesens in Wien Bd 1 Wien Braumuller 1869 S 207 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schuppanzigh Quartett amp oldid 223959182