Reinhard Lettau (* 10. September 1929 in Erfurt; † 17. Juni 1996 in Karlsruhe) war ein deutsch-amerikanischer Schriftsteller.
Leben Bearbeiten
Lettau wuchs in Erfurt auf und siedelte 1947 mit seiner Familie nach Karlsruhe um, wo er zwei Jahre später das Abitur ablegte. Von 1950 bis 1955 studierte er Deutsche Literatur in Heidelberg, Köln und den USA. Im Anschluss arbeitete er als Assistant Professor an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, und am Smith College, Northampton, Massachusetts. In dieser Zeit nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Seine Dissertation in Harvard im Jahre 1960 trug den Titel Utopie und Roman; Untersuchungen zur Form des deutschen utopischen Romans im zwanzigsten Jahrhundert.
Anschließend arbeitete Lettau als freier Schriftsteller. Von 1962 bis 1967 nahm er an Tagungen der Schriftstellervereinigung Gruppe 47 um Hans Werner Richter teil. 1965 kehrte Lettau nach Berlin zurück, wo er als Außenlektor des Hanser Verlags und Mitarbeiter beim Sender Freies Berlin tätig war. Er beteiligte sich an Aktionen der Studentenbewegung und knüpfte Kontakte zur Außerparlamentarischen Opposition. Als die letzte Tagung der Gruppe 47 im oberfränkischen Waischenfeld in der Pulvermühle 1967 durch Proteste des Erlanger SDS gestört wurde, in deren Rahmen die Enteignung Axel Springers gefordert wurde und Exemplare der Bild-Zeitung verbrannt wurden, solidarisierte sich Lettau mit den Protestierenden und gehörte zu den Unterzeichnern einer Anti-Springer-Resolution der Gruppe, die er den Studenten vortrug.
Im April 1967 hielt Lettau an der Freien Universität Berlin eine Rede unter dem Titel Von der Servilität der Presse, in der er die West-Berliner Presse als „polizeihörig und servil“ kritisierte, da sie sich auf die Seite der Autoritäten stelle, anstatt diese zu kontrollieren. Eine daraufhin verordnete Ausweisung Lettaus, mit der Begründung, er habe als Ausländer gegen die deutsche Polizei aufgewiegelt, wurde erst nach langen Debatten zurückgenommen. 1968 kehrte Lettau als Professor für Deutsche Literatur an der University of California in San Diego, Kalifornien in die Vereinigten Staaten zurück. Auch dort blieb er politisch aktiv und nahm an Aktionen gegen Rassismus und den Vietnamkrieg teil, in deren Rahmen er auch in Untersuchungshaft kam. In den 1970er und 1980er Jahren hielt er sich wiederholt für längere Zeit in Deutschland auf. Im Wintersemester 1979/1980 war er „Poet in Residence“ an der Universität-Gesamthochschule Essen.
Im Jahre 1954 heiratete Lettau Gene Carter, sie hatten drei Töchter, Karin (1957), Kevyn (1959) und Katie (1965), die kurz nach der Trennung von seiner Frau geboren wurde – sie wurden im Jahre 1968 geschieden. Von 1965 an lebte er in Berlin-Schöneberg zusammen mit Véronique Springer, der Tochter des Galeristen Rudolf Springer. Von 1969 bis 1972 waren sie verheiratet. 1979 heiratete Lettau Dawn Teborski. Seit Mitte der 1970er Jahre arbeitete er im Landkreis Lüchow-Dannenberg mehrfach mit Künstlern, z. B. Uwe Bremer, zusammen. Von 1991 bis 1993 lebte er im wendländischen Grabow. In dieser Zeit schrieb er Flucht vor Gästen.
Nach der Wiedervereinigung kehrten Lettau und seine Frau nach Berlin zurück, nachdem Lettau sich wegen gesundheitlicher Probleme in den USA vorzeitig hatte pensionieren lassen. Lettau war Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste und des westdeutschen PEN-Zentrums. Aus Protest gegen die mangelnden Bestrebungen zur Bildung eines gesamtdeutschen Autorenverbands besuchte er jedoch auch den ostdeutschen PEN-Club. In einem Interview mit der Berliner Zeitung bekundete er 1995: „Wenn alle sowieso auf einer Seite stehen, ist es kein Fehler, auf der falschen Seite zu sein. Um die eine Seite brauche ich mich nicht mehr zu kümmern. Doch kann die andere unter Umständen richtig sein.“
1996 reiste er zum 90. Geburtstag seiner Mutter nach Karlsruhe. Nach einem Sturz kam er ins Krankenhaus und starb dort an Lungenentzündung. Lettau wurde auf dem Friedhof III der Jerusalems- und Neuen Kirche neben der Grabstätte E. T. A. Hoffmanns in Berlin-Kreuzberg beigesetzt.
Preise und Auszeichnungen Bearbeiten
- 1979 – Hörspielpreis der Kriegsblinden
- 1993 – Berliner Literaturpreis
- 1995 – Bremer Literaturpreis
Werke Bearbeiten
- Schwierigkeiten beim Häuserbauen (1962)
- Auftritt Manigs (1963)
- Die Gruppe 47 – Bericht, Kritik, Polemik (1967)
- Gedichte (1968), Literarisches Colloquium Berlin
- Feinde (1968)
- Täglicher Faschismus (1971)
- Immer kürzer werdende Geschichten. Und Gedichte und Porträts. (1973)
- Frühstücksgespräche in Miami (1977)
- Zerstreutes Hinausschaun – Vom Schreiben über Vorgänge in direkter Nähe oder in der Entfernung von Schreibtischen (1980)
- Der Irrgarten – Geschichten und Gespräche (1980)
- Herr Strich schreitet zum Äußersten. Geschichten (1982)
- Zur Frage der Himmelsrichtungen (1988)
- Flucht vor Gästen (1994)
- Waldstück im Ansturm
- Reinhard Lettau's renovierter Rixdorfer Ruebezahl (1996)
- Alle Geschichten, Carl Hanser 1998, ISBN 3-446-19286-7, posthum, Hrsg. Dawn Lettau und Hanspeter Krüger
- Roter Sturm über Thüringen – Deutschlands Herz wird rot, Wartburg Verlag, Weimar 2011, ISBN 978-3-86160-336-8, posthum, bearbeitet und mit einem Nachsatz von Christina Onnasch.
Weblinks Bearbeiten
- Literatur von und über Reinhard Lettau im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Cornelia Geißler: Vorliebe für die falsche Seite Nachruf in der Berliner Zeitung
- Fotografie: Reinhard Lettau im Gespräch mit Stephan Hermlin
- Reinhard-Lettau-Archiv im Archiv der Akademie der Künste, Berlin
Einzelnachweise Bearbeiten
- ↑ Reinhard-Lettau-Archiv im Archiv der Akademie der Künste, Berlin
- Dae Sung Jung: Der Kampf gegen das Presse-Imperium: Die Anti-Springer-Kampagne der 68er-Bewegung. Transcript, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-8376-3371-9, S. 166.
- Dichter, Dichter. In: Der Spiegel. Nr. 53, 1967, S. 178–182 (online – 16. Oktober 1967).
- ↑ Cornelia Geißler: Vorliebe für die falsche Seite Nachruf in der Berliner Zeitung vom 18. Juni 1996.
- Polizei will Lettau notfalls abschieben. In: Die Welt. Axel Springer SE, 29. Mai 1967, S. 3, abgerufen am 3. August 2015 (via Medienarchiv68.de, PDF-Digitalisat).
- Nun haben sie einen Märtyrer. In: B.Z. Axel Springer SE, 29. Mai 1967, S. 4, abgerufen am 3. August 2015 (via Medienarchiv68.de, PDF-Digitalisat).
- Wendland-Lexikon, Band 2, Lüchow 2008, S. 51.
- Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1, S. 244.