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Der Begriff Psychostasie altgriechisch psyxh Seele altgriechisch stasis Stabilitat das Stehen Halten bezeichnet im altagyptischen Totenbuch fur den Zeitraum vom Neuen Reich bis zur Ptolemaerzeit die altagyptische Vorstellung dass das Herz des Verstorbenen vor der Vereinigung seiner Ba Seele mit seinem Leichnam in der Halle der Vollstandigen Wahrheit gewogen wird Das ermittelte Gewicht steht dabei stellvertretend fur die Loslosung der negativen Taten des Verstorbenen Wenn das Herz zu schwer war und damit die Unzulanglichkeit des Verstorbenen andeutete wurde es an die Totenfresserin Ammit 1 verfuttert Das Wiegen des Herzens in einem Relief im Hathor Tempel von Deir el Medina Inhaltsverzeichnis 1 Altagyptisches Totenbuch 2 Geschichte der Psychostasie 3 Redewendungen 4 Versuche wissenschaftlicher Psychostasie 5 Siehe auch 6 Literatur 7 EinzelnachweiseAltagyptisches Totenbuch BearbeitenDer Totenbuchspruch 125 befasst sich mit der Beschreibung des altagyptischen Totengerichts Der Verstorbene muss sich vor den Totenrichtern rechtfertigen da diese uber sein weiteres Schicksal entscheiden werden Hier findet die Psychostasie statt Zu Beginn begibt sich der Verstorbene in die Halle der Vollstandigen Wahrheit um dort den 42 Totenrichtern des Totenbuches 2 gegenuberzutreten und vor ihnen Rechenschaft abzulegen Nachdem er eine kurze Begrussungsformel gesprochen hat beginnt der Verstorbene einen Monolog daruber zu halten welche negativen Taten er nicht begangen habe und wendet sich anschliessend direkt an jeden Einzelnen der Totenrichter um sein negatives Bekenntnis abzuliefern Im Anschluss daran betont der Verstorbene noch einmal wodurch er sich zu Lebzeiten ausgezeichnet habe und bittet die Gotter darum ihn zu erretten Veranschaulicht wird die Psychostasie durch Vignetten deren Hauptkennzeichen die Darstellung des Verstorbenen in Gegenwart der Waage ist Geschichte der Psychostasie Bearbeiten nbsp Kerostasie Abwagung der Keres durch Hermes Lekythos aus Capua nbsp Erzengel Michael beim Wiegen der SeelenBei den Griechen in den fruhen heroischen Uberlieferungen war es der Tropos vom Menschenleben im Gleichgewicht in dem die Gotter die Waage hielten um das Uberleben der Helden in einem Duell zu ermitteln so wie wahrend des Kampfes der Helden Achilles und Hektor in der Ilias 3 als Zeus ermudend der Schlacht seine goldene Waage aufhangte und in ihr die paarigen Keres setzte zwei verhangnisvolle Bestandteile des Todes Dieser Prozess war eine Kerostasie eine Abwagung der Helden Schicksale als eher ein Urteil vom jeweiligen Wert 4 Diese Uberlieferung wurde haufig von Vasenmalern gepflegt Ahnliche Typen sind auf spateren Kunstwerken besonders auf etruskischen Spiegeln nachzuweisen fur die Ker treten hier furienartige Gestalten ein Unter den spateren griechischen Autoren war die Psychostasie das Vorrecht des Minos dem Richter der neu Verstorbenen in der Unterwelt der griechischen Mythologie Plutarch berichtet dass Aischylos eine Tragodie mit dem Titel Psychostasia altgriechisch psῡxo stasia schrieb in dem die Zuschauer des Kampfes Thetis und Eos waren welche in diesem Fall den Kampf zwischen Achilles und Memnon zeigt 5 Die Seelenwagung im Jungsten Gericht entspricht der agyptischen Herzwagung beim Totengericht Sie ist auch dem Alten Testament bekannt Hiob 31 6 Dan 5 27 In der Scholastik des Mittelalters wird durch den Lehrentscheid von Papst Benedikt XII 1336 ein Gericht nach dem Tod des verstorbenen impliziert 6 Im Christentum ist das wagen der Seele im Partikulargericht sowie dem Weltgericht am Jungsten Gericht bekannt Sie wird in mittelalterlichen Darstellungen durch den Erzengel Michael vorgenommen s Abb Auch untergeordnete Elemente der Seelenwagung stimmen in agyptischen und mittelalterlichen Bildern treu uberein nicht zuletzt der Rachen des Untiers als Symbol fur die Holle Wie sich die Beisitzer im agyptischen Gericht aus seligen Toten rekrutieren konnten so nehmen auch die Apostel am Jungsten Gericht neben dem Thron seiner Herrlichkeit teil Matth 19 28 Im Volksglauben lebte die agyptische Tradition der Psychostasie weiter Viele Christen hielten noch bis zum Mittelalter an dem Brauch fest das Herz eines verstorbenen Menschen durch etwas Schwereres zu ersetzen Zuerst wurden dabei fruher das organische Herz entnommen und durch ein kunstliches Herz aus einem moglichst schweren Stoff ersetzt um dem Toten seine Chance zu erhohen nach dem Tod im Jenseits weiterzuleben bzw sein Herz gewichtiger erscheinen zu lassen Bei wohlhabenden Menschen wie z B Kaisern Konigen und reichen Adligen wurde Gold als Herzersatz bevorzugt Angehorige niederer Stande ersetzten das Herz durch einen gewohnlichen Stein Da dieser Brauch sich noch bis zum Mittelalter hielt ist uns heute auch der aus der damaligen Zeit stammende Ausdruck ein Herz aus Gold Stein bekannt Eine andere Erklarung fur den Ausdruck ein Herz aus Stein ist die alttestamentliche Bibelstelle Ez 36 26 EU in der Gott ankundigt das steinerne Herz der Menschen wegzunehmen und durch ein fleischernes zu ersetzen Redewendungen BearbeitenRedewendungen erweisen sich als ein kollektives Gedachtnis fur langst vergessene Vorstellungen Der Ausdruck gewogen und zu leicht befunden den sachlichen fachlichen ethischen o a Anforderungen nicht genugend vgl DUDEN Redewendungen stammt aus dem alttestamentlichen Buch Daniel 5 27 das direkt die agyptische Idee der Psychostasie aufgreift Bei den Redewendungen leichten Herzens und ein Herz aus Stein hat dagegen im Laufe der Zeit eine Bedeutungs Inversion stattgefunden Sie meinen nun das Gegenteil vom psychostatischen Ursprung Versuche wissenschaftlicher Psychostasie BearbeitenDuncan MacDougall Arzt aus Haverhill in Massachusetts bestimmte in wissenschaftlichen Experimenten das Gewicht der Seele mit 21 Gramm Davon berichtete die New York Times am 11 Marz 1907 MacDougall baute eine Prazisionswaage ein an einem Gestell aufgehangtes Bett dessen Gewicht samt Inhalt sich auf funf Gramm genau bestimmen liess Die erste von sechs Versuchspersonen zeigte im Moment des Todes einen Gewichtsverlust von 21 Gramm das vermeintliche Gewicht der Seele 15 Hunde dagegen verendeten auf der Waage alle ohne den geringsten Gewichtsverlust Auch der niederlandische Physiker Dr Zaalberg van Zelst und auch Dr Malta wollten nachgewiesen haben dass man den Astralkorper eines Menschen wiegen und damit physikalisch nachweisen kann In einigen Versuchen in Den Haag wogen sie sterbende Patienten und ermittelten dabei im Moment des klinischen Todes einen nicht zu erklarenden Gewichtsverlust der Personen von 69 5 Gramm Der Film 21 Gramm Alejandro Gonzalez Inarritu USA 2003 bezieht sich auf diese Experimente In den 1930er Jahren stellte der Lehrer Harry LaVerne Twining in Los Angeles Versuche mit Mausen an die er totete und wahrend des Sterbevorgangs wog Er stellte auf die Schalen einer Balkenwaage je ein Becherglas mit einer lebenden Maus und einem Stuck Zyankali und balancierte die Versuchsanordnung aus Dann gab er eines der Zyankalistucke in das Glas Als die Maus nach 30 Sekunden starb bewegte sich der Waagbalken auf ihrer Seite nach oben Somit trat wie bei MacDougalls Versuch ein Gewichtsverlust ein Als aber Twining die Maus in einem luftdicht versiegelten Glaszylinder ersticken liess wurde keine Gewichtsveranderung festgestellt Daraus schloss Twining dass eine sterbende Maus im Augenblick des Todes eine bestimmte Menge an Flussigkeit verliert die verdunstet aber bei Versiegelung des Gefasses nicht entweichen kann Twinings Hypothese kann jedoch nicht uberzeugen da ein Grund fur einen solch plotzlichen und grossen Flussigkeitsverlust beim Sterbevorgang nicht ersichtlich ist Len Fisher weist darauf hin dass moglicherweise Konvektionsstrome eine Rolle spielen dieser Faktor wurde weder von MacDougall noch von Twining berucksichtigt Ebenso konnte es sich um die beim Tod aus der Lunge entweichende Atemluft handeln Allerdings musste dies dann bei allen Saugetieren zu beobachten sein Bei den Versuchen mit Hunden konnte die durch das Fell erzeugte Warmedammung das Ergebnis beeinflusst haben Geht man jedoch davon aus dass die Flussigkeit nicht verdunstet sondern im Fell aufgefangen wird so musste dies auch bei Mausen der Fall sein Fisher stellt folglich fest dass eine befriedigende Erklarung der Experimente noch nicht gefunden ist 7 Siehe auch BearbeitenSeelenwaageLiteratur BearbeitenLen Fisher Der Versuch die Seele zu wiegen und andere Sternstunden von Forschern und Fantasten Campus Verlag Frankfurt am Main New York 2005 ISBN 3 593 37765 9 Karin Plaschy Die Darstellung der Seelenwagung im Mittelalter betreute Lizentiatsarbeit Kunsthistorisches Institut Zurich Sommersemester 2002 Rudolf zur Lippe Der Sitz der Seele In Dietmar Kamper Christoph Wulf Die erloschene Seele Disziplin Geschichte Kunst Mythos Reihe Historische Anthropologie Band 1 Reimer Berlin 1988 ISBN 3 496 00946 2 S 162 175 Mohammed Saleh Das Totenbuch in den thebanischen Beamtengrabern des Neuen Reiches Texte und Vignetten Archaologische Veroffentlichungen AV Deutsches Archaologisches Institut Abteilung Kairo Band 46 von Zabern Mainz 1984 Ulrich Schnabel Die Vermessung des Glaubens Karl Blessing Munchen 2008 ISBN 978 3 89667 364 0 Einzelnachweise Bearbeiten Namensvarianten Ammit und Ammit net amentet Nicht nur im Totenbuch tagt das Totengericht sondern auch im Amduat und im Pfortenbuch Ilias 22 208 James V Morrison Kerostasia the Dictates of Fate and the Will of Zeus in the Iliad In Arethusa Band 30 Nr 2 1997 S 276 296 Plutarch De audiendis poetis de aud poet 2 Vergleiche Ilias 22 210 ff und die Parodie von Aristophanes Ranae 1365 ff Peter Jezler Jenseitsmodelle und Jenseitsvorsorge Eine Einfuhrung In Peter Jezler Hans Dietrich Altendorf Gesellschaft fur das Schweizerische Landesmuseum Hrsg Himmel Holle Fegefeuer das Jenseits im Mittelalte eine Ausstellung des Schweizerischen Landesmuseums in Zusammenarbeit mit dem Schnutgen Museum und der Mittelalterabteilung des Wallraf Richartz Museums der Stadt Koln Veroffentlichung des Schweizerischen Landesmuseums 2 durchgesehene Auflage W Fink Munchen 1994 ISBN 3 7705 2964 2 S 18 Len Fisher Der Versuch die Seele zu wiegen und andere Sternstunden von Forschern und Fantasten Frankfurt u a 2005 S 29 35 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Psychostasie amp oldid 235350381