Der Tropus (auch die Trope, Plural Tropen) ist in der Rhetorik ein Überbegriff für bestimmte Klassen rhetorischer Figuren (sprachlicher Stilmittel). Er leitet sich von altgriechisch τρόπος (Plural τρόποι) bzw. τροπή tropé, deutsch ‚Wendung‘ ab und bezeichnet die Ersetzung eines Ausdrucks durch einen anderen, der allerdings nicht synonym, sondern einem anderen Bedeutungsfeld zugehörig ist.
Bei den Tropen handelt es sich um semantische Figuren, womit sie sich von anderen rhetorischen Figuren abgrenzen, die ihre Wirkung durch die lautliche Gestalt (phonologische Figuren) der Wörter (zum Beispiel Alliteration) oder durch eine besondere Stellung der Wörter im Satz (syntaktische Figuren) erzielen (zum Beispiel Parallelismus).
Die bekanntesten Tropen sind Metapher, Ironie, Metonymie und Synekdoche. Sie machen den Hauptteil der semantischen Figuren aus. Beispiele für semantische Figuren, die nicht zu den Tropen zählen, sind Pleonasmus, Oxymoron und Hysteron proteron.
Struktur Bearbeiten
Es lassen sich drei Elemente ausmachen, die für die Bildung eines Tropus von Bedeutung sind:
- das Substituens „S2“: der eigentliche Tropus, also der neue ersetzende Begriff;
- das Substitutum „S1“: der ursprüngliche Begriff, der ersetzt wurde (verbum proprium);
- der Signalkontext „K“: die Satzumgebung, die anzeigt, dass etwas ersetzt wurde.
Typen Bearbeiten
Tropen lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, wobei die exakte Zuordnung nicht immer eindeutig ist. Der Inhaltsbereich des ersetzenden Ausdrucks kann vom Inhaltsbereich des ersetzten Ausdrucks unterschiedlich weit entfernt sein. Demnach wird zwischen Grenzverschiebungstropen und Sprungtropen unterschieden.
Liegen die Inhaltsbereiche nahe beieinander, spricht man von einem Nachbarschaftstropus oder Grenzverschiebungstropus. Hierzu zählen die Figuren Metonymie und Synekdoche.
Liegen beide Inhaltsbereiche hingegen weit voneinander entfernt, spricht man von einem Sprungtropus. Hierzu zählen die Figuren Metapher und Ironie.
Metonymie und Synekdoche Bearbeiten
Metonymie und Synekdoche sind die beiden zentralen Grenzverschiebungstropen. Wie stark zwischen beiden Typen unterschieden werden soll, ist in der Forschung umstritten: Wird nur die Nähe des Inhaltsbereichs betrachtet, erscheint die Synekdoche als bloße Sonderform der Metonymie. Wird hingegen die rhetorische Wirkung untersucht, unterscheiden sich die beiden Typen voneinander.
Eine Metonymie liegt vor, wenn der ersetzende Begriff aus dem Inhaltsbereich des ursprünglichen Wortes stammt, aber keinen eigentlichen Teil von diesem darstellt. Dabei können unter anderem die Bedeutung verschiedener Begriffspaare vertauscht werden wie Ursache/Wirkung, Raum/Rauminhalt oder Substanz/Akzidenz.
Es handelt sich um eine Synekdoche, wenn eine quantitative Teilung oder Zusammenfassung vorliegt. Dabei steht entweder ein Teil für sein Ganzes oder umgekehrt repräsentiert das Kollektiv ein Individuum. Eine Synekdoche hat eine integrierende Wirkung: Das Ganze hat scheinbar die gleichen Absichten wie all seine Teile, während diese umgekehrt nur den Willen des Kollektivs auszuführen wünschen. Wird diese sprachliche Integration allerdings zu weit geführt, vereinfacht sie die Realität dermaßen, dass sie propagandistische Wirkung annehmen kann.
Metapher und Ironie Bearbeiten
Metapher und Ironie sind Typen aus dem Bereich der Sprungtropen. Ihnen ist gemeinsam, dass eindeutig nicht zueinander gehörende Inhaltsbereiche verwoben werden. Den Begriffen wohnen verschiedene Assoziationen (Konnotationen) inne, die nun in Bezug zueinander gesetzt werden.
Bei einer Metapher nimmt der ersetzende Begriff einen Teil der Assoziationen des ursprünglichen Begriffs an. Sie wirkt somit romantisierend, da sie bestimmte Eigenschaften eines Begriffs in den Vordergrund rückt, andere hingegen verschleiert.
Ironie wirkt genau gegensätzlich, da hier bewusst ein Widerspruch nicht nur auf der formalen, sondern auch auf der assoziativen Ebene erzeugt wird. Dies wirkt negatorisch, d. h. die Bedeutung des eigentlichen Ausdrucks wird abgeschwächt.
Abgrenzung der vier Typen Bearbeiten
Ausgehend von der Grundform Achilles tötet Hektor mit seinem Speer lassen sich alle vier Typen des Tropus anwenden:
- Metonymie: Achilles tötet Hektor mit seinem Stahl. Anstelle des Speeres wird das Augenmerk auf die spezifische Qualität der Waffe gelenkt, in diesem Fall auf das Material der Klinge, nämlich Stahl.
- Synekdoche: Achilles tötet Hektor mit seiner Klinge. Die Klinge ist nur ein Teil des Speeres (neben Heft und Stange), wird hierbei jedoch als scheinbar synonyme Bezeichnung verwendet.
- Metapher: Achilles tötet Hektor mit seinem Zorn. Der Zorn, der nicht aus dem Begriffsfeld Waffe stammt, wirkt romantisierend und schwächt den Akt der Tötung ab.
- Ironie: Achilles tötet Hektor mit seiner Gnade. Hierbei wird die Gnade anstelle des gegensätzlichen Begriffs Rache gebraucht, um dadurch Achilles’ Tat ins Lächerliche zu ziehen.
Sekundärtropen Bearbeiten
Neben den vier genannten Primärtropen lassen sich noch weitere rhetorische Figuren zu den Tropen zählen:
- Wird ein Begriff nur deshalb ersetzt, weil man eine Wiederholung vermeiden will, spricht man von einer Periphrase oder Antonomasie. Dabei handelt es sich meist um Synekdochen.
- Mit der Ironie verwandt ist die Litotes, bei der durch doppelte Verneinung eine Hervorhebung erreicht wird. Die Litotes substituiert den eigentlichen Begriff mit der Verneinung des Gegenteils. Beispiel: „kleines Sümmchen“ ist zwar eine Verkleinerungsform, es bedeutet tatsächlich aber eine große Summe. Die Untertreibung wirkt dabei verstärkend. Andere Beispiele wären die Ausdrücke „nicht ganz klein“ oder „ganz ordentlich“.
- Ebenso reicht die Hyperbel in den Bereich der Ironie hinein, da hier bewusst ein unglaubwürdiger Vergleich angestellt wird. Bei der Hyperbel wird der eigentliche Begriff in seiner Intensität und Größe übertrieben. Die Wahrheit wird übersteigert, wobei dies in einem angemessenen Rahmen geschehen sollte. Beispiele: „extra-super“, „mega“, „das interessiert mich nicht ein My“.
- Die Epanorthose (griech. Epanorthosis), eine schnelle und emphatische Selbstkorrektur des gesprochenen Wortes, oft dem Freudschen Versprecher folgend.
Literatur Bearbeiten
- Hans Baumgarten: Compendium Rhetoricum. Die wichtigsten Stilmittel. Eine Auswahl. Göttingen 1998, ISBN 3-525-71017-8 (tabellarische Übersicht mit lateinischen und deutschen Beispielen).
- Lothar Kolmer, Carmen Rob-Santer: Studienbuch Rhetorik. Paderborn 2002, ISBN 3-506-97017-8.
- George Lakoff, Mark Johnson: Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern. Heidelberg 1998.
- Heinrich Lausberg: Elemente der literarischen Rhetorik. München 1963 (seitdem mehrere Neuauflagen).
- Heinrich F. Plett: Systematische Rhetorik. München 2000.
- Nicolas Ruwet: Synekdochen und Metonymien. In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Theorie der Metapher. Darmstadt 1983, S. 253–282 (Übersetzung aus dem Frz.).
- Hermann Schlüter: Grundkurs der Rhetorik. München 1974.
- Christian Strub: Ordo troporum naturalis. Zur Systematisierung der Tropen. In: Jürgen Fohrmann (Hrsg.): Rhetorik. Figuration und Performanz. Stuttgart 2004, S. 7–38.
- Hayden White: Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa. Fischer, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-596-11701-1 (Verbindung von Tropen und Geschichtsschreibung).
- Eckard Rolf: Metaphertheorien. Typologie – Darstellung – Bibliographie. de Gruyter, Berlin [u. a.] 2005, ISBN 3-11-018331-5 (systematische Übersicht über verschied., theoret. Ansätze zur Metapher).
Einzelnachweise Bearbeiten
- vgl. Plett, Systematische Rhetorik, S. 191
- vgl. White, Metahistory