www.wikidata.de-de.nina.az
Der Nister jiddisch דער נסתר mit burgerlichem Namen Pinchas Kahanowitsch jiddisch פ נחס קא הא נא וויטש russisch Pinhus Mendelevich Kaganovich geboren am 1 November 1884 in Berdytschiw Russisches Reich heute Ukraine gestorben am 4 Juni 1950 1 in einem sowjetischen Lager gilt als der bedeutendste jiddische Schriftsteller der Sowjetunion Er veroffentlichte alle seine Werke unter dem Pseudonym Der Nister auch Der Nistor jiddisch דער נסת ר der Verborgene Der Nister vorne erste Reihe in der Mitte links neben Chagall Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Kindheit und Jugend 1 2 Der Erste Weltkrieg 1 3 Die zwanziger Jahre 1 4 Die dreissiger Jahre 1 5 Der Zweite Weltkrieg 2 Rezeption 3 Werke Auswahl 4 Ausgaben Auswahl 5 Literatur Auswahl 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenKindheit und Jugend Bearbeiten Pinchas Kahanowitsch wurde in eine chassidische Familie von Kaufleuten geboren Sein Vater war Fischhandler in Astrachan an der Wolga Durch seine Familie die den Korschewer Chassiden nahestand erhielt er eine streng traditionelle religiose Erziehung Es war wohl seine Mutter als fortschrittliches Element seiner Familie die sein Interesse fur sozialistische und zionistische Ideen weckte 1905 besuchte er den Poalei Tzion Kongress Pinchas studierte Padagogik und begann als Zwanzigjahriger als Lehrer zu arbeiten Dieser Arbeit ging er auch noch lange Jahre neben seiner literarischen Tatigkeit nach Mit 23 Jahren veroffentlichte er in Vilnius sein erstes Buch wie alle seine Werke in seiner Muttersprache Jiddisch Gedankn un motiwn lider in prose eine Sammlung kurzer meist philosophischer Betrachtungen Schon sein Erstling erschien unter dem Pseudonym Der Nister das er zeitlebens fur all seine weiteren Veroffentlichungen verwendet Das Pseudonym nimmt Bezug auf die alte chassidische Legende der 36 Gerechten die verborgen vor der Welt und vor sich selbst als Rechtfertigung und Grundlage der Existenz der Welt dienen Der Erste Weltkrieg Bearbeiten Um der Einberufung zur zaristischen Armee zu entgehen verliess Kahanowitsch 1907 seine Heimatstadt und zog nach Schytomyr Hier gab er Privatunterricht in Hebraisch und setzte seine literarische Arbeit fort Er veroffentlichte Gedichte und Kurzgeschichten und lernte den jiddischen Schriftsteller I L Peretz kennen den Kahanowitsch sehr verehrte Peretz erkannte dessen literarisches Talent und forderte ihn indem er ihm half seine literarische Prosa Hecher fun der erd 1910 in Warschau zu veroffentlichen 1912 heiratete Kahanowitsch Rochl Silberberg eine junge Lehrerin aus Schytomyr Im Juli 1913 wurde ihre Tochter Hodel geboren sie starb im Fruhjahr 1942 in Leningrad Kahanowitsch fand Arbeit in Kiew die seine bis dato rechtlose Lage klarte und zog mit seiner Familie offiziell nach Kiew Zwischen 1912 und 1920 veroffentlichte er eine ganze Reihe von Werken verschiedener Gattungen Gedichte Erzahlungen Kindergeschichten und entwickelte dabei allmahlich einen unverwechselbaren stark symbolistisch gepragten Erzahlstil der mit den Jahren immer raffinierter und komplexer wurde Die zwanziger Jahre Bearbeiten 1920 zog er fur einige Monate in die Musterkolonie nach Malakowka nahe Moskau und arbeitete hier als Lehrer fur judische Waisenkinder deren Eltern vorwiegend den zaristischen Judenpogromen von 1904 bis 1906 zum Opfer gefallen waren Malakowka war zu dieser Zeit eine Art Labor fur neue Konzepte moderner Kindererziehung gleichzeitig wurde hier in Literatur Lyrik und Malerei experimentiert Er traf hier auf weitere judische Kunstler und Intellektuelle unter ihnen David Hofstein Leib Kwitko Moshe Lifshits und Marc Chagall Chagall hatte bereits eine Sammlung Kindergedichte von Kahanowitsch illustriert Majsselech in fersn erschienen 1918 19 Wohl Anfang 1921 verliess Kahanowitsch Malakowka wieder und zog mit seiner Familie nach Kaunas in Litauen Da er dort grosse Schwierigkeiten hatte seinen Lebensunterhalt zu verdienen entschloss er sich wie viele andere russische Intellektuelle dieser Zeit die Sowjetunion zu verlassen und zog nach Berlin Von 1922 bis 1924 arbeitete er hier als freier Mitarbeiter der jiddischen Zeitschrift Milgroim Granatapfel In Berlin veroffentlichte er auch eine zweibandige Sammlung seiner symbolistischen Erzahlungen unter dem Titel Gedacht Das Buch begrundet einen ersten bescheidenen literarischen Erfolg Als die Milgroim 1924 ihr Erscheinen einstellte zog er mit seiner Familie weiter nach Hamburg wo er zwei Jahre lang fur die sowjetische Handelsmission arbeitete 1926 kehrte Kahanowitsch in die Sowjetunion zuruck und liess sich mit seiner Familie in Charkiw nieder Die Sammlung Gedacht wurde 1929 auch in Russland veroffentlicht allerdings mit leichten Veranderungen Im selben Jahr erschien in Kiew ein weiterer Band mit Erzahlungen die wohl schon fur die Berliner Ausgabe vorgesehen waren unter dem Titel Fun majne giter Das komplizierte Geflecht von Metaphern in seinen Erzahlungen die in ihren Themen an die chassidische Mystik anknupfen besonders an die Kabbala sowie an die symbolistischen Erzahlungen von Rabbi Nachman von Brazlaw lassen ein Universum an Bildern und Gleichnissen entstehen die an die romantischen Texte eines E T A Hoffmann aber auch an Volksmarchen Kindergedichte oder Abzahlreime erinnern Der hypnotische Rhythmus seiner langen Satze gibt den Erzahlungen einen ratselhaft archaischen Unterton Nicht zuletzt spiegeln sie aber auch den zunehmenden Druck wider der zu jener Zeit durch das Sowjetregime auf judische Intellektuelle ausgeubt wurde So wurde auch Der Nister Opfer der immer strenger werdenden sowjetischen Zensur Als die russische jiddische Zeitung Di rojte welt Die rote Welt 1929 seine Erzahlung Under a plojt Unterm Zaun abdruckte wurde er dafur heftig kritisiert Der damalige Prasident des russischen Verbandes Jiddischer Schriftsteller Mosche Litwakow initiierte eine Verleumdungskampagne an deren Ende sich Der Nister vom literarischen Symbolismus lossagen musste Er bemuhte sich nun seine literarische Arbeit im Sinne des vorherrschenden Sozialistischen Realismus zu verfassen und begann Reportagen zu schreiben Diese gesammelten Reportagen erscheinen 1934 unter dem Titel Hojptschtet Hauptstadte Die dreissiger Jahre Bearbeiten In den fruhen 1930er Jahren veroffentlichte er fast ausschliesslich als Journalist und Ubersetzer u a Werke von Tolstoi Victor Hugo oder Jack London Seine eigene literarische Arbeit beschrankte sich auf vier kleine Sammlungen mit Erzahlungen fur Kinder Zur selben Zeit begann er mit der Arbeit an seinem eigentlichen Hauptwerk Di mischpoche Maschber Die Familie Maschber bzw zugleich Die Familie Krise jidd maschber dt Krise eine realistisch geschriebene den Buddenbrooks vergleichbare Familiensaga zum judischen Leben in seiner Geburtsstadt Berditschew am Ende des 19 Jahrhunderts mit den drei Brudern Mosche ein stolzer Geschaftsmann der dann Bankrott macht Luzi ein skeptizistischer Mystiker und Wohltater der mutig trotzig an die Ewigkeit des judischen Volkes glaubt wohl eine Selbstdarstellung Kahanowitschs und Alter ein menschenfreundlicher Altruist als Hauptakteuren Der erste Band der Familie Maschber erschien 1939 in Moskau Das Werk wurde von der Kritik fast einhellig gelobt er schien rehabilitiert zu sein Doch der Erfolg wahrte nicht lange Die limitierte Auflage des ersten Bandes war schnell ausverkauft der Zweite Weltkrieg und der Einmarsch deutscher Truppen in die Sowjetunion 1941 machten eine zweite Auflage unmoglich Der zweite Band seiner Tochter Hodel gewidmet die bei der Leningrader Blockade verhungern musste erschien erst 1948 in New York Das Manuskript eines dritten Bandes dessen Fertigstellung Der Nister in einem Brief erwahnt ist bis heute verschollen Eine deutsche Ubersetzung der Familie Maschber wurde erstmals 1990 veroffentlicht Der Zweite Weltkrieg Bearbeiten Wahrend des Zweiten Weltkriegs wurde Kahanowitsch nach Taschkent evakuiert Hier schrieb er Erzahlungen uber die Grauel der Judenverfolgung im von den Deutschen besetzten Polen die ihm von Bekannten aus erster Hand beschrieben worden waren Diese gesammelten Erzahlungen erschienen 1943 unter dem Titel Churboness in Moskau wohin er zuruckgezogen war zusammen mit seiner zweiten Frau Lena Singalowska einer Schauspielerin des damaligen jiddischen Kiewer Theaters Zeitgleich engagierte sich Der Nister wie seine jiddischen Schriftstellerkollegen Itzik Feffer Perez Markisch und Samuel Halkin in dem vom Intendanten des Jiddischen Staatstheaters Moskau Solomon Michoels geleiteten Judischen Antifaschistischen Komitee und verfasste Texte und Bittbriefe als Hilferufe gegen die nationalsozialistischen Pogrome Die Texte wurden u a auch in US amerikanischen Zeitungen abgedruckt 1947 wurde er nach Birobidschan nahe der chinesischen Grenze verbannt um uber eine vom Sowjetregime in dieser Gegend vorgesehene selbst verwaltete judische Siedlung zu berichten 1949 wurde er schliesslich im Zuge der vom sowjetischen Staatsapparat befohlenen Ausrottung judischer Schriftsteller und der Vernichtung der judischen Kultur auf sowjetischem Boden verhaftet Pinchas Kahanowitsch starb offiziellen sowjetischen Angaben zufolge am 4 Juni 1950 in einem sowjetischen Gefangniskrankenhaus Im August 2017 wurde sein Grab von israelischen und russischen Forschern in dem Dorf Abes in der Nahe von Workuta entdeckt Es wird heute durch ein Monument in der Form eines aus Stacheldraht geformten Davidsterns markiert 2 Rezeption BearbeitenWahrend der Stalinzeit wurden die Werke des Nister wie samtliche jiddische Literatur vollkommen totgeschwiegen Das anderte sich erst in den 60er Jahren 1960 wurde sein Tod erstmals offiziell bestatigt Nach und nach erschienen wieder Fragmente aus seinen Werken in der 1961 gegrundeten Zeitschrift Sowetisch Hejmland 1969 erschien eine Sammlung seiner Erzahlungen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Titel Widerwuks Die beiden Bande der Familie Maschber wurden zusammen 1974 in der Sowjetunion verlegt Der Nister wurde somit schrittweise rehabilitiert ohne dass dies je offiziell ausgesprochen worden ware Der Nachdruck seiner Werke beschrankte sich zudem auf seine realistischen Schriften Der Nister erscheint als Figur im 2006 veroffentlichten Roman The World to Come dt Die kommende Welt von Dara Horn Werke Auswahl BearbeitenGedankn un motiwn lider in prose Wilna 1907 Hecher fun der Erd Hoher von der Erde Warschau 1910 Gesang un gebet Kiew 1912 Liedersammlung Ubersetzte Auswahlausgabe von Andersens Marchen 1918 Majsselech in fersn Erzahlungen in Versen 1918 19 mit Illustrationen von Marc Chagall mehrere Auflagen Kiew Warschau Berlin Gedacht Berlin 1922 23 Sammlung fantastisch visionarer Erzahlungen 2 Bde Fun majne giter Kiew 1929 pessimistisch gestimmte Erzahlungen Hojptschtet Moskau 1934 Sekss majsselech 1939 Di mischpoche Maschber Kiew 1939 1 Band New York 1948 2 Band Churboness Moskau 1943 Derzejlung und essejen New York 1957 postum Widerwukss Moskau 1969 postum Ausgaben Auswahl BearbeitenIn deutscher Ubersetzung wurden veroffentlicht Unterm Zaun Jiddische Erzahlungen Frankfurt 1988 Nachwort von Daniela Mantovan Kromer Die Bruder Mashber Das jiddische Epos Ubs von Hans Joachim Maass Frankfurt M 1990In englischer Ubersetzung wurde veroffentlicht The Family Mashber New York 1987In franzosischer Ubersetzung wurden veroffentlicht Sortileges Contes traduits par Delphine Bechtel Paris 1992 Contes fantastiques et symboliques traduits par Delphine Bechtel Paris 1997In italienischer Ubersetzung wurde veroffentlicht Prologo di uno sterminio Venedig 2000 Nachwort von Dr Daniela Mantovan KromerLiteratur Auswahl BearbeitenDie jiddische Welt Jg 1913 hrsg von Samuel Niger Wilna 1913 Borromaus Blatter Die Bucherwelt Jg 1919 hrsg vom Borromausverein Bonn 1919 Borromaus Blatter Die Bucherwelt Jg 1924 Bonn 1924 Salomon Wininger Bd III 1925 ff Salman Reisen Lekssikon fun der jidischer Literatur un Presse 1926 ff Bd II Saul Kaleko Artikel Nister in Judisches Lexikon Bd IV 1 Berlin 1927 Gunter Stemberger Geschichte der judischen Literatur 1977 Delphine Bechtel Der Nister s Work 1907 1929 A Study of a Yiddish Symbolist Bern 1990 Contacts Etudes et Documents III 11 Delphine Bechtel Der Nister s Der Kadmen A Metaphysical Narration on Cosmogony and Creation L origine de Der Nister Une narration metaphysique sur la cosmogonie et la creation Yiddish vol VIII n 2 New York 1992 p 38 54 Daniela Mantovan Kromer Female Archetypes in Nister s Symbolist Short Stories Jerusalem 1992 Beitrag zur 4 International Conference in Yiddish Studies Daniela Mantovan Kromer Der Nister s In vayn keler A Study in Metaphor In The Field of Yiddish Fifth Collection Northwestern University Press and YIVO Institute for Jewish Research New York 1993 Peter B Maggs The Mandelstam and Der Nister Files An Introduction to Stalin Era Prison and Labor Camp Records 1995 Sabine Boehlich Nay Gayst Mystische Traditionen in einer symbolistischen Erzahlung des jiddischen Autors Der Nister Pinkhas Kahanovitsh Harrassowitz Verlag Wiesbaden 2008 Judische Kultur 18 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Der Nister im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Daniela Mantovan Kromer Der Nister The hidden one In Trieste contemporanea englisch Daniela Mantovan Kromer Der Nister colui che e nascosto In Trieste contemporanea italienisch Der Nister 1884 1950 Kurzbiographie englisch Einzelnachweise Bearbeiten Nach anderen Quellen 1952 JTA Der Nister hidden no more Grave of influential Yiddish writer and Soviet resistance fighter discovered at former gulag 30 August 2017 Newsru co il V odnom iz lagerej GULaga v Komi najdena mogila chlena EAK pisatelya Der Nistera 29 August 2017 Normdaten Person GND 118964631 lobid OGND AKS LCCN n50043102 VIAF 44344968 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Nister DerALTERNATIVNAMEN Kahanowitsch PinchasKURZBESCHREIBUNG jiddischer SchriftstellerGEBURTSDATUM 1 November 1884GEBURTSORT Berdytschiw Russisches Reich heute UkraineSTERBEDATUM 4 Juni 1950STERBEORT Sowjetunion Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Nister amp oldid 237538594