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Die Pflanzensoziologie auch Phytozonologie englisch phytosociology ist eine deskriptive und systematische Methode der Geobotanik Vegetationsgeographie zur Typisierung der Vegetation und Gliederung der Vegetationseinheiten Sie kann als Teilgebiet der Vegetationskunde aufgefasst werden die sich innerhalb der Pflanzenokologie mit der Vegetationsdecke beschaftigt Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsbestimmung 2 Methode 2 1 Vegetationsaufnahme 2 2 Tabellarischer Vergleich 2 3 Gesellschaftsbeschreibung 2 4 Systematische Einordnung 3 Systematik 4 Geschichte 5 Sigmasoziologie 6 Literatur 7 Einzelnachweise und FussnotenBegriffsbestimmung BearbeitenDie Vegetationsdecke der Erde besteht aus verschiedenen Pflanzenarten die in unterschiedlichen und wiederkehrenden Artenkombinationen auftreten Die Pflanzensoziologie ist die Lehre von der Vergesellschaftung der Pflanzenarten und Teil der Vegetationskunde Sie beschreibt einzelne Pflanzengesellschaften und strebt eine empirisch begrundete systematische Ordnung 1 aller Pflanzengesellschaften an um ihre charakteristischen Eigenschaften und ihre Verwandtschaft darzustellen In der Pflanzensoziologie ist die Zurich Montpellier Schule nach Braun Blanquet vorherrschend Pflanzensoziologie ist ein historisch etablierter aber umstrittener Begriff Wahrend die erst nach ihr entstandene Soziologie und ihre biologischen Fachrichtungen Tiersoziologie und Biosoziologie haufig nur innerartliche Vergesellschaftungen untersuchen bestehen die von der Pflanzensoziologie untersuchten Pflanzengesellschaften aus mehreren Arten Daher bezeichnen manche Autoren in Analogie zur Zoozonologie und Biozonologie die Lehre von der Vergesellschaftung von Pflanzenarten als Phytozonologie Aber auch dieser Sprachgebrauch ist umstritten weil er von der geschichtlichen Entwicklung der Pflanzensoziologie abstrahiert 2 Umgekehrt erhalt der Gebrauch des Begriffes Pflanzensoziologie auch Zuspruch durch den Soziologen Bruno Latour Sie sei nicht nur der altere Begriff sondern verfolge auch das Ziel Gesellschaften aus heterogenen Bestandteilen zu beschreiben und zu verstehen Damit sei Augustin Pyrame de Candolle als ihr Schopfer auch einer der Grundervater der Soziologie und die Pflanzensoziologie ein Vorbild fur die Sozialwissenschaften 3 4 Methode BearbeitenDie pflanzensoziologische Methode beruht auf vier Arbeitsschritten 1 die Vegetationsaufnahme 2 die tabellarische Typisierung von Vegetationsaufnahmen nach floristischer Ahnlichkeit 3 die Gesellschaftsbeschreibung der Vegetationstypen und 4 die systematische Einordnung der Vegetationstypen Vegetationsaufnahme Bearbeiten Die Vegetationsaufnahme wird im Gelande durchgefuhrt und bezeichnet die Ubertragung von realen Vegetationsbestanden in eine symbolische Abbildung 5 siehe Hauptartikel Vegetationsaufnahme Tabellarischer Vergleich Bearbeiten Die Vegetationsaufnahmen werden gesammelt und zum Vergleich in eine pflanzensoziologische Tabelle eingetragen 6 Die Zeilen der Tabelle listen die Arten auf die Spalten die einzelnen Aufnahmen Die Zeilen und Spalten werden nach ahnlichen Artenkombinationen und ahnlichen Vorkommensschwerpunkten sortiert Dabei lassen sich pflanzensoziologische Vegetationstypen herauskristallisieren die uber ihre floristische Struktur charakterisiert sind Diese taxonomisch ranglosen pflanzensoziologischen Einheiten werden als Pflanzengesellschaften bezeichnet die im Gelande vorfindbaren Artenkombinationen entsprechen Gesellschaftsbeschreibung Bearbeiten Sind die Vegetationseinheiten im tabellarischen Vergleich der Vegetationsaufnahmen und der typisierenden Zuordnung ermittelt worden konnen die Pflanzengesellschaften beschrieben werden wobei die charakteristische Artenkombination der jeweiligen Pflanzengesellschaft definiert werden soll Gelingt die Beschreibung der floristischen Struktur der Pflanzengesellschaft dann konnen weitere synthetische Merkmale wie Sattigung Verbreitung Benachbarung Substrateigenschaften fur die beteiligten Vegetationsaufnahmen berucksichtigt werden um geographische Aspekte okologische Standorteigenschaften und anthropogene Bedingungen der Vegetationseinheiten zu analysieren Systematische Einordnung Bearbeiten Mit der generalisierenden Gesellschaftsbeschreibung werden die realen Falle zu einem Idealtypus abstrahiert der so nirgendwo in der realen Vegetation vorkommt aber vielen realen Vegetationsbestanden im charakteristischen Arteninventar ahnlich ist Ist die Pflanzengesellschaft gut typisiert und beschrieben worden kann sie mit bekannten pflanzensoziologischen Assoziationen verglichen und zugeordnet werden Assoziationen sind eindeutig identifizierbare Pflanzengesellschaften mit syntaxonomischem Rang und enden auf etum Beispielsweise wurde die ranglose Matricaria discoidea Gesellschaft aus dem oben beschriebenen Beispiel dem Polygono arenastri Matricarietum discoideae zugeordnet werden Systematik BearbeitenDie Assoziationen bilden die Grundeinheiten der pflanzensoziologischen Systematik Synsystematik Die Assoziationen werden in ein hierarchisch geordnetes System von Pflanzengesellschaften eingeordnet Verwandte Assoziationen werden zu pflanzensoziologischen Verbanden diese zu Ordnungen 7 und diese wiederum zu Klassen 8 zusammengefasst 9 So werden die pflanzensoziologischen Einheiten unterschiedlichen Umfangs und syntaxonomischer Stufe gebildet Die Assoziationen beruhen auf gesellschaftstreuen Charakterarten die fur eine Assoziation typisch sind d h hier verbreitet vorkommen und in anderen Gesellschaften fehlen Dabei wird das Charakterartenprinzip nur innerhalb von ubergeordneten vor allem nach Wuchsformen definierten Ubereinheiten den Formationen angewandt so kann eine Art Charakterart einer Grunlandgesellschaft sein auch wenn sie ausserdem in verschiedenen Waldgesellschaften vorkommt Charakterarten sollen im Idealfall ausschliesslich in der beschriebenen Assoziation treu in dieser aber in allen Bestanden stet vorkommen Da es insbesondere bei Gesellschaften mittlerer Standortbedingungen nicht immer moglich ist Assoziationen auf Basis von Charakterarten zu bilden werden erganzend Differentialarten herangezogen Diese grenzen eine Gesellschaft gegenuber einer benachbarten ab kommen aber in weiteren Gesellschaften vor sind also nicht treu Das Charakter und Differentialartenprinzip wird fur die hoheren Einheiten in genau gleicher Weise angewandt So werden Klassen Ordnungs Verbandscharakterarten definiert Artenkombinationen die nicht durch Charakter oder Differentialarten zu kennzeichnen sind sind nicht als Pflanzengesellschaften nach dem pflanzensoziologischen System beschreibbar Will man sie aus praktischen Grunden beibehalten werden sie neutral als Gesellschaft bezeichnet aber nicht als Assoziation beschrieben Eine Gesellschaft kann normalerweise einer hoheren Stufe z B einem Verband oder einer Ordnung zugeordnet werden wenn die entsprechenden Charakterarten vorkommen Die Namensgebung der pflanzensoziologischen Syntaxa wird im Internationalen Code der Pflanzensoziologischen Nomenklatur ICPN 10 geregelt Die Gesellschaftsnamen bestehen aus einem oder zwei Artnamen und einer Endung die die syntaxonomische Ebene kennzeichnet Syntaxonomische Ebene EndungAssoziation etumVerband ionOrdnung etaliaKlasse eteaGeschichte BearbeitenDie Pflanzensoziologie entstammt der Vegetationsgeographie wie den landeskundlichen Vegetationsbeschreibungen von Carl von Linne und Alexander von Humboldt und ist in den ersten Jahrzehnten des 20 Jahrhunderts entwickelt und schliesslich von Josias Braun Blanquet 1928 zu einer wissenschaftlichen und im Gelande praktikablen Methode ausgebaut worden Diese wird als Zurich Montpellier Schule der Pflanzensoziologie bezeichnet und hat sich gegenuber anderen Schulen wie der Uppsala Schule von Du Rietz durchgesetzt 11 Die Pflanzensoziologie nach Braun Blanquet wurde in Deutschland von Reinhold Tuxen und der Floristisch Soziologischen Arbeitsgemeinschaft wesentlich gefordert In Suddeutschland hat Erich Oberdorfer wesentlich zum Durchbruch dieser Methode beigetragen Neben Fachwissenschaftlern waren und sind viele interessierte Laien an der Entwicklung der Pflanzensoziologie beteiligt Die pflanzensoziologische Methode wird als Arbeitsmittel in verschiedenen Fachwissenschaften eingesetzt z B Geographie Biologie Agrarwissenschaft Forstwissenschaft Landschaftsplanung Nachdem die pflanzensoziologische Systematik Anfang der 1970er Jahre fur Mitteleuropa weitgehend ausgearbeitet war verlagerte sich das akademische Interesse an der Pflanzensoziologie von den produktionsorientierten Fachwissenschaften auf Okologie und Naturschutz Zugleich wurden quantitative Ansatze in der Pflanzensoziologie verbreitet die mit statistischen Signifikanzanalysen versuchten die pflanzensoziologische Methode den exakten Naturwissenschaften anzugleichen 12 Solche Ansatze sind umstritten weil die Grundlage der Pflanzensoziologie die Vegetationsaufnahme bildet die ein qualitativer Verfahrensschritt ist und mit Signifikanzanalyse und Homogenitatsberechnung eine letztlich unwissenschaftliche Pseudogenauigkeit eingefuhrt wurde Sigmasoziologie BearbeitenDie Sigmasoziologie ist eine besondere Form der Pflanzensoziologie die die Vergesellschaftung von Pflanzengesellschaften untersucht die als Vegetationskomplex Sigmagesellschaft Sigmetum bezeichnet werden 13 Dazu werden die Pflanzengesellschaften eines Gebietes zuerst beschrieben und synsystematisch klassifiziert um einen Aufnahmeschlussel bzw eine Kartieranleitung zu erstellen mit denen die Vegetationskomplexe anschliessend abgebildet werden Die wiederkehrende Kombination von Pflanzengesellschaften kann dann analog zur Gesellschaftssystematik siehe oben nomenklatorisch bestimmt werden Die synsystematische Gliederung besteht aus den charakteristischen Pflanzengesellschaften mit einem entsprechenden Zusatz der die Ebene in der Systematik angibt Syntaxonomische Ebene EndungAssoziation SigmetumVerband SigmionOrdnung SigmetaliaKlasse SigmeteaVorlaufer der Sigmasoziologie sind von der Vegetationsgeographie entwickelt worden um Landschaften zu beschreiben beispielsweise den Formationen 14 Literatur BearbeitenJosias Braun Blanquet Pflanzensoziologie Grundzuge der Vegetationskunde 3 neubearbeitete und wesentlich vermehrte Auflage Springer Wien 1964 Hartmut Dierschke Pflanzensoziologie Grundlagen und Methoden UTB 8078 Ulmer Stuttgart 1994 ISBN 3 8001 2662 1 Hartmut Dierschke Karl Heinrich Hulbusch Reinhold Tuxen Eschen Erlen Quellwalder am Sudwestrand der Buckeberge bei Bad Eilsen zugleich ein Beitrag zur ortlichen pflanzensoziologischen Arbeitsweise In Mitteilungen der Floristisch Soziologischen Arbeitsgemeinschaft NF H 15 16 1973 ISSN 0373 7632 S 153 164 Klaus Dierssen Einfuhrung in die Pflanzensoziologie Vegetationskunde Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1990 ISBN 3 534 02151 7 Bernd Gehlken Klassenlotterie Die Pflanzensoziologie zwischen Vegetationskundigkeit Formalismus und Technokratie In Karl Heinrich Hulbusch Red In guter Gesellschaft Beitrage zur Pflanzensoziologie Landschafts und Vegetationskunde Bd 2 Notizbuch der Kasseler Schule 55 ZDB ID 1040093 x Arbeitsgemeinschaft Freiraum und Vegetation Kassel 2000 S 259 364 Bernd Gehlken Der schone Eichen Hainbuchen Wald Auch ein Forst oder die Kunst der pflanzensoziologischen Systematik Notizbuch der Kasseler Schule 72 Arbeitsgemeinschaft Freiraum und Vegetation Kassel 2008 ISBN 978 3 00 024054 6 Zugleich Kassel Universitat Dissertation 2007 Gerhard Hard Die spontane Vegetation der Wohn und Gewerbequartiere von Osnabruck In Osnabrucker naturwissenschaftliche Mitteilungen H 9 1982 ISSN 0340 4781 S 151 203 online Dieter Kienast Die spontane Vegetation der Stadt Kassel in Abhangigkeit von bau und stadtstrukturellen Quartierstypen Urbs et Regio 10 Gesamthochschul Bibliothek Kassel 1978 ISBN 3 88122 037 2 Zugleich Kassel Gesamthochschule Dissertation 1978 Michael Muhlenberg Freilandokologie UTB 595 3 uberarbeitete Auflage Quelle amp Meyer Heidelberg u a 1993 ISBN 3 494 02186 4 Erich Oberdorfer Hrsg Suddeutsche Pflanzengesellschaften Band 1 4 in 5 Fischer Jena 1977 1992 Band 1 Fels und Mauergesellschaften alpine Fluren Wasser Verlandungs und Moorgesellschaften Pflanzensoziologie 10 ISSN 0553 9080 2 stark bearbeitete Auflage 1977 Band 2 Sand und Trockenrasen Heide und Borstgras Gesellschaften alpine Magerrasen Saum Gesellschaften Schlag und Hochstauden Fluren Pflanzensoziologie 10 2 stark bearbeitete Auflage 1978 Band 3 Wirtschaftswiesen und Unkrautgesellschaften Pflanzensoziologie 10 2 stark bearbeitete Auflage 1983 Band 4 Walder und Gebusche 2 Teilbande A Textbd B Tabellenbd 1992 Gunther Reichelt Otti Wilmanns Vegetationsgeographie Westermann Braunschweig 1973 ISBN 3 14 160241 7 Fritz Runge Die Pflanzengesellschaften Mitteleuropas Eine kleine Ubersicht 10 11 verb und vermehrte Aufl Aschendorff Munster 1990 ISBN 3 402 04383 1 Josef Schmithusen Allgemeine Vegetationsgeographie Lehrbuch der allgemeinen Geographie Bd 4 2 verbesserte Auflage de Gruyter Berlin 1961 Ludwig Trepl Geschichte der Okologie Vom 17 Jahrhundert bis zur Gegenwart Athenaum Taschenbucher 4070 Athenaum Frankfurt am Main 1987 ISBN 3 610 04070 X Reinhold Tuxen Die Pflanzengesellschaften Nordwestdeutschlands 2 vollig neu bearbeitete Auflage Cramer Lehre 1974 ISBN 3 7682 0860 5 Reinhold Tuxen Pflanzensoziologie als synthetische Wissenschaft In Meddelingen van de Botanische Tuinen en het Belmonte Arboretum der Landbouwhogeschool te Wageningen Bd 12 1968 ISSN 0006 8160 S 141 159 Reinhold Tuxen Hrsg Assoziationskomplexe Sigmeten und ihre praktische Anwendung Cramer Vaduz 1978 ISBN 3 7682 1186 X Otti Wilmanns Reinhold Tuxen Sigmaassoziationen des Kaiserstuhler Rebgelandes vor und nach Grossflurbereinigungen In Reinhold Tuxen Hrsg Assoziationskomplexe Sigmeten und ihre praktische Anwendung Cramer Vaduz 1978 ISBN 3 7682 1186 X S 287 302 Otti Wilmanns Okologische Pflanzensoziologie UTB 269 4 uberarbeitete Auflage Quelle u Meyer Heidelberg u a 1989 ISBN 3 494 02168 6 Einzelnachweise und Fussnoten Bearbeiten Vgl Tuxen 1974 und Oberdorfer 1977ff Vgl Gerhard Hard Ruderalvegetation In Notizbuch der Kasseler Schule Bd 49 Kassel 1998 S 11 Bruno Latour Reassembling the Social Oxford University Press New York 2005 ISBN 0 19 925604 7 S 6 Volltext Memento vom 9 Marz 2013 im Internet Archive PDF 1 4 MB Bruno Latour Gabriel Tarde und das Ende des Sozialen In Soziale Welt 3 2001 S 361 376 Volltext PDF 178 kB Braun Blanquet 1964 Otti Wilmanns 1989 Die Tabellenarbeit wird ausfuhrlich in Dierschke et al 1973 beschrieben Siehe dazu die analoge Systematik der Biologie Ordnung Biologie Siehe dazu die analoge Systematik der Biologie Klasse Biologie Tuxen 1974 und Oberdorfer 1977 ff H E Weber J Moravec J P Theurillat International Code of Phytosociological Nomenclature 3rd edition In Journal of Vegetation Science Band 11 Nr 5 2000 S 739 768 PDF Datei im Webarchiv Deutsche Ubersetzung von Heinrich E Weber in Synopsis der Pflanzengesellschaften Deutschlands Internationalen Code der Pflanzensoziologischen Nomenklatur ICPN 3 Auflage Sonderheft 1 2001 Gottingen zobodat at PDF vgl Trepl 1987 122 138 208 217 vgl Trepl 1987 Siehe dazu Reinhold Tuxen Hrsg 1979 Wilmanns Tuxen 1979 Dieter Kienast 1978 Gerhard Hard 1982 Vgl Schmithusen 1961 Trepl 1987Normdaten Sachbegriff GND 4174073 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pflanzensoziologie amp oldid 234799599