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47 560208333333 102 84084166667 Koordinaten 47 33 36 7 N 102 50 27 O Chosoo Cajdam 1 2 Kol Tegin SteleDie Orchon Inschriften sind mehrere in Stein gemeisselte Grab und Gedenkinschriften am Orchon Fluss in der Mongolei Sie sind in altturkischen Runen geschrieben Die Stelen mit den Inschriften sind jeweils Teil eines monumentalen Gedenkkomplexes zur Erinnerung an beruhmte Verstorbene enthalten aber keine Bestattungsstatte Grab Zu den am besten erforschten langsten und bekanntesten dieser Inschriften zahlen die auf einer allseitig beschriebenen Stele befindliche Kol Tegin Inschrift und die Stele fur Bilge Qagan die sich etwa einen Kilometer voneinander entfernt in der Nahe des Sees Koco Tsaydam befinden Der altturkische Text auf beiden Stelen bei den geehrten Personen handelt es sich um Bruder ist weitgehend identisch Die Stelen sind allseitig beschrieben und enthalten auf einer ihrer Seiten auch eine chinesische Inschrift die vom Kaiser personlich verfasst worden war 1 und durch eine Gesandtschaft uberbracht wurde Zu diesen Inschriften wird meist auch das aus zwei Stelen bestehende Tonyukuk Denkmal hinzugerechnet das sich etwa 200 km ostlich am Oberlauf der Tola befindet Diese Inschriften aus dem 7 Jahrhundert bilden die ersten schriftlichen Zeugnisse einer Turksprache Bilga Khagan SteleReplikat einer Orchon Stele auf dem Gelande der Gazi Universitesi in AnkaraArchaologisch werden die Fundstatten als Chosoo Cajdam 1 Bilga Khagan Chosoo Cajdam 2 Kol Tegin bei beiden Lage N 47 33 36 75 E 102 50 27 03 und Cagaan Ovoo 1 Tonyukuk Lage bei N 47 41 66 E 107 28 59 beschrieben 2 Die Stelen selbst befinden sich nicht mehr vor Ort Die Denkmaler haben dabei eine mehrfache Bedeutung Zum einen sind sie Zeugnisse einer materiellen Kultur die sich unter dem Einfluss der Herrschaft der Turken Khaghane im eurasischen Steppenraum von Ostasien bis nach Osteuropa herausbildete zum anderen sind die Texte als Quelle fur die innerasiatische Geschichte zur Zeit ihrer Herrschaft von Bedeutung und drittens kommt in den Texten selbst die fruheste bekannte zweifellos turkische Sprache zum Ausdruck Die Inschriften sind allerdings nicht die fruhesten schriftlichen Zeugnisse nomadischer Volker in Innerasien Zeitlich fruher sind die Bugut Inschrift und die 1975 entdeckte Khuis Tolgoi Inschrift Die Bugut Inschrift wurde in einer Kultanlage im Archangai Aimag aufgefunden und besteht aus einer schlecht erhaltenen Inschrift in sogdischer Sprache und Schrift und einem kaum entzifferbaren Text in Brahmi Schrift Sie wird auf unmittelbar nach der Regierungszeit Tatpar Qagans kurz nach 581 datiert 3 Die Inschrift von Khuis Tolgoi wurde in der Nahe der Wasserscheide der Flusse Orchon und Tula aufgefunden und ist ebenfalls schlecht leserlich in Brahmi Schrift abgefasst Sie wird aufgrund einer Nennung des Turken Khaghans Niri von dessen Feinden sie vermutlich stammt auf nach 603 datiert 4 Die Sprache der Inschrift wurde als eine mongolische Sprache erkannt mutmasslich die Sprache der Tabgatsch 5 Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung und Datierung 2 Der Name des Kol Tegin 3 Entzifferung der Texte 4 Rezeption in der Turkei 5 Literatur 6 EinzelnachweiseBeschreibung und Datierung BearbeitenDie Stelen waren jeweils Teil einer komplizierten und teils recht aufwendigen Memorialanlage in deren Zentrum ein auch als Kapelle bezeichneter Tempel lag Dorthin fuhrte ein mehrere Kilometer langer Weg der von Reihen anthropomorpher Steinskulpturen Balbals gesaumt ist die getotete Feinde darstellten und dazu bestimmt waren dem Toten im Jenseits als Sklaven zu dienen Die Bestatteten waren Bilge Khagan alternative Schreibweise Bilga Qagan der Sohn des Grunders des Zweiten Altturkischen Reichs Elteris und dritter Khagan dieses Reichs sein Bruder Kol Tegin alternative Schreibweise Kul Tegin und Tonyukuk alternative Schreibweise Tonuquq der Ratgeber Minister Bilge Khagans und seines Vaters Elteris Die Stelen sind zum Teil beachtlich gross Die Kol Tegin Stele misst in der Hohe 3 75 m in der Breite an der Ost und Westseite zwischen 1 32 und 1 22 m und an der Nord und Sudseite ca 0 45 m 6 Sie war im Panzer einer Schildkrotenskulptur verankert und befand sich moglicherweise in einem uberdachten offenen Kiosk Das Zentrum der Anlage befand sich in einem mit Wall und Graben umfriedeten mit Tonziegeln gepflasterten Bereich Der Eingang war von zwei Widderskulpturen gerahmt Die Anlage fur Bilga Khaghan war noch monumentaler ist aber schlechter erhalten und dokumentiert 2000 2004 fanden dort Ausgrabungen statt 2 Eine zeichnerische Rekonstruktion der Anlage Chosoo Cajdam 2 findet sich bei Soren Stark auf S 497 7 Die altturkischen und chinesischen Texte sind voneinander unabhangig und enthalten unter anderem Details aus der Biographie der Verstorbenen und eine Darstellung der Geschichte der Herrscher Dynastie von den Grundern Bumin Kagan und Istami an bis zu den Lebzeiten der Verstorbenen Sie zeigen das altturkische Reich auf dem Gipfel seiner Macht kurz vor seinem Untergang Bilge Khagan ruhmt sich seiner Kriegszuge von der Shandong Ebene nahe dem Ozean im Osten bis zum Perlenfluss dem Syrdarja und dem Eisernen Tor einem Bergpass an der Grenze von Transoxanien nach Tocharistan im Westen und nach Tibet im Suden 8 Das Memorial fur Tonyukuk wird auf kurz nach 725 das fur Kol Tegin auf das Jahr 732 der 27 Tag des 7 Monats des Affenjahres und das fur Bilga Khagan auf das Jahr 735 datiert 2 Eine solche Datierung hatte schon 1898 Josef Marquart vertreten 9 Der Name des Kol Tegin BearbeitenDer Name Kol Tegin Tegin bedeutet in etwa Prinz wurde in der Vergangenheit und auch bis heute manchmal auch als Kul Tegin oder Kul Tigin gelesen weil die Vokalwerte der Runen nicht eindeutig sind Die Lautwerte o und u o und u und i und i werden mit demselben Zeichen bezeichnet e nur in einigen Fallen gesondert mit einem Zeichen belegt 10 Als moderner turkischer Vornamen wird er in der Form Gultekin und mit einer ahistorischen Volksetymologie als Rosenprinz gedeutet Nach u a Scharlipp ruhrt der Name aber von dem altturkischen Wort kol im modernen Turkisch in der Form gol und der Bedeutung See her das im Altturkischen See Meer Ozean bedeute Er reihe sich damit in Namen wie Dschingis Khan Ozeanherrscher oder Dalai Lama ozeangleicher Lehrer ein Die Vokalisierung kul Asche ergebe dagegen keinen Sinn 11 Entzifferung der Texte BearbeitenBereits im 18 Jahrhundert waren Nachrichten uber die Inschriften nach Europa gedrungen Im 19 Jahrhundert erbrachten zwei finnische Expeditionen unter Johannes Reinhold Aspelin 1888 und O Heikel 1889 und eine russische Expedition von Nikolai Michailowitsch Jadrinzew zahlreiche Steine und Reproduktionen der Inschriften nach Europa Davon ausgehend gelang dem Linguisten Vilhelm Thomsen die Entzifferung der Runenschrift woruber er erstmals 1893 in einem Aufsatz publizierte 12 Thomsens Lesungen sind bis heute anerkannt 13 Die Entzifferung erfolgte in mehreren Stufen Thomsen begann mit der langsten und am besten erhaltenen Inschrift der Kol Tegin Inschrift Aus der chinesischen Inschrift wurde bekannt dass es sich um Personen aus dem Altturkischen Reich handelte und daher die Vermutung einer turkischen Sprache nahelag Thomsen hatte Kenntnisse der zeitgenossischen osmanisch turkischen Sprache wie der bereits bekannten altuigurischen Sprache einer spateren Variante der in den Texten verwendeten altturkischen Sprache und erkannte dass die Schriften uber ein Interpunktionssystem verfugten Die geringe Anzahl der Zeichen legte eine Buchstabenschrift nahe Es gelangen ihm immer weitere Entzifferungen von Wortern Er entdeckte dabei dass die Runenschrift entsprechend den Gesetzen der Lautharmonie zwischen palatalen und velaren Konsonanten unterschied und die Laute a und a als inharent nicht geschrieben wurden Diese Beobachtung ermoglichte es ihm auch die zahlreichen Vokabeln zu deuten die in unturkischer Weise anscheinend mit l und m anlauteten weil der vokalische Anlaut nicht geschrieben wurde 14 Rezeption in der Turkei BearbeitenDie Entzifferung der Orchoninschriften fand auch im Osmanischen Reich Beachtung Bereits 1895 ein Jahr vor Vilhelm Thomsens zusammenfassender Veroffentlichung zu den Orchoninschriften 15 erschien in der osmanischen Zeitschrift Ikdam ein anonymer Artikel uber die Inschriften Der mutmassliche Verfasser Necip Asim Yaziksiz veroffentlichte 1897 eine Monographie uber die Inschriften 16 Das Interesse im Osmanischen Reich und dann der Turkei an den Inschriften ging Hand in Hand mit der Entwicklung des turkischen Nationalismus zeigten sie doch dass es eine beachtenswerte vorislamische turkische Kultur gab und der Name Turken als Bezeichnung der kunftigen Nation durchaus ein Renommee besass Die Bezeichnung Osmane war nicht nur wegen des Zerbrechens des Reiches an den Nationalismen der reichsangehorigen Volker sondern auch durch das Verhalten der letzten osmanischen Herrscher seit Abdulhamid II in Misskredit geraten Unter den turkischen Wissenschaftlern die sich mit den Inschriften befassten ragen Huseyin Namik Orkun heraus der in 4 Banden 17 alle zuganglichen Runeninschriften transkribierte transliterierte ubersetzte kommentierte und mit Glossen versah und Talat Tekin dessen 1968 erstmals erschienene Grammatik 18 als Standardwerk fur die altturkische Sprache der Orchoninschriften gilt 19 Literatur BearbeitenVilhelm Thomsen Dechiffrement des inscriptions de l Orkhon et de l Ienissei Notice preliminaire In Bulletin de l Academie Royale du Danemark 1893 S 285 299 archive org Vilhelm Thomsen Inscriptions de l Orkhon dechiffrees Helsingfors 1896 archive org Wolfgang Ekkehard Scharlipp Die altturkische Literatur Einfuhrung in das vorislamische Schrifttum Verlag auf dem Ruffel Engelschoff 2005 ISBN 3 933847 14 1 Sergej Grigorʹevic Kljastornyj Tursun Ikramovic Sultanov Die Geschichte Zentralasiens und die Denkmaler in Runenschrift Schletzer Berlin 2007 ISBN 978 3 921539 42 2 S Soren Stark Die Altturkenzeit in Mittel und Zentralasien Archaologische und historische Studien Reichert Verlag Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 89500 532 9 S Einzelnachweise Bearbeiten Wolfgang Ekkehard Scharlipp Die altturkische Literatur Einfuhrung in das vorislamische Schrifttum Verlag auf dem Ruffel Engelschoff 2005 ISBN 3 933847 14 1 S 19 a b c Soren Stark Die Altturkenzeit in Mittel und Zentralasien Archaologische und historische Studien Reichert Verlag Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 89500 532 9 S 75 78 Soren Stark Die Altturkenzeit in Mittel und Zentralasien Archaologische und historische Studien Reichert Verlag Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 89500 532 9 S 71 72 Etienne de La Vaissiere The Historical Context to the Khuis Tolgoi Inscription In Journal Asiatique 306 Nr 2 2018 S 315 319 317 Alexander Vovin An Interpretation of the Khuis Tolgoi Inscription In Journal Asiatique 306 Nr 2 2018 S 303 313 312 Wolfgang Ekkehard Scharlipp Die altturkische Literatur Einfuhrung in das vorislamische Schrifttum Verlag auf dem Ruffel Engelschoff 2005 ISBN 3 933847 14 1 S 29 Soren Stark Die Altturkenzeit in Mittel und Zentralasien Archaologische und historische Studien Reichert Verlag Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 89500 532 9 S 497 Wolfgang Ekkehard Scharlipp Die altturkische Literatur Einfuhrung in das vorislamische Schrifttum Verlag auf dem Ruffel Engelschoff 2005 ISBN 3 933847 14 1 S 34 35 Joseph Marquart Die Chronologie der altturkischen Inschriften Leipzig 1898 Nachdruck MV History Bremen 2021 ISBN 978 3 7536 3871 3 S 54 55 Annemarie von Gabain Das Altturkische In Jean Deny u a Hrsg Philologiae Turcicae Fundamenta Tomus Primus Turksprachen Steiner Wiesbaden 1959 S 21 45 24 Wolfgang Ekkehard Scharlipp Die altturkische Literatur Einfuhrung in das vorislamische Schrifttum Verlag auf dem Ruffel Engelschoff 2005 ISBN 3 933847 14 1 S 33 34 Vilhelm Thomsen Dechiffrement des inscriptions de l Orkhon et de l Ienissei Notice preliminaire In Bulletin de l Academie Royale du Danemark 1893 S 285 299 Wolfgang Ekkehard Scharlipp Die altturkische Literatur Einfuhrung in das vorislamische Schrifttum Verlag auf dem Ruffel Engelschoff 2005 ISBN 3 933847 14 1 S 33 34 Wolfgang Ekkehard Scharlipp Die altturkische Literatur Einfuhrung in das vorislamische Schrifttum Verlag auf dem Ruffel Engelschoff 2005 ISBN 3 933847 14 1 S 20 22 Vilhelm Thomsen Inscriptions de l Orkhon dechiffrees Helsingfors 1896 En Eski Turk Yazisi Istanbul 1315 A H 1897 zu deutsch Die alteste turkische Schrift s Wolfgang Ekkehard Scharlipp Die altturkische Literatur Einfuhrung in das vorislamische Schrifttum Verlag auf dem Ruffel Engelschoff 2005 ISBN 3 933847 14 1 S 25 27 Huseyin Namik Orkun Eski Turk yazitlari 4 Bande Devlet Basimevi Istanbul 1936 1941 Talat Tekin A Grammar of Orkhon Turkic Indiana Univ u a Bloomington u a 1968 Wolfgang Ekkehard Scharlipp Die altturkische Literatur Einfuhrung in das vorislamische Schrifttum Verl auf dem Ruffel Engelschoff 2005 ISBN 3 933847 14 1 S 26 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Orchon Inschriften amp oldid 224862233