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Oedipus der Tyrann ist Carl Orffs Vertonung des Dramas Konig Odipus griechisch Oἰdipoys Tyrannos Oidipous Tyrannos in einem Prolog und funf Akten des Sophokles in der deutschen Ubersetzung von Friedrich Holderlin 1804 Als direkte Musikalisierung des vollstandigen Dramentextes in Holderlins Ubersetzung bildet Orffs Partitur ein Musterbeispiel fur eine Literaturoper Seine Urauffuhrung erlebte das Werk am 11 Dezember 1959 an der Wurttembergischen Staatsoper Stuttgart unter dem Dirigat von Ferdinand Leitner und in der Inszenierung von Gunther Rennert mit Buhnenbild und Kostumen von Caspar Neher WerkdatenTitel Oedipus der TyrannForm DurchkomponiertOriginalsprache DeutschMusik Carl OrffLibretto Sophokles in der Ubersetzung von Friedrich HolderlinLiterarische Vorlage Konig Odipus von SophoklesUrauffuhrung 11 Dezember 1959Ort der Urauffuhrung StuttgartSpieldauer ca 160 MinutenOrt und Zeit der Handlung Theben Griechenland in mythischer ZeitPersonenOedipus Tenor Jocasta Sopran Kreon Konig von Theben Bariton Tiresias der Seher Tenor Ein Priester Tenor Ein Bote aus Korinth Bass Ein Bote des Lajos Bass Ein anderer Bote Bass 1 Chorfuhrer 2 Chorfuhrer Die thebanischen Alten Chor Inhaltsverzeichnis 1 Handlung 2 Musik 2 1 Orchester 2 2 Musiksprache 3 Aufnahmen 3 1 Audio 3 2 Video 4 Literatur 5 Einzelnachweise 6 WeblinksHandlung BearbeitenAufgrund eines Orakels das prophezeit hat er werde durch seinen eigenen Sohn sterben setzt Laios den spateren thebanischen Konig Oedipus als Kind aus Spater weissagt ein anderes Orakel Oedipus er werde seinen Vater erschlagen und mit seiner Mutter in Schande leben Daraufhin verlasst er Polybos und Merope den korinthischen Konig und dessen Frau die ihn als Sohn aufgezogen haben Auf seiner Wanderung trifft er an einer Wegkreuzung auf Laios und dessen Begleiter Er wird in einen Kampf mit ihnen verwickelt und erschlagt ohne es zu wissen seinen leiblichen Vater Laios Vor den Toren Thebens kann er die Stadt von der Sphinx einem Ungeheuer erlosen und erhalt als Belohnung Iokaste die Witwe des Konigs Laios Er nimmt sie zur Frau und bekommt das Konigreich Theben Damit setzt die eigentliche Dramenhandlung ein in der Oedipus in sechs Stufen seine Vergangenheit aufdeckt Ein Orakel das die Ursachen einer seit langerem wutenden Seuche andeutet bezieht Oedipus Schwager Kreon auf den ungesuhnten Mord an Oedipus Vorganger Laios Daraufhin leitet der neue Konig von Theben eine Untersuchung des Falles ein Der einzige uberlebende Zeuge gibt an dass der Mord von einer Rauberbande verubt wurde Als Oedipus den blinden Seher Teiresias zu sich holen lasst um Licht ins Dunkel zu bringen weigert sich dieser die wahren Zusammenhange auszusprechen Erst als er selbst von Oedipus verdachtigt wird zogert er nicht langer Oedipus selbst sei der Morder von Laios Dieser glaubt ihm nicht und wittert eine Verschworung zwischen Kreon und dem Seher Doch mit der Erinnerung an den Vorfall an der Wegkreuzung stellen sich erste Zweifel ein Als Oedipus von einem aus Korinth eintreffenden Boten erfahrt dass der verstorbene Polybos und dessen Frau nicht seine leiblichen Eltern sind sondern ihn von einem Knecht des Laios erhalten haben werden seine Befurchtungen zur Gewissheit Iokaste erkennt dass die delphischen Prophezeiungen sich an ihnen erfullt haben Die Gegenuberstellung des korinthischen Boten der Oedipus als Kind erhalten hatte bringt die Wahrheit ans Licht die Narben an seinen damals durchstochenen Fussen sind offensichtlich Oedipus ist Laios und Iokastes Sohn Als Oedipus entsetzt ins Haus sturzt findet er Iokaste erhangt Er blendet sich selbst mit ihren goldenen Spangen Oedipus der nun nichts sehnlicher wunscht als zu sterben muss sich damit abfinden dass die Entscheidung daruber bei den Gottern liegt Er ubergibt seine Kinder Kreon der die Herrschaft uber Theben ubernehmen wird Musik BearbeitenOrchester Bearbeiten Wie auch die Partitur von Orffs Antigonae Salzburg 1949 sieht die Partitur von Oedipus der Tyrann eine in der Musikgeschichte einzigartige Orchesterbesetzung vor 6 Konzertflugel mit 10 Spielern 4 Harfen 1 Mandoline 1 Celesta 1 Glasharfe 9 Kontrabasse6 Floten alle auch Piccolofloten 2 Altfloten 6 Oboen 6 Posaunen 1 OrganonDie grosse Schlagzeugbesetzung verlangt zehn bis funfzehn Spieler 5 6 Pauken 1 Lithophon 2 Xylophone 5 6 Tenorxylophone Trogxylophone des Orff Schulwerks 2 Bassxylophone 5 Holztrommeln verschiedener Grosse 1 Guiro 2 Bongos 2 Timbales 1 grosses Tomtom 3 Congas 2 Grosse Trommeln 3 Tamburine Kastagnetten 1 Triangel 1 Sistren 3 Paar Becken turkisch 3 hangende Becken turkisch antike Zimbeln Rohrenglocken 3 Glockenspiele davon 1 Klaviaturglockenspiel 1 Metallophon 3 5 Tamtams verschiedener Grosse 2 javanesische Gongs in C und cHinter der Szene 8 Trompeten mehrere grosse Tamtams mit Becken geschlagenDie Trogxylophone sind Instrumente des Orff Schulwerks Da sie im Orchestergebrauch wegen der chromatischen Anordnung der Stabe ungebrauchlich sind aber nur sie die Ausfuhrung chromatischer Glissandi ermoglichen wird in der gegenwartigen Auffuhrungspraxis die Mehrzahl der tiefen Trogxylophone durch Marimbaphone ersetzt 1 Wahrend die Ausfuhrung der Schlagzeugpartien zur Zeit der Urauffuhrung betrachtliche Anforderungen an die Schlagzeuger stellte bietet Orffs Partitur dank der ausserordentlichen Entwicklung der Schlagzeugtechnik in den vergangenen Jahrzehnten keine unuberwindlichen Hindernisse mehr Musiksprache Bearbeiten Orffs textgetreue Vertonung von Friedrich Holderlins Sophokles Ubersetzungen von 1804 bedeutete die Schaffung einer neuartigen Form von Musiktheater in welchem der Text selbst durch die Deklamation der Singstimmen seine Musikalisierung erfahrt Eine ausserordentliche Reduktion der Tonhohenstruktur in Verbindung mit dem Uberwiegen des Rhythmischen bilden die wesentlichen Merkmale von Orffs Spatstil 2 Im Gegensatz zu den grossen Choren der Antigonae Partitur die den haufig einstimmig singenden Chor uber dem Fundament ausgedehnter ryhthmisierter Klangflachen verwenden vertraute der Komponist in der Partitur von Oedipus der Tyrann ausgedehnte Textpassagen den solistischen Sprechstimmen einzelner Chorfuhrer an Diese nicht musikalisch ausnotierte Verwendung der Sprechstimme sollte der Komponist in den auf Altgriechisch gesprochenen Abschnitten seiner spateren Partitur des Prometheus Stuttgart 1968 wieder aufgeben Orffs Verzicht auf die Grammatik der harmonischen Tonalitat erlaubte es dem Komponisten als musikalisches Aquivalent von Holderlins archaischer Sprache die deklamierende Stimme selbst zum Trager der Handlung zu machen 3 Wie Pietro Massa zeigen konnte begleitete ein intensiver Gedankenaustausch mit dem Altphilologen Wolfgang Schadewaldt dem Musikwissenschaftler Thrasybulos Georgiades sowie mit Wieland Wagner als vom Komponisten ursprunglich gewunschten Regisseur der Urauffuhrung den Entstehungsprozess der Orff schen Antikenopern 4 Die Konzentration auf ein Ensemble aus Schlaginstrumenten mit bestimmter und unbestimmter Tonhohe ursprunglich sicherlich aus der Faszination geboren die die einzige noch entwicklungsfahige Gruppe des Orchesters auf die Komponisten des 20 Jahrhunderts ausubte erscheint zugleich als veritable Patentlosung fur einen Komponisten dem die Erstellung von Tonhohenorganisationen niemals ein zentrales Anliegen gewesen war Die Vorstellung eines arbeitsteilig ausdifferenzierten Zusammenwirkens die das im Laufe der Jahrhunderte organisch gewachsene Orchester der abendlandischen Kunstmusik auszeichnete erscheint im Orchester von Orffs Holderlin Opern auf Instrumentenkonstellationen transponiert die der europaischen Kunstmusik bisher unbekannt waren Klavier und Xylophone im traditionellen Orchester eher mit marginalen Aufgaben vertraut nehmen innerhalb der Partitur von Oedipus der Tyrann etwa die Rolle ein die dem Streicherkorper im Orchestersatz der Wiener Klassik zufiel 5 Traditionelle Instrumente der europaischen Orchestertradition wie etwa Floten Oboen Trompeten Posaunen und Kontrabasse erscheinen in Antigonae und Oedipus der Tyrann dagegen mit Funktionen betraut die von den seltenen Schlaginstrumenten im Orchester des 19 Jahrhunderts wahrgenommen wurde Als Sonderklangfarben mit beinahe exotischem Klangreiz werden sie nur fur spezielle dramaturgisch motivierte Aufgaben herangezogen Im musikhistorischen Ruckblick erscheinen Orffs Antikenopern als ein ausserordentlich origineller Sonderweg des Musiktheaters nach 1950 der in den Jahren seit 2000 nicht zuletzt wegen der Verwandtschaft von Orffs Musiksprache zu den Tendenzen der Minimal Music wieder mehr Beachtung erfahrt Von den drei Antikenopern Orffs konnte sich Oedipus der Tyrann am wenigsten im Repertoire behaupten da Igor Strawinskys Opernoratorium Oedipus Rex Paris Theatre Sarah Bernhardt 1927 auf die Dichtung von Jean Cocteau eine der bedeutendsten Partituren der neoklassizistischen Schaffensperiode Strawinskys in direkter Konkurrenz zu Orffs Vertonung steht 6 Aufnahmen BearbeitenAudio Bearbeiten Gerhard Stolze Astrid Varnay Hans Baur Fritz Wunderlich Willy Domgraf Fassbaender Hubert Buchta Hans Gunter Nocker Orchester und Chor der Wurttembergischen Staatsoper Stuttgart Musikalische Leitung Ferdinand Leitner Urauffuhrung 1959 Gerhard Stolze Astrid Varnay Kieth Engen James Harper Karl Christian Kohn Hubert Buchta Hans Gunter Nocker Rolf Boysen Heinz Cramer Carlos Alexander Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Musikalische Leitung Rafael Kubelik Deutsche Grammophon 1966 Video Bearbeiten Norbert Schmittberg Dimitry Ivashchenko Andreas Daum Oleksandr Prytolyuk Markus Durst Mark Adler Yamina Maamar Stefan Umhey Hans Joachim Porcher Staatstheater Darmstadt Regie John Dew Musikalische Leitung Stefan Blunier Videoregie Peider A Defilla Wergo 2010 ISBN 978 3 7957 7833 0Literatur BearbeitenAlberto Fassone Carl Orff Libreria Musicale Italiana Lucca 2009 ISBN 978 88 7096 580 3 Hellmut Flashar Inszenierung der Antike Das griechische Drama auf der Buhne der Neuzeit 1585 1990 Munchen C H Beck 1991 Theo Hirsbrunner Carl Orffs Antigonae und Oedipus der Tyrann im Vergleich mit Arthur Honeggers Antigone und Igor Strawinskys Oedipus Rex in Thomas Rosch Hrsg Text Musik Szene Das Musiktheater von Carl Orff Schott Mainz 2015 S 231 245 ISBN 978 3 7957 0672 2 Stefan Kunze Die Antike in der Musik des 20 Jahrhunderts Buchner Bamberg 1987 ISBN 3 7661 5456 7 Stefan Kunze Orffs Tragodien Bearbeitungen und die Moderne in Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schonen Kunste 2 1988 S 193 213 wieder abgedruckt in Stefan Kunze DE MUSICA Ausgewahlte Aufsatze und Vortrage hrsgg von Erika Kunze und Rudolf Bockholdt Tutzing Schneider 1998 S 543 564 Jurgen Maehder Non Western Instruments in Western 20th Century Music Musical Exoticism or Globalization of Timbres in Paolo Amalfitano Loretta Innocenti Hrsg L Oriente Storia di una figura nelle arti occidentali 1700 2000 Bulzoni Roma 2007 vol 2 S 441 462 Jurgen Maehder Die Dramaturgie der Instrumente in den Antikenopern von Carl Orff In Thomas Rosch Hrsg Text Musik Szene Das Musiktheater von Carl Orff Schott Mainz 2015 S 197 229 ISBN 978 3 7957 0672 2 Pietro Massa Carl Orffs Antikendramen und die Holderlin Rezeption im Deutschland der Nachkriegszeit Peter Lang Bern Frankfurt New York 2006 ISBN 3 631 55143 6 Thomas Rosch Die Musik in den griechischen Tragodien von Carl Orff Hans Schneider Tutzing 2003 ISBN 3 7952 0976 5 Thomas Rosch Hrsg Text Musik Szene Das Musiktheater von Carl Orff Symposium Orff Zentrum Munchen 2007 Schott Mainz 2015 ISBN 978 3 7957 0672 2 Werner Thomas Hrsg Carl Orff und sein Werk Dokumentation Band VII Abendlandisches Musiktheater Schneider Tutzing 1983 ISBN 3 7952 0308 2 Werner Thomas Was soll ich singen Ein Chorlied des Sophokles von Holderlin in Carl Orffs Oedipus der Tyrann in Werner Thomas Das Rad der Fortuna Ausgewahlte Aufsatze zu Werk und Wirkung Carl Orffs Schott Mainz 1990 S 221 238 ISBN 3 7957 0209 7 Einzelnachweise Bearbeiten Gunther Moller Das Schlagwerk bei Carl Orff Auffuhrungspraxis der Buhnen Orchester und Chorwerke Schott Verlag Mainz 1995 Stefan Kunze Orffs Tragodien Bearbeitungen und die Moderne in Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schonen Kunste 2 1988 S 193 213 wiederabgedruckt in Stefan Kunze DE MUSICA Ausgewahlte Aufsatze und Vortrage herausgegeben von Erika Kunze und Rudolf Bockholdt Tutzing Schneider 1998 S 543 564 Thomas Rosch Die Musik in den griechischen Tragodien von Carl Orff Hans Schneider Tutzing 2003 Pietro Massa Carl Orffs Antikendramen und die Holderlin Rezeption im Deutschland der Nachkriegszeit Peter Lang Bern Frankfurt New York 2006 Jurgen Maehder Die Dramaturgie der Instrumente in den Antikenopern von Carl Orff in Thomas Rosch Hrsg Text Musik Szene Das Musiktheater von Carl Orff Schott Mainz 2015 S 197 229 Theo Hirsbrunner Carl Orffs Antigonae und Oedipus der Tyrann im Vergleich mit Arthur Honeggers Antigone und Igor Strawinskys Oedipus Rex in Thomas Rosch Hrsg Text Musik Szene Das Musiktheater von Carl Orff Schott Mainz 2015 S 231 245 Weblinks BearbeitenOedipus der Tyrann Werkinformationen auf der Website der Carl Orff Stiftung Oedipus der Tyrann Werkinformationen beim Verlag Schott Music Normdaten Werk Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Oedipus der Tyrann amp oldid 235233367