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Als naturalistischer Fehlschluss englisch naturalistic fallacy wird der Versuch bezeichnet die Eigenschaft gut als eine bestimmte deskriptive naturliche oder metaphysische Eigenschaft oder Relation zu definieren Der naturalistische Fehlschluss wurde von George Edward Moore 1903 in seinem Werk Principia ethica beschrieben 1 Nach Moore ist der naturalistische Fehlschluss sowohl ein Fehlschluss der naturalistischen Ethik als auch der meisten nicht naturalistischen Ethiken insbesondere auch aller metaphysischen Ethiken 2 und stellt einen Fall von Reduktionismus dar Es besteht eine gewisse Verwandtschaft zum moralistischen Fehlschluss der unterstellt dass Eigenschaften die mit bestimmten ethischen Werten belegt sind naturliche Tendenzen zum Ausdruck bringen Moores Argument richtet sich gegen die Reduktion von ethischen und naturlichen Pradikaten in beide Richtungen Ein bekanntes Beispiel ist die Herleitung eines Rechts des Starkeren aus der Beobachtung dass in der Natur der Starkere uberlebe in der Uberzeugung dass dieses Naturliche gut sei 3 Inhaltsverzeichnis 1 Moores Argument 2 Beispiele in den Principia ethica 3 Bartleys Argument 4 Kritik 5 Literatur 6 Siehe auch 7 EinzelnachweiseMoores Argument BearbeitenLaut Moore lassen sich wertende praskriptive Aussagen nicht ausgehend von naturlichen oder ubernaturlichen Eigenschaften definieren Bereits David Hume hatte darauf hingewiesen dass man ohne zusatzliche Annahmen nicht von einer Beschreibung des Zustands der Welt auf ein ethisches Gebot schliessen kann Humes Gesetz Der Versuch so zu schliessen wird daher auch als Sein Sollen Fehlschluss bezeichnet Ein korrekter Schluss auf eine wertende Aussage setzt mindestens eine wertende Pramisse voraus Nach Moore muss in dieser Pramisse gut geboten oder ein vergleichbares Wertpradikat zumindest implizit vorkommen und auf beschreibende Pradikate zuruckgefuhrt werden Nach Moore macht eine solche Pramisse naturalistische Begrundungen der Ethik zu einer petitio principii dt Zirkelschluss Im Unterschied zu Hume spricht Moore genau genommen auch nicht von einer Schlussweise wie die deutsche Ubersetzung nahelegt sondern von fallacy also einem Irrtum Ob die als naturalistischer Fehlschluss bezeichnete Schlussweise tatsachlich ein Fehlschluss oder ein logischer Irrtum ist ist in der Tat umstritten und zum Beispiel davon abhangig ob sich deskriptive und praskriptive Pradikate immer klar unterscheiden lassen Moore lehnt die Moglichkeit ab das Gute so zu definieren wie es naturalistische oder die von ihm als metaphysisch eingeordneten Ethiken versuchen Gemass seiner metaethischen Position soll intuitiv entscheidbar sein welche Dinge als gut oder auch als schlecht klassifiziert werden konnen Darauf baut Moore eine intuitionistische Ethik auf Hingegen liesse sich bei jedem Definitionsvorschlag immer hinterfragen ob die vorgeschlagene Eigenschaft denn wirklich gut sei das heisst eine ethische Verpflichtung mit sich bringe beziehungsweise positive Wertzuschreibungen zur Folge habe das Argument der offenen Frage Auch weil der behauptete Fehlschluss oder Irrtum also nicht speziell nur ein Problem des ethischen Naturalismus ist wie es die Bezeichnung naturalistic fallacy zunachst nahelegt wird diese gelegentlich als unzutreffend kritisiert 4 Beispiele in den Principia ethica BearbeitenAls Beispiel fur einen naturalistischen Fehlschluss innerhalb einer naturalistischen Ethik nennt Moore in seinen Principia ethica den in naturalistischen Kreisen popularen Vorschlag dass gut mit naturlich gleichzusetzen ist Dies sei jedoch falsch da Naturliches soweit damit Normales oder Notwendiges gemeint ist nicht ernsthaft als immer gut oder als die einzig guten Dinge angenommen werden konne As typical of naturalistic views other than Hedonism there was first taken the popular commendation of what is natural it was pointed out that by natural there might here be meant either normal or necessary and that neither the normal nor the necessary could be seriously supposed to be either always good or the only good things G E Moore Principia ethica Chapter II Naturalistic Ethics Ebenso sieht Moore die Gleichsetzung von gut und angenehm pleasant oder wunschenswert desirable wie von den Hedonisten bzw dem Utilitaristen John Stuart Mill angenommen wurde als naturalistischen Fehlschluss an Dabei stellt er fest dass fur Mill als desirable implizit nur solche Wunsche gelten wurden die erwunscht sein sollten 5 Mill has made as naive and artless a use of the naturalistic fallacy as anybody could desire Good he tells us means desirable and you can only find out what is desirable by seeking to find out what is actually desired The fact is that desirable does not mean able to be desired as visible means able to be seen The desirable means simply what ought to be desired or deserves to be desired just as the detestable means not what can be but what ought to be detested G E Moore Principia ethica Chapter III Naturalistic Ethics 40 Naturalistische Fehlschlusse kommen nach Moore aber auch in den metaphysischen Ethiken vor Als Beispiel nennt Moore die Ethiken von Spinoza Kant und den Stoikern Beispielsweise konne das Gute nicht allein durch das Befolgen von metaphysisch begrundeten Anweisungen egal ob im Sinne eines kategorischen Imperativs oder der Gebote einer ubernaturlichen Autoritat definiert werden And Kant also commits the fallacy of supposing that This ought to be means This is commanded He conceives the Moral Law to be an Imperative And this is a very common mistake G E Moore Principia ethica Chapter IV Metaphysical EthicsBartleys Argument BearbeitenAus der Sicht von W W Bartley ist der naturalistische Fehlschluss schon deshalb unzulassig weil er die Moglichkeit von Begrundung voraussetzt Bartley interpretiert jedoch das Munchhausen Trilemma so dass es keine absoluten Begrundungen geben kann also kann ein Sollen auch nicht hinreichend durch ein Sein begrundet werden Stattdessen konnen fur ihn nur Konsistenzprufungen je innerhalb der Mengen der praskriptiven und der deskriptiven Aussagen vorgenommen werden Man konne prufen ob das was getan werden soll vereinbar mit anderen Dingen ist die auch getan werden sollen Auch konne man das Sollen mit dem Sein kritisieren indem gepruft wird ob das was getan werden soll auch getan werden kann Logisch gesehen konne man also ethische Forderungen nicht aus empirischen Theorien herleiten sondern nur falsifizieren hier sieht Bartley eine Analogie zum Verhaltnis von empirischen Theorien und Beobachtungssatzen im kritischen Rationalismus 6 Kritik BearbeitenDie Enzyklopadie der Philosophie teilt die Kritiker an der Konzeption des Naturalistischen Fehlschlusses nach ihren Ablehnungsgrunden ein in ontologische Ethiker naturalistische Reduktionisten und interne Realisten 7 Gegen die These dass sich das Pradikat ist gut nicht auf ein deskriptives reduzieren lasst wird von Vertretern des Naturrechts unter anderem angefuhrt dass es keine Alternative zum Sein gibt Wenn nicht aus dem Sein das Sollen zwingend hergeleitet werden konne dann ware uberhaupt keine Ethik moglich da das Nichts gerade nichts begrunden kann Im Ubrigen ist auch die Intuition ein Sein allerdings ist sie alleine nicht ausreichend fur eine wissenschaftliche Begrundung eines ethischen Systems Nach der Lehre des Naturrechts ist das Gute das Seinsgerechte also das dem unveranderlichen Wesen der Dinge Entsprechende Kritisiert wurden die Annahmen hinter dem Konzept des naturalistischen Fehlschlusses auch von Linguisten In seinem Beitrag zur Sprechakttheorie spricht John Searle vom Fehlschluss des naturalistischen Fehlschlusses naturalistic fallacy fallacy In der sprachlichen Beschreibung dessen was ist seien zwangslaufig normative Elemente enthalten Was in den Kanon menschlicher Sprache und damit den Diskurs aufgenommen werde sei dadurch bereits wertend verandert worden Deshalb konne es keine wertfreie Beschreibung objektiver Dinge geben und das Sollen sei bereits implizit in der Benennung dessen was ist enthalten Auch Hilary Putnams Interner Realismus geht davon aus dass der Ubergang von Tatsachenaussagen zu Aussagen uber Normen und Werte moglich ist Kritisch betrachtet wurde der Naturalistische Fehlschluss unter anderen durch William K Frankena in einem Artikel in dem Journal Mind 8 Frankenas Ansatz wurde etwa von Arthur Norman Prior aufgegriffen der in Logic and the Basis of Ethics 9 eine historische Analyse der Sein Sollen Dichotomie unternimmt und festhalt dass Moores Formulierung zur Zuruckweisung eines intelligenten Naturalismus nicht ausreicht Literatur BearbeitenWilliam K Frankena The Naturalistic Fallacy In Mind 48 1939 S 464 477 deutsch in G Grewendorf G Meggle Hrsg Seminar Sprache und Ethik Zur Entwicklung der Metaethik Frankfurt am Main 1974 Alexis Fritz Der naturalistische Fehlschluss Das Ende eines Knock Out Arguments Herder Academic Press Freiburg Schweiz 2009 ISBN 978 3 451 31064 5 ISBN 978 3 7278 1643 7 Barbara Merker Naturalistischer Fehlschluss In Hans Jorg Sandkuhler Hrsg Enzyklopadie Philosophie Band 1 A N Meiner Hamburg 1999 S 914 f Siehe auch BearbeitenDas Richtige und das GuteEinzelnachweise Bearbeiten G E Moore Principia Ethica Memento des Originals vom 5 Juli 2008 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www fair use org Auf fair use org Michael Ridge Moral Non Naturalism In The Stanford Encyclopedia of Philosophy Diskutiert etwa von Lukas Gschwend Vorwort zu Ignaz Paul Troxler Philosophische Rechtslehre der Natur und des Gesetzes Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2006 ISBN 3 8260 3140 7 S 33 B Williams Ethics and the Limits of Philosophy Harvard University Press 1985 Artikel History of Utilitarianism In Stanford Encyclopedia of Philosophy W W Bartley Theories of Demarcation Between Science and Metaphysics Studies in Logic and the Foundations of Mathematics 49 1968 S 49 119 Barbara Merker Naturalistischer Fehlschluss In Hans Jorg Sandkuhler Hrsg Enzyklopadie Philosophie Band 1 A N Meiner Hamburg 1999 S 914 f William K Frankena The Naturalistic Fallacy In Mind 48 1939 S 464 477 Arthur Norman Prior Logic and the Basis of Ethics Oxford University Press 1959 ISBN 0 19 824157 7 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Naturalistischer Fehlschluss amp oldid 229840308