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Als Humes Gesetz auch humesches Gesetz oder Sein Sollen Dichotomie wird ein metaethisches Prinzip bezeichnet wonach nicht von einem Sein auf ein Sollen geschlossen werden kann bzw eine Menge rein deskriptiver Aussagen nicht ohne weiteres auf normative oder praskriptive Aussagen logisch verweist 1 Inhaltsverzeichnis 1 Historische Formulierung durch David Hume 2 Abgrenzung zum naturalistischen Fehlschluss 3 Beispiele 4 Skeptische Konsequenz 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseHistorische Formulierung durch David Hume BearbeitenHumes Gesetz bezieht sich als Kurztitel auf ein Argument des schottischen Philosophen und Historikers David Hume 1711 1776 Er hob hervor dass alle ihm bekannten Systeme philosophischer Ethik von beschreibenden Aussagen uber das was ist Sein bzw nicht ist ubergehen auf Aussagen was sein sollte bzw nicht sein sollte Beide Typen von Aussagen seien jedoch ganz verschiedenartig Eine Deduktion von ersteren auf letztere sei schlichtweg unbegreiflich In every system of morality which I have hitherto met with I have always remark d that the author proceeds for some time in the ordinary ways of reasoning and establishes the being of a God or makes observations concerning human affairs when of a sudden I am surpriz d to find that instead of the usual copulations of propositions is and is not I meet with no proposition that is not connected with an ought or an ought not This change is imperceptible but is however of the last consequence For as this ought or ought not expresses some new relation or affirmation tis necessary that it shou d be observ d and explain d and at the same time that a reason should be given for what seems altogether inconceivable how this new relation can be a deduction from others which are entirely different from it I am persuaded that a small attention wou d subvert all the vulgar systems of morality and let us see that the distinction of vice and virtue is not founded merely on the relations of objects nor is perceiv d by reason Bei jedem System der Moral das mir bislang begegnet ist habe ich stets festgestellt dass der Autor eine gewisse Zeit in der ublichen Argumentationsweise fortschreitet und begrundet dass es einen Gott gibt oder Beobachtungen uber menschliches Verhalten trifft dann plotzlich stelle ich uberrascht fest dass anstatt der ublichen Satzverknupfungen namlich ist und ist nicht ich nur auf Satze stosse welche mit soll oder soll nicht verbunden sind Diese Anderung geschieht unmerklich Sie ist jedoch sehr wichtig Dieses soll oder soll nicht druckt eine neue Verknupfung oder Behauptung aus Darum muss sie notwendigerweise beobachtet und erklart werden Zugleich muss notwendigerweise ein Grund angegeben werden fur dies was vollstandig unbegreiflich erscheint Wie namlich diese neue Verknupfung eine logische Folgerung sein kann von anderen davon ganz verschiedenen Verknupfungen Ich bin der Uberzeugung dass eine solche geringfugige Aufmerksamkeit alle gewohnten Moralsysteme umwerfen wurde Sie wurde uns ausserdem zeigen dass die Unterscheidung von Laster und Tugend nicht nur auf den Verhaltnissen von Objekten grundet und auch nicht mit der Vernunft wahrgenommen wird David Hume A Treatise of Human Nature Buch III Teil I Kapitel I Dieser ironischen Nebenbemerkung in A Treatise of Human Nature 1739 1740 zufolge unterliegen Humes moralphilosophische Zeitgenossen einem Fehlschluss Dem Leser wird empfohlen aufmerksam darauf zu achten ob eine Erklarung oder Begrundung fur ihre Schlusse von Beschreibungen auf Sollensaussagen angefuhrt wird Wahrend Hume dahingehend verstanden werden kann dass eine solche Schlussfolgerung prinzipiell ausgeschlossen ist bildet die Frage ob und wie man derartige Schlussfolgerungen tatsachlich begrunden konnte ein weiterhin wichtiges Thema der Metaethik die oft mit dem Kurztitel Sein Sollen Problem bezeichnet wird Hume begrundet sein Gesetz mit der Unterteilung des Bewusstseins in Vernunft reason und Wille Die Aufgabe der Vernunft ist eine Ubereinstimmung von Uberzeugung und Wirklichkeit anders gesagt die Erkenntnis von Wahrheit Der Wille dagegen ist darauf ausgerichtet die Wirklichkeit nach Wunschen und Absichten zu gestalten und besitzt eine motivierende Komponente menschlichen Handelns Die Vernunft ist ohne motivierende Kraft der Wille andererseits richtet sich nicht nach einer objektiven Wahrheit Humes Trennung von Wille und Vernunft fuhrt ihn zu der Auffassung dass Sollen eine Beteiligung des Willens voraussetzt da es sonst keine handlungsleitende Funktion haben kann Andererseits haben moralische Urteile da sie also nicht allein der Vernunft entspringen keine Entsprechung in den Tatsachen und werden auch nicht vollig mit diesen zur Ubereinstimmung gebracht Im alltaglichen Gebrauch vorkommende ethische Begriffe und Urteile haben hingegen stets beschreibenden wie vorschreibenden Gehalt Abgrenzung zum naturalistischen Fehlschluss BearbeitenHumes Gesetz wird haufig so interpretiert dass es den sogenannten naturalistischen Fehlschluss verbietet Trotz enger Verwandtschaft aus beiden folgt die Unzulassigkeit des Schlusses von Sein auf Sollen sind die These des naturalistischen Fehlschlusses und Humes Gesetz zu unterscheiden So ist Humes Gesetz eine These uber die logische Struktur ethischer Begrundungsformen wahrend der naturalistische Fehlschluss eine These uber die Semantik des Adjektivs gut ist Dieses sei namlich undefinierbar und somit auch nicht auf naturalistische Begriffe reduzierbar 2 Humes Gesetz halt fest dass ein Ubergang von deskriptiven zu normativen Aussagen durch rein logische Ableitungen nicht moglich ist damit ist aber nicht ausgeschlossen dass es normative Satze gibt die naturlichen Eigenschaften Wertqualitaten zuordnen oder dass es normative Satze gibt die bestimmte Sollensaussagen unter die Bedingung bestimmter Ist Aussagen stellen Unter Hinzunahme solcher Satze Bruckenprinzipien ist durchaus ein Ubergang von Sein zum Sollen moglich Allerdings ist er eben nur dann legitim wenn das verwendete normative Bruckenprinzip bereits als geltend anerkannt wurde Eine Legitimation von Sollen uberhaupt nur aus dem Sein ist damit nicht moglich sondern nur aus anderem Sollen Nach George Edward Moore sind solche Bruckenprinzipien wegen des Arguments der offenen Frage jedoch unzulassig Fur Moore ist daher jeder Ubergang vom Sein zum Sollen den er vor allem naturalistischen Ethiken aber auch metaphysischen Ethiken unterstellt ein naturalistischer Fehlschluss Beispiele BearbeitenDein Schreibtisch ist nicht ordentlich Du solltest ihn deshalb aufraumen Implizites Bruckenprinzip Du solltest deine Sachen ordentlich halten Lowen sind gefahrlich Lowen sollten daher getotet werden Implizites Bruckenprinzip Du solltest dich keiner Gefahr aussetzen Skeptische Konsequenz BearbeitenVerbindet man das Sein Sollen Problem mit Humes Gabelung der Idee dass alle Wissensbereiche entweder auf analytischer Logik und Definitionen oder auf empirischer Erfahrung und Beobachtung beruhen so wird die Gultigkeit normativer Aussagen fragwurdig Wenn Sollens Behauptungen weder in analytischen noch in empirischen Satzen vorkommen konnen so ist die Konsequenz dass es kein moralisches Wissen gibt Diese Problematik fuhrte unter anderem zum moralischen Skeptizismus und zum Nonkognitivismus David Hume selbst sah die Wurzel moralischer Werte letztlich in Gefuhl und Tradition Er stellte aber auch fest dass es fur den Menschen letztendlich gleichgultig sei welchen Ursprung seine moralischen Uberzeugungen hatten ob objektiv feststellbar oder nur in seiner subjektiven Weltsicht begrundet da sie fur sein Verhalten die gleiche Realitat also die gleiche handlungsleitende Kraft besassen Die Kritik an Humes Gesetz greift vor allem die Abgrenzbarkeit normativer und deskriptiver Begriffe an In der im 20 Jahrhundert bedeutsamen rechtsphilosophischen Schule des Rechtspositivismus so etwa in der Reinen Rechtslehre von Hans Kelsen wird allerdings die strenge Trennung von Sein und Sollen vorausgesetzt Literatur BearbeitenFranz von Kutschera Das Sein Sollen Problem 1977 Georgios Karageorgoudis Jorg Noller Sein und Sollen Perspektiven in Philosophie Logik und Rechtswissenschaft Paderborn Mentis 2020 Gerhard Schurz The Is Ought Problem Kluwer Dordrecht 1997 Amartya K Sen Hume s Law and Hare s Rule in Philosophy 41 1966 Weblinks BearbeitenAufsatze zur Sein Sollen Dichotomis bei PhilPapers Rachel Cohon Hume s Moral Philosophy 5 Is and ought In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Charles Pigden Hume on Is and Ought Philosophy Now 2011 Einzelnachweise Bearbeiten So eine heute ubliche Paraphrase vgl beispielsweise Gillian Russell In Defence of Hume s Law Memento vom 5 Februar 2013 imInternet Archive PDF 2 4 MB in Charles Pigden Hrsg Hume on Is and Ought Palgrave MacMillan New York 2010 Vgl Julian Dodd und Suzanne Stern Gillet The Is Ought Gap the Fact Value Distinction and the Naturalistic Fallacy Dialogue 34 S 727 746 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Humes Gesetz amp oldid 237141198