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Das Misrachi Haus Innere Stadt 1 Bezirk Judenplatz Nr 8 ist Teil eines Ensembles zum Gedenken an die Geschichte der Juden in Wien Hinter seiner barocken Fassade verbirgt sich ein im Laufe des 12 Jahrhunderts erbautes Haus der mittelalterlichen Judenstadt Die Geschichte des Hauses steht stellvertretend fur die Geschichte des Viertels von der Ansiedlung und Vertreibung der Juden im Mittelalter uber Jahrhunderte der burgerlichen und adligen Nutzung bis hin zum Leben der judischen Gemeinde in Wien seit dem 19 Jahrhundert Misrachi Haus 2007Heute beherbergt das Misrachi Haus eine Zweigstelle des Judischen Museums sowie das Jugendzentrum und die Synagoge der Misrachi Gemeinde Inhaltsverzeichnis 1 Mittelalter 2 Renaissance und Fruhe Neuzeit 3 17 bis 19 Jahrhundert 4 20 Jahrhundert bis heute 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseMittelalter Bearbeiten nbsp 1909 erstellter Plan des Wiener Judenviertels in der Inneren Stadt zur Zeit der Aufhebung im Jahre 1421 Die mit 343 gekennzeichnete Liegenschaft ist das Grundstuck des heutigen Mirachi Hauses Bis 1436 waren die Flachen 343 und 349 noch eine nicht getrennte Parzelle Die mittelalterliche Synagoge ist im Plan nicht eingezeichnet Sie befand sich auf dem ostlichen Teil des heutigen Judenplatzes im Plan noch als Schulhof dargestellt Wien wurde Mitte des 12 Jahrhunderts zur Residenzstadt der Babenberger Herzoge deren Burg unweit des Judenplatzes entstand Dies loste einen Bauboom aus Ab diesem Zeitpunkt wurde das noch nicht bebaute Land innerhalb und unmittelbar ausserhalb der Stadtmauer nach und nach aufgeteilt und erschlossen 1 Im Mittelalter bildete das heutige Haus Judenplatz Nr 8 zusammen mit der ostlichen Halfte des heutigen Hauses Wipplingerstrasse Nr 15 eine Parzelle siehe im Plan von 1909 die mit 343 und 349 gekennzeichneten Flachen 2 Der Zuschnitt dieser Parzelle geht auf die mittelalterliche Erschliessung des Gelandes zuruck wurde dabei aber durch die Uberreste von Kasernenmauern aus der Romerzeit stark beeinflusst 3 Die mit 343 349 gekennzeichnete Parzelle wurde im Laufe des 12 Jahrhunderts bebaut 2 Nachdem die Synagoge in der Mitte des 13 Jahrhunderts errichtet wurde und von da an den neuen Mittelpunkt des Viertels darstellte wurde der sudliche Teil der Parzelle also die Flache 343 vermutlich massiv ausgebaut 4 Urkundlich wurde das Gebaude auf der Parzelle erstmals 1294 erwahnt Weitere urkundliche Erwahnungen stammen aus den Jahren 1379 und 1381 Die urkundlichen Nennungen belegen dass die Liegenschaft in judischem Besitz war Ostlich von ihr lag das Spital der Judenstadt und durch den Schulhof getrennt die Synagoge Der Schulhof umfasste den nordwestlichen Teil des heutigen Judenplatzes Die Synagoge lag ostlich davon auf der Flache des heutigen Judenplatzes 5 Wahrend des Pogroms von 1421 Wiener Gesera bei dem die Wiener Juden vertrieben und ermordet wurden wurden die Hauser des Judenviertels darunter auch die Parzelle 343 349 mit ihren Gebauden von Herzog Albrecht V eingezogen 1424 verkauften der Burgermeister und der Rat der Stadt Wien die Parzelle zusammen mit dem Spitalsgrundstuck daneben fur 500 Pfund Wiener Pfennig an einen Burger der Stadt Wien Der Sudteil des Grundstucks also die Flache 343 wurde 1436 verkauft womit die Parzelle des heutigen Misrachi Hauses entstand 5 Im Erd und Obergeschoss des heutigen Gebaudes haben sich betrachtliche Teile des mittelalterlichen Mauerwerks aus dem 13 oder 14 Jahrhundert bis heute erhalten Der Sudtrakt des heutigen Gebaudes geht auf ein dreistockiges Haus oder Hausteil zuruck das mit dem Giebel zum Schulhof ausgerichtet war An den West Nord und Ostgrenzen des Grundstucks konnten mittelalterliche Mauern bis zu 9 m uber dem heutigen Hofniveau nachgewiesen werden 6 Renaissance und Fruhe Neuzeit Bearbeiten1509 wurden der gotische Dachstuhl und die Holzbalkendecken anscheinend durch einen Brand zerstort Von da an wurde das Haus in den Grundbuchern als Brandstatt bezeichnet obwohl es in Teilen trotzdem bewohnt wurde Ab 1528 wurde das Haus in zwei oder drei zeitlich eng aufeinanderfolgenden Bauphasen wieder aufgebaut Es kamen ein Kellergeschoss sowie Kreuzgrat und Tonnengewolbe sowie zahlreiche Rundbogenoffnungen hinzu Das Gebaude war nun um einen Innenhof angeordnet und hatte ein fur die Renaissance charakteristisches Erscheinungsbild 7 Aus dieser Phase haben sich ebenfalls Gebaudeteile erhalten u a ein vermauertes Fenster sowie ein Fundament unter der nordlichen Hoffassade ein im Ganzen erhaltenes Gewolbe und Bruchstucke eines Kachelofens von hoher Qualitat mit bildlichen Darstellungen 8 17 bis 19 Jahrhundert Bearbeiten1694 kaufte Maria Anna Grafin zu Zeyhl das Haus Damit war das Gebaude nun in adliger Hand Vermutlich in Folge dieses Verkaufs wurde es umfassend umgebaut Die heute bestehende barocke Platzfassade Gebaudehohe und Dachprofil stammen aus dieser Zeit Im Erdgeschoss wurden fast alle Raume neu eingewolbt und das Fussbodenniveau erhoht Das Haus wurde auf zwei hohe Obergeschosse und ein niedrigeres Dachgeschoss aufgestockt 9 Im 18 und 19 Jahrhundert wurde das Gebaude wiederum stark umgebaut Das Treppenhaus wurde erweitert und mit Pilastern gestaltet Hangekuppeln ersetzten die fruheren Kreuzgratgewolbe Im mutmasslichen Kuchentrakt wurden einige Fenster vermauert was die Raume dunkel und unattraktiv machte Der sudliche Innenhof wurde uberbaut wodurch ein Durchgangsbereich vom West in den Osttrakt des Hauses geschaffen wurde Um 1860 wurde das Haus an den stadtischen Abwasserkanal angeschlossen 10 1862 erwarb Anna Mandeles das Haus womit es seit 1421 erstmals wieder dauerhaft in judischen Besitz kam Die neue Hauseigentumerin liess die Raume im Erdgeschoss nach und nach in Magazine und Geschaftsraume umbauen Bisher offene Bereiche wurden geschlossen und hochstwahrscheinlich vermietet 11 20 Jahrhundert bis heute Bearbeiten nbsp Judenplatz mit Misrachi Haus zuruckgesetztes Haus rechts von der Bildmitte 19671907 ging das Haus in den Besitz der Mandeles schen Familienstiftung uber Im Zuge dieser Nutzungsanderung wurde das Restaurant Neues Leben im Erdgeschoss eingerichtet und ein Lastenaufzug vom Erdgeschoss ins Souterrain eingebaut 11 1939 wurde der Besitz in eine Allgemeine Stiftung fur judische Fursorge uberfuhrt die in den Raumen des Erdgeschosses eine Armenspeisung betrieb 1942 wurde das Haus arisiert Wahrend des Zweiten Weltkriegs wurden Luftschutzeinrichtungen eingebaut Die Keller und Kelleranlagen wurden mit denen der Nachbarhauser verbunden und ein langer unterirdischer Gang unter dem Platz und unter Teilen der spatmittelalterlichen Synagoge zum vorgelagerten Keller des Hauses Judenplatz Nr 10 gebaut 11 1950 sprach die Ruckstellungskommission beim Landesgericht fur Zivilrechtssachen in Wien das Haus der Israelitischen Kultusgemeinde Wien zu Das Haus wurde innen stark umgebaut und die Raume dabei neu aufgeteilt Durch Schenkung kam es 1965 in den Besitz der Vereinigung Thoratreue Zionisten des Misrachi und Hapoel Hamisrachi Landesverband Osterreich die im ersten Obergeschoss einen Betraum einrichtete und das Haus fur Vereinsaktivitaten nutzte 12 Seit 1971 wird das Haus am Judenplatz Nr 8 als Misrachi Haus bezeichnet 13 nbsp Misrachi Haus Eingang des Judischen Museums am JudenplatzVon November 1996 bis Sommer 1999 wurde das Misrachi Haus bauarchaologisch untersucht Das Archaologenteam der Stadtarchaologie Wien Magistrat der Stadt Wien Geschaftsgruppe Kultur hatte den Auftrag das Grundstuck zu erforschen und zu dokumentieren bevor es fur die Einrichtung des Judischen Museums umgebaut werden sollte Im Rahmen der Untersuchung wurde das Gebaude detailliert vermessen fotografiert und zeichnerisch aufgenommen Holzteile wurden mittels Dendrochronologie datiert Die gefundene Keramik Glas und Munzen wurden analysiert Parallel dazu wurden alle verfugbaren schriftlichen und bildlichen Quellen zusammengestellt und ausgewertet 14 Die bauhistorische Untersuchung belegte u a dass Teile des Gebaudes aus dem 12 Jahrhundert stammen Vorher wurde von 1682 als Baujahr des Gebaudes ausgegangen 15 Das Misrachi Haus wurde von Architekt Hans Peter Wildom von 1999 bis 2001 renoviert und saniert wobei es auf Grund der schlechten Bausubstanz immer wieder zu Verzogerungen und Verteuerungen kam Die Sanierungskosten beliefen sich schliesslich auf 40 Millionen Schilling Ein erheblicher Teil der historischen Bausubstanz konnte erhalten werden Hans Peter Wildom wurde fur die Sanierung mit einem Sonderpreis des Wiener Stadterneuerungspreises der Wirtschaftskammer ausgezeichnet 16 17 Im Erd und Kellergeschoss des Hauses ist nun eine Zweigstelle des Judischen Museums untergebracht die dort eine Ausstellung zum mittelalterlichen Judentum zeigt Von dort aus sind uber einen unterirdischen Verbindungsgang auch die Ausgrabungen der mittelalterlichen Synagoge zuganglich Im ersten und zweiten Stock befinden sich das Jugendzentrum und die Synagoge der Wiener Misrachi Gemeinde Im dritten Stock sind Buro und Archivraume des Judischen Museums untergebracht Im Dachgeschoss befinden sich Wohnungen 17 nbsp Gedenktafel am Misrachi HausAm 19 April 2001 wurde anlasslich des Holocaust Gedenktages eine Gedenktafel am Misrachi Haus enthullt Die Gedenktafel zeigt den folgenden Text in deutscher und hebraischer Sprache 18 Dank und Anerkennung den Gerechten unter den Volkern welche in den Jahren der Schoah unter Einsatz ihres Lebens Juden geholfen haben den Nachstellungen der Nazischergen zu entgehen und so zu uberleben Die Judischen Gemeinden OsterreichsWien im Monat April 2001Die freigelegten Uberreste der mittelalterlichen Synagoge das Holocaust Mahnmal und das Misrachi Haus bilden heute eine Einheit des Gedenkens an zentraler Stelle in der Wiener Innenstadt 19 Literatur BearbeitenFelix Czeike Hrsg Historisches Lexikon Wien Band 6 Erganzungsband Kremayr amp Scheriau Wien 2004 ISBN 3 218 00740 2 S 135 Michaela Feurstein Gerhard Milchram Judisches Wien Stadtspaziergange Wien Bohlau 2001 S 43f Ingeborg Gaisbauer Mittelalterliche und neuzeitliche Keramik aus Wien 1 Judenplatz 8 Fundort Wien Berichte zur Archaologie Band 6 Wien Stadtarchaologie Wien 2003 S 140 175 ISSN 1561 4891 Judenplatz Wien 1996 Wettbewerb Mahnmal und Gedenkstatte fur die judischen Opfer des Naziregimes in Osterreich 1938 1945 Folio Verlag Wien 1996 ISBN 3852560462 Gerhard Milchram Judenplatz Ort der Erinnerung Pichler Verlag Wien 2000 ISBN 3854312172 Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus Ein Haus der Judenstadt im Verlauf der Jahrhunderte In Gerhard Milchram Hrsg Uber das Mittelalter Wiener Jahrbuch fur Judische Geschichte Kultur amp Museumswesen Band 4 Folio Wien 2000 ISBN 3 85256 122 1 S 111 122 Paul Mitchell Zur Kontinuitatsfrage in Wien anhand neuester Erkenntnisse Von der Ausgrabung Judenplatz und anderen Fundstellen In Sabine Felgenhauer Schmiedt Alexandrine Eibner Herbert Knittler Hrsg Beitrage zur Mittelalterarchaologie in Osterreich Band 17 2001 S 205 214 Paul Mitchell Synagoge und Judisches Viertel im mittelalterlichen Wien in Fritz Backhaus Egon Wamers Hrsg Synagogen Mikwen Siedlungen Judisches Alltagsleben im Lichte neuer archaologischer Funde Schriften des Archaologischen Museums Frankfurt 19 Frankfurt 2004 S 139 150 Doris Schon Von spatmittelalterlichen Mauern renaissancezeitlichen Fenstern und barocken Fussboden Bauforschung im Haus Wien 1 Judenplatz 8 Fundort Wien 6 2003 S 96 139 I Schwarz Das Wiener Ghetto Seine Hauser und seine Bewohner Quellen und Forschungen zur Geschichte der Juden in Deutsch Osterreich Bd II Wien Leipzig 1909 Mechtild Widrich The Willed and the Unwilled Monument Judenplatz Vienna and Riegl s Denkmalpflege In Journal of the Society of Architectural Historians September 2013 S 382 398 Simon Wiesenthal Hrsg Projekt Judenplatz Wien Zsolnay Verlag Wien 2000 ISBN 3552049827Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Museum Judenplatz Wien Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Misrachi Haus im Wien Geschichte Wiki der Stadt WienEinzelnachweise Bearbeiten Paul Mitchell Zur Kontinuitatsfrage in Wien anhand neuester Erkenntnisse 2001 S 212 a b Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus 2000 S 112 Paul Mitchell Zur Kontinuitatsfrage in Wien anhand neuester Erkenntnisse 2001 S 210 Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus 2000 S 116 a b Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus 2000 S 113 Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus 2000 S 114 116 Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus 2000 S 117 Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus 2000 S 118 Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus 2000 S 118 119 Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus 2000 S 119 120 a b c Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus 2000 S 120 Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus 2000 S 121 Reinhard Pohanka keinen Sitz Haus noch Niederlass Der Judenplatz in Wien Eine Geschichte In Simon Wiesenthal Hrsg Projekt Judenplatz Wien Zur Konstruktion von Erinnerung Zsolnay Wien 2000 ISBN 3 552 04982 7 S 128 Paul Mitchell Doris Schon Zur Bauforschung im Misrachihaus 2000 S 111 112 Felix Czeike Hrsg Historisches Lexikon Wien Band 3 Kremayr amp Scheriau Wien 1994 ISBN 3 218 00740 2 S 393 Misrachi Haus ubergeben Projekt Judenplatz abgeschlossen In derStandard at 1 Februar 2001 derstandard at abgerufen am 22 Oktober 2017 a b Misrachi Haus Sonderpreis fur gelungene Sanierung In derStandard at 31 Mai 2001 derstandard at abgerufen am 22 Oktober 2017 Irene Messinger Gedenken und Mahnen Wien I Judenplatz Misrachi Haus In www nachkriegsjustiz at Abgerufen am 29 Oktober 2017 Einheit des Gedenkens Mahnmalenthullung und Museumseroffnung in Wien In BauNetz 24 Oktober 2000 abgerufen am 22 Oktober 2017 48 211885 16 369269 Koordinaten 48 12 42 8 N 16 22 9 4 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Misrachi Haus amp oldid 239333006