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Methodischer Zweifel auch Cartesischer Zweifel bezeichnet ein Verfahren welches Rene Descartes in seinen Meditationen uber die erste Philosophie Meditationes de prima philosophia anwendet Der Anwender dieses Verfahrens soll an der Existenz von allem zweifeln was in irgendeiner Weise dem Irrtum unterliegen konnte Dies hat Ahnlichkeiten mit dem Skeptizismus und wird im Allgemeinen als Rationalismus bezeichnet Inhaltsverzeichnis 1 Der methodische Zweifel bei Descartes 2 Vorformen und Vorlaufer 2 1 Aurelius Augustinus 354 430 2 2 Francis Bacon 1561 1626 3 Kritik 3 1 Hobbes 1588 1679 3 2 Gassendi 1592 1655 3 3 Hegel 1770 1831 3 4 David Hume 1711 1776 3 5 Postmoderne 4 EinzelnachweiseDer methodische Zweifel bei Descartes BearbeitenDas Ziel des Projektes ist es alles zunachst vermeintliche Wissen zu hinterfragen um ausgehend von einem zu ermittelnden sicheren Fundament den Wissensbestand bestmoglich zu rehabilitieren Es soll also eine Neubegrundung jeder Erkenntnis erfolgen Descartes wendet zur Suche nach diesem sicheren Fluchtpunkt den methodischen Zweifel an welchen er als schrittweisen Prozess des Anzweifelns aller Kognitionen versteht Descartes zweifelt wohlgemerkt lediglich methodisch das heisst vornehmlich im Sinne eines Gedankenexperiments und weniger ein tatsachliches Infragestellen der Wirklichkeit Die Unternehmung lasst sich in drei Phasen gliedern Zweifel an den Sinnen Da sich die physischen Sinne erfahrungsgemass als unzuverlassig erweisen also beispielsweise Optische Tauschungen moglich sind konnen Wahrnehmungen dieser Art nicht als unbezweifelbarer Ausgangspunkt fungieren Jede sinnliche Wahrnehmung ist womoglich unzutreffend weshalb Descartes diese vorlaufig ablegt Zweifel am kognitiven Zustand Dieser Schritt wird oft als Traumargument bezeichnet Descartes stellt fest dass es scheinbar kein effektives Kriterium gibt mit dem sich zuverlassig feststellen liesse ob man gerade wach ist oder traumt oder aus sonstigen Grunden Illusionen anheimgefallen ist Damit erweisen sich auch rationale Erkenntnisse als prinzipiell bezweifelbar Zweifel an der kognitiven Autonomie Die Gultigkeit der Logik sowie der Mathematik scheint zwar in jedem kognitiven Zustand gewahrleistet zu sein und universellen Charakter zu haben jedoch ware es denkbar dass diese Konzepte unzutreffend sind und uns durch einen Genius malignus lat etwa fur boser Geist vorgetauscht werden Nachdem er diese Kognitionen vorlaufig aussetzt bleibt nur noch das zweifelnde Subjekt ubrig Aus der Tatsache des Zweifelns bzw Denkens geht die Tatsache der Existenz des Zweifelnden evident hervor Zusammengefasst wird dies in der Formulierung Cogito ergo sum Ich denke also bin ich Das Da sein eines Subjektes wird von Descartes als erste unbezweifelbare Wahrheit identifiziert Descartes fordert dazu auf dass jede Person wenigstens einmal im Leben mittels des methodischen Zweifels das Fundament der eigenen Urteile uberprufen solle Diesbezuglich unterstellt er dem Menschen eine moralische Verantwortung Vorformen und Vorlaufer BearbeitenAurelius Augustinus 354 430 Bearbeiten Eine Vor oder Urform 1 des cartesischen Arguments findet sich bereits beim Kirchenvater Augustinus der bereits mit seinem Si fallor sum De civitate dei XI 26 argumentiert dass selbst wenn jemand in allem irrt er dennoch ein Irrender ist Wenn ich mich namlich tausche dann bin ich Denn wer nicht ist kann sich naturlich auch nicht tauschen und demnach bin ich wenn ich mich tausche Weil ich also bin wenn ich mich tausche wie sollte ich mich uber mein Sein irren da es doch gewiss ist gerade wenn ich mich irre Also selbst wenn ich mich irrte so musste ich doch eben sein um mich irren zu konnen und demnach irre ich mich ohne Zweifel nicht in dem Bewusstsein dass ich bin De civitate dei XI 26 An anderer Stelle Wenn ich mich tausche bzw wenn ich getauscht werde bin ich 2 Francis Bacon 1561 1626 Bearbeiten Teilweise wird Francis Bacon in Zusammenhang mit dem methodischen Zweifel gebracht Sowohl Descartes Meditationen als auch Bacons Novum Organum verfolgen die Absicht Wissensbestande neu zu legitimieren und raten dafur eine systematische Auseinandersetzung mit der Zuverlassigkeit menschlichen Erkennens an Fur beide ist das Zweifeln das tragende Motiv Die Zweifelslehre bei Bacon wurde bei Descartes zum Zweifelszwang der Zwangsverdacht zur Methode 3 Bacons Herangehensweise ist allerdings praktischer das heisst quasi psychologischer Natur wahrend Descartes abstrakt und theoretisch argumentiert Bacon wird auch als empirisches Pendant zum Rationalisten Descartes gehandelt Kritik BearbeitenObgleich der methodische Zweifel weitreichende Folgen fur das Denken der Aufklarung hatte und dieser in grossen Teilen als epistemologisches Fundament diente wurde die Praxis von vielen philosophischen Perspektiven kritisiert So bemerken Descartes Kritiker dass dieser methodische Zweifel letzten Endes wieder zu ahnlichen Ergebnisse fuhre wie sie dogmatische Philosophen auch ohne zu zweifeln schon zuvor behauptet hatten Auch performative Schwachstellen wurden mehrfach postuliert Hobbes 1588 1679 Bearbeiten Thomas Hobbes wendet sich gegen die Gleichsetzung der Begriffe Idee und Bild hinsichtlich Descartes Gottesbeweises Da Gott nach Hobbes eine Idee ohne Bildlichkeit sei konne diese keineswegs durch ein Subjekt wahrgenommen werden womit die Existenz Gottes unbewiesen und dadurch die Rehabilitation der Logik hinfallig wurde 4 Gassendi 1592 1655 Bearbeiten Pierre Gassendi warf Descartes vor dass er Vorurteile nicht uberwindet sondern nur durch ein anderes ersetzt Die Behauptung Vorurteile seien prinzipiell falsch ist nach Gassendis Dafurhalten wiederum ein Vorurteil welches nicht abgelegt sondern sogar instrumentalisiert wird wodurch der methodische Zweifel seinem Anspruch nicht mehr gerecht wird 5 Hegel 1770 1831 Bearbeiten Hegel mahnt an dass der Vorsatz an allem zu zweifeln bereits eine Entitat darstellt die aus der zu bezweifelnden Sphare stammt Die Methodik musse schliesslich auch sich selbst anzweifeln wodurch bedingt durch die Natur des Zweifelns selbst niemals ein sicherer Grund zustande kommen konne jede Erkenntnis ware prinzipiell vage wodurch der methodische Zweifel einen infiniten Regress zur Konsequenz hatte 6 David Hume 1711 1776 Bearbeiten Von David Hume wurde infrage gestellt ob der radikale Zweifel uberhaupt durchzufuhren sei Entsprechend seiner eigenen Position des Sensualismus argumentiert er dass Denkoperationen nur ausgehend und auf Grundlage von sinnlichen Erfahrungen moglich seien weswegen ein Denken ohne Ruckgriff auf empirisch gewonnene Kognitionen in einem performativen Widerspruch fuhrt 7 Postmoderne Bearbeiten Die Stromung der philosophischen Postmoderne zeichnet sich insgesamt durch einen latenten bis expliziten Anti Cartesianismus aus Da das Subjekt beispielsweise laut Michel Foucault durch diskursive Prozesse mittels Machtkonstellationen konstituiert wird kann dieses nicht a priori angenommen werden Einzelnachweise Bearbeiten Klaus Muller An den Grenzen des Wissens Einfuhrung in die Philosophie fur Theologinnen und Theologen Pustet Regensburg 2004 S 16 Augustinus De libero arbitrio II III zitiert nach Klaus Muller An den Grenzen des Wissens Einfuhrung in die Philosophie fur Theologinnen und Theologen Pustet Regensburg 2004 S 16 Wulff D Rehfus Einfuhrung in das Studium der Philosophie 2 Aufl 1992 ISBN 3 494 02188 0 S 65 f Christian Wohlers Hrsg 2009 Meditationen Mit samtlichen Einwanden und Erwiderungen S 131 ff Christian Wohlers Hrsg 2009 Meditationen Mit samtlichen Einwanden und Erwiderungen S 101 ff D Patzold 2007 In Dietmar H Heidemann Christian Krijnen Hrsg Hegel und die Geschichte der Philosophie S 16 David Hume An Enquiry concerning Human Understanding ed Tom Beauchamp Oxford University Press Oxford 1999 S 199 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Methodischer Zweifel amp oldid 229053723