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Der Muhlviertler Handblaudruck ist eine traditionelle Handwerkstechnik zur Veredelung von Stoffen Der Blaudruck wird im Muhlviertel seit dem 19 Jahrhundert vorwiegend auf regional produziertem Leinen ausgefuhrt Nachdem zahlreiche Farbereien in der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts infolge der fehlenden Nachfrage nach Blaudruckstoffen den Betrieb eingestellt haben wird der traditionelle Blaudruck im Muhlviertel gegenwartig noch in der der Blaudruckerei Wagner im Haus Brundlwagner in Bad Leonfelden in vierter Generation praktiziert 2015 wurde der Muhlviertler Handblaudruck in das osterreichische UNESCO Verzeichnis des Immaterielles Kulturerbes und 2018 in die Reprasentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen Blaudruckerei Wagner PasserdruckModel fur den HandblaudruckBlaudruckerei Wagner DirektdruckKarl Wagner beim Umruhren der IndigokupeIndigogefarbte Stoffe auf dem Sternreifen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte des Muhlviertler Handblaudrucks 2 Farbetechnik 3 Blaudruckerei Wagner 4 Fortbestand des traditionellen Handwerks 5 Immaterielles Kulturerbe 6 Literatur 7 EinzelnachweiseGeschichte des Muhlviertler Handblaudrucks BearbeitenDer Blaudruck etablierte sich im Muhlviertel im 19 Jahrhundert das aufgrund seiner naturlichen Gegebenheiten ideale Voraussetzungen fur den Flachsanbau und damit die Herstellung von Leinen besass 1 Das figurative Bemalen und Bedrucken von Stoffen gehort zu den altesten Textilveredlungstechniken Blaudruck hat seinen Ursprung in Indien der Heimat des naturlichen Indigo Von Indien gelangte der manuelle Handdruck mit Holzmodeln im 17 Jahrhundert nach Europa Die Niederlandische Ostindien Kompanie brachte neben gemusterten Stoffen den Indiennes auch Indigo nach Europa der wesentlich farbintensiver und leichter zu Handhaben war als der heimische Farberwaid 2 1689 wurde von den Gebrudern Neuhofer die erste deutsche Kattundruckerei in Augsburg gegrundet 2 Die gemusterten Drucke imitierten preiswert die damals begehrten hochpreisigen Jaquardstoffe Neben Stoffen fur Bekleidung wurden auch Vorhange und Bettzeug bedruckt Uber Augsburg gelangte im 19 Jahrhundert die Blaudrucktechnik durch Gesellen die das Handwerk auf der Walz erlernten ins Muhlviertel 3 Die hiesige Landbevolkerung liess sich ihre handgewebten Leinenstoffe mit Blaudruck veredeln Dies fuhrte zu einer Blute der Blaufarberei Ende des 19 Jahrhunderts 4 Infolge der Industrialisierung dem aufkommenden preiswerteren maschinellen Walzendruck und der Entdeckung von leichter zu handhabenden synthetischen Farbpigmenten Indanthron brach die Nachfrage nach Blaudruckstoffen ein und viele Blaudruckfarbereien wurden geschlossen Die Blaudruckerei Wagner in Bad Leonfelden ist gegenwartig die einzige Manufaktur im Muhlviertel die den Blaudruck nach traditionellem Vorbild praktiziert 1 Farbetechnik BearbeitenBlaudruck gehort zu den Reservetechnikverfahren bei dem das Muster mittels Holzmodel durch eine Druckreservage Papp genannt auf den Stoff ubertragen wird Die Rezeptur des Papps wird in der Regel von Generation zu Generation weitergegeben Der wasserabweisende Papp eine Mischung u a aus Tonerde Gummi arabicum und diversen Blei und Kupferverbindungen wird dabei auf ein Stempelkissen Chassis aufgetragen und mittels Holzmodel auf den Stoff ubertragen Zum Durchtrocknen des Papps an der Luft wird die Stoffbahn auf einen Eisenring Sternreifen aufgezogen und nach der Trocknung in einer Indigokupe kalt in mehreren Zugen gefarbt Nach einem ca zweiminutigen Farbeprozess wird der Stoff aus der Kupe gezogen damit die Farbpigmente an der Luft oxidieren Dabei verfarbt sich der Stoff von gelbgrun auf blau Der Farbeprozess wird gewohnlich funf bis sechs Mal wiederholt um die Blaufarbung zu intensivieren Nach der Farbung wird der Papp in einer sauren wassrigen Losung ausgewaschen und das aufgedruckte Muster erscheint jetzt weiss auf blauem gefarbten Grund Der Prozess des Farbumschlags von grun auf blau beim Blaufarben spiegelt sich auch in altbekannten Redewendungen wie grun und blau schlagen und blaues Wunder erleben wider 5 Blaudruckerei Wagner BearbeitenDie Blaudruckerei Wagner in Bad Leonfelden ist die letzte heute noch produzierende Blaudruckerei in Osterreich die ausschliesslich mit Handdruckmodeln die Stoffe bemustert und anschliessend mit Indigofarbstoffen die Stoffe in einer Kupe farbt Die Druckwerkstatt besitzt eine umfangreiche Sammlung von Modeln die mit Messingstiften und Holzschnitzereien verziert sind Die Bildsprache der Model ist von floralen und regionalen Mustern inspiriert es dominieren unter anderem Motive mit Hopfen Kornahren Kornblumen oder Vergissmeinnicht Aus den blaugefarbten Leinenstoffen werden u a Tischwasche Vorhange und Kleiderstoffe gefertigt Die Blaudruckerei Wagner hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auf den selten praktizierten Zweifarben Passdruck spezialisiert und bestandig weiterentwickelt 2 Dabei wird im ersten Arbeitsgang der Leinenstoff mit Papp bedruckt und in einem Zug gefarbt getrocknet und mit einem auf das erste Motiv abgestimmte Passer Model erneut bedruckt und anschliessend in mehreren Zugen dunkelblau gefarbt Nach dem Auswaschen des Papp erscheint das Muster weiss hellblau auf dem dunkelblauen Untergrund In der Manufaktur wurde der aufwendige zweifarbige Passerdruck weiterentwickelt Passer Model erganzt und neue Muster erarbeitet 3 Die Farbertradition geht in der Blaudruckerei auf Karl Wagner zuruck der 1847 in Hohenfurt Vyssi Brod geboren wurde Bei seinen Stiefeltern erlernte er das Farberhandwerk und erweiterte seine Fahigkeiten auf einer neunjahrigen Walz durch den deutschsprachigen Raum 1878 liess er sich in Bad Leonfelden nieder und baute sein Haus in eine Farberei um Sein erworbenes Wissen gab er an seinen 1883 geborenen Sohn weiter der ebenso wie sein Vater auf der Walz u a durch Norddeutschland und Bohmen neue Techniken und Inspirationen mitbrachte und nach dem Tod des Vater 1918 die Farberei ubernahm In den 1920er Jahren verlor das manuelle Bedrucken der Stoffe durch das verstarkte Aufkommen vom maschinellen Walzendruck auch im Muhlviertel an Bedeutung und in der Farberei wurden hauptsachlich Stoffe Leinen Wolle und Kleidungsstucke eingefarbt Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Stoffe nur noch gelegentlich bedruckt und gefarbt vornehmlich fur die Anfertigung von traditionellen Dirndln Der 1932 geborene Sohn Karl erlernte von seinem Vater das Blaudruckhandwerk das sie gemeinsam aufgrund der gesunkenen Nachfrage nur noch im Nebenerwerb betrieben haben 3 Die Blaudruckerei Wagner wird seit 1996 in vierter Generation von Maria und Karl Wagner betrieben In den vergangenen Jahrzehnten erlangte Handblaudruck wieder steigende Beliebtheit und Wertschatzung in der Offentlichkeit 2 Fortbestand des traditionellen Handwerks BearbeitenIn der Blaudruckerei Wagner werden Stoffe heute noch nach dem althergebrachten Verfahren bedruckt Dazu werden grosstenteils traditionelle Druckmodel verwendet Einige der z T 250 Jahre alten Holzdruckmodel sind aufgrund von Holzwurmbefall stark in ihrer Funktionalitat gefahrdet so dass die Model standig gepflegt und restauriert werden mussen Derzeit ist in Mitteleuropa lediglich nur noch ein gelernter Formenstecher tatig so dass latent die Gefahr besteht dass neue Model die fur die traditionelle Drucktechnik benotigt werden nicht mehr hergestellt und beschadigte Model nicht mehr repariert werden konnen Karl Wagner hat es sich daher zur Aufgabe gemacht die Restauration alter Model zu erlernen und neue Model selbst zu entwerfen 2 Auch die fur den Blaudruck benotigten Leinenstoffe werden gegenwartig im Muhlviertel nur noch in einer Leinenweberei in Helfenberg in der benotigten Qualitat hergestellt 3 Um den Fortbestand des Muhlviertler Blaudrucks zu sichern kooperieren die Leonfelder Blaudrucker mit verschiedenen Institutionen wie dem Farbermuseum Gutau und der Hoheren Lehranstalt fur Mode in Hallein Einer breiten Offentlichkeit wird das traditionelle Handwerk und dessen Produkte auf dem jahrlich stattfindenden Farbermarkt in Gutau dem Webermarkt Haslach den oberosterreichischen Ortsbildmessen und diversen Handwerks Brauchtums und Textilmarkten prasentiert 2 Immaterielles Kulturerbe BearbeitenIm Jahr 2015 wurde der Muhlviertler Handblaudruck als traditionelles Handwerk in die Liste des Immateriellen Kulturerbes in Osterreich aufgenommen 1 Der europaische Blaudruck in Deutschland Osterreich Tschechien Ungarn und der Slowakei gehort seit 2019 zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit Neben zwolf deutschen Blaudruckwerkstatten uben das Handwerk heute noch zwei osterreichische Manufakturen die Blaudruckerei Wagner in Oberosterreich und die Blaudruckerei Koo im Burgenland sowie 13 Betriebe in Ungarn Tschechien und der Slowakei aus 6 Literatur BearbeitenGeorg Schwedt Blaudruck Ein immaterielles Kulturerbe der Menschheit Zur Geschichte Chemie und Technik des Blaudrucks und Blaufarbens Norderstedt 2018 Maria Walcher amp Edith A Weinlich Schoner Farben In Ein Erbe fur Alle 103 Traditionen aus Osterreich Folio Wien Bozen 2018 S 36 Ingrid Schuller Der Farbermarkt in Gutau im Muhlviertel rund um die Blaufarberei In Unser Brauch 34 Jahrgang Nr 107 2014 S 9 11 Maria Wagner Karl Wagner Verena Wagner Blaudruck Wagner seit 1878 Uberarbeitete Neuauflage der Bad Leonfeldner Heimatblatter Handwerk in unserem Ort Blaudruck Bad Leonfelden 2013 Blaudruck Indigo Resist Printing Sonderheft Textil forum ETN Heft 4 2013 Resist Dyeing II Reservefarbeverfahren II Sonderheft textil forum ETN 2 2012 Michaela Gossl Blaudruck In Gwandhaus 3 Ausgabe Salzburg 2006 Peter M Bauer Indigo Die Kunst des Blaudrucks Weitra 1998 Blau Blau Blau sind alle meine Kleider Blaudruck und andere Stoffdrucktechniken Begleitheft zur Sonderausstellung im Deutschen Hirtenmuseum Hersbruck 1 8 1996 6 10 1996 Hartmut Walravens Hrsg Ein blaues Wunder Blaudruck in Europa und Japan Berlin 1993 Martina amp Wolfgang Ladin Blaudruckertradition der Familie Wagner in Bad Leonfelden In Textilkunst international Informationen fur kreatives Gestalten 18 Jahrgang Heft 3 Hannover 1990 S 132 Helmut Wurm Das Farbermuseum Gutau In Textilkunst international Informationen fur kreatives Gestalten 18 Jahrgang Heft 3 Hannover 1990 S 129 130 Edith Horandner Blau mit weissen Blumen Der Blaudruck im Wandel der Zeit In Salzburger Volkskultur 1986 Heft 1 S 105 Annette Neuheuser Altes Hauswerk und Handwerk auf dem Lande Teil 4 Der Blaudruck Hrsg Landschaftsverband Westfalen Lippe Munster 1984 Johannes Hugo Koch Mit Model Krapp und Indigo vom alten Handdruck auf Kattun und Leinwand Hamburg 1984 Gexi Tostmann Der Blaudruck in Osterreich Volkskunst Zeitschrift fur volkstumliche Sachkultur 2 Jahrgang Heft 1 Munchen 1979 Rose Mullers Blau mit weissen Blumen Geschichte und Technologie des Blaudrucks Munster 1977 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Osterreichische UNESCO Kommission Muhlviertler Handblaudruck Abgerufen am 6 August 2023 a b c d e f Maria Walcher Edith A Weinlich Caterina Kruger Ein Erbe fur alle 103 Traditionen aus Osterreich 1 Auflage Folio Verlag Wien 2018 ISBN 978 3 85256 767 9 Schoner Farben S 36 a b c d Maria und Karl Wagner Bewerbungsformular zur Aufnahme des Muhlviertler Blaudrucks in die nationale Liste des Immateriellen Kulturerbes in Osterreich In https www unesco at 26 Dezember 2014 abgerufen am 6 August 2023 Janina Wegscheider und Martin Lasinger Blaudruck und das blaue Wunder in Gutau Blaudruck ist immaterielles Kulturerbe Hrsg Interreg Lidova kultura Volkskultur Osterreich Tschechien ATCZ181 1 Auflage Pochl Freistadt 2019 S 11 Georg Schwedt Blaudruck ein immaterielles Kulturerbe der Menschheit zur Geschichte Chemie und Technik des Blaudrucks und Blaufarbens Norderstedt 2019 ISBN 978 3 7448 3645 6 Zur Redewendung Blau machen S 8 11 UNESCO Blaudruck Modrotisk Kekfestes Modrotlac resist block printing and indigo dyeing in Europe Abgerufen am 6 August 2023 englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Muhlviertler Handblaudruck amp oldid 237505352