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Lothar Popp 7 Februar 1887 in Furth im Wald 27 April 1980 in Hamburg war ein deutscher Revolutionar und ein Fuhrer des Kieler Matrosen und Arbeiteraufstands Passfoto Lothar Popps aus dem Hamburger Staatsarchiv aufgenommen vermutlich Mitte der 1920er Jahre Inhaltsverzeichnis 1 Ausbildung und Parteieintritt 2 Erster Weltkrieg und Kieler Zeit 3 Zeit des Nationalsozialismus 4 Nachkriegszeit 5 Wurdigungen 6 Veroffentlichungen 7 Einzelnachweise 8 Quellen und LiteraturAusbildung und Parteieintritt BearbeitenLothar Popp wurde als Sohn eines Unterbeamten koniglich bayrischer Bahnhofsvorsteher geboren Er war katholisch und trat spater aus der Kirche aus 1 Er besuchte die Volksschule und machte im Anschluss eine Handlungsgehilfenlehre in Augsburg 1 Mit sechzehn Jahren lief er von zu Hause fort 2 Von 1904 bis 1914 war er Arbeiter und Kleinhandler in Hamburg 1 Er holte die Mutter nach der Vater war fruh verstorben 3 Im Jahre 1906 wurde er Mitglied des Monistenbundes 2 und trat 1912 in die SPD ein Er hatte erfahren dass August Bebel und Wilhelm Liebknecht die Kriegskredite 1870 1871 verweigert hatten 4 Erster Weltkrieg und Kieler Zeit BearbeitenAls am 4 August 1914 die SPD Fraktion die Kriegskredite fur den Ersten Weltkrieg bewilligte trat Popp in die Deutsche Friedensgesellschaft die sich im Curiohaus in Hamburg befand ein 4 Nach dem Tod der Mutter zog er nach Kiel wo er drei Zigarettenladen ubernehmen konnte 3 Nach Aussagen Otto Presslers besass Lothar Popp einen Bonbon Laden in der Holstenstrasse und einen in der Elisabethstrasse Nach Aussagen von Gertrud Volcker hatte er einen Vertrieb von Susswaren die in Bordesholm von einem Sympathisierenden hergestellt wurden Er wurde 1915 eingezogen und leistete 20 Monate seinen Dienst als Soldat Anfang 1917 wurde er als dienstuntauglich nach Kiel entlassen um auf der Germaniawerft als dienstverpflichteter Schlosser zu arbeiten 2 Er wurde zunachst im Rahmen der SPD aktiv spielte aber beim Marz Streik 1917 noch keine aktive Rolle Er selbst bemerkte dazu da war ich gerade erst gekommen Er wohnte in der Nahe des Wilhelmplatzes in der Ringstrasse 4 Er grundete mit ca tausend Mann den Sozialdemokratischen Verein Gross Kiel alte Richtung eine lokale Organisation die es nur in Kiel gab Erster Vorsitzender war W Sens der ein Holzbein hatte und deshalb nicht eingezogen werden konnte Weitere Vorstandsmitglieder waren neben Popp Palavizini und Guth Der Verein ging spater in die USPD uber Vorsitzender des USPD Bezirks Wasserkante wurde der Bremer Reichstagsabgeordnete Alfred Henke 2 4 Wahrend des Januar Streiks 1918 in Kiel organisierte er auf einer grossen Versammlung auf dem Kieler Wilhelmplatz den ersten Arbeiterrat in Deutschland Er wurde aus der Versammlung heraus zum Vorsitzenden vorgeschlagen und per Akklamation gewahlt Nach der ersten Sitzung des Rates ein oder zwei Tage spater wurde er verhaftet und zu zwei Monaten Gefangnis fur das Abhalten einer verbotenen Versammlung verurteilt die er in Neumunster absitzen musste Nach der Entlassung bekam er auf der Werft keine Beschaftigung mehr Die Vertrauensleute der USPD suchten mehrere Tage nach einer neuen Stelle fur ihn bis sie ihn bei den Gebruder Genimb Motorenwerken unterbringen konnten Dort arbeitete er neun Tage und meldete sich danach krank Bis zur Revolution war er nicht mehr fest in Arbeit was er sich leisten konnte da er finanziell abgesichert war 2 4 Im November 1918 war er zusammen mit Karl Artelt Fuhrer des Kieler Matrosenaufstands der zum Ausloser der Novemberrevolution wurde Wahrend einer Sitzung am 4 November 1918 zwischen Gewerkschaften Parteien und der Kieler Marine Fuhrung z B Wilhelm Souchon war auch Popp als Vorstandsmitglied der Kieler USPD anwesend Nachdem Artelt als Vertreter des Soldatenrates gesprochen hatte stellte Popp seine umfangreichen Mindestanforderungen an die militarische und politische Fuhrung Seine Forderungen waren Beseitigung der Krone Abschaffung samtlicher Monarchien in Deutschland eine freie Volksrepublik ein gerechtes Wahlrecht Pressefreiheit und restlose Entlassung aller politischen Gefangenen 5 6 Popp sorgte fur eine solide Basis der zunachst spontan gebildeten unstrukturierten Soldatenrate durch Wahlen in allen Einheiten und die Einrichtung des Obersten Soldatenrats OSR am 7 November Popp wurde zum Vorsitzenden des OSR gewahlt Am 10 Dezember wurde er von Karl Artelt abgelost 7 Er blieb jedoch politischer Beirat im OSR 8 Dies aber vermutlich nur pro forma denn er betonte in spateren Interviews er habe sich um den Soldatenrat nicht mehr gekummert seit die Entscheidung fur die Nationalversammlung gefallen war 4 Die Auswirkungen seiner damaligen Arbeit beurteilte er im Ruckblick 1978 folgendermassen Wir waren keine Revolutionare denn wir kampften nicht fur eine Sache sondern wir wollten eine verruckte Sache beenden Als wir dann plotzlich die Macht in den Handen hatten da wollte ich aus dem Zusammenbruch des Kaiserreichs was machen In Abstimmungen konnte ich Noske der gekommen war um alles abzuwurgen noch schlagen aber in der praktischen Arbeit war meine Gruppe dem Noske unterlegen Wir wurden mude Die Revolutionare wollten nicht die Revolution sie wollten die Nationalversammlung in Berlin Lothar Popp sieht in der Verlagerung der politischen Verantwortung von den Arbeiter und Soldatenraten zu den politischen Machern der Nationalversammlung die wie er zugibt von den Arbeitern und Soldaten gewollt war den ersten Schritt zum spateren Untergang der Weimarer Republik 9 Popp ging Anfang 1919 zuruck nach Hamburg Er betatigte sich als Strassenhandler und Schausteller u a auf dem Hamburger Dom und begrundete den Verband der ambulanten Gewerbetreibenden und der Schausteller Er trat auf dem Vereinigungsparteitag in Halle 1922 wieder der SPD bei 4 Er war von 1924 bis 1931 Mitglied der Hamburgischen Burgerschaft und kandidierte mehrmals erfolglos fur den Reichstag 1 Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenPopp zog ca 1931 32 nach Danzig wo er Spielzeug und selbst hergestelltes Putzpulver verkaufte 3 Als 1933 die Situation immer kritischer wurde ging er nach Prag Als die Nazis einmarschierten fuhr er im Kurswagen uber Linz und die Schweiz nach Paris Mit der Besetzung Frankreichs durch die Nazis floh er nach Marseille 3 Er wurde von den Nazis ausgeburgert jedoch taucht sein Name nicht in den Ausburgerungslisten auf Stattdessen findet sich dort ein Ernst Ferdinand Popp bei dem es sich vermutlich um einen seiner sechs Sohne handelt 10 Im Jahr 1941 fuhr er mit der Winnipeg nach Martinique Die Winnipeg hatte zwei Touren mit Spanienkampfern nach Sudamerika gemacht eine geplante dritte Tour konnte nicht mehr stattfinden weil die Nordkuste blockiert wurde Die Organisation von Eleanor Roosevelt nutzte dann das Schiff um Verfolgte aus Deutschland herauszuschaffen Lothar Popp konnte einen Tag vor dem Auslaufen an Bord kommen weil er einen Matrosen kannte Breitscheid und Everding wurden verhaftet bevor sie an Bord gelangten und wurden spater an die Nazis ausgeliefert Die Winnipeg kam aber nicht nach Martinique sondern wurde von einem britischen Kriegsschiff aufgebracht und nach Trinidad geleitet Dort wurden die Emigranten in ein Lager gesperrt Nach einiger Zeit durften jedoch jene die US Visa besassen ihre Reise fortsetzen 11 12 Popp fuhr nach New York In den New York Passenger Lists der Periode 1820 1957 findet sich folgender Eintrag Lothar Popp 54 Jahre alt Single Kaufmann Geboren in Furth Germany Visum ausgegeben in Marseille Frankreich letzte permanente Adresse France Marseille trifft am 6 Juni 1941 an Bord der S S Evangeline von Trinidad BWI in New York ein zuganglich unter ancestry de Er wurde von Max Brauer Herbert Weichmann und Rudolf Katz empfangen und vorubergehend in einem von SPD Emigranten angemieteten Haus untergebracht 3 Popp wurde amerikanischer Staatsburger und eroffnete in New York das Geschaft Lothar Popp Import and Export Manufacturer of Educational Toys Microscopes and Musical Instruments 446 East Str 84th Street New York Zusammen mit Richard Kramer grundete er ausserdem das Geschaft ELK Company 240 East 86th Street in New York in dem Sussigkeiten insbesondere Marzipan von Hand gefertigt und verkauft wurden 4 Er schrieb fur die in Amerika erscheinende Neue Volkszeitung 3 13 Nachkriegszeit BearbeitenPopp kam 1949 50 wieder nach Deutschland zuruck blieb jedoch nur einige Monate weil er die amerikanische Staatsburgerschaft behalten wollte Er kam dann ofter fur mehrere Monate nach Deutschland die Familie besuchte ihn auch in den USA bis er sich schliesslich wieder in Hamburg niederliess Das war inzwischen moglich ohne dass er Gefahr lief die amerikanische Staatsburgerschaft zu verlieren Er blieb amerikanischer Staatsburger 3 Er wurde Ehrenvorsitzender des von ihm gegrundeten Verbands der ambulanten Gewerbetreibenden und Schausteller Sein Sohn Werner Popp war nach dem Krieg zeitweilig erster Vorsitzender Ernst Harberger der Schwager Lothar Popps war nach dem Krieg bis zu seinem Tod Vorsitzender der Fachgruppe ambulanter Handler Harberger hatte selbst einen ambulanten Obststand vor der Klosterburg gegenuber dem Hauptbahnhof 3 Nach dem Tod seiner ersten Frau Anna heiratete Lothar Popp 1957 erneut und betrieb mit seiner neuen Frau Martha ein Cafe Er war weiterhin aktives SPD Mitglied 4 Er starb am 27 April 1980 in Hamburg Wurdigungen BearbeitenLothar Popp wurde fur NDR und WDR Dokumentarfilme zu seiner Rolle im Kieler Matrosenaufstand interviewt Veroffentlichungen BearbeitenLothar Popp unter Mitarbeit von Karl Artelt Ursprung und Entwicklung der November Revolution 1918 Wie die deutsche Republik entstand Behrens Kiel 1919 Reprint als Sonderveroffentlichung 15 der Gesellschaft fur Kieler Stadtgeschichte Kiel 1983 Im Jahr 2020 leicht gekurzt und kommentiert veroffentlicht in IG Metall Bezirksleitung Kuste Hrsg Matrosenaufstand und Novemberrevolution 1918 Hamburg 2020 S 96 115 ISBN 978 3 96488 063 5 Lothar Popp Das Gesundheitsbrevier Lange und glucklich leben durch vernunftig leben Moven Verlag Hamburg 1977Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Schroder Sozialdemokratische Parlamentarier a b c d e Ullrich Interview Notizen a b c d e f g h Kuhl Gesprachsnotizen Lothar Fertig a b c d e f g h i Kuhl Streitgesprach Wette Gustav Noske S 207 208 Popp Artelt Ursprung S III 21 Klaus Kuhl Matrosenaufstand 1918 Rate und die Politik Gustav Noskes In IG Metall Bezirksleitung Kuste Hrsg Matrosenaufstand und Novemberrevolution 1918 Hamburg 2020 S 16 40 hier S 25 28 ISBN 978 3 96488 063 5 Republik Zeitung der USPD vom 11 Dezember 1918 Michels Wir waren keine Revolutionare vgl Michael Hepp Ausburgerungen deutscher Staatsburger Munchen 1985 Fittko Mein Weg durch die Pyrenaen Fry Auslieferung auf Verlangen Zur Neuen Volkszeitung siehe die englische Wikipedia en Neue Volkszeitung Genauere Angaben unter Veroffentlichungen Quellen und Literatur Quellen und Literatur BearbeitenKlaus Kuhl Streitgesprach mit Lothar Popp Sep 1978 PDF 1 5 MB Wilhelm Heinz Schroder Sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete und Reichstagskandidaten 1898 1918 Biographisch statistisches Handbuch Handbucher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Bd 2 Droste Dusseldorf 1986 ISBN 3 7700 5135 1 Kurzfassung online unter BIOSOP Buchstabe P Michael Hepp Hrsg Die Ausburgerung deutscher Staatsangehoriger 1933 1945 nach den im Reichsanzeiger veroffentlichten Listen Saur Munchen 1985 ISBN 3 598 10537 1 3 Bde Volker Ullrich Interview Notizen Lothar Popp Aufbewahrt in der Forschungsstelle fur Zeitgeschichte auch als pdf verfugbar Klaus Kuhl Gesprachsnotizen Lothar Fertig Erinnerungen an meinen Vater Lothar Popp 2009 Auszuge veroffentlicht in Kuhl Streitgesprach Dirk Dahnhardt Revolution in Kiel Der Ubergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik Karl Wachholtz Neumunster 1978 ISBN 3 529 02636 0 Forschungsstelle fur Zeitgeschichte in Hamburg Wolfram Wette Gustav Noske Eine politische Biographie Droste Dusseldorf 2 unveranderte Auflage 1988 ISBN 3 7700 0728 X Bernd Michels Kieler Matrosenaufstand von 1918 Wir waren keine Revolutionare In Sozialdemokrat Magazin Heft 11 12 November Dezember 1978 Lisa Fittko Mein Weg uber die Pyrenaen Erinnerungen 1940 41 dtv Munchen 1989 ISBN 3 423 62189 3 Varian Fry Auslieferung auf Verlangen Die Rettung deutscher Emigranten in Marseille 1940 41 Hanser Munchen 1986 ISBN 3 446 13791 2 Eric Jennings Last Exit from Vichy France The Martinique Escape Route and the Ambiguities of Emigration The Journal of Modern History 74 June 2002 S 289 324 Normdaten Person GND 1164193147 lobid OGND AKS VIAF 226095459 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Popp LotharKURZBESCHREIBUNG deutscher Revolutionar und Politiker Novemberrevolution MdHBGEBURTSDATUM 7 Februar 1887GEBURTSORT Furth im WaldSTERBEDATUM 27 April 1980STERBEORT Hamburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lothar Popp amp oldid 227675819