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Ptomain oder Ptomain von altgriechisch ptῶma ptṓma deutsch Getotetes Leichnam mit dem Suffix in Plural Ptomaine Leichengift Leichenbase Leichenalkaloid Kadaveralkaloid oder auch seltener Septizin Septicin ist eine im deutschen Sprachraum eher altertumliche Bezeichnung unter anderem fur die bei der Faulnis von Proteinen infolge mikrobieller Zersetzung von Lysin und Ornithin durch Decarboxylierung entstehenden relativ ungiftigen biogenen Amine Cadaverin und Putrescin 1 die ein Grund fur den Verwesungsgeruch von Leichen sind Lediglich das durch Dehydratation von Cholin entstehende Neurin besitzt eine gewisse akute Toxizitat Daneben spielen auch Schwefelverbindungen wie Schwefelwasserstoff eine Rolle die zwar an sich giftig sind aber nicht in hoher Konzentration vorliegen Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung und Verwendung der Begriffe 2 Ptomain Forschung 3 Bildung anderer Toxine 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseEntstehung und Verwendung der Begriffe BearbeitenDie verschiedenen Begriffe fur Leichengift speziell Ptomain wurden gegen Ende des 19 Jahrhunderts als die Ptomain Forschung ihren Hohepunkt erreichte im deutschen Sprachraum gepragt 2 und der Begriff erschien mit Verzogerung in der englischen Literatur 3 Mit Zunahme des Wissenstandes durch die chemische und biochemische Analytik wurden ab dem ersten Drittel des 20 Jahrhunderts mehr und mehr die Fachbegriffe fur die identifizierten Substanzen verwendet und die Gruppenbezeichnung Ptomain oder Leichengift verschwand aus der naturwissenschaftlichen Literatur da es so gesehen keine Substanz namens Leichengift gibt Ptomain Forschung BearbeitenW Marquardt Apotheker und Medicinal Assessor in Stettin isolierte 1865 das erste Ptomain aus faulenden Leichenteilen und beschrieb es als eine dem Coniin ahnliche Flussigkeit 4 1866 fanden Henry Bence Jones und August Dupre in menschlichen und tierischen Organen Geweben und Flussigkeiten eine alkaloidartige Substanz die sie animalisches Chinoidin engl animal chinoidin frei ubersetzt etwa Chinin artige Substanz in Tieren nannten 5 6 und 1869 isolierten Zulzer und Sonnenschein aus faulenden Flussigkeiten Hefe Blut Fleisch u a das erste kristallisierbare Ptomain das Ahnlichkeiten mit Atropin und Hyoscyamin aufwies 7 Die chemische Natur der Ptomaine wies der italienische Chemiker Francesco Selmi 1873 nach 8 Ludwig Brieger der viel zu Ptomainen beim Menschen und in anderen Organismen publizierte zahlte neben den oben erwahnten Substanzen auch Muskarin C1 bis C5 Amine Neuridin Tetanotoxin und Tetanin beide nicht naher analysiert Mytilotoxin vermutlich eine Form von Saxitoxin Mydatoxin aus vier Monate altem Pferdefleisch und aus menschlichen Leichenteilen Gadinin aus gefaultem Stockfisch und Typhotoxin zu den Ptomainen Die Erforschung der Ptomaine war speziell fur die damalige Gerichtschemie von Bedeutung da korpereigene Alkaloide die nach dem Tode durch biochemische Abbauprozesse welcher Art auch immer entstanden ein Vorhandensein vermeintlicher Pflanzengifte vortauschen konnten nbsp Atropin Mischung aus den Isomeren R und S Hyoscyamin nbsp Cadaverin nbsp Lysin nbsp Chinin nbsp Coniin nbsp Neurin nbsp Muscarin nbsp Neuridin nbsp Putrescin nbsp OrnithinBildung anderer Toxine BearbeitenBald wurde erkannt dass weitere Substanzen durch die Einwirkung von Bakterien im Anfangsstadium der Faulnis gebildet werden noch ehe der typische Verwesungsgeruch darauf aufmerksam macht Schliesslich bei weiter fortschreitender Faulnis wird der tote Organismus von Pilzen fruher als saprophytische Pilze d h Faulnispilze bezeichnet weiter metabolisiert zersetzt In fruheren Zeiten wurden in medizinischen Horsalen als die genauen biochemischen Zusammenhange noch nicht bekannt waren auf demselben Tisch sowohl Sektionen von Leichen als auch Operationen von Patienten durchgefuhrt haufig zum Nachteil der Patienten die dann jedoch an Infektionen und nicht durch Leichengift verstarben siehe Ignaz Semmelweis Im Umgang mit Leichen wie etwa in Bestattungsunternehmen weiss man dass eine schadliche Wirkung infolge Hautkontakt oder Einatmung von Leichengift ausgeschlossen ist Bei oraler Aufnahme Injektion oder gewaltsamer Schadigung sind aber sehr wohl Erkrankungen durch Bakterientoxine z B die Proteine Botulin und Tetanustoxin oder durch mikrobielle Infektionen moglich Dies fuhrte bereits fruh zur biologischen Kriegsfuhrung bei der Leichen Menschen oder Tierkadaver mit Katapulten in belagerte Stadte geschleudert oder zum Vergiften von Brunnen verwendet wurden Je nach Todesursache und Grad der Verwesung ist zumeist ein bestimmter Krankheitserreger beispielsweise Pestbakterien das von Vibrio cholerae produzierte Choleratoxin oder Tetanustoxin von Clostridium tetani fur die krankmachende Wirkung verantwortlich Literatur BearbeitenF Grabner Beitrage zur Kenntniss der Ptomaine in Gerichtlich chemischer Beziehung PDF 2 6 MB Dissertation Schnakenburg s Buchdruckerei Dorpat 1882 Conrad Willgerodt H Maas Ludwig Brieger Ueber Ptomaine Cadaveralkaloide mit Bezugnahme auf die bei gerichtlich chemischen Untersuchungen zu berucksichtigenden Pflanzengifte C Lehmann 1882 H Oeffinger Grossherzoglicher Badischer Bezirksarzt Die Ptomaine der Cadaver Alkaloide Wiesbaden 1885 Ludwig Brieger Uber Ptomaine Weitere Untersuchungen uber Ptomaine In 3 Teilen Verlag Hirschwald Berlin 1885 86 Icilio Guareschi Einfuhrung in das Studium der Alkaloide mit besonderer Berucksichtigung der vegetabilischen alkaloide und der Ptomaine R Gaertner s Verlagsbuchhandlung Berlin 1896 Meyers Konvers Lexikon Band 11 5 Auflage Bibliograph Inst Leipzig Wien 1896 S 176 177 Weblinks BearbeitenChristine Pernlochner Kugler Sind Leichen giftig Einzelnachweise Bearbeiten Wolfgang Legrum Riechstoffe zwischen Gestank und Duft Vieweg Teubner Verlag 2011 ISBN 978 3 8348 1245 2 S 65 Ptomain in der deutschen Literatur 1850 2000 NGRAM Viewer Ptomain in der englischen Literatur 1850 2000 NGRAM Viewer Pharmazeutische Centralhalle fur Deutschland Band 25 1884 S 285 Schmidt s Jahrbucher der in und auslandischen gesammten Medicin Band 139 1868 S 174 Medical record Band 33 1888 S 529 Archiv der Pharmazie Band 224 1886 S 481 Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Diepgen Goerke Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 41 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Leichengift amp oldid 236527018