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Die Lachmiden waren ein spatantikes arabisches Herrschergeschlecht im heutigen Irak Diese Familie wird manchmal mit dem Stamm der Banu Laḫm Kinder des Laḫm verwechselt dem sie angehorte und von dessen Urahn Laḫm ihr Name abgeleitet ist 1 Die ubliche Bezeichnung Lachmiden fur die Dynastie ist insofern irrefuhrend als dieses Geschlecht nur einen Teil des Stammes ausmachte Karte der Lachmidendynastie Inhaltsverzeichnis 1 Die Banu Laḫm 2 Drittes und viertes Jahrhundert 3 Funftes Jahrhundert 4 Blutezeit 5 Untergang 6 Religion und Kultur 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseDie Banu Laḫm BearbeitenDer genealogischen Uberlieferung zufolge stammte der Urahn Laḫm aus dem Jemen was aber schon im Altertum umstritten war und heute als unglaubwurdig gilt Er soll zur Zeit der alttestamentlichen Erzvater gelebt haben In der Spatantike besiedelten die Banu Laḫm Teile Syriens des Iraks Palastinas und des Nordens der Arabischen Halbinsel In Syrien vermischten sie sich mit dem Stamm Banu Ǧuḏam Die genealogische Tradition fuhrt die Banu Ǧuḏam auf einen Bruder Laḫms zuruck der ʿAmr Spitzname Ǧuḏam geheissen habe Im 6 und im 7 Jahrhundert n Chr dominierten in Syrien die Banu Ǧuḏam die Banu Laḫm wurden dort von ihnen mit der Zeit absorbiert Drittes und viertes Jahrhundert BearbeitenDer Grunder der Lachmidendynastie war ʿAmr ibn ʿAdi der im spaten 3 Jahrhundert n Chr lebte Er war offenbar ein Emporkommling der seine Herrschaftslegitimation daraus ableitete dass er mutterlicherseits ein Neffe des Konigs Ǧadima al Abras war der den Stammesverband der Tanuḫ beherrschte ausserdem stammte er vom Konigsgeschlecht von Osrhoene ab Die Tanuḫ waren ein Zusammenschluss von Arabern unterschiedlicher Herkunft die anscheinend im fruhen 3 Jahrhundert nach Bahrain und in den sudlichen Irak vorgedrungen waren wohl unter Ausnutzung der damaligen Wirren im parthischen Arsakidenreich ʿAmr der Grunder der neuen Dynastie gehorte den Tanuḫ jedoch nicht an Er machte die Stadt Ḥira abgeleitet vom altsyrischen Herṯa fur Heerlager am westlichen Ufer des Euphrat sudwestlich von Naǧaf im Irak zu seiner Hauptstadt Die Stadt lag in einem fruchtbaren Gebiet und war wegen ihres angenehmen und gesunden Klimas beruhmt ʿAmr fuhrte Eroberungsfeldzuge auf der Arabischen Halbinsel durch Die Berichte uber seine angebliche Auseinandersetzung mit der Konigin Zenobia von Palmyra siehe auch Reichskrise des 3 Jahrhunderts sind als Legende zu bewerten ʿAmrs Sohn und Nachfolger Imruʾ al Qays 328 entzog sich dem persischen Einfluss und verbundete sich mit den Romern Mit diesem Seitenwechsel war der Verlust der Hauptstadt Ḥira und eine Verlagerung des Schwerpunkts seiner Macht nach Westen verbunden Seine Grabinschrift nennt ihn ubertreibend Konig aller Araber ein Titel den er sich nach dem Bundnis mit Rom zugelegt hatte Nach seinem Tod kam es offenbar zu einem Niedergang der Lachmiden sogar zu einer Unterbrechung ihrer Herrschaft und der rivalisierende syrische Stamm der Ghassaniden nutzte dieses Machtvakuum Funftes Jahrhundert BearbeitenDen Wiederaufstieg des Lachmidenreichs leitete Konig an Nuʿman I al Aʿwar der Einaugige 418 ein Seine Macht beruhte unter anderem auf der Anwesenheit persischer Elite Kavallerie die damals in Ḥira stationiert war Er errichtete das beruhmte Schloss al Ḫawarnaq auf einer Anhohe ostlich von Ḥira als neue Residenz der Lachmidenkonige Sein Sohn Munḏir I 418 462 erlangte eine solche Machtposition dass er nach dem Tod des Sasanidenkonigs Yazdegerd I die Thronfolge von dessen Sohn Bahram V gegen erheblichen Widerstand durchsetzen konnte Bahram hatte einen Teil seiner Jugend am Lachmidenhof verbracht 421 422 beteiligte sich Munḏir an Bahrams Krieg gegen das Ostromische Reich wobei er eine schwere Niederlage erlitt siehe Romisch Persische Kriege Am Ende des 5 Jahrhunderts regierte Konig an Nuʿman II 503 der sich als Vasall des Sasanidenkonigs Kavaḏ I am Krieg gegen die Ostromer beteiligte und dabei ums Leben kam 2 In der Abwesenheit an Nuʿmans II uberfielen und plunderten feindliche Araber seine Hauptstadt Blutezeit BearbeitenUnter dem Sohn an Nuʿmans II Konig Mundir III griechisch Alamoundaros 554 dem beruhmtesten Lachmiden erlebte das Lachmidenreich eine glanzvolle Epoche Seine Regierungszeit war von Auseinandersetzungen mit den Ostromern und den mit ihnen verbundeten Ghassaniden gepragt wobei er in der Offensive war und auf seinen Raubzugen in Syrien Verheerungen anrichtete Schon kurz nach seinem Regierungsantritt unternahm er einen Feldzug nach Palastina 3 Wahrscheinlich im Jahre 519 nicht 524 wie fruher angenommen wurde 4 konnte er mit Kaiser Justin I an der beruhmten Konferenz von Ramla eine Ortschaft sudostlich von Ḥira einen vorteilhaften Friedensvertrag schliessen der aber nicht lange Bestand hatte An dieser Konferenz nahmen auch Gesandte und Geistliche aus dem Sasanidenreich teil es wurden wichtige Weichenstellungen fur die Zukunft der Arabischen Halbinsel und fur eine Regelung der religiosen Konflikte vorgenommen Dabei konnte das Lachmidenreich seine Schlusselstellung als bedeutende Regionalmacht demonstrieren Der Geschichtsschreiber Ṭabari berichtet Munḏirs Herrschaftsbereich habe Oman und Bahrain umfasst und sich bis aṭ Ṭa if erstreckt Sogar Yaṯrib Medina stand unter seiner Kontrolle 531 hatte er am persischen Sieg bei der Schlacht von Callinicum heute Ar Raqqa uber den ostromischen Feldherrn Belisar wesentlichen Anteil 5 Spater erhielt er von den Ostromern offenbar erhebliche Tributzahlungen 6 Allerdings erlitt Munḏir auch vorubergehend einen spektakularen Ruckschlag In der zweiten Halfte der zwanziger Jahre eroberte der in Zentral und Nordarabien lebende Stammesverband der Kinda unter al Ḥariṯ ibn ʿAmr seine Hauptstadt Ḥira Munḏir konnte die Kinda aber bald vertreiben Er selbst fiel 554 im Kampf gegen den Ghassaniden al Ḥariṯ ibn Ǧabala griechisch Arethas dessen Sohn er in den vierziger Jahren gefangen und der Gottin al Uzza geopfert hatte Sein Sohn und Nachfolger ʿAmr ibn Hind 554 569 570 spielt in der Dichtung eine wichtige Rolle er wird als kriegerischer und grausamer Herrscher beschrieben und wurde von dem beruhmten Dichter ʿAmr ibn Kulṯum ermordet Man nannte ihn nach seiner Mutter ibn Hind sie war eine von Munḏir III gefangengenommene Tochter des Kinda Herrschers al Ḥariṯ Untergang BearbeitenNach dem Tod des Konigs ʿAmr ibn Hind erlitten die Lachmiden unter den Konigen Qabus ibn al Mundhir 569 573 und Al Mundhir IV ibn al Mundhir 574 580 mehrere Niederlagen gegen die Ghassaniden die 575 7 Ḥira einnahmen und niederbrannten Konig an Nuʿman III 580 602 der letzte Lachmidenherrscher war in Kampfe mit arabischen Stammen verwickelt die ungunstig verliefen aber keine ernste Bedrohung seiner Herrschaft bedeuteten Zum Verhangnis wurde ihm dass er das Vertrauen seines Oberherrn des Sasanidenherrschers Ḫusraw II Chosrau II verlor Als Grund dafur wird eine Hofintrige angegeben moglicherweise wollte Ḫusraw Bestrebungen des Lachmiden sich dem persischen Einfluss zu entziehen entgegentreten 8 An Nuʿman musste aus Ḥira fliehen Schliesslich wurde er Ḫusraw ausgeliefert oder ergab sich ihm Im Jahr 602 liess ihn Ḫusraw toten Sein Schicksal bot den Dichtern und Geschichtsschreibern reichlich Stoff zur Legendenbildung Mit dem ruhmlosen Untergang dieses Herrschers endete die Lachmidendynastie Ḫusraw setzte zunachst eine Ubergangsverwaltung ein die von einem nicht lachmidischen Araber und einem Perser geleitet wurde 611 gliederte er das Territorium ganzlich in sein Reich ein Dies erwies sich als Fehler denn die Lachmiden hatten das Sasanidenreich sowohl gegen Angriffe von der Arabischen Halbinsel abgeschirmt als auch die Ghassaniden einigermassen in Schach gehalten und die Ostromer bekampft Die verhangnisvolle Fehleinschatzung des Sasanidenkonigs fuhrte zur persischen Niederlage bei Ḏu Qar spatestens 611 gegen eindringende Araber die als erster arabischer Sieg uber die persische Grossmacht den Mythos der sasanidischen Uberlegenheit zerstorte Die Vernichtung des Lachmidenreichs war somit eine wichtige Weichenstellung fur den Untergang der Sasanidenherrschaft im Kampf gegen die Muslime Schon 633 ergab sich Ḥira den Muslimen unter Ḫalid ibn al Walid siehe Islamische Expansion Religion und Kultur BearbeitenDer Dynastiegrunder ʿAmr ibn ʿAdi bot den Manichaern deren Religion im Sasanidenreich unter den Konigen Bahram I und Bahram II unterdruckt wurde in Ḥira Zuflucht Sein Sohn und Nachfolger Imruʾ al Qays hat sich wie Ṭabari Hisam al Kalbi folgend berichtet im fruhen 4 Jahrhundert fur das Christentum entschieden Seine Nachfolger waren aber pagan Offenbar wurde bereits im 4 Jahrhundert ein ostkirchliches nestorianisches Bistum in Ḥira eingerichtet mehrere nestorianische Bischofe des 5 und des 6 Jahrhunderts sind bekannt Im Lachmidenreich dominierten die Nestorianer unter den Christen die Monophysiten konnten anscheinend kein Bistum grunden 9 Bei den Ghassaniden hingegen setzte sich der Monophysitismus durch Die Frau des Lachmidenkonigs Munḏir III war Christin und grundete ein Kloster in Ḥira aber Munḏir brachte der Gottin al ʿUzza Menschenopfer dar und die Konige nahmen das Christentum weiterhin nicht an 10 In der Hauptstadt und ihrer Umgebung entstanden jedoch zahlreiche Kirchen und Kloster Erst der letzte Lachmidenherrscher an Nuʿman III liess sich spatestens 593 nestorianisch taufen Die Annahme des christlichen Glaubens hinderte an Nuʿman allerdings nicht daran weiterhin Polygamie zu praktizieren Ḥira war ab dem vierten Jahrhundert das einzige bedeutende stadtische Zentrum im nordarabischen Raum Dazu trug die Rolle der Stadt als Handelsplatz bei sie lag auf der Karawanenstrecke vom Iran zur Arabischen Halbinsel Daher kam der Lachmidenhauptstadt auch die Funktion eines kulturellen Mittelpunkts zu vor allem in der Spatzeit des Reichs Es wird vermutet dass Ḥira bei der Entwicklung der arabischen Schrift eine Rolle spielte Einzelheiten sind umstritten Die Stadt erlebte aber nach der Eroberung durch die Muslime im Schatten des neu gegrundeten nahen Kufa einen Niedergang im 11 Jahrhundert verschwindet sie aus den Quellen Lachmidenherrscher traten als Mazene der Dichter hervor von denen sie entsprechend gepriesen wurden Die unterschiedlichen Charaktere und wechselhaften Schicksale der Lachmidenherrscher boten reichlich Anlass zu poetischer Darstellung Zu den bedeutenden Dichtern die sich in der Lachmidenzeit am Hof von Ḥira aufhielten zahlte der Christ ʿAdi ibn Zayd al ʿIbadi der bei der Thronfolge an Nuʿmans III eine wesentliche Rolle spielte dann aber von diesem Konig eingekerkert und getotet wurde Ein Hofpoet an Nuʿmans III war an Nabiġa aḏ Ḏubyani einer der beruhmtesten arabischen Dichter er fiel zeitweilig bei seinem Herrscher in Ungnade und kam nur knapp mit dem Leben davon Wegen der gefurchteten Launenhaftigkeit der Konige war das Leben der Dichter am Hof gefahrlich Weitere bekannte Dichter die sich in der Zeit der kulturellen Blute im 6 Jahrhundert in Ḥira aufhielten waren Abu Dawud al Iyadi der am Hof Munḏirs III das Amt eines Stallmeisters versah und mit Gedichten auf Pferde hervortrat sein Zeitgenosse ʿAbid ibn al Abraṣ der wegen seiner Natur und Tierdichtung geschatzt wird der bereits erwahnte ʿAmr ibn Kulṯum al Mutalamis und sein Enkel Ṭarfa ʿAmr ibn al ʿAbd ibn Sufyan Maymun ibn Qays al Aʿsa und Labid ibn Rabiʿa Literatur BearbeitenGreg Fisher Between Empires Arabs Romans and Sasanians in Late Antiquity Oxford University Press Oxford 2011 ISBN 978 0 19 959927 1 Irfan Shahid Byzantium and the Arabs in the Fourth Century Dumbarton Oaks Research Library and Collection Washington D C 1984 ISBN 0 88402 116 5 Irfan Shahid Byzantium and the Arabs in the Sixth Century Vol 1 Part 1 und Part 2 Dumbarton Oaks Research Library and Collection Washington D C 1995 ISBN 0 88402 214 5 Weblinks BearbeitenLachmiden In Ehsan Yarshater Hrsg Encyclopaedia Iranica englisch iranicaonline org mit Literaturangaben Einzelnachweise Bearbeiten Esat Ayyildiz Lahmilerin Arap Edebiyatina Etkisi 2nd International Archeology Art History and Cultural Heritage Congress ed Kenan Besalti Sanliurfa Iksad Yayinevi 2022 38 44 Die Einzelheiten sind dargestellt bei Shahid 1995 Bd 1 1 S 13 15 Shahid 1995 Bd 1 1 S 17f 26 28 Zur Datierung siehe Shahid 1995 Bd 1 1 S 40 42 Zur Rolle der Araber in dieser Schlacht siehe Shahid 1995 Bd 1 1 S 134 143 Shahid 1995 Bd 1 1 S 277f Zur Datierung siehe Shahid 1995 Bd 1 1 S 389f Irfan Shahid Artikel Lakhmids in The Encyclopaedia of Islam Bd 5 1986 S 633 Irfan Shahid Artikel Al Nuʿman III in The Encyclopaedia of Islam Bd 8 1995 S 119f Shahid 1995 Bd 1 2 S 703 709 Shahid 1995 Bd 1 2 S 722 726 Normdaten Person GND 118725807 lobid OGND AKS VIAF 30331865 Wikipedia Personensuche Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lachmiden amp oldid 234194820