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Der Lubecker Bucht Fall ist ein in den 1920er Jahren vor dem Staatsgerichtshof fur das Deutsche Reich ausgetragener Rechtsstreit zwischen den Landern Lubeck und Mecklenburg Schwerin uber die Hoheitsrechte in der Lubecker Bucht Untertrave und Lubecker Bucht Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Einstweilige Verfugung 3 Hauptsacheverfahren 3 1 Fischereihoheit und Schifffahrtshoheit 3 2 Den Fischern einzuraumende Fischereiausubungsrechte 3 3 Gebietshoheit im Ubrigen 4 Bedeutung der Gerichtsentscheidungen 4 1 Einstweilige Verfugung 4 2 Hauptsacheentscheidung 5 Fundstelle 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenZwischen den Parteien war streitig wer die Hoheitsrechte uber den vor der Travemundung gelegenen Teil der Lubecker Bucht unter anderem die Travemunder Reede hat und somit die Fischerei und die Schifffahrt regulieren kann Um die Hoheitsrechte in der Untertrave der Potenitzer Wiek und dem Dassower See hatten zwischen Lubeck und Mecklenburg bereits seit Jahrhunderten Streitigkeiten bestanden die zu Verfahren vor dem Reichskammergericht und 1890 zu einem Schiedsverfahren vor dem Reichsgericht gefuhrt hatten 1 Der nun die Lubecker Bucht betreffende Rechtsstreit vor dem Staatsgerichtshof wurde 1925 vom Land Lubeck initiiert welches zugleich einen Antrag auf vorlaufige Regelung durch einstweilige Verfugung stellte Nachdem dem Land Lubeck die Polizeiverordnung Mecklenburg Schwerins zum Schutze der Fischerei in den Kustengewassern der Travemunder Bucht vom 23 Februar des Jahres bekanntgeworden war nach der die Ausubung der Fischerei an der dortigen mecklenburgischen Kuste nur noch selbstandigen mecklenburgischen Fischern erlaubt sein sollte erweiterte es seine Antrage dahingehend die Ungultigkeit dieser Verordnung festzustellen soweit sie die Rechte des lubeckischen Staates und seiner Angehorigen verletze Einstweilige Verfugung BearbeitenEntsprechend dem Antrag Lubecks erliess der Staatsgerichtshof im Oktober 1925 eine einstweilige Verfugung zugunsten des Landes Lubeck wonach dem Land Mecklenburg Schwerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Ausubung der Fischereihoheit und der Schifffahrtspolizei in der Travemunder Bucht bis zur von Nordwesten bis Sudosten verlaufenden Linie Gomnitzer Turm Pohnsdorfer Muhle Steinrifftonne Mundung der Harkenbeck untersagt und die Ausubung dieser Rechte in dem bezeichneten Gebiet solange allein dem Land Lubeck zugestanden wurde 2 Hauptsacheverfahren BearbeitenDie offentliche Verhandlung in der Hauptsache fand am 6 und 7 Juli 1928 statt Im Vorfeld waren verschiedene Gutachten erstellt worden die die Parteien in das Verfahren einbrachten Gutachter auf Seiten Lubecks war der Historiker Fritz Rorig von Seiten Mecklenburg Schwerins wurden Gutachten des Schweriner Archivs des Juristen Julius von Gierke sowie des Juristen und Staatsminister im Ruhestand Adolf Langfeld vorgelegt Der Staatsgerichtshof untersuchte worauf sich die Antrage der Parteien bezuglich der Gebiets und Fischereihoheit in dem fraglichen Gebiet stutzen konnten Die von Seiten Mecklenburg Schwerins und seiner Gutachter vertretene Ansicht dass nach allgemein anerkannten volkerrechtlichen Grundsatzen bei Meeresbuchten mit mehreren Anliegern die Grenze zwischen den Staaten auf der von den Ufergrenzen gezogenen Mittellinie verlaufe lehnte der Gerichtshof mit dem Hinweis ab dass sich eine solche allgemein anerkannte Regel des Volkerrechts weder aus Volkervertragsrecht noch aus Volkergewohnheitsrecht oder sonstwie ergebe und somit nicht existiere Vielmehr sei auf die geschichtliche Entwicklung und die tatsachlichen Verhaltnisse abzustellen Ebenso stellte der Gerichtshof fest dass das der Stadt Lubeck 1188 von Kaiser Friedrich I verliehene und 1226 von Kaiser Friedrich II bestatigte Privileg keine ausreichende Grundlage fur die Antrage Lubecks darstelle Fischereihoheit und Schifffahrtshoheit Bearbeiten nbsp Fischereihoheit und SchifffahrtshoheitAllerdings habe sich Lubeck wohl aufgrund dieses Privilegs schon fruhzeitig das Recht zur Ausubung der Fischerei in dem umstrittenen Teil der Lubecker Bucht zugeschrieben Mit Blick auf die Entwicklung der Fischerei in der Bucht sah der Gerichtshof als erwiesen an dass sich Lubeck in den fraglichen Teilen der Bucht jahrhundertelang im ungestorten Besitz der Fischereihoheit befunden habe Dieser unvordenkliche Besitzstand begrunde die Rechtmassigkeitsvermutung und rechtfertige es die Fischereihoheit Lubecks in dem fraglichen Gebiet auch fur die Zukunft festzustellen Auch in Hinblick auf die Schifffahrtshoheit sah der Gerichtshof als erwiesen an dass sich Lubeck im fraglichen Gebiet seit unvordenklicher Zeit in ihrem Besitz befindet und stellte das Bestehen der Schifffahrtshoheit Lubecks auch fur die Zukunft fest nbsp Das historische See und Grenzzeichen Gomnitzer TurmAls nicht eindeutig feststellbar erachtete das Gericht die seewartige Grenze des Fischerei sowie des Schifffahrtshoheitsgebiets Lubecks Zur Festlegung dieser Grenzen legte das Gericht Zweckmassigkeitserwagungen zugrunde Zum einen musse zur Vermeidung von Interessenkonflikten die Grenze der Fischereihoheit mit der Grenze der Schifffahrtshoheit ubereinstimmen zudem musse der Grenzverlauf auch schifffahrtstechnisch zweckmassig sein Das Gericht entschied sich sodann fur den im Antrag Lubecks genannten Grenzverlauf namlich als Grenze nach Nordosten die Linie zwischen Harkenbeckmundung im Sudosten und Gomnitzer Turm im Nordwesten sowie als Grenze nach Nordwesten das vom Brodtener Grenzpfahl dieser markierte die damalige die Grenze zwischen den Landern Oldenburg und Lubeck auf vorgenannte Linie gefallte Lot nbsp die Mundung der Harkenbak in die OstseeDen Fischern einzuraumende Fischereiausubungsrechte Bearbeiten Einschrankend stellte das Gericht fest dass sowohl Lubeck in dem Teil der Bucht in dem ihm die Fischereihoheit zustehe den mecklenburgischen Fischern in hergebrachtem Umfang Mitbefischungsrecht einzuraumen habe als auch Mecklenburg Schwerin in seinem Kustenabschnitt zwischen Harkenbeckmundung und Tarnewitz lubeckischen Fischern gemass Art 110 Abs 2 WRV unter denselben Bedingungen Fischereiausubung einzuraumen habe wie mecklenburgischen Fischern Gebietshoheit im Ubrigen Bearbeiten nbsp Gebietshoheit im UbrigenWeiterhin stellte der Gerichtshof fest dass Mecklenburg Schwerin vor seinem Strandabschnitt von Priwall bis zur Harkenbeckmundung ebenfalls seit geraumer Zeit Gebietshoheit beansprucht hat und Lubeck davon Kenntnis hatte Lubeck habe also niemals volle Gebietshoheit bis zum mecklenburgischen Strand ausgeubt oder beansprucht und dementsprechend in dem Gebiet auch keine volle Gebietshoheit als unvordenklichen Besitzstand ersitzen konnen Unabhangig von den Grenzen des Fischerei und Schifffahrtshoheitsgebiets Lubecks sei zur Wahrung der Interessen der Streitparteien eine weitere Grenze zu ziehen deren westlich davon gelegener Teil der Bucht der Gebietshoheit Lubecks und deren ostlich davon gelegener Teil der Bucht der Gebietshoheit Mecklenburg Schwerins unterfiele Mangels eindeutiger Feststellbarkeit einer solchen Grenze aus den beigebrachten Unterlagen legte das Gericht wiederum Zweckmassigkeitserwagungen zugrunde und bestimmte als Grenze eine vom Zollhaus Wachtgraben auf dem Priwall in nordliche Richtung bis zur Schifffahrtsstrasse und von dort ostlich entlang der Verlangerung der Schifffahrtsstrasse seewarts verlaufende Linie Die weitergehenden Antrage verwarf der Gerichtshof Bedeutung der Gerichtsentscheidungen BearbeitenDie vom Staatsgerichtshof getroffenen Entscheidungen waren von uber den konkreten Streitfall hinausgehender Bedeutung Einstweilige Verfugung Bearbeiten Die uber den konkreten Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung des Erlasses der einstweiligen Verfugung von 1925 betraf das Verfassungsprozessrecht Obwohl das Gesetz uber den Staatsgerichtshof nach Art 108 WRV eine ausdruckliche Ermachtigung zum Erlass einstweiliger Verfugungen nicht enthielt schloss der Gerichtshof aus seiner Ermachtigung zum Erlass vollstreckbarer Urteile Art 19 Abs 2 WRV a maiore ad minus dass er auch zum Erlass einstweiliger Verfugungen befugt sei Deren Voraussetzungen ergaben sich aus einer analogen Anwendung der zivilprozessualen Vorschriften Mit dieser Begrundung wurde deutlich dass sich der Staatsgerichtshof nicht nur im vorliegenden sondern in potentiell allen seinen Verfahren als befugt ansah einstweiligen Rechtsschutz zu gewahren Im Gegensatz zu damals wurde fur Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in 32 sowie erganzend in den 53 und 93d BVerfGG eine ausdruckliche Ermachtigung zum Erlass einstweiliger Anordnungen aufgenommen und auch die Voraussetzungen dafur normiert Hauptsacheentscheidung Bearbeiten Mit der Hauptsacheentscheidung von 1928 wurden die letzten verbliebenen Gebietsstreitigkeiten zwischen Lubeck und Mecklenburg geklart Die vom Gerichtshof anhand der historischen Entwicklung festgestellten und im Ubrigen nach Zweckmassigkeitserwagungen festgelegten Grenzen haben noch heute Bestand Die Gebietshoheitsgrenze zwischen Lubeck und Mecklenburg war zwischen 1945 und 1990 Teil der Innerdeutschen Grenze und ist heute die Landergrenze zwischen Schleswig Holstein und Mecklenburg Vorpommern die Grenzen fur das Fischerei sowie Schifffahrtshoheitsgebiet Lubecks sind noch heute die Grenzen des Gebietes innerhalb dessen die Stadt Lubeck das Fischereirecht innehat 3 Die Diskrepanz zwischen Gebietshoheit einerseits und Fischerei und Schiffahrtshoheit andererseits fuhrten in der Zeit der deutschen Teilung zu Spannungen mit der DDR die erst 1974 durch einen Protokollvermerk uber den Grenzverlauf und eine Regierungsvereinbarung uber Fischerei Rechte beigelegt wurden 4 Von uber den Streitfall hinausgehender Bedeutung war die Hauptsacheentscheidung fur das deutsche Zwischenlanderrecht auch Interfoderationsrecht oder interfoderales Recht genannt Zwar wurde mit dem unvordenklichen Besitzstand als tragendem Entscheidungsgrund nicht das erste Mal von einem deutschen Reichsgericht der Erwerbstitel der unvordenklichen Ersitzung im Zwischenlanderrecht anerkannt doch war es das erste Mal dass ihn der Staatsgerichtshof heranzog Fundstelle BearbeitenRGZ 122 Anhang S 1 bis 16 ZVLGA 25 1929 S 155 bis 198 Literatur Bearbeiten Gutachten und Aufsatze in chronologischer Reihenfolge Fritz Rorig Hoheits und Fischereirechte in der Lubecker Bucht insbesondere auf der Travemunder Reede und in der Niendorfer Wiek In Zeitschrift des Vereins fur Lubeckische Geschichte und Altertumskunde Bd 22 1925 S 1 64 Fritz Rorig Mecklenburgisches Kustengewasser und Travemunder Reede Rechts und wirtschaftsgeschichtliches Gutachten In Zeitschrift des Vereins fur Lubeckische Geschichte und Altertumskunde Bd 22 1925 S 215 323 Julius von Gierke Die Hoheits und Fischereirechte in der Travemunder Bucht Rechtsgutachten In Jahrbuch des Vereins fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Bd 90 1926 S 25 112 Digitalisat Adolf Langfeld Uber die Grenzen der Staatshoheit von Mecklenburg Schwerin und Lubeck in der Lubecker Bucht Rechtsgutachten In Jahrbuch des Vereins fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Bd 90 1926 S 1 14 Digitalisat Adolf Langfeld Uber die Grenzen der Staatshoheit in der Travemunder Bucht Zweites Erachten In Jahrbuch des Vereins fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Bd 90 1926 S 15 24 Digitalisat Werner Strecker Das vormalige Kustengewasser Strand und die Rechtsverhaltnisse in der Travemunder Bucht In Jahrbuch des Vereins fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Bd 89 1925 S 1 228 Digitalisat Max Wenzel Die Hoheitsrechte in der Lubecker Bucht Ein Beitrag zum Meeresvolkerrecht Hinstorff Rostock 1926 Werner Strecker Die Travemunder Reede Reedelage und Reedegrenze In Jahrbuch des Vereins fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Bd 90 1926 S 113 186 Digitalisat Werner Strecker Die hoheitsrechtlichen Verhaltnisse in der Travemunder Bucht In Jahrbuch des Vereins fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Bd 91 1927 S 19 68 Digitalisat Werner Strecker Die Lage der Travemunder Reede In Jahrbuch des Vereins fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Bd 91 1927 S 69 122 Digitalisat Werner Strecker Schlussbericht uber die Lage der Travemunder Reede in Jahrbuch des Vereins fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Bd 92 1928 S 173 200 Digitalisat Fritz Rorig Nochmals Mecklenburgisches Kustengewasser und Travemunder Reede Das erste Gutachten des Staatsministers i R Dr Langfeld vom 5 Februar 1925 und S 1 86 des gedruckten Gutachtens des Schweriner Archivs In Zeitschrift des Vereins fur Lubeckische Geschichte und Altertumskunde Bd 24 1928 S 1 33 Fritz Rorig Nochmals Mecklenburgisches Kustengewasser und Travemunder Reede Das vollstandige zweite Archivgutachten das v Gierkesche Rechtsgutachten und das zweite Langfeldsche Gutachten Bd 24 1928 S 47 152 Fritz Rorig Nochmals Mecklenburgisches Kustengewasser und Travemunder Reede Die endgultige Losung des Reedeproblems Bd 25 1929 S 1 103 Fritz Rorig Nochmals Mecklenburgisches Kustengewasser und Travemunder Reede Ausubung und Abgrenzung von staatlichen Rechten an der Uferstrecke Priwall Harkenbeck in alter und neuer Zeit Bd 25 1929 S 105 154 Weblinks BearbeitenLubecker Bucht Fall PDF 392 kB Einzelnachweise Bearbeiten Entscheidung des IV Zivilsenats des Reichsgerichts als Schiedsgericht vom 21 Juni 1890 in der Streitsache zwischen Mecklenburg Schwerin Antragsteller und Mecklenburg Strelitz beigetreten einerseits und der freien und Hansestadt Lubeck Antragsgegnerin andererseits ZVLGA 6 1891 S 243 bis 326 Entscheidung des StGH vom 10 Oktober 1925 in der Streitsache zwischen dem Land Lubeck Antragsteller und dem Land Mecklenburg Schwerin Antragsgegner RGZ 111 Anhang S 21 f ZVLGA 24 1928 S 34 bis 46 Vgl 1 der Satzung uber die Ausubung des Fischereirechts der Hansestadt Lubeck vom 28 Juni 2007 Memento vom 9 Juli 2011 im Internet Archive Klare Grenze Die Zeit vom 5 Juli 1974 abgerufen am 16 November 2014Bitte den Hinweis zu 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