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Unter Kristallzuchtung seltener auch Kristallzucht wird die kunstliche Herstellung von Kristallen verstanden Beide Begriffe beschreiben den technischen Prozess der den Kristall liefert Dies ist im Deutschen zu unterscheiden vom Kristallwachstum dem chemischen oder physikalischen Naturvorgang der durch Anlagerung von Atomen oder Molekulen zur Bildung von Kristallen fuhrt Im Englischen werden beide genannten Begriffe mit crystal growth beschrieben Kristallisation englisch crystallisation bedeutet allgemein die Bildung eines oder vieler Kristalle unabhangig vom speziellen Prozess Da Kristalle fur viele moderne technische Anwendungen die unverzichtbare Materialbasis darstellen wird die Zuchtung von Kristallen einiger Materialien an erster Stelle Silicium heute in Grossenordnungen von einigen Tausend Tonnen jahrlich weltweit industriell betrieben In diesen Fallen stellt also der Kristall als solcher bzw das daraus hergestellte Bauelement das Ziel der Bemuhungen dar Eine andere Zielsetzung wird hingegen oft in der praparativen Chemie neuer Substanzen verfolgt Hier werden kleine aber gut ausgebildete Kristalle der zu untersuchenden Substanz routinemassig durch Rontgenstrukturanalyse Einkristalldiffraktometrie untersucht und dadurch die Kristallstruktur bestimmt Schon in den 1950er Jahren erfolgte durch solche Untersuchungen die Strukturbestimmung der Desoxyribonukleinsaure DNA als Trager der Erbinformation von Lebewesen Inhaltsverzeichnis 1 Zuchtungsmethoden 1 1 Zuchtung aus der Schmelze 1 2 Zuchtung aus der Gasphase 1 3 Zuchtung aus der Losung 2 Geschichte 3 Wertung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseZuchtungsmethoden BearbeitenDie Klassifikation erfolgt zweckmassig nach der Art des Phasenubergangs der zur Bildung des Kristalls fuhrt 1 Zuchtung aus der Schmelze Bearbeiten Das Kristallwachstum aus einer Schmelze wird bei allen diesen Verfahren dadurch ausgelost dass ein ursprunglich oberhalb der Schmelztemperatur Tf befindliches Volumen die Schmelze langsam auf eine Temperatur kleiner als Tf abgekuhlt wird und dabei kristallisiert Verneuil Verfahren Das pulverformige Ausgangsmaterial wird mittels Brenner verflussigt und tropft auf einen Impfkristall Keimkristall Bridgman Verfahren bzw Bridgman Stockbarger Verfahren Die Schmelze befindet sich in einer Ampulle Diese wird durch einen vertikalen Rohrofen abgesenkt der im oberen Teil eine Temperatur T1 gt Tf und im unteren Teil T2 lt Tf erzeugt Diese ursprungliche Variante wird auch als vertikales Bridgman Verfahren bezeichnet es wird aber auch eine Variante mit horizontalem Temperaturgradienten betrieben horizontales Bridgman Verfahren Nacken Kyropoulus Verfahren Benannt nach Richard Nacken und Spyro Kyropoulos Die Schmelze mit einer Temperatur nur wenig oberhalb Tf befindet sich in einem Tiegel und von oben taucht ein etwas kuhlerer Keimkristall ein Der Kristall wachst in den Tiegel hinein Czochralski Verfahren Weiterentwicklung des vorstehenden Verfahrens Grossere Langen sind moglich indem der Kristall langsam nach oben gezogen wird Die Kristallisationsfront bleibt in gleicher Hohe sodass die Temperatur besser kontrolliert werden kann Zudem wird der Kristall langsam gedreht um horizontale Temperaturgradienten auszugleichen Dadurch sind grossere Durchmesser moglich Auch wird durch die Rotation die Grenzschicht vor der Kristallisationsfront dunner sodass Verunreinigungen die sich nicht in den Kristall einbauen sollen schneller abtransportiert werden Zonenschmelzverfahren Wird in zwei Varianten betrieben Zonenschmelzen im Tiegel Ahnlich dem Bridgman Verfahren horizontal oder vertikal allerdings ist der Ofen so konstruiert dass sich nur eine schmale Zone oberhalb Tf befindet Diese Zone wandert durch Bewegung des Ofens oder des Tiegels durch das bei T lt Tf befindliche ubrige Material Tiegelfreies Zonenschmelzen floating zone Funktioniert nur fur elektrisch leitende Materialien und wird insbesondere fur Silicium Kristalle hochster Qualitat verwendet Dabei wird ein polykristalliner Vorratsstab senkrecht durch eine Spule geschoben die durch anliegende Wechselspannung einen Wirbelstrom im Material erzeugt Dieser Wirbelstrom fuhrt wegen des elektrischen Widerstandes des Materials zu einer Erwarmung bis oberhalb Tf in einer schmalen Schmelzzone Diese wandert wiederum durch Bewegung von Kristall und Vorratsstab relativ zur Spule durch das Material Zuchtung aus der Gasphase Bearbeiten Bei der Zuchtung aus der Gasphase gibt es im Wesentlichen zwei Verfahren die Sublimation bzw physikalische Gasphasenabscheidung sowie die chemische Gasphasenabscheidung Die Sublimation bzw physikalische Gasphasenabscheidung PVD wird durchgefuhrt indem die zu zuchtende Substanz zunachst auf physikalischem Weg verdampft wird beispielsweise indem man sie so weit erhitzt dass sie in die Gasphase ubergeht Dabei muss die Substanz nicht notwendigerweise zuvor geschmolzen sein Sublimation Ein solches Verhalten zeigt z B elementares Iod Das Gas bewegt sich zu einem Keimkristall und ermoglicht unter geeigneten Bedingungen dort das Wachstum eines Kristalls Die chemische Gasphasenabscheidung CVD funktioniert technisch ahnlich aber hier wird der Ubergang der zu zuchtenden Substanz S in die Gasphase erst durch eine Hilfssubstanz Transportmittel H ermoglicht weil ansonsten deren Dampfdruck und damit auch die Transportrate zu gering ware Damit findet an der Quelle eine Reaktion S H SH statt Das gasformige SH bewegt sich dann zum Keimkristall wo in der Ruckreaktion SH S H die ursprungliche Substanz wieder gebildet und als Kristall abgeschieden wird Die Hilfssubstanz H steht damit wieder zur Verfugung und wird im Prozess nicht verbraucht Solche Prozesse werden oft in der Epitaxie von Halbleitern durchgefuhrt Zuchtung aus der Losung Bearbeiten Im einfachsten Fall wird die Substanz in einem geeigneten Losungsmittel bei Salzen oft Wasser bis zur Sattigung gelost Das Kristallwachstum aus der Losung wird dann entweder durch Verdunsten des Losungsmittels oder durch Temperaturanderung ausgelost meist durch Abkuhlung weil sich die Loslichkeit in der Regel mit abnehmender Temperatur verringert Alternativ kann die Loslichkeit auch durch Zugabe anderer Substanzen z B Ethanol zu wassrigen Losungen verringert werden Kristallzuchtung von Salzen aus wassrigen Losungen ist teilweise einfach und mit Mitteln des Chemie Unterrichtes in Schulen oder zu Hause durchfuhrbar Entsprechende Experimentierkasten werden im Handel angeboten Geeignete Substanzen sind z B Kupfervitriol Alaune KAl SO4 2 12H2O oder andere oder Gelbes Blutlaugensalz Kaliumhexacyanidoferrat II Trihydrat Einige Substanzen wie Siliciumdioxid SiO2 losen sich unter Normaldruck nur sehr schlecht in Wasser aber unter hydrothermalen Bedingungen wesentlich besser Dies wird in hydrothermalen Zuchtungsverfahren ausgenutzt um synthetischen Quarz herzustellen Dabei wird das Ausgangsmaterial SiO2 in uberkritischen basischen Losungsmitteln wie Natriumhydroxid die sich in vertikalen Autoklaven bei hohen Druck von 1000 bis 2000 bar und einer Temperatur um 390 C befinden gelost An kalteren Stellen des Reaktors um 350 C kommt es an Keimplatten zur Kristallation wobei die Wachstumsrate ca 0 2 bis 1 mm pro Tag betragt Der so hergestellte a Quarz ist Ausgangsmaterial fur piezoelektrische Bauelemente wie Schwingquarze oder Quarzoszillatoren 2 Fur Spezialzwecke und meist nur in der Forschung werden Schmelzlosungen eingesetzt Hier dient eine geschmolzene andere Substanz als Losungsmittel fur das zu zuchtende Material Geschichte BearbeitenDie gross industrielle Kristallzuchtung existiert erst seit Beginn des 20 Jahrhunderts mit der Erfindung des Verneuil Verfahrens zur kommerziellen Zuchtung von Rubin Kristalle werden allerdings schon deutlich langer gezuchtet so entwickelten die Chinesen angeblich schon 2700 Jahre v Chr Verfahren zur Gewinnung von Salzkristallen 3 Weitere Aufzeichnungen uber Kristalle und deren Gewinnung finden sich bei Plinius dem Alteren um 23 79 n Chr uber Vitriole und bei Georgius Agricola 1494 1555 der u a uber die Reinigung von Salpeter mittels Kristallisation schrieb 4 Eine der ersten Solvothermalsynthesen geht auf Robert Wilhelm Bunsen zuruck der damit 1839 Barium und Strontiumcarbonat zuchtete 5 1852 wurde erstmals Herapathit hergestellt welches starke Polarisation zeigt und spater kommerziell aus einer Losung gezuchtet wurde spater wurden diese Kristalle durch Polarisationsfolien abgelost Die ersten erfolgreichen Versuche Rubin kunstlich herzustellen bevor es zum Durchbruch durch das Verneuil Verfahren kam gelangen H Gaudin zwischen 1837 und 1840 allerdings glaubte dieser nur Glas hergestellt zu haben weil die Dichte scheinbar nicht mit der von naturlichem Rubin ubereinstimmte dies lag aber vermutlich an eingeschlossenen Gasblasen 6 Jan Czochralski entwickelte 1916 das nach ihm benannte Czochralski Verfahren in Berlin Dieses Verfahren wird heute vor allem zum Ziehen grosser Silizium Einkristalle fur die Computer und Solarindustrie verwendet In den darauffolgenden Jahren wuchs die Kristallzuchtung durch den Bedarf an geeigneten Materialien fur die fortschreitende Technologisierung schnell an und ist heute eine der Grundlagen fur viele technische Errungenschaften beispielsweise in Lasern und der Halbleitertechnik Wertung Bearbeiten nbsp Teile dieses Artikels scheinen seit 2000 nicht mehr aktuell zu sein Bitte hilf uns dabei die fehlenden Informationen zu recherchieren und einzufugen Wikipedia WikiProjekt Ereignisse Vergangenheit fehlend Kristalle sind fur viele wissenschaftlich technische Anwendungen unverzichtbare Schlusselmaterialien und entsprechend ist Kristallzuchtung auf hohem qualitativen und quantitativen Niveau heute weltweit sowohl in der Industrie als auch in Universitaten und Forschungsinstituten etabliert Scheel 7 gibt folgende Daten fur die weltweite Gesamtproduktion aller Kristallarten an 1979 5 000 Tonnen 1986 11 000 Tonnen 1999 20 000 Tonnen Diese Gesamtmengen verteilen sich etwa wie folgt Materialgruppe Anteil BeispieleHalbleiter 60 Silicium GalliumarsenidSzintillatoren 12 Tl CsI BGOOptik 10 Akustooptik 10 LithiumniobatLaser NLO 0 5 Cr Al2O3 Rubin Nd YAGUhren Schmuck 0 3 Al2O3 Kristall als UhrglasLiteratur BearbeitenKlaus Thomas Wilke Joachim Bohm Hrsg Kristallzuchtung 2 Aufl Verlag Deutsch Thun 1988 2 Bde Hans J Scheel Historical aspects of crystal growth technology In Journal of Crystal Growth Band 211 Nr 1 4 2000 S 1 12 doi 10 1016 S0022 0248 99 00780 0 Weblinks BearbeitenLeibniz Institut fur Kristallzuchtung Berlin Adlershof Unterschiede der Kristallzuchtungsmethoden Diverse Methoden und Varianten im Uberblick Technische Zuchtverfahren und Experimente fur zu Hause Memento vom 19 Oktober 2013 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Wichtige Begriffe zum Thema Kristallzuchtung Abgerufen am 21 Juli 2023 Bernd Neubig Wolfgang Briese Das grosse Quarzkochbuch Franzis 1997 ISBN 3 7723 5853 5 Kapitel 2 3 Das Quarzrohmaterial mineralienatlas de Klaus Thomas Wilke Joachim Bohm Hrsg Kristallzuchtung 2 Aufl Verlag Deutsch Thun 1988 2 Bande R A Laudise Hydrothermal Synthesis of Crystals In C amp EN 28 Jahrgang 1986 S 30 43 D Harris A Century of Sapphire Crystal Growth In Proceedings of the 10th DoD Electromagnetic Windows Symposium Norfolk Virginia 2004 Hans J Scheel Historical aspects of crystal growth technology In Journal of Crystal Growth Band 211 Nr 1 4 2000 S 1 12 doi 10 1016 S0022 0248 99 00780 0 Normdaten Sachbegriff GND 4140616 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kristallzuchtung amp oldid 235793904