www.wikidata.de-de.nina.az
Die Kramers Kronig Beziehungen auch Kramers Kronig Relation nach ihren Entdeckern Hendrik Anthony Kramers und Ralph Kronig setzen Real und Imaginarteil bestimmter meromorpher Funktionen in Form einer Integralgleichung miteinander in Beziehung Sie stellen damit einen Spezialfall der Hilbert Transformation dar Eine wichtige Anwendung ist der Zusammenhang zwischen der Absorption und der Dispersion eines sich in einem Medium ausbreitenden Lichtstrahls Weitere Anwendungen gibt es in der Hochenergiephysik und in den Ingenieurwissenschaften Inhaltsverzeichnis 1 Mathematische Formulierung 2 Motivation Ein Randwertproblem 3 Anwendungen 4 Literatur 5 EinzelnachweiseMathematische Formulierung BearbeitenSei F C C displaystyle F mathbb C rightarrow mathbb C nbsp eine meromorphe Funktion deren Polstellen in der unteren Halbebene liegen Dieser Forderung an die Lage der Polstellen entspricht physikalisch das Kausalitatspostulat Ferner seien Re F R displaystyle operatorname Re F mathbb R nbsp bzw Im F R displaystyle operatorname Im F mathbb R nbsp Real und Imaginarteil der Funktion F displaystyle F nbsp Es sei vorausgesetzt dass diese beiden Funktionen gerade bzw ungerade sind Das bedeutet dass F displaystyle F nbsp durch Fourierintegration nicht aus einer beliebigen komplexen sondern aus einer reellen Funktion gebildet werden kann In der Physik betrachtet man oft statt F displaystyle F nbsp die Funktion F i displaystyle F mathrm i nbsp wodurch sich die Voraussetzungen bezuglich gerade und ungerade vertauschen Schliesslich sei lim z F z 0 displaystyle lim z rightarrow infty F z 0 nbsp Dann gelten fur x R displaystyle x in mathbb R nbsp die folgenden als Kramers Kronig Beziehungen bezeichnete Gleichungen Im F x 2 p C H 0 x Re F t t 2 x 2 d t displaystyle operatorname Im F x frac 2 pi cdot mathrm CH int 0 infty frac x cdot operatorname Re F t t 2 x 2 mathrm d t nbsp Re F x 2 p C H 0 t Im F t t 2 x 2 d t displaystyle operatorname Re F x frac 2 pi cdot mathrm CH int 0 infty frac t cdot operatorname Im F t t 2 x 2 mathrm d t nbsp C H displaystyle mathrm CH nbsp bezeichnet den cauchyschen Hauptwert des auftretenden Integrals Real und Imaginarteil der Funktion F displaystyle F nbsp bedingen sich also gegenseitig durch Integration Dies findet Anwendungen in der Optik und in der Systemtheorie wenn F displaystyle F nbsp die Suszeptibilitat eines Systems angibt siehe Kausalitat Anwendungen finden sich auch in der Hochenergie Physik bei den Dispersionsrelationen der S Matrix Motivation Ein Randwertproblem BearbeitenAuf der reellen Achse R displaystyle mathbb R nbsp sei eine stetige reelle Funktion f displaystyle f nbsp vorgegeben die analog zu Re F displaystyle operatorname Re F nbsp als gerade vorausgesetzt werden soll Dazu soll eine in der ganzen oberen Halbebene holomorphe komplexe Funktion F displaystyle F nbsp so konstruiert werden dass Re F R f displaystyle operatorname Re F mathbb R stackrel f nbsp gilt Es soll also ein Randwertproblem gelost werden wobei im Innern des betrachteten Gebietes G displaystyle G nbsp d h oberhalb von R displaystyle mathbb R nbsp wegen der Holomorphie Bedingung die cauchy riemannschen Differentialgleichungen erfullt werden mussen und auf dem Rand G R displaystyle partial G mathbb R nbsp eine stetige reelle Funktion f displaystyle f nbsp vorgegeben ist die dort angenommen werden soll Eine holomorphe Funktion kann nach dem Residuensatz dargestellt werden als F z 1 2 p i H K r F t t z d t r r F t t z d t displaystyle F z frac 1 2 pi mathrm i left int HK r frac F t t z mathrm d t int r r frac F t t z mathrm d t right nbsp wobei H K r 0 displaystyle HK r 0 nbsp den positiv orientierten Halbkreis in der oberen Halbebene mit Zentrum 0 displaystyle 0 nbsp und Radius r gt 0 displaystyle r gt 0 nbsp bezeichnet Fallt nun F displaystyle F nbsp im Unendlichen schnell genug ab so reduziert sich im Grenzubergang r displaystyle r rightarrow infty nbsp die Darstellung zu einem Integral uber der reellen Achse also F z 1 2 p i F t t z d t displaystyle F z frac 1 2 pi mathrm i int infty infty frac F t t z mathrm d t nbsp Im Falle Im z 0 displaystyle operatorname Im z 0 nbsp und weil f displaystyle f nbsp bzw Re F t displaystyle operatorname Re F t nbsp eine gerade Funktion sein soll ergibt sich schliesslich Im F z 1 p Re F t t z d t 2 p 0 z Re F t t 2 z 2 d t displaystyle operatorname Im F z frac 1 pi int infty infty frac operatorname Re F t t z mathrm d t frac 2 pi int 0 infty frac z cdot operatorname Re F t t 2 z 2 mathrm d t nbsp wobei das auftretende Integral als cauchyscher Hauptwert zu interpretieren ist Singularitat fur t z displaystyle t z nbsp und mit der Hilbert Transformation von f displaystyle f nbsp ubereinstimmt Der Residuensatz wird hierbei auf den Integrationsweg r z e H K e z z e r H K r 0 displaystyle r z varepsilon cdot HK varepsilon z cdot z varepsilon r cdot HK r 0 nbsp angewendet Diese Gleichung entspricht der einen Kramers Kronig Beziehung Man braucht jetzt zur Losung des Randwertproblems nur die Beziehung Re F R f displaystyle operatorname Re F mathbb R f nbsp einzusetzen Fur ungerade Funktionen f displaystyle f nbsp verfahrt man analog und erhalt die andere Kramers Kronig Beziehung Eine beliebige Funktion kann immer durch die Vorschrift f f f displaystyle f f f nbsp mit f t 1 2 f t f t displaystyle f pm t frac 1 2 left f t pm f t right nbsp in einen geraden bzw ungeraden Anteil zerlegt werden Der einfachste Fall einer meromorphen Funktion F z displaystyle F z nbsp mit den vorausgesetzten Eigenschaften ist die lineare Antwortfunktion des gedampften harmonischen Oszillators F z 1 z 2 w 0 2 i g z displaystyle F z 1 z 2 omega 0 2 mathrm i gamma z nbsp mit positiver Dampfungskonstante g displaystyle gamma nbsp und positiver charakteristischer Oszillator Kreisfrequenz w 0 displaystyle omega 0 nbsp Anwendungen BearbeitenDie Kramers Kronig Beziehungen werden dort angewendet wo eine reelle gerade Funktion F w displaystyle F omega nbsp evtl ungerade gemacht durch einen Zusatzfaktor 1 i displaystyle 1 mathrm i nbsp zu einer holomorphen Funktion F z displaystyle F z nbsp erganzt werden soll Dies dient meistens der Vereinfachung der auftretenden Rechnungen insbesondere bei Wellenfunktionen also hauptsachlich in der Signalverarbeitung und in der Optik aber auch in der Statistischen Physik im Zusammenhang mit dem Fluktuations Dissipations Theorem Auf diese Weise hangt die Absorption elektromagnetischer Wellen in einem Medium mit dem Brechungsindex zusammen Es reicht also die Abhangigkeit einer der beiden Grossen von der Frequenz zu kennen um die andere berechnen zu konnen Die von der Kreisfrequenz w displaystyle omega nbsp abhangige Permittivitat e w displaystyle varepsilon omega nbsp lasst sich ausdrucken als Integral der von der Kreisfrequenz abhangigen Absorption 1 Re e w 1 2 p C H 0 W Im e W W 2 w 2 d W displaystyle operatorname Re varepsilon omega 1 frac 2 pi cdot mathrm CH int limits 0 infty frac Omega cdot operatorname Im varepsilon Omega Omega 2 omega 2 mathrm d Omega nbsp wobei die reelle Kreisfrequenz W displaystyle Omega nbsp die Integrationsvariable ist die ebenfalls reelle Variable w displaystyle omega nbsp eine charakteristische System Kreisfrequenz darstellt die Abkurzung C H 0 displaystyle mathrm CH int 0 infty dots nbsp fur den cauchyschen Hauptwert engl Cauchy principal value des Integrals steht Re e w displaystyle operatorname Re varepsilon omega nbsp ist gerade Im e w displaystyle operatorname Im varepsilon omega nbsp ungerade Eine alternative Betrachtungsweise ergibt sich mit dem Absorptionskoeffizienten a displaystyle alpha nbsp dem Brechungsindex n displaystyle n nbsp und der Lichtgeschwindigkeit c displaystyle c nbsp n w 1 c p C H 0 a W W 2 w 2 d W displaystyle n omega 1 frac c pi cdot mathrm CH int limits 0 infty alpha Omega over Omega 2 omega 2 mathrm d Omega nbsp Dadurch lasst sich vor allem in der nichtlinearen Optik aus einer einfachen Absorptionsmessung die komplexe Form des Brechungsindex ableiten Auch der Name der Dispersionsrelationen der Hochenergiephysik bezieht sich auf dieses Beispiel In den Ingenieurwissenschaften kommen die Kramers Kronig Beziehungen vor allem im Rahmen von impedanzspektroskopischen Messungen zum Einsatz wo aus ihrer Nichterfullung auf eine fehlerhafte Messung des Frequenzganges geschlossen wird 2 3 Die Einschrankung der allgemeiner gultigen Kramers Kronig Beziehungen auf Zweipol Systeme fuhrt zum ZHIT Algorithmus der zur Validierung von Impedanzspektren elektrochemischer Systeme Elektrochemische Impedanzspektroskopie angewandt werden kann Literatur BearbeitenOriginalarbeiten R de L Kronig On the theory of dispersion of X rays In Journal of the Optical Society of America Band 12 Nr 6 1926 S 547 556 doi 10 1364 JOSA 12 000547 H A Kramers La diffusion de la lumiere par les atomes In Atti Cong Intern Fisici Transactions of Volta Centenary Congress Como Bd 2 1927 S 545 557 Weitere Literatur Mansoor Sheik Bahae Nonlinear Optics Basics Kramers Kronig Relations in Nonlinear Optics In Robert D Guenther Hrsg Encyclopedia of Modern Optics Academic Press Amsterdam 2005 ISBN 0 12 227600 0 S 234 240 Einzelnachweise Bearbeiten Safa Kasap Peter Capper Springer Handbook of Electronic and Photonic Materials Springer 2006 ISBN 978 0 387 26059 4 S 49 B A Boukamp A Linear Kronig Kramers Transform Test for Immittance Data Validation In J Electrochem Soc 142 Jahrgang 1995 S 1885 1894 M Schonleber D Klotz and E Ivers Tiffee A Method for Improving the Robustness of linear Kramers Kronig Validity Tests In Electrochimica Acta 131 Jahrgang 2014 S 20 27 doi 10 1016 j electacta 2014 01 034 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kramers Kronig Beziehungen amp oldid 225825112