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Unter Kardinalzahlarithmetik versteht man in der Mengenlehre Regeln uber mathematische Operationen zwischen Kardinalzahlen Diese Operationen sind die aus der Theorie der naturlichen Zahlen bekannten Addition Multiplikation und Potenzierung die auf die Klasse der Kardinalzahlen ausgedehnt werden Im Gegensatz zur Ordinalzahlarithmetik werden diese Operationen nicht durch transfinite Induktion sondern durch Mengenoperationen definiert Die Addition und die Multiplikation erweisen sich als sehr einfach uber das Potenzieren hingegen kann man in der ZFC Mengenlehre nur unter der Annahme zusatzlicher Axiome zu starken Aussagen kommen Inhaltsverzeichnis 1 Definitionen 2 Addition und Multiplikation 3 Potenzierung 3 1 Kontinuumsfunktion 3 2 Allgemeine Potenzen 3 3 Hausdorff Formel 3 4 Formel von Bernstein 4 Vergleich mit Ordinalzahlarithmetik 5 Literatur 6 EinzelnachweiseDefinitionen BearbeitenDie Idee der Kardinalzahlen besteht im Vergleich von Machtigkeiten Mit Hilfe des Auswahlaxioms kann man zu jeder Menge X displaystyle X nbsp eine zu ihr gleichmachtige Ordinalzahl finden und wegen deren Wohlordnung auch eine kleinste solche Ordinalzahl die man die Kardinalitat oder Machtigkeit der Menge nennt und mit X displaystyle X nbsp bezeichnet Die als Machtigkeit auftretenden Ordinalzahlen heissen bekanntlich Kardinalzahlen diese werden mit griechischen Buchstaben k displaystyle kappa nbsp l displaystyle lambda nbsp m displaystyle mu nbsp bezeichnet wohingegen Ordinalzahlen mit den Anfangsbuchstaben a displaystyle alpha nbsp b displaystyle beta nbsp des griechischen Alphabets notiert werden Die endlichen unter den Kardinalzahlen sind die naturlichen Zahlen die unendlichen konnen durch die ℵ displaystyle aleph nbsp Funktion aufgezahlt werden das heisst die unendlichen Kardinalzahlen sind die ℵ a displaystyle aleph alpha nbsp wobei a displaystyle alpha nbsp die Ordinalzahlen durchlauft Zur Addition zweier Kardinalzahlen k displaystyle kappa nbsp und l displaystyle lambda nbsp finde man zwei disjunkte zu ihnen gleichmachtige Mengen X displaystyle X nbsp und Y displaystyle Y nbsp und definiere k l X Y displaystyle kappa lambda X cup Y nbsp also als die Machtigkeit der disjunkten Vereinigung Zur Multiplikation zweier Kardinalzahlen k displaystyle kappa nbsp und l displaystyle lambda nbsp finde man zwei zu ihnen gleichmachtige Mengen X displaystyle X nbsp und Y displaystyle Y nbsp und definiere k l X Y displaystyle kappa cdot lambda X times Y nbsp also als die Machtigkeit des kartesischen Produktes Zur Potenzierung zweier Kardinalzahlen k displaystyle kappa nbsp und l displaystyle lambda nbsp finde man zwei zu ihnen gleichmachtige Mengen X displaystyle X nbsp und Y displaystyle Y nbsp und definiere k l X Y displaystyle kappa lambda X Y nbsp also als die Machtigkeit der Menge aller Funktionen von Y displaystyle Y nbsp nach X displaystyle X nbsp In allen drei Fallen kann man zeigen dass die Definition nicht von der Wahl der Mengen X displaystyle X nbsp und Y displaystyle Y nbsp abhangt Da k displaystyle kappa nbsp und l displaystyle lambda nbsp selbst Mengen sind kann man auch einfach k l k 0 l 1 displaystyle kappa lambda kappa times 0 cup lambda times 1 nbsp k l k l displaystyle kappa cdot lambda kappa times lambda nbsp k l k l displaystyle kappa lambda kappa lambda nbsp schreiben die zuerst gegebenen Definitionen sind aber flexibler zu handhaben In der dritten Definition steht links die zu definierende Potenz zweier Kardinalzahlen rechts bedeutet k l displaystyle kappa lambda nbsp die Menge aller Funktionen l k displaystyle lambda rightarrow kappa nbsp fur beides wird dieselbe Notation verwendet Ferner uberlegt man sich leicht dass die so definierten Operationen fur endliche Kardinalzahlen das heisst fur naturliche Zahlen mit den bekannten Operationen ubereinstimmen Die oben definierte Addition kann wie folgt auf unendliche Summen ausgedehnt werden Ist k i i I displaystyle kappa i i in I nbsp eine Familie von Kardinalzahlen so seien X i displaystyle X i nbsp zu den k i displaystyle kappa i nbsp gleichmachtige und paarweise disjunkte Mengen zum Beispiel X i k i i displaystyle X i kappa i times i nbsp Die Summe der k i displaystyle kappa i nbsp ist wie folgt definiert i I k i i I X i displaystyle sum i in I kappa i left bigcup i in I X i right nbsp Auch die Multiplikation lasst sich auf unendliche Produkte erweitern Ist k i i I displaystyle kappa i i in I nbsp eine Familie von Kardinalzahlen so seien X i displaystyle X i nbsp zu den k i displaystyle kappa i nbsp gleichmachtige Mengen Das Produkt der k i displaystyle kappa i nbsp ist wie folgt definiert i I k i i I X i displaystyle prod i in I kappa i left prod i in I X i right nbsp Dabei tritt das Produktzeichen in zwei Bedeutungen auf Auf der linken Seite steht es fur das zu definierende unendliche Produkt von Kardinalzahlen und auf der rechten Seite fur das kartesische Produkt Auch die Definitionen der unendlichen Operationen sind von der Auswahl der Mengen X i displaystyle X i nbsp unabhangig und daher wohldefiniert Addition und Multiplikation BearbeitenAddition und Multiplikation erweisen sich fur unendliche Kardinalzahlen als triviale Operationen denn es gilt Ist wenigstens eine der von 0 verschiedenen Kardinalzahlen k displaystyle kappa nbsp und l displaystyle lambda nbsp unendlich so giltk l k l max k l displaystyle kappa lambda kappa cdot lambda max kappa lambda nbsp beziehungsweise in der Aleph Notation ℵ a ℵ b ℵ a ℵ b ℵ max a b displaystyle aleph alpha aleph beta aleph alpha cdot aleph beta aleph max alpha beta nbsp fur alle Ordinalzahlen a displaystyle alpha nbsp und b displaystyle beta nbsp siehe Satz von Hessenberg Ist l displaystyle lambda nbsp eine unendliche Kardinalzahl und sind k i displaystyle kappa i nbsp i lt l displaystyle i lt lambda nbsp von 0 verschiedene Kardinalzahlen so gilt i lt l k i l sup k i i lt l displaystyle sum i lt lambda kappa i lambda cdot sup kappa i i lt lambda nbsp Fur Kardinalzahlen l displaystyle lambda nbsp und k i gt 0 displaystyle kappa i gt 0 nbsp i I displaystyle i in I nbsp gelten die erwarteten Regeln i I k i l i I k i l displaystyle prod i in I kappa i lambda left prod i in I kappa i right lambda nbsp i I l k i l i I k i displaystyle prod i in I lambda kappa i lambda sum i in I kappa i nbsp Summe und Produkt stehen ferner durch den Satz von Konig in Beziehung was zu wichtigen Ungleichungen fuhrt Potenzierung BearbeitenDas Potenzieren von Kardinalzahlen erweist sich als wesentlich interessanter da dies die Frage nach zusatzlichen Axiomen der Mengenlehre aufwirft Schon die naheliegende Frage ob 2 ℵ 0 ℵ 1 displaystyle 2 aleph 0 aleph 1 nbsp gilt die sogenannte Kontinuumshypothese lasst sich mittels ZFC nicht entscheiden In der folgenden Darstellung wird es darum gehen fur die Potenz k l displaystyle kappa lambda nbsp einen geschlossenen Ausdruck oder eine andere Potenz mit kleineren Kardinalzahlen zu finden Die wegen der Fallunterscheidungen zunachst unubersichtlich erscheinende Situation vereinfacht sich wenn man zusatzliche Axiome zur Mengenlehre hinzunimmt Wir beginnen mit den wichtigen Zweierpotenzen und wenden uns dann den allgemeinen Potenzen zu Kontinuumsfunktion Bearbeiten Die Zweierpotenzen 2 k displaystyle 2 kappa nbsp zur Basis 2 0 1 displaystyle 2 0 1 nbsp sind Machtigkeiten von Potenzmengen denn 2 k P k f a f a 1 displaystyle 2 kappa rightarrow P kappa f mapsto alpha f alpha 1 nbsp ist offenbar eine Bijektion von 2 k displaystyle 2 kappa nbsp auf die Potenzmenge von k displaystyle kappa nbsp Die Funktion k 2 k displaystyle kappa mapsto 2 kappa nbsp wird auch Kontinuumsfunktion genannt Die folgenden Abkurzungen werden im nachfolgenden Satz uber diese Potenzen verwendet Ist k displaystyle kappa nbsp eine Kardinalzahl so bezeichne cf k displaystyle operatorname cf kappa nbsp ihre Konfinalitat Mit k lt l displaystyle kappa lt lambda nbsp sei das Supremum uber alle k m displaystyle kappa mu nbsp mit m lt l displaystyle mu lt lambda nbsp bezeichnet wobei l displaystyle lambda nbsp eine Limes Kardinalzahl sei Dann hat man Fur Kardinalzahlen k lt l displaystyle kappa lt lambda nbsp gilt 2 k 2 l displaystyle 2 kappa leq 2 lambda nbsp k lt cf 2 k displaystyle kappa lt operatorname cf 2 kappa nbsp fur unendliche Kardinalzahlen k displaystyle kappa nbsp 2 k 2 lt k cf k displaystyle 2 kappa 2 lt kappa operatorname cf kappa nbsp fur Limes Kardinalzahlen k displaystyle kappa nbsp Fuhrt man schliesslich noch die sogenannte Gimel Funktion ℷ k k cf k displaystyle gimel kappa kappa operatorname cf kappa nbsp ein so kann man die Zweierpotenzen 2 k displaystyle 2 kappa nbsp durch diese Gimel Funktion und Zweierpotenzen mit kleineren Exponenten ausdrucken 2 k ℷ k displaystyle 2 kappa gimel kappa nbsp fur Nachfolger Kardinalzahlen k displaystyle kappa nbsp 2 k 2 lt k ℷ k displaystyle 2 kappa 2 lt kappa cdot gimel kappa nbsp fur Limes Kardinalzahlen wenn die Kontinuumsfunktion unterhalb k displaystyle kappa nbsp schliesslich konstant wird 2 k ℷ 2 lt k displaystyle 2 kappa gimel 2 lt kappa nbsp fur Limes Kardinalzahlen wenn die Kontinuumsfunktion unterhalb k displaystyle kappa nbsp nicht schliesslich konstant wird Dass die Kontinuumsfunktion unterhalb k displaystyle kappa nbsp schliesslich konstant wird bedeutet dass es ein l displaystyle lambda nbsp gibt so dass 2 m displaystyle 2 mu nbsp fur alle l lt m lt k displaystyle lambda lt mu lt kappa nbsp konstant ist Aus dem Satz von Konig folgt fur jede Kardinalzahl k displaystyle kappa nbsp die Ungleichung ℷ k gt k displaystyle gimel kappa gt kappa nbsp Allgemeine Potenzen Bearbeiten Fur unendliche Kardinalzahlen k displaystyle kappa nbsp und l displaystyle lambda nbsp gilt Ist 2 k l displaystyle 2 leq kappa leq lambda nbsp so ist k l 2 l displaystyle kappa lambda 2 lambda nbsp Man hat es also mit den oben behandelten Zweierpotenzen zu tun Der Fall k gt l displaystyle kappa gt lambda nbsp erfordert weitere Unterfalle Ist k gt l displaystyle kappa gt lambda nbsp und gibt es ein m lt k displaystyle mu lt kappa nbsp mit m l k displaystyle mu lambda geq kappa nbsp so ist k l m l displaystyle kappa lambda mu lambda nbsp Ist k gt l displaystyle kappa gt lambda nbsp und m l lt k displaystyle mu lambda lt kappa nbsp fur alle m lt k displaystyle mu lt kappa nbsp so ist k l k falls l lt cf k k cf k sonst displaystyle kappa lambda begin cases kappa amp text falls lambda lt operatorname cf kappa kappa operatorname cf kappa amp text sonst end cases nbsp Die Situation vereinfacht sich wenn man ZFC durch die sogenannte Singulare Kardinalzahlen Hypothese erweitert Diese besagt dass fur singulare Kardinalzahlen k displaystyle kappa nbsp mit 2 cf k lt k displaystyle 2 operatorname cf kappa lt kappa nbsp die Gleichung k cf k k displaystyle kappa operatorname cf kappa kappa nbsp bestehen soll wobei k displaystyle kappa nbsp die Nachfolger Kardinalzahl zu k displaystyle kappa nbsp ist Damit lasst sich die Potenz von Kardinalzahlen bereits etwas kompakter darstellen Unter der Annahme der Singulare Kardinalzahl Hypothese gilt fur zwei unendliche Kardinalzahlen k l 2 l falls k 2 l k falls k gt 2 l und cf k l k falls k gt 2 l und cf k gt l displaystyle kappa lambda begin cases 2 lambda amp text falls kappa leq 2 lambda kappa amp text falls kappa gt 2 lambda text und operatorname cf kappa leq lambda kappa amp text falls kappa gt 2 lambda text und operatorname cf kappa gt lambda end cases nbsp Die Singulare Kardinalzahl Hypothese folgt aus der verallgemeinerten Kontinuumshypothese Setzt man sogar letztere voraus erhalt man die denkbar einfachsten Potenzierungsgesetze Unter der Annahme der verallgemeinerten Kontinuumshypothese gilt fur zwei unendliche Kardinalzahlen k l l falls l k k falls cf k l lt k k falls l lt cf k displaystyle kappa lambda begin cases lambda amp text falls lambda geq kappa kappa amp text falls operatorname cf kappa leq lambda lt kappa kappa amp text falls lambda lt operatorname cf kappa end cases nbsp Hausdorff Formel Bearbeiten Ohne zusatzliche Axiome gilt die 1904 von Felix Hausdorff bewiesene und nach ihm benannte Formel ℵ a n ℵ b ℵ a ℵ b ℵ a n displaystyle aleph alpha n aleph beta aleph alpha aleph beta cdot aleph alpha n nbsp fur alle Ordinalzahlen a displaystyle alpha nbsp und b displaystyle beta nbsp und alle naturlichen Zahlen n displaystyle n nbsp 1 Formel von Bernstein Bearbeiten Auf Felix Bernstein geht die auch als Bernsteinscher Alephsatz bezeichnete Formel ℵ n ℵ b 2 ℵ b ℵ n displaystyle aleph n aleph beta 2 aleph beta cdot aleph n nbsp fur alle Ordinalzahlen b displaystyle beta nbsp und alle naturlichen Zahlen n displaystyle n nbsp zuruck 1 die sich leicht aus der Hausdorff Formel ergibt Vergleich mit Ordinalzahlarithmetik BearbeitenZwar werden die Kardinalzahlen als Teilklasse der Ordinalzahlen aufgefasst aber die oben beschriebenen Kardinalzahloperationen sind nicht die Einschrankungen der gleichnamigen Operationen zwischen Ordinalzahlen Bezeichnet man die Ordinalzahloperationen mit einem Punkt so gilt etwa ℵ 0 ℵ 1 ℵ 1 lt ℵ 1 ℵ 0 displaystyle aleph 0 stackrel aleph 1 aleph 1 lt aleph 1 stackrel aleph 0 nbsp fur Kardinalzahlen hingegen gilt nach Obigem ℵ 0 ℵ 1 ℵ 1 ℵ 0 max ℵ 0 ℵ 1 ℵ 1 displaystyle aleph 0 aleph 1 aleph 1 aleph 0 max aleph 0 aleph 1 aleph 1 nbsp Die Ordinalzahl ℵ 1 ℵ 0 displaystyle aleph 1 stackrel aleph 0 nbsp ist nicht einmal eine Kardinalzahl denn ℵ 1 ℵ 0 displaystyle aleph 1 stackrel aleph 0 nbsp ist gleichmachtig zu ℵ 1 displaystyle aleph 1 nbsp aber eine Kardinalzahl ist stets die kleinste unter allen gleichmachtigen Ordinalzahlen Literatur BearbeitenThomas Jech Set Theory 3rd millennium edition revised and expanded corrected 4th print Springer Berlin u a 2006 ISBN 3 540 44085 2 insbesondere Kapitel 5 Dieter Klaua Allgemeine Mengenlehre Ein Fundament der Mathematik Akademie Verlag Berlin 1964 Einzelnachweise Bearbeiten a b s Klaua 1964 VII 38 S 512 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kardinalzahlarithmetik amp oldid 199919656