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Die Kadaververwertungsanstalt englisch German Corpse Factory ist eine britische Grauelpropaganda Geschichte die im Ersten Weltkrieg in Umlauf gebracht wurde 1 Demzufolge war die Kadaververwertungsanstalt eine von den Deutschen betriebene Sondereinrichtung um die Leichen deutscher Soldaten zu Fett zu verwerten Deutschland befand sich 1917 durch die britische Seeblockade in einer Fettknappheit Das menschliche Fett sollte so wurde behauptet weiter zu Nitroglyzerin Kerzen Schmiermittel oder zu Schuhcreme verarbeitet worden sein Die Kadaververwertungsanstalt soll angeblich von der DAVG Deutsche Abfall Verwertungs Gesellschaft betrieben worden sein 2 Der Historiker Adrian Gregory geht davon aus dass die Geschichte auf Geruchten beruhte die seit Jahren im Umlauf waren 3 Die Leichenverbrennungsfabrik war demnach nicht die Erfindung von Propagandisten sondern ein Mythos Karikatur der britischen Satirezeitschrift Punch April 1917 Kaiser Wilhelm II zum Rekruten Und vergessen Sie nicht dass Ihr Kaiser eine Verwendung fur Sie finden wird lebend oder tot Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Erster Weltkrieg 1 2 Nachkriegszeit 1 2 1 Rede von John Charteris 1 3 Zweiter Weltkrieg 2 Studien 3 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenErster Weltkrieg Bearbeiten Die Kadaververwertungsanstalt wurde namentlich das erste Mal am 16 April 1917 in der Londoner Times erwahnt In einem Artikel der Serie Through German Eyes einem Ruckblick auf die deutsche Presse zitieren sie einen Bericht des deutschen Reporters Karl Rosner welcher den ublen Geruch beschreibt der von einer Kadaververwertungsanstalt ausginge In dem Artikel wird allerdings nicht erwahnt ob es sich um menschliche Leichen handelt Am darauffolgenden Tag wurde die Geschichte von der Times mit dem Titel Germans and their Dead zu Deutsch Die Deutschen und ihre Toten und der Daily Mail beide waren damals im Besitz von Lord Northcliffe aufgegriffen Der redaktionellen Einleitung beider Artikel zufolge hatten die belgischen Zeitungen La Belgique und L Independance Belge schon zuvor uber die Kadaververwertungsanstalt berichtet Die belgischen Zeitungen berichteten in ihren Artikeln ausdrucklich von menschlichen Leichen 4 5 6 Dem deutschen Originalartikel zufolge sollen die Leichen mit Zugen zur Fabrik transportiert worden sein die tief in einem Wald lag und von einem Elektrozaun umgeben war Die Leichen sollen angeblich wegen ihres Fettes zerlegt worden sein das dann zu Stearin einer Form von Talg weiterverarbeitet wurde Dieses wurde dann zur Herstellung von Seife verwendet oder zu einem Ol von gelblich brauner Farbe raffiniert 4 Wir fahren durch Evergnicourt Es liegt ein dumpfer Geruch in der Luft als ob Kalk gebrannt wurde Wir kommen an der grossen Kadaververwertungsanstalt vorbei Das Fett das hier gewonnen wird wird zu Schmierolen verarbeitet alles andere wird in der Knochenmuhle zu einem Pulver zermahlen das dem Schweinefutter beigemischt und als Dunger verwendet wird Nach der Veroffentlichung des Artikels erklarte die Times sie habe eine Reihe von Briefen erhalten in denen die Ubersetzung des deutschen Wortes Kadaver in Frage gestellt wird und behauptet wird es werde nicht fur menschliche Korper verwendet Was dies betrifft sind sich die besten Experten einig dass es auch fur Tierkorper verwendet wird Der New York Times zufolge wurde der Bericht von fast allen franzosischen Zeitungen zitiert Als Ausnahme wird der Paris Midi genannt der vermutet dass es sich bei den Kadavern um Tiere handele Die New York Times selbst wies darauf hin dass deutsche Zeitungen traditionell Aprilscherze machen Zudem wurde darauf aufmerksam gemacht dass der Ausdruck Kadaver mit einigen Ausnahmen nicht fur menschliche Leichen gebraucht wird 7 Die Geschichte wurde am 30 April im House of Commons angesprochen allerdings von der damaligen britischen Regierung nicht bestatigt Lord Robert Ceil erklarte dass er uber Zeitungsberichte hinaus keine Informationen habe Er fugte allerdings hinzu dass dies in Anbetracht anderer Aktionen des deutschen Militars keine besondere Anschuldigung sei 4 In den folgenden Monaten kursierte der Bericht weltweit wurde aber nie erweitert oder vertieft Nachkriegszeit Bearbeiten Rede von John Charteris Bearbeiten nbsp John Charteris 1918 Am 20 Oktober 1925 berichtete die New York Times uber eine Rede von Brigadegeneral John Charteris die er am Abend zuvor im National Arts Club gehalten hatte Charteris war damals konservativer Abgeordneter fur Glasgow hatte aber wahrend des Krieges als Chef des britischen Nachrichtendienstes in Frankreich gedient Der Times zufolge erzahlte Charteris seinen Zuhorern dass er die Geschichte mit der Kadaverfabrik erfunden habe um die Chinesen gegen die Deutschen aufzubringen sowie dass er die Bildunterschriften zweier Fotografien die ihm in die Hande fielen vertauscht habe Eines zeigte tote Soldaten die mit dem Zug zur Beerdigung abtransportiert wurden das andere einen Waggon mit Pferden die zu Dunger verarbeitet werden sollten 8 Nach seiner Ruckkehr in das Vereinigte Konigreich dementierte Charteris den Bericht der New York Times in einer Erklarung gegenuber der Times unmissverstandlich und erklarte er wiederhole nur Spekulationen die bereits 1924 in dem Buch These Eventful Years The Twentieth Century veroffentlicht worden waren Das bezog sich auf einen Aufsatz von Bertrand Russell in dem er behauptete Jede Tatsache die einen Propagandawert hatte wurde aufgegriffen wobei man es nicht immer mit der Wahrheit genau nahm So wurde beispielsweise die Behauptung dass die Deutschen menschliche Leichen einkochten um daraus Gelatine und andere nutzliche Substanzen zu gewinnen weltweit verbreitet Diese Geschichte wurde in China weit verbreitet als man die Teilnahme dieses Landes wunschte weil man hoffte dass sie die bekannte chinesische Ehrfurcht vor den Toten erschuttern wurde Die Geschichte wurde zynisch von einem Mitarbeiter der britischen Propagandaabteilung in die Welt gesetzt einem Mann mit guten Deutschkenntnissen der sehr wohl wusste dass Kadaver nicht Leiche sondern Kadaver bedeutet 9 Charteris erklarte er habe lediglich Russells Spekulationen wiederholt und die zusatzlichen Informationen uber das vorgeschlagene gefalschte Tagebuch hinzugefugt Bestimmte Andeutungen und Spekulationen uber den Ursprung der Kadaver Geschichte die bereits in These Eventful Years The Twentieth Century British Encyclopedia Press und anderswo veroffentlicht wurden und die ich wiederholt habe werden zweifellos unbeabsichtigt aber dennoch bedauerlicherweise zu definitiven Tatsachenbehauptungen gemacht und mir zugeschrieben Damit keine Zweifel aufkommen mochte ich sagen dass ich weder die Kadaver Geschichte erfunden noch die Bildunterschriften auf den Fotos geandert oder gefalschtes Material zu Propagandazwecken verwendet habe Die Behauptungen ich hatte dies getan sind nicht nur unrichtig sondern auch absurd da Propaganda in keiner Weise dem B E F Frankreich unterstand wo ich fur die Nachrichtendienste verantwortlich war Ich ware ebenso wie die Offentlichkeit daran interessiert zu erfahren was der wahre Ursprung der Kadaver Geschichte war Das B E F Frankreich schaltete sich erst ein als ein fiktives Tagebuch vorgelegt wurde das die Kadaver Geschichte stutzte Als sich herausstellte dass dieses Tagebuch frei erfunden war wurde es sofort zuruckgewiesen 10 11 2 Sir Austen Chamberlain stellte schliesslich klar dass die britische Regierung von der Unwahrheit der Geschichte uberzeugt sei als er in einer Antwort im Parlament am 2 Dezember 1925 erklarte der deutsche Reichskanzler habe ihn ermachtigt im Namen der deutschen Regierung zu sagen dass es fur die Geschichte nie eine Grundlage gegeben habe und dass er diese Erklarung im Namen der Regierung Seiner Majestat akzeptiere Die These dass es sich bei der Kadaververwertungsanstalt um eine Erfindung der britischen Propaganda handele erhielt weite Verbreitung durch Arthur Ponsonbys 1928 erschienenes einflussreiches Buch Falsehood in War Time Die angeblichen Ausserungen von Charteris aus dem Jahr 1925 lieferten Adolf Hitler spater Propagandamaterial um die britische Bevolkerung als Lugner darzustellen die erfundene Geschichten uber Kriegsverbrechen verbreiteten 6 Zweiter Weltkrieg Bearbeiten Der weit verbreitete Glaube dass die Kadaververwertungsanstalt zu Propagandazwecken erfunden worden war wirkte sich wahrend des Zweiten Weltkriegs negativ auf die Geruchte uber den Holocaust aus In einem der ersten Berichte vom September 1942 dem sogenannten Sternbuch Telegramm hiess es dass die Deutschen in Warschau etwa hunderttausend Juden auf bestialische Weise ermordeten und dass aus den Leichen der Ermordeten Seife und Kunstdunger hergestellt werden 4 Victor Cavendish Bentinck Vorsitzender des britischen Joint Intelligence Committee bemerkte dass diese Berichte den Geschichten uber die Verwendung menschlicher Leichen wahrend des letzten Krieges fur die Herstellung von Fett die eine groteske Luge war zu sehr ahnelten Ebenso kommentierte The Christian Century dass die Parallele zwischen dieser Geschichte und der Grauelerzahlung des Ersten Weltkriegs zu auffallig ist um ubersehen zu werden Der deutsche Wissenschaftler Joachim Neander stellt fest Es besteht kein Zweifel dass die angebliche kommerzielle Nutzung der Leichen der ermordeten Juden die Glaubwurdigkeit der aus Polen kommenden Nachrichten untergrub und Massnahmen verzogerte die viele judische Leben hatten retten konnen 4 Studien BearbeitenDie meisten Historiker unterstutzen die Ansicht dass die Geschichte aus Geruchten entstand die unter Truppen und Zivilisten in Belgien kursierten und keine Erfindung der britischen Propagandamaschine war Sie wurde vom Gerucht zur scheinbaren Tatsache nachdem im Berliner Lokal Anzeiger der Bericht uber eine echte Leichenverarbeitungsfabrik erschienen war Der zweideutige Wortlaut des Berichts erlaubte es den belgischen und britischen Zeitungen ihn als Beweis fur die Geruchte zu interpretieren dass menschliche Leichen verwendet wurden 6 Adrian Gregory aussert sich ausserst kritisch zu Ponsonbys Darstellung in Falsehood in War Time und argumentiert dass die Geschichte wie viele andere antideutsche Grauelgeschichten von einfachen Soldaten und Mitgliedern der Offentlichkeit stammte Der Prozess sei eher von unten nach oben als von oben nach unten verlaufen und bei den meisten falschen Grauelgeschichten habe die Offentlichkeit die Presse in die Irre gefuhrt anstatt dass eine finstere Propagandamaschine der Presse eine unschuldige Offentlichkeit getauscht habe 3 Einzelnachweise Bearbeiten The corpse factory and the birth of fake news In BBC News 17 Februar 2017 bbc com abgerufen am 9 November 2022 a b Corpse Factories in Germany Abgerufen am 9 November 2022 a b Adrian Regory The Last Great War Cambridge Oxford 2008 ISBN 978 0 521 72883 6 S 57 a b c d e Joachim Neander The German Corpse Factory The Master Hoax of British Propaganda in the First World War PDF In Theologie Geschichte Abgerufen am 9 November 2022 englisch Stephen Badsey The German Corpse Factory a study in First World War Propaganda Helion And Company 2014 ISBN 978 1 909982 66 6 a b c Randal Marlin Propaganda and the Ethics of Persuasion Broadview Press 2002 ISBN 978 1 55111 376 0 Cadavers not human PDF In New York Times New York Times 20 April 1917 abgerufen am 9 November 2022 englisch Phillip Knightley The First Casualty the War Correspondent as Hero and Myth maker from the Crimea to Kosovo 2000 ISBN 1 85375 376 9 S 105 Franklin Henry Hooper These eventful years the twentieth century in the making as told by many of its makers being the dramatic story of all that has happened throughout the world during the most momentous period in all history The Encyclopedia Britannica Company ltd Encyclopedia Britannica inc London New York 1924 hathitrust org abgerufen am 9 November 2022 Guardian Staff First world war corpse factory propaganda revealed archive 26 October 1925 26 Oktober 2015 abgerufen am 9 November 2022 englisch John Charteris War Propaganda Hrsg The Times 4 November 1925 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kadaververwertungsanstalt amp oldid 233550627