www.wikidata.de-de.nina.az
Justinian II mittelgriechisch Ἰoystinianos Bʹ 668 669 711 in der Nahe von Damatrys in Bithynien 1 mit dem Beinamen Rhinotmetos Ῥinotmhtos mit der abgeschnittenen Nase war byzantinischer Kaiser 685 695 und 705 711 Mit ihm endete die Herakleische Dynastie Auf der Ruckseite dieses Solidus der wahrend der zweiten Regierungszeit Justinians gepragt wurde tragt der Kaiser einen Globus mit der Aufschrift PAX Frieden Auf der Vorderseite ist Christus abgebildet Inhaltsverzeichnis 1 Familie 2 Aussen und Siedlungspolitik 3 Religionspolitik 4 Innenpolitik und Sturz 5 Exil und Ruckkehr 6 Zweite Regierungszeit 7 Rezeption und Einschatzung in der Forschung 8 Literatur 9 Weblinks 10 AnmerkungenFamilie BearbeitenJustinian war der altere der beiden Sohne des wegen seiner uberragenden militarischen Erfolge popularen Kaisers Konstantin IV Konstantin hatte zwei jungere Bruder Herakleios und Tiberios denen er die Nasen abschneiden liess um sie nach damaligem Brauch fur die Kaiserwurde zu disqualifizieren und so seine Alleinherrschaft und die Thronfolge seines Sohnes zu sichern Als Konstantin 685 im Alter von etwa 33 Jahren an Dysenterie starb konnte der etwa sechzehnjahrige Justinian problemlos den Thron besteigen Justinian war mit einer Frau unbekannter Herkunft namens Eudokia verheiratet diese Kaiserin starb noch vor dem Ende des 7 Jahrhunderts Mit ihr hatte er eine Tochter 2 Aussen und Siedlungspolitik Bearbeiten nbsp Die Themen in den 750er JahrenDer neue Herrscher hatte sich zunachst mit zwei vordringlichen Gefahren zu befassen der anhaltenden arabischen Expansion und der kriegsbedingten Entvolkerung strategisch wichtiger Regionen in denen sich Angehorige fremder Volker ansiedeln konnten Eine grosse Gefahr fur das Reich war die slawische und bulgarische Besiedlung der bereits Sklavinia genannten Gebiete sudlich der Donau Diesen Herausforderungen wollte Justinian durch eine Kombination von militarischem Vorgehen mit einer grossangelegten Umsiedlungspolitik begegnen Dabei erzielte er aber nur Teilerfolge Nach einem erfolgreichen Feldzug gegen die Slawen 688 siedelte er Zehntausende von unterworfenen Slawen und Bulgaren als Wehrbauern im Thema von Opsikion in Kleinasien an Etwa um diese Zeit kam es auch zu Kampfen mit den Arabern die fur die byzantinische Seite vorteilhaft verliefen Darauf bat der Kalif Abd al Malik 688 689 um Frieden 3 Die beiden Herrscher einigten sich auf eine gemeinsame Verwaltung Zyperns und halftige Teilung der dortigen Steuereinkunfte ausserdem verpflichteten sich die Araber zu regelmassiger Tributzahlung Die Regelung fur Zypern erwies sich trotz aller folgenden Kriege als langfristig stabil 4 Mit der Ubersiedlung eines grossen Teils der christlichen Mardaiten aus dem Libanon ins byzantinische Gebiet die im Einvernehmen mit dem Kalifen erfolgte konnte Justinian entvolkerte Gebiete starken Zugleich entlastete er aber den arabischen Feind dem mardaitische Widerstandskampfer erhebliche Schwierigkeiten bereitet hatten 5 Der Frieden mit dem Kalifen hielt nur wenige Jahre Justinian holte Bewohner Zyperns aufs Festland und siedelte sie in der neu gegrundeten nach ihm benannten Stadt Nea Justinianopolis lateinisch Nova Justiniana im Gebiet von Kyzikos an Mit dieser einseitigen Aktion verringerte Justinian die Steuereinkunfte des Kalifen aus Zypern Der Kalif protestierte erfolglos 6 Zur Verschlechterung der Beziehungen trug anscheinend auch der Umstand bei dass der Kaiser erstmals in der byzantinischen Geschichte Munzen mit dem Bild Christi pragen liess was fur die Muslime eine Provokation darstellte 7 Die Araber beschuldigten Justinian des Vertragsbruchs und griffen an Auch byzantinische Geschichtsschreiber geben dem Kaiser die Schuld am Kriegsausbruch doch der tatsachliche Verlauf der Ereignisse ist unklar 8 Bei Sebastoupolis heute Sulu Saray nordwestlich von Sebasteia heute Sivas kam es im Fruhjahr 693 zur Schlacht Der arabische Feldherr Muhammad ibn Marwan ein Bruder des Kalifen brachte den Byzantinern eine schwere Niederlage bei Entscheidend fur den Ausgang der Schlacht war dass die zum Kampf zwangsrekrutierten umgesiedelten Slawen zu den Arabern uberliefen Darauf mussten die Byzantiner Teile des bisher von ihnen beherrschte Themas Armeniakon raumen Die Kampfe gegen Muhammad waren 695 noch im Gange 9 Religionspolitik BearbeitenIm Osten des Reiches hatte sich die Glaubenslehre der haretischen Paulikianer unter Simeon Titus seit dem Tod ihres Apostels Konstantin von Mananalis weiter verbreitet sodass Justinian II 690 befahl deren Anhanger zu verfolgen und zu toten Simeon Titus wurde 694 gefangen genommen und wie viele seiner Anhanger auf einem Scheiterhaufen verbrannt 691 berief der Kaiser ein Konzil ein das Quinisextum oder Trullanum II das als Okumenisches Konzil gedacht war Mit den Konzilsbeschlussen die das Staatskirchenrecht erneuern und vereinheitlichen sollten wollte er Unterschiede zwischen der ostlichen und der westlichen Kirche durch ein Machtwort beseitigen Papst Sergius I verweigerte jedoch seine Zustimmung Nach der Darstellung des Liber Pontificalis wollte Justinian den Papst verhaften und nach Konstantinopel bringen lassen der byzantinische Beauftragte scheiterte jedoch am entschlossenen Widerstand der Romer und papsttreuer Milizen Diese Schilderung aus papstlicher Sicht mag ubertrieben sein doch endete der Konflikt offenbar mit einem Fehlschlag der Kirchenpolitik Justinians Im Ergebnis wurden die Gegensatze nicht beseitigt sondern verscharft Innenpolitik und Sturz BearbeitenAls Verdienste Justinians werden das Bauerngesetz nomos georgikos und eine Steuerreform betrachtet Allerdings ist unklar ob das dem Schutz des Eigentums freier Bauern dienende Bauerngesetz eine legislative Neuerung Justinians oder nur eine Aufzeichnung von damals bereits geltendem Recht war 10 Die Steuerreform Abschaffung des spatantiken Steuersystems und Einfuhrung einer Herdsteuer 11 war zwar sinnvoll verschaffte dem Kaiser aber keine Popularitat Bei den Vornehmen und Wohlhabenden machte er sich durch rucksichtslose Steuereintreibungen bei denen auch gefoltert wurde verhasst Sein grosser Geldbedarf hing unter anderem mit kostspieligen Bauprojekten zusammen mit denen er seinem Vorbild Justinian I nacheiferte So zerbrockelte seine Machtbasis und 695 gelang es seinen Gegnern durch eine Intrige eine Revolution der hauptstadtischen Bevolkerung auszulosen Es wurde behauptet der Kaiser wolle den Patriarchen ermorden lassen und in Konstantinopel ein Massaker veranstalten Dieses haltlose Gerucht wurde sofort geglaubt Justinian wurde festgenommen ihm wurde im Hippodrom offentlich die Nase abgeschnitten und er wurde nach Chersones auf der Krim in der Nahe des heutigen Sewastopol verbannt 12 Exil und Ruckkehr BearbeitenAus Chersones fluchtete Justinian ins Reich der damals noch heidnischen Chasaren deren Herrscher Khagan ihn ehrenvoll aufnahm und ihm seine Schwester zur Frau gab 13 Sie wurde getauft und erhielt den Namen der beruhmten Frau Justinians I Theodora Das Paar liess sich in der Stadt Phanagoria nieder Nach der in Byzanz herrschenden Auffassung war eine solche Ehe nicht standesgemass 14 Als die Byzantiner unter Tiberios II auf Justinians Auslieferung oder Totung drangten gab der Khagan ihnen nach und versuchte seinen Schwager ermorden zu lassen Justinian wurde jedoch gewarnt und konnte fliehen wahrend seine Frau an den Hof ihres Bruders zuruckkehrte 15 Justinian floh zusammen mit einigen Vertrauten mit einem Fischerboot aus Phanagoria uber das Schwarze Meer an die Donaumundung zu den Bulgaren die damals noch keine Christen waren und verbundete sich mit deren Khan Terwel Justinian hatte Terwel fur dessen Hilfe seine Tochter zur Frau versprochen Im Fruhjahr 705 konnten er und Terwel mit einem bulgarischen Heer nach Konstantinopel vordringen 16 Nach dreitagiger Belagerung drang Justinian durch einen Aquadukt in die Stadt ein Der uberraschte Kaiser Tiberios II leistete kaum Widerstand Zweite Regierungszeit BearbeitenSo bestieg Justinian zum zweiten Mal den Thron Er liess nun seine Frau Theodora aus dem Chasarenreich holen und kronen und versohnte sich mit seinem Schwager Theodora war die erste Kaiserin auslandischer Herkunft Ihr Sohn Tiberios war in Justinians Abwesenheit geboren worden er wurde zum nominellen Mitkaiser erhoben und auf Munzen zusammen mit Justinian abgebildet 17 Angeblich trat Justinian Terwel zum Dank das byzantinische Gebiet Zagoria Zagorje ab dies wird von der Forschung aber als unglaubwurdig eingeschatzt 18 Jedenfalls erhielt Terwel den Titel Caesar Dieser Titel wurde gewohnlich Personen verliehen die mit dem Kaiser verwandt oder verschwagert waren mit einem Anspruch auf die Thronfolge war er damals nicht mehr verbunden auch nicht mit konkreten Machtbefugnissen Terwel war der erste Auslander der diesen Titel erhielt 19 Er kehrte in sein Reich zuruck als dessen legitimer Herrscher er nun von Byzanz anerkannt war In seiner zweiten Regierungszeit entfaltete Justinian ein Terrorregime mit Massenhinrichtungen Die ehemaligen Kaiser Leontios 695 698 und Tiberios II 698 705 die wahrend seiner Verbannungszeit regiert hatten wurden nach einer eindrucksvoll inszenierten offentlichen Demutigung hingerichtet der Patriarch Kallinikos I abgesetzt und geblendet 708 richtete er sich in der Schlacht von Anchialos gegen seinen ehemaligen Helfer Terwel um das Gebiet Zagoria wieder zu unterwerfen Justinian wurde jedoch von den Bulgaren geschlagen und musste in der dritten Nacht nach der Schlacht auf einem Schiff fliehen Unklar sind die Hintergrunde einer byzantinischen Strafexpedition gegen die eigene Exarchatshauptstadt Ravenna Infolge dieser Schwachung des Reichs konnten die Araber im Nordwesten Afrikas weiter vordringen und dessen letzte verbliebene Aussenposten auf dem afrikanischen Festland u a Septem einnehmen Damit endete die byzantinische Herrschaft im Maghreb Die Umstande die schliesslich zum erneuten Sturz Justinians fuhrten sind mysterios 711 sandte der Kaiser wiederholt Flotten nach Cherson angeblich um sich fur die Haltung der Stadtbewohner wahrend seiner dortigen Verbannungszeit zu rachen Ein anderer wohl wichtigerer Grund war dass sein chasarischer Schwager im Einvernehmen mit einem Teil der Stadtbevolkerung versuchte Cherson unter seine Kontrolle zu bringen Justinians Truppen konnten die Stadt zunachst unterwerfen verbundeten sich dann jedoch mit den Einwohnern und den Chasaren Darauf entsandte er eine neue Flotte Diese Truppen belagerten zunachst die Stadt schlossen sich dann jedoch der Rebellion an und die Flotte der Aufstandischen segelte nach Konstantinopel 20 Sie konnten die Hauptstadt muhelos einnehmen denn Justinian hatte keine Verteidiger mehr Vergeblich versuchte er von Kleinasien aus mit Unterstutzung von Terwels Truppen 3000 Mann Widerstand zu mobilisieren Er wurde kampflos gefangen genommen und gekopft Sein Kopf wurde nach Rom und Ravenna geschickt und dort ausgestellt Man totete auch seinen einzigen Sohn den sechsjahrigen Thronfolger Tiberios 21 Neuer Kaiser wurde Philippikos Bardanes der den Aufstand in Cherson angefuhrt hatte Rezeption und Einschatzung in der Forschung BearbeitenAlle byzantinischen Geschichtsschreiber allerdings ist kein zeitgenossisches Werk erhalten wenngleich die Chronik des Traianos Patrikios von Theophanes benutzt wurde beurteilen die Regierung Justinians negativ Er wird als grausamer Tyrann geschildert Die Chroniken spiegeln die Haltung der vornehmen und wohlhabenden Kreise wider die unter der Steuereintreibung des Kaisers gelitten hatten und seiner ihm feindlichen Nachfolger Wegen dieser Einseitigkeit sind ihre Berichte nur begrenzt glaubwurdig Allerdings vermitteln auch westliche Quellen ein sehr ungunstiges Bild 22 Vor allem wird Justinian Rachsucht vorgeworfen und die grosse Zahl der von ihm angeordneten Hinrichtungen betont wobei manche Angaben ubertrieben sind Die moderne Forschung bemuht sich um ein ausgewogenes Urteil Unstrittig ist dass Justinian in beiden Regierungszeiten durch eigenes Versagen entscheidend zum Scheitern seiner Politik beigetragen hat Beim Tode seines Vaters hatte er eine innen und aussenpolitisch vorteilhafte Lage vorgefunden das Ansehen der Dynastie war hoch Mit seiner Schroffheit und der Harte seiner Massnahmen schuf er sich unzahlige Feinde Zum Verhangnis wurde ihm seine Unfahigkeit Konsens aufzubauen und die Loyalitat der von seinen Anordnungen Betroffenen zu gewinnen Bezeichnenderweise vollzog sich sein Sturz sowohl 695 als auch 711 schnell und kampflos In beiden Krisen wandten sich die Massen gemeinsam mit den Vornehmen gegen ihn und niemand wollte fur ihn kampfen Dass er als verstummelter und allgemein verhasster Fluchtling auslandische Unterstutzung mobilisierte und erneut an die Macht kam zeugt von seiner ausserordentlichen Tatkraft die seinen Mangel an Weitsicht aber nicht kompensieren konnte Nachdem sich gezeigt hatte dass auch ein Verstummelter regieren konnte gaben die Byzantiner die zuvor beliebte Massnahme des Nasenabschneidens auf Literatur BearbeitenPeter Crawford Justinian II Barnsley 2021 ISBN 978 1526755308 Jan Louis van Dieten Justinian II Rhinotmetos In Biographisches Lexikon zur Geschichte Sudosteuropas Band 2 Munchen 1976 S 314 316 John F Haldon The Empire That Would Not Die The Paradox of Eastern Roman Survival 640 740 Harvard University Press Cambridge Massachusetts 2016 John F Haldon Byzantium in the Seventh Century 2 Auflage Cambridge 1997 ISBN 0 521 31917 X Constance Head Justinian II of Byzantium Madison 1972 ISBN 0 299 06030 6 Maria Leontsine Justinian II In Alexios G Savvides Benjamin Hendrickx Hrsg Encyclopaedic Prosopographical Lexicon of Byzantine History and Civilization Bd 3 Faber Felix Juwayni Al Brepols Publishers Turnhout 2012 ISBN 978 2 503 53243 1 S 422 425 Ralph Johannes Lilie Claudia Ludwig Thomas Pratsch Ilse Rochow Beate Zielke Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit 1 Abteilung 641 867 Band 2 Georgios 2183 Leon 4270 Nach Vorarbeiten F Winkelmanns erstellt Herausgegeben von der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften De Gruyter Berlin 2000 ISBN 3 11 016672 0 S 430 434 Nr 3556 Andreas N Stratos Byzantium in the Seventh Century Bd 5 Amsterdam 1980 ISBN 90 256 0852 3Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Justinian II Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien R Scott Moore Kurzbiografie englisch bei De Imperatoribus Romanis mit Literaturangaben Anmerkungen Bearbeiten Zum Ort siehe Head S 146 148 Head S 29 Stratos S 7 Head S 33 Stratos S 22f meint dass die Friedensverhandlungen bereits 687 begannen Head S 33f Head S 34 36 Stratos S 23f Head S 45 47 Stratos S 33 Head S 48 50 vgl Stratos S 31f Head S 45 50 Stratos S 30 34 Head S 50 Stratos S 34 39 Head S 84 87 Stratos S 62f Head S 90f Stratos S 64f Head S 92 96 Stratos S 69 74 Der Name des Khagans wird griechisch mit Ibouzeros Gliabanos wiedergegeben in seiner eigenen Sprache hiess er vielleicht Ibuzir Glavan Die Angabe es sei nicht seine Schwester sondern seine Tochter gewesen durfte auf einem Missverstandnis beruhen Siehe dazu Head S 102 105 Stratos S 105 Head S 104 106 119 Head S 106 107 Zur Datierung Head S 110 Head S 119 122 Stratos S 126 129 Head S 123 Stratos S 120f Stratos S 119f Head S 142 148 Stratos S 157 171 Head S 149 Stratos S 176f Stratos S 3f VorgangerAmtNachfolgerKonstantin IV Kaiser von Byzanz 685 695LeontiosTiberios II Kaiser von Byzanz 705 711Philippikos BardanesNormdaten Person GND 120174952 lobid OGND AKS LCCN n98082251 VIAF 100262830 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Justinian II ALTERNATIVNAMEN RhinotmetosKURZBESCHREIBUNG Kaiser des byzantinischen ReichesGEBURTSDATUM 668 oder 669STERBEDATUM 711STERBEORT Damatrys in Bithynien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Justinian II amp oldid 237389963