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Die konfessionellen Ausnahmeartikel in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft konfessionellen Ausnahmeartikel oder kurz nur Ausnahmeartikel waren eine Reihe von ehemaligen Artikeln in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Die Artikel beschrankten die Glaubens und Gewissensfreiheit einseitig indem sie bestimmten Landeskirchen insbesondere der romisch katholischen gewisse Rechte explizit absprachen Die Errichtung von neuen Bistumern in der Schweiz war lange Zeit praktisch nicht moglich Inhaltsverzeichnis 1 Ursprung 2 Verfassung von 1874 2 1 Artikel 50 alte BV Artikel 72 neue BV 2 2 Artikel 51 und 52 alte BV Jesuitenartikel 2 3 Artikel 75 alte BV 3 Heute 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseUrsprung BearbeitenDen Ursprung hatten die Ausnahmeartikel im Kulturkampf des 19 Jahrhunderts Damals stritten sich die liberalen Krafte mit den katholisch konservativen um die Staatsmacht Dies fuhrte zunachst zum Sonderbundskrieg in dessen Folge die erste Schweizer Bundesverfassung von 1848 entstand Diese enthielt einen Artikel der den Jesuiten und ihren affiliierten Gesellschaften samtliches Wirken in Staat und Kirche verbot Auch in Deutschland war der Orden von 1872 bis 1917 verboten Jesuitengesetz Ahnliche Jesuitenverbote waren bereits zuvor in verschiedenen anderen Staaten Europas eingefuhrt worden Mit der Bundesverfassung von 1848 war der Kulturkampf nicht beendet sondern brach in den 1870er Jahren nochmal aus als sich Bundesrat und Kirche um die Aufteilung der Schweizer Bistumer und die Machtanspruche der katholischen Kirche stritten Verfassung von 1874 BearbeitenDie zweite Schweizer Bundesverfassung von 1874 die durch eine Volksabstimmung eingefuhrt wurde gewahrte erstmals in grosserem Umfang Religionsfreiheit Sie nahm aber auch kulturkampferische also gegen die katholische Kirche gerichtete Artikel auf Die Befurworter dieser Artikel sahen sie als Massnahmen zum Schutz des Religionsfriedens die Mehrheit der Schweizer Katholiken empfand sie hingegen als Diskriminierung Artikel 50 alte BV Artikel 72 neue BV Bearbeiten Der 1874 eingefuhrte Artikel 50 war eine direkte Folge des vorangehenden Konfliktes des schweizerischen Bundesrates mit dem Papst und mehreren einflussreichen Geistlichen siehe Kulturkampf in der Schweiz Er verbot in Absatz 4 die Errichtung von Bistumern auf dem Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft ohne ausdruckliche Genehmigung des Bundes 1962 reichte Alfred Ackermann eine Motion ein wonach der Bistumsartikel zu streichen sei Er hatte damit jedoch keinen Erfolg Die Regelung wurde 1999 gegen den Widerstand der katholischen Kirche als Artikel 72 Absatz 3 auch in die neue Bundesverfassung aufgenommen Erst in der Volksabstimmung vom 10 Juni 2001 wurde der Absatz als letzter konfessioneller Ausnahmeartikel ersatzlos gestrichen In der Volksabstimmung vom 29 November 2009 wurde als Folge des Schweizer Minarettstreits ein neuer Ausnahmeartikel der Bundesverfassung hinzugefugt Der neue Artikel 72 Absatz 3 verbietet den Bau von Minaretten in der Schweiz Artikel 51 und 52 alte BV Jesuitenartikel Bearbeiten Die Artikel 51 und 52 der Bundesverfassung von 1874 verboten den Jesuitenorden sowie generell die Errichtung oder Wiedererrichtung von Klostern Diese wurden auch als Jesuitenartikel bezeichnet 1 2 Bereits 1919 verlangte der katholisch konservative Nationalrat Jean Marie Musy die Aufhebung dieser Artikel in einer Motion Diese wurde bis 1947 verschleppt und schliesslich abgeschrieben Nach 1950 begann jedoch ein Umdenken jetzt beurteilten auch nicht katholische Staatsrechtler wie Werner Kagi oder Francois Aubert die Artikel als unhaltbar und diskriminierend In der Praxis wurden die Artikel auch immer liberaler ausgelegt so dass etwa Priorate toleriert waren Ludwig von Moos reichte 1954 eine Motion ein wonach diese beiden Artikel ersatzlos zu streichen seien In der Volksabstimmung vom 20 Mai 1973 wurde der Bundesbeschluss uber die Aufhebung des Jesuiten und des Klosterartikels der Bundesverfassung angenommen und damit diese Artikel aus der Verfassung gestrichen 54 9 Prozent der Stimmberechtigten sprachen sich fur eine Aufhebung aus 45 1 Prozent dagegen Das Standemehr wurde mit 16 1 2 annehmenden gegenuber 5 1 2 verwerfenden erreicht 3 Artikel 75 alte BV Bearbeiten Der Artikel 75 der Bundesverfassung von 1874 besagte Wahlfahig als Mitglied des Nationalrates ist jeder stimmberechtigte Schweizer Burger weltlichen Standes Art 75 BV von 1874 Damit waren Geistliche aller Kirchen in diesem Fall auch der reformierten Landeskirche von der Wahl in den Nationalrat ausgeschlossen Da gemass Artikel 96 nur in den Bundesrat wahlfahig ist wer auch das passive Wahlrecht fur den Nationalrat hat konnte auch kein Geistlicher in die Landesregierung gewahlt werden Eine Wahl in den Standerat war grundsatzlich moglich da das Wahlrecht fur den Standerat Sache der jeweiligen Kantone ist Artikel 75 wurde bei der Neuausarbeitung der Bundesverfassung 1999 nicht mehr aufgenommen und stillschweigend abgeschafft Heute BearbeitenDie Ausnahmeartikel die als Ergebnis des Kulturkampfes eingefuhrt wurden sind inzwischen alle abgeschafft Mit der Einfuhrung des Minarettartikels 2009 wurde jedoch wieder eine Einschrankung eingefuhrt die sich gegen ein bestimmtes religioses Bekenntnis richtet diesmal gegen den Islam Am 7 Marz 2021 wurde die eidgenossische Volksinitiative Ja zum Verhullungsverbot angenommen die sich gegen das Tragen von Gesichtsverhullungen durch Muslima richtet Literatur BearbeitenAlan Canonica Die Aufhebung der konfessionellen Ausnahmeartikel Vom meterhohen Schutt des konfessionellen Haders In Schweizerische Zeitschrift fur Geschichte 59 4 2009 S 423 440 Digitalisat Kurt Guggisberg Der Jesuitenartikel Warum erhielt Art 51 in der heute noch geltenden 74er Verfasser eine verscharfte Form Zollikon EVZ 1956 Konfessionskundliche Schriftenreihe hrsg vom Schweizerischen Protestantischen Volksbund Heft 2 Marco Jorio Ausnahmeartikel In Historisches Lexikon der Schweiz 28 Juli 2008 Alfred Kolz Neuere Schweizerische Verfassungsgeschichte Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848 Stampfli Verlag Bern 2004 Klaus Schatz Geschichte der Schweizer Jesuiten 1947 1983 Aschendorff Munster 2017 Unterholz der Seele In Der Spiegel 49 1969 1 Dezember 1969 abgerufen am 9 Oktober 2022 Weblinks BearbeitenKonfessionelle Ausnahmeartikel Schweizerische Bundesverfassung von 1874 auf der Website geschichte schweiz chEinzelnachweise Bearbeiten Konfessionelle Ausnahmeartikel siehe Weblink Guggisberg 1956 Schweizerische Bundeskanzlei Volksabstimmung vom 20 Mai 1973 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Konfessionelle Ausnahmeartikel in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft amp oldid 239459339 Artikel 51 und 52 alte BV Jesuitenartikel