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Jean Pierre Hocke 31 Marz 1938 in Lausanne 26 Juli 2021 ebenda 1 war ein Schweizer Diplomat und Hoher Fluchtlingskommissar der Vereinten Nationen Jean Pierre Hocke 1996 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Vorleben 1 2 Hochkommissar fur Fluchtlinge 1 2 1 Wahl 1 2 2 Amtsdauer 1 2 3 Tatigkeit 1 2 4 Sturz 1 3 Nachleben 2 Ehrungen 3 Quellen 3 1 Weblinks und Literatur 3 2 EinzelnachweiseLeben BearbeitenVorleben Bearbeiten Der Waadtlander Jean Pierre Hocke verbrachte seine gesamte Schul und Studienzeit in seiner Geburtsstadt und erwarb 1961 an der Universitat Lausanne ein Diplom in Wirtschaftswissenschaften 1 Er arbeitete zunachst als Handelslehrer an einem Gymnasium sowie in der Privatwirtschaft Drei Jahre lang war er in Nigeria als Handelsagent fur eine grosse franzosische Import Export Gesellschaft tatig Ab 1968 arbeitete er fur das Internationale Komitees vom Roten Kreuz IKRK wurde 1973 Generalbeauftragter des IKRK fur den Mittleren Osten und von 1976 bis 1979 Direktor der Operationsabteilung des IKRK 2 In dieser Funktion managte er alle Feldeinsatze des IRK Personlich hatte Hocke Missionen im Libanon und in Jordanien 1973 Zypern 1974 Angola 1975 und 1981 Vietnam 1975 1978 und Kambodscha 1979 1980 sowie in Lateinamerika 1982 und in Athiopien 1984 geleitet Internationale Kritik riskierte er 1979 80 als sich das IKRK mit Hilfsguteroperationen fur die Fluchtlinge an der thailandischen Grenze engagierte und nur mit Muhe einer Versorgung der militarischen Lager der Roten Khmer entziehen konnte Hocke galt als durchsetzungsstark entscheidungsfreudig und ideenreich und war unter Genfer Journalisten beliebt obwohl er nicht zum politischen Establishment der Schweiz gehorte Hochkommissar fur Fluchtlinge Bearbeiten Wahl Bearbeiten Nach schwierigen internationalen Abstimmungen wurde Hocke Ende 1985 auf amerikanischen Vorschlag zum Leiter des UNO Hochkommissariats fur das Fluchtlingswesen UNHCR gewahlt wobei er sich unter anderem gegen den spateren UNO Generalsekretar Boutros Ghali durchsetzte Andere Mitbewerber waren der Niederlander Max van der Stoel der Norweger Tom Vraalsen der Schwede Carsten Thunborg und der Finne Martti Ahtisaari Besonders die Vereinigten Staaten hatten sich im Vorfeld fur Hockes Wahl starkgemacht da sich die Reagan Administration von ihm eine Senkung des amerikanischen Beitrags zum UN Haushalt erhoffte Mit Hocke ubernahm zum dritten Mal ein Schweizer das Amt des Hochkommissars fur Fluchtlinge und damit eine fuhrende Position in einer Nebenorganisation der Vereinten Nationen obwohl die Schweiz damals selbst noch nicht Mitglied der Vereinten Nationen war 3 4 Amtsdauer Bearbeiten Am 1 Januar 1986 wurde er von UNO Generalsekretar Javier Perez de Cuellar als Nachfolger des 72 jahrigen Danen Poul Hartling der das Amt sieben Jahre lang ausgeubt und auf eine weitere Amtszeit verzichtet hatte zum Hohen Fluchtlingskommissar der Vereinten Nationen ernannt 5 Er bekleidete das Amt uber zwei Wahlperioden bis zu seinem Rucktritt zum Jahresende 1989 6 Tatigkeit Bearbeiten Wahrend seiner Amtszeit dauerte die Krise um Fluchtlinge aus Indochina die sogenannten Boatpeople weiter an Der umfassende Handlungsplan der in dieser Zeit erarbeitet wurde begrundete zum einen Verfahrensbestimmungen fur einen regionalen Fluchtlingsstatus sowie die Forderung einer freiwilligen Ruckkehr nach Vietnam Des Weiteren spielte er eine wichtige Rolle bei der Implementierung des CIREFCA Prozesses in Zentralamerika Conferencia Internacional sobre Refugiados Centroamericanos Zentralamerikanische Fluchtlingskonferenz um den Frieden in dieser Region zu konsolidieren Die Ausweitung von Hilfestellungen erfasste dabei nicht nur Ruckkehrer sondern auch die im weiteren Sinne von den Kampfen und Auseinandersetzungen betroffene Bevolkerung Ausserdem war das von ihm geleitete UNHCR massgeblich fur die Errichtung und Verwaltung grosser Fluchtlingslager fur athiopische Fluchtlinge im Sudan sowie fur somalische Fluchtlinge in Athiopien verantwortlich Hocke scheute nicht davor zuruck die Unterstutzung der somalischen Lager zeitweilig auszusetzen als er erfuhr dass die somalische Regierung die Anzahl der in ihren Lagern versorgten Menschen doppelt so hoch wie real angegeben hatte um Hilfsgelder fur die Ausrustung ihrer Armee abzuzweigen Hocke drangte die UN Verantwortlichen und Geberlander mehr Anstrengungen zur Beseitigung von Fluchtursachen zu unternehmen Es sei nicht genug Nachbarlander zur Aufnahme und Asylgewahrung aufzufordern um chronische Fluchtlingskrisen wie den Daueraufenthalt afghanischer Fluchtlinge in Pakistan zu beenden Vielmehr gelte es Armut und Verfolgungen in den Herkunftslandern effektiv zu bekampfen Hockes Amtszeit fiel in eine Phase in der die Grossmachte aufgrund der Entspannung zwischen den Blocken zunehmend das Interesse an den im Rahmen des Kalten Krieges gefuhrten Stellvertreterkriegen wie beispielsweise in Afghanistan verloren Regierungen wie die der USA zeigten deshalb immer weniger Bereitschaft Geld fur die politisch nicht mehr interessanten Fluchtlingsbelange bereitzustellen und versuchten ihre Beitrage zuruckzufahren Ein Besuch in der Bundesrepublik Deutschland im November 1987 beeindruckte ihn positiv Im Januar 1988 liess er daraufhin eine Auflage von 140 000 Exemplaren der UNO Zeitschrift Refugee einstampfen weil ihm eine kritische Reportage uber die deutsche Asylpolitik missfiel Fluchtlingsorganisationen warfen Hocke vor er zeige zu viel Verstandnis fur die restriktive Fluchtlingspolitik mancher Lander und setze sich zu wenig fur den Rechtsschutz der Asylsuchenden ein Kritisch wurde auch in der Ruckschau die Rolle Hockes und des UNHCR fur die Behandlung der vietnamesischen Fluchtlinge in Hongkong bewertet von denen viele die Amerikaner im Vietnamkrieg unterstutzt hatten Tausende Vietnamesen wurden trotz Verfolgungsrisiken in ihrer Heimat zwangsrepatriiert weil die Aufnahmekapazitat der kleinen britischen Kronkolonie erschopft war Hocke bezeichnete die Ruckfuhrung dieser Fluchtlinge 1989 als sich das UN Fluchtlingshilfswerk mitten in einer schweren Finanzkrise befand als einzige realistische Alternative zur unbegrenzten Angewiesenheit auf Hilfsguter 7 Sturz Bearbeiten Nach der insgesamt enttauschenden Amtszeit seines Vorgangers waren in Hocke sehr grosse Erwartungen gesetzt worden Trotz erfolgreicher Arbeit verschlechterte sich das Arbeitsklima innerhalb des UNHCR jedoch bald nach seinem Amtsantritt merklich da vielen Mitarbeitern und Projektverantwortlichen sein Fuhrungsstil missfiel und er Politiker und Mitarbeiter durch eigenwillige Massnahmen vor den Kopf stiess Hintergrund fur die Widerstande war unter anderem auch sein Versuch die verburokratisierte Behorde zu reorganisieren Auch waren weniger Mittel eingeworben als ausgegeben worden sodass der UNHCR erstmals in seiner Geschichte ein Haushaltsdefizit ausweisen musste 1988 ca 7 Millionen US Dollar 1989 ca 40 Millionen US Dollar das entsprach rund 170 Millionen D Mark 8 Die Amerikaner liessen Hocke fallen als er seinen Vize Gene Dewey entmachtete einen Versorgungs und Logistikexperten des US Militars der die Ernennung Hockes massgeblich betrieben hatte Schon seine Wiederwahl 1988 war dementsprechend kontrovers Schliesslich kam es 1989 zur sogenannten Affare Hocke Unzufriedene UNHCR Mitarbeiter spielten einem Schweizer Fernsehteam ein diskreditierendes Dossier uber den UNO Fluchtlingshochkommissar zu Daraufhin wurde eine Medienkampagne gegen ihn wegen angeblich missbrauchlicher Verwendung der Gelder aus einem danischen Fonds fur personliche Zwecke lanciert Im Herbst 1989 legte der Exekutivrat des UNHCR Hocke einen Sparplan auf und ordnete eine grundliche Untersuchung der Ausgaben seiner Behorde an doch konnte das Vertrauen in die Leitung nicht wiederhergestellt werden Hocke der die Ausgaben nicht bestritt allerdings fur legitim und mit seinem Vorganger abgestimmt hielt trat Ende Oktober unter dem Druck der durch einen blossstellenden Rundschau Beitrag ausgelosten internationalen Kritik zuruck 9 10 Zu seinem Nachfolger wurde am 20 November 1989 der norwegische UN Botschafter Thorvald Stoltenberg berufen der das Amt zum 1 Januar 1990 ubernahm Jean Pierre Hocke unterstrich bis zuletzt die angebliche Freiwilligkeit seines erzwungenen Ruckzugs 6 Spater sprach er von einem Dolchstoss der seine Fluchtlingsarbeit beendet habe 11 Wahrend die Kritik an Hocke vor allem aus den westlichen Industrielandern kam sahen einige Entwicklungslander in der Affare den Versuch der reichen Lander die Fluchtlingsprogramme zu beschneiden und befurchteten Kurzungen der humanitaren Hilfen Im Kontrast zu anderen Agenturen der Vereinten Nationen war die Affare Hocke bis uber die 1990er Jahre hinaus der einzige ernsthafte offentliche Skandal den das UN Hochkommissariat fur Fluchtlinge in seiner Geschichte seit 1950 erlebt hatte 12 Nachleben Bearbeiten Hocke befasste sich auch in spateren Jahren noch mit Fluchtlingsfragen wie zum Beispiel 2006 bei der Volksabstimmung zum Schweizerischen Asylgesetz 13 oder im November 2010 mit den Planen der Schweizerischen Volkspartei zur Ausschaffung krimineller Auslander aus der Schweiz 14 Er exponierte sich viele Jahre auch als Mitglied des Patronatskomitees der Zurcher Limmat Stiftung einer dem Opus Dei zugeordneten internationalen Finanzierungsorganisation 15 16 Er starb im Sommer 2021 nach kurzem Aufenthalt im Waadtlander Universitatsspital in Lausanne 1 Ehrungen BearbeitenIn seiner Eigenschaft als Hoher Fluchtlingskommissar der Vereinten Nationen nahm Hocke 1986 den Balzan Friedenspreis entgegen Quellen BearbeitenWeblinks und Literatur Bearbeiten Samantha Power Sergio One Man s Fight to Save the World Penguin Books London 2008 ISBN 1 101 19537 1 S 61 63 Heiner Hug Wie man einen Schweizer UNO Chef sturzt In Journal21 3 Juli 2011 abgerufen am 6 Januar 2019 Jean Pierre Hocke Switzerland 1986 1989 Profil auf der Website des UNHCR abgerufen am 6 Januar 2019 Jean Pierre Hocke im Munzinger Archiv Artikelanfang frei abrufbar Einzelnachweise Bearbeiten a b c Deces du Vaudois Jean Pierre Hocke ancien haut commissaire aux refugies In rts ch 28 Juli 2021 abgerufen am 17 August 2022 franzosisch Hocke Jean Pierre in der Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz Alois Riklin Die dauernde Neutralitat der Schweiz In Peter Haberle Hrsg Jahrbuch des offentlichen Rechts der Gegenwart Neue Folge Band 40 Mohr Siebeck Tubingen 1992 ISBN 3 16 145903 2 S 1 44 hier S 40 in der Google Buchsuche United Nations High Commissioners for Refugees rulers org abgerufen im Januar 2019 Samantha Power Sergio One Man s Fight to Save the World London 2008 S 547 Anm 2 a b Samantha Power Sergio One Man s Fight to Save the World London 2008 S 547 Anm 4 u 5 Nicholas Hendry Autor Alex Cunliffe Review Did the UNHCR Fail Vietnamese Refugees in Hong Kong Onlineveroffentlichung bei E IR 29 Juni 2012 Abruf am 24 April 2019 Samantha Power Sergio One Man s Fight to Save the World London 2008 S 547 Anm 3 Angabe in D Mark laut Munzinger Archiv Paul Lewis U N Refugee Chief Quits Over His Use of Funds In The New York Times 27 Oktober 1989 abgerufen am 5 Januar 2019 Drei Frontmanner feiern den 50 Geburtstag der Rundschau In Blick 1 Januar 2018 gesehen am 6 Januar 2019 Samantha Power Sergio One Man s Fight to Save the World London 2008 S 547 Anm 6 Samantha Power Sergio One Man s Fight to Save the World London 2008 S 190 Eine gefahrliche Mogelpackung Burgerliches Komitee tritt gegen das Asylgesetz an PDF 35 kB Flugblatt vom 13 Juli 2006 Sophie Chamay Jean Pierre Hocke Cette initiative fait fi du contexte social culturel des personnes visees Memento vom 10 November 2010 im Webarchiv archive today In Tribune de Geneve 3 November 2010 Interview Peter Hertel Schleichende Ubernahme Das Opus Dei unter Papst Benedikt XVI Oberursel 2007 S 140 Jahresbericht 2002 der Limmat Stiftung Zurich 2003 S 19 Jahresbericht 2008 der Limmat Stiftung Zurich 2009 S 43 Jahresbericht 2015 der Limmat Stiftung Zurich 2016 S 27 seit 2016 nicht mehr verzeichnet Hoher Fluchtlingskommissar der Vereinten Nationen Fridtjof Nansen 1922 bis 1927 Hoher Kommissar des Volkerbundes Gerrit Jan van Heuven Goedhart 1951 bis 1956 August R Lindt 1956 bis 1960 Felix Schnyder 1960 bis 1965 Sadruddin Aga Khan 1965 bis 1977 Poul Hartling 1978 bis 1985 Jean Pierre Hocke 1986 bis 1989 Thorvald Stoltenberg Januar bis November 1990 Sadako Ogata 1991 bis 2000 Ruud Lubbers 2001 bis 2005 Wendy Chamberlin 2005 interim Antonio Guterres 2005 bis 2015 Filippo Grandi ab 2016 Normdaten Person GND 12295517X lobid OGND AKS LCCN ns2018000646 VIAF 52584485 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Hocke Jean PierreKURZBESCHREIBUNG Schweizer DiplomatGEBURTSDATUM 31 Marz 1938GEBURTSORT LausanneSTERBEDATUM 26 Juli 2021STERBEORT Lausanne Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Jean Pierre Hocke amp oldid 232514440