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Eine Judische Gemeinde Ziegenhain bestand in der nordhessischen Stadt Ziegenhain seit 1971 Stadtteil von Schwalmstadt im Schwalm Eder Kreis vielleicht bereits in der zweiten Halfte des 13 Jahrhunderts mit Bestimmtheit aber seit der zweiten Halfte des 17 Jahrhunderts und dann bis 1938 40 Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklung bis 1933 2 Gemeindeeinrichtungen 2 1 Synagoge 2 2 Schule 2 3 Friedhof 3 Ende der Gemeinde 4 Epilog 1945 1947 5 Einzelnachweise 6 Literatur 7 WeblinksEntwicklung bis 1933 BearbeitenBereits vor 1298 soll es in Ziegenhain zu einem Judenpogrom gekommen sein 1 aber Einzelheiten bezuglich Zahl der judischen Einwohner oder Zeitangaben sind nicht bekannt Spatestens mit den Judenpogromen der Pestjahre 1348 49 endete mit Sicherheit die Prasenz von Juden in Ziegenhain Erst 1612 werden wieder judische Einwohner erwahnt aber ihre Zahl blieb gering 1646 gab es zwei judische Haushaltungen in der Stadt und ein Jahrhundert spater 1744 waren es immer noch erst sieben Familien Unter ihnen waren einige mit Unternehmergeist Um 1694 war die herrschaftliche Wollmanufaktur im Stadtteil Weichaus an den Kaufmann und Schutzjuden Joseph Dannenberg verpachtet der den Betrieb 1697 kaufte Bis zum Beginn des 19 Jahrhunderts entstand dann eine Gemeinde die das gesamte 19 Jahrhundert hindurch zahlenmassig recht stabil blieb und erst zu Beginn des 20 Jahrhunderts durch Abwanderung in grossere Stadte oder nach Ubersee zu schrumpfen begann Jahr Einwohner gesamt JudischeEinwohner Anteilin Prozent1825 89 1827 1 650 95 5 8 1835 95 1861 1 494 59 3 9 1871 1 449 78 5 4 1880 1 745 103 5 9 1885 1 922 92 4 8 1895 1 866 93 5 0 1905 1 707 78 4 6 1924 2 160 57 2 6 1933 2 019 53 2 6 Die judischen Haushaltsvorsteher waren zumeist Handler Kaufleute Viehhandler Es gab auch einige Metzger und eine judische Gastwirtschaft Gemeindeeinrichtungen BearbeitenDie Gemeinde gehorte zum Provinzialrabbinat Marburg Ab 1853 gab es eine Synagoge mit einer Mikwe rituelles Bad im Erdgeschoss Der Friedhof der Gemeinde befand sich im nahen Niedergrenzebach Eine Elementarschule bestand von 1870 bis 1922 danach gab es nur noch eine Religionsschule Die Gemeinde beschaftigte einen Lehrer der gleichzeitig als Vorbeter und Schochet wirkte 1906 wurde eine Ortsgruppe des Verbandes der Sabbatfreunde gegrundet und 1912 wurde ein Frauenverein ins Leben gerufen Synagoge Bearbeiten Bis 1853 fanden die Gottesdienste in einem Betraum eines judischen Privathauses statt Dieser war zwar schon 1828 in unzureichendem Zustand und sollte geschlossen werden aber es dauerte dennoch 25 Jahre bis eine neu Synagoge eingeweiht werden konnte Zum einen bedeutete der Bau einer Synagoge eine erhebliche finanzielle Belastung fur die nahezu insgesamt alle eher armlichen Familien der Gemeinde zum anderen musste man auch burokratische Hurden uberwinden So wurde ein zunachst geplanter Synagogenbau in der Nahe des christlichen Friedhofs wurde von der Stadtverwaltung abgelehnt 1837 beantragte die judische Gemeinde die Genehmigung zum Bau einer Synagoge mit Schule Lehrerwohnung und Bad als Anbau an ein kurz zuvor erbautes Wohnhaus Doch erst 1852 53 wurde die Synagoge ein zweigeschossiger Fachwerkbau mit Walmdach im Stadtteil Weichaus in der Kasseler Strasse 28 ehemalige Obergasse errichtet und im Juni 1853 eingeweiht Der Haupteingang war an der Kasseler Strasse Im an der Strasse gelegenen 1835 erbauten Vorderhaus war die Lehrerwohnung im Obergeschoss der Schulraum und das rituelle Bad im Erdgeschoss im neu angebauten Hintergebaude befand sich der Betsaal mit der Frauenempore Um den Bau zu finanzieren hatte die Gemeinde ein Darlehen aufgenommen das in jahrlichen Raten abgezahlt werden musste Dies gelang nicht immer schon 1855 stellte der Gemeindevorsteher bei der Regierung einen Antrag auf Beihilfe da man die Jahresrate nicht aufbringen konnte Die Synagoge die 1903 umfassend renoviert wurde blieb bis in die NS Zeit Mittelpunkt des Gemeindelebens Als dann aber die Zahl der Gemeindemitglieder durch Ab und Auswanderung zuruckging wurde das Gebaude noch vor 1938 an eine christliche Familie verkauft 50 9138 9 24642 Koordinaten 50 54 50 N 9 14 47 O Schule Bearbeiten 1867 68 wurden zehn schulpflichtige Kinder durch den Lehrer der Gemeinde unterrichtet Zwischen 1871 und 1887 nahmen jahrlich zwischen 19 und 25 Kinder am Unterricht in der 1870 im Synagogengebaude eingerichteten judischen Elementarschule teil Die Elementarschule wurde 1922 aufgelost und der Gemeindelehrer erteilte nun nur noch Religionsunterricht 1924 nahmen noch vier Kinder an diesem Religionsunterricht teil Friedhof Bearbeiten Die Verstorbenen der Gemeinde wurden auf dem judischen Friedhof in Niedergrenzebach beigesetzt Dieser wurde bis 1850 auch von der judischen Gemeinde Treysa benutzt Er liegt nur wenige hundert Meter nordostlich der ehemaligen Synagoge auf einer Anhohe nordlich von Niedergrenzebach und ist uber die Fortsetzung des Kottenbergwegs erreichbar Die Friedhofsflache umfasst 58 37 ar Die letzten Beisetzungen fanden in den Jahren 1946 47 statt Anmerkung Den Schlussel zum Friedhof bekommt man an der Pforte des Kreiskrankenhauses in Ziegenhain Stand September 2008 Ende der Gemeinde BearbeitenIm Ersten Weltkrieg fielen sieben Manner aus der judischen Gemeinde Ziegenhain die damit 10 ihrer damaligen Mitglieder verlor ihre Namen finden sich auf dem Denkmal der Gemeinde fur die Gefallenen des Ersten Weltkrieges Trotz dieser offenkundigen Identifikation der judischen Mitburger mit ihrem Heimatland gab es in Ziegenhain schon ab 1904 zunehmend antijudische Hetze und Vorfalle 2 Im Jahre 1933 lebten noch 53 judische Einwohner in der Stadt Sechs von ihnen starben bis 1939 in Ziegenhain Fast alle anderen zogen bis 1939 wegen der zunehmenden Entrechtung und Repressalien weg allein 38 von ihnen nach Frankfurt am Main oder wanderten ganz aus Deutschland aus Beim Novemberpogrom 1938 wurde das schon verkaufte Synagogengebaude durch SA und NSDAP Leute verwustet Die Torarollen wurden gestohlen eine wurde kurz vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen am 30 Marz 1945 im Wallgraben gefunden 3 Die beiden noch verbliebenen judischen Geschafte und die judischen Wohnungen wurden demoliert und die judischen Einwohner der beiden Hauser Kasseler Strasse 23 und 24 wurden misshandelt Im April 1939 verliessen die letzten judischen Personen die Stadt Vier konnten in die USA auswandern drei nach Amsterdam eine nach Portugal Von den in Ziegenhain geborenen und oder langere Zeit am Ort wohnhaften judischen Personen fanden mindestens 34 in der NS Zeit einen gewaltsamen Tod Im Juni 1995 wurde neben dem Eingang der ehemaligen Synagoge eine Gedenktafel angebracht mit folgender Inschrift Dieses Haus ist die ehemalige Synagoge der judischen Gemeinde Ziegenhain Sie wurde bereits am 8 November 1938 geschandet Seit 1677 lebten Juden in unserer Stadt Wahrend der Zeit nationalsozialistischer Gewaltherrschaft bis zum April 1939 wurden sie Opfer der Entrechtung Vertreibung und Vernichtung Wir konnen uns unserer Geschichte nicht entziehen Nur Erinnerung schafft Versohnung und Frieden Im Namen der Burgerinnen und Burger Der Magistrat Schwalmstadt Juni 1995 Epilog 1945 1947 BearbeitenDas 1939 bei Ziegenhain angelegte Kriegsgefangenenlager StaLag IX A das nach Kriegsende zunachst als Gefangenenlager der US Army diente wurde nach dessen Auflosung im Sommer 1946 zu einem Lager fur Displaced Persons DPs Hier wurden bis zu 2 000 judische DPs zumeist Fluchtlinge aus Osteuropa aber auch Uberlebende von Konzentrationslagern untergebracht die auf ihre Weiterreise nach Ubersee oder nach Palastina warteten Im Lager bestanden eine Synagoge eine Mikwe rituelles Bad eine koschere Kuche und eine judische Elementarschule Ende November 1947 wurde das Lager aufgelost 1948 wurde aus dem ehemaligen Lager die Fluchtlingssiedlung Trutzhain Einzelnachweise Bearbeiten Siegmund Salfeld Die Judenpolitik Philipps des Grossmutigen In Historischer Verein fur das Grossherzogtum Hessen Hrsg Philipp der Grossmutige Beitrage zur Geschichte seines Lebens und seiner Zeit Elwert Marburg 1904 S 519 544 521 Max Liebermann von Sonnenberg der Vorsitzende der antisemitischen Deutschsozialen Partei wurde 1890 fur den Wahlkreis Fritzlar Homberg Ziegenhain in den Reichstag gewahlt und war dessen Mitglied bis 1911 Er wurde in seinem Wahlkreis stets mit grosser Mehrheit wiedergewahlt Thomas Weidemann Politischer Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich Der Reichstagsabgeordnete Max Liebermann von Sonnenberg und der nordhessische Wahlkreis Fritzlar Homberg Ziegenhain In Bambey u a Heimatvertriebene Nachbarn S 113 184 Der Finder Pfarrer Paulus schenkte sie spater einer ungarischen Judin die im DP Lager Ziegenhain untergebracht war Literatur BearbeitenHartwig Bambey Adolf Biskamp Bernd Lindenthal Hrsg Heimatvertriebene Nachbarn Beitrage zur Geschichte der Juden im Kreis Ziegenhain 2 Bande Verlag Stadtgeschichtlicher Arbeitskreis e V Schwalmstadt Treysa 1993 ISBN 3 924296 07 3 Robert von Friedeburg Kommunaler Antisemitismus Christliche Landgemeinden und Juden zwischen Eder und Werra vom spaten 18 bis zur Mitte des 19 Jahrhunderts In Monika Richarz amp Reinhard Rurup Hrsg Judisches Leben auf dem Lande Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 56 Mohr Siebeck Tubingen 1997 ISBN 3 16 146842 2 S 139 172 Weblinks BearbeitenGeschichte der judischen Gemeinde Ziegenhain bei Alemannia Judaica Ziegenhain Schwalm Eder Kreis Historisches Ortslexikon fur Hessen In Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen LAGIS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judische Gemeinde Ziegenhain amp oldid 200389695