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Das Stammlager IX A Stalag IX A bei Ziegenhain war wahrend des Zweiten Weltkrieges ein Kriegsgefangenenlager in Nordhessen das nach Kriegsende zunachst als Internierungslager dann als DP Lager und danach als Unterkunft fur Heimatvertriebene genutzt wurde 1951 ging aus dem Lager die selbstandige Gemeinde Trutzhain hervor Eine grosse Anzahl der Lagerbaracken ist erhalten geblieben und die seit 1985 denkmalgeschutzte Grundstruktur des Lagers bildet heute den Ortskern von Trutzhain Eine Gedenkstatte und ein Museum erinnern an die Geschichte des Ortes Inhaltsverzeichnis 1 Einrichtung und Nutzung 1 1 Lagerkommandanten 1 2 Strafrechtliche Verfolgung von Verantwortlichen 2 Friedhofe 2 1 Stalag Friedhof I 2 2 Stalag Friedhof II Waldfriedhof Trutzhain 3 CI Camp 95 Ziegenhain 4 DP Lager 95 443 Ziegenhain 5 Fluchtlinge und Heimatvertriebene 6 Gedenkstatte und Museum Trutzhain 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseEinrichtung und Nutzung BearbeitenNach dem deutschen Uberfall auf Polen am 1 September 1939 erfolgte reichsweit die Errichtung von Kriegsgefangenenlagern Das Stammlager Stalag IX A bei Ziegenhain wurde am 26 September 1939 eingerichtet zunachst nur mit Zelten Ab Fruhjahr 1940 wurden dann feste Fachwerkbaracken von 12 60 m Grundflache errichtet und im Laufe des Krieges wurde Stalag IX A das grosste dieser Lager auf dem Gebiet des heutigen Landes Hessen 1 Bis 1945 wurden dort Kriegsgefangene aus verschiedenen Nationen interniert zunachst Polen und Franzosen unter ihnen befand sich der spatere franzosische Staatsprasident Francois Mitterrand Die polnischen Kriegsgefangenen wurden bis 1940 als Kriegsgefangene behandelt mussten spater jedoch haufig Zwangsarbeit leisten 1 Hinzu kamen im weiteren Kriegsverlauf Gefangene aus Belgien Grossbritannien den Niederlanden Sudosteuropa der Sowjetunion und ab 1945 der USA hinzu Unter den US Gefangenen befand sich auch Master Sergeant Roddie Edmonds ausgezeichnet von Yad Vashem 2 als Gerechter unter den Volkern Ab 1943 wurden auch italienische Militarinternierte hier gefangen gehalten 1 Mehrere tausend sowjetische Kriegsgefangene die ab November 1941 im Stalag IX A eintrafen hatten der Nazi Ideologie entsprechend in einem separaten Lagerbereich unter besonders unmenschlichen Bedingungen zu leiden die Todesrate unter ihnen war ausserordentlich hoch 3 Im Juni 1941 vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion war das Lager mit 1716 Gefangenen belegt 1 Danach wuchs die Zahl der Insassen schnell an Ihre Gesamtzahl schwankte ab September 1944 als sie ihren Hochststand erreichte zwischen 8 000 und 11 000 Mann Der grosste Teil der Kriegsgefangenen musste ausserhalb des Lagers in Arbeitskommandos Zwangsarbeit in der Landwirtschaft der Industrie im Bergbau und anderen Betrieben leisten Lagerkommandanten Bearbeiten 26 September 1939 bis 17 Januar 1940 unbekannt 18 Januar bis 31 Juni 1940 Oberst Carl Sturm 1 Juli bis 3 September 1940 Oberst Erich Hiltorp 4 September 1940 bis 5 Januar 1943 Oberst Wilhelm Lincke 5 Januar 1943 bis Juli 1944 Oberst Willy Stenzel 20 Juli 1944 bis 28 Marz 1945 Oberst Hermann Mangelsdorf 28 30 Marz 1945 Sonderfuhrer Fritz Taeuber per Befehl Beauftragter zur Ubergabe des Stalag an die US Army Strafrechtliche Verfolgung von Verantwortlichen Bearbeiten Zwar wurden in der Nachkriegszeit u a durch die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltung Ludwigsburg und verschiedene Staatsanwaltschaften u a gegen Kommandanten stellvertretende Kommandanten Abwehroffiziere und Abwehr Hilfsoffiziere Ermittlungen begonnen jedoch verliefen sich diese ausnahmslos aufgrund mangelnder Beweise und fehlender Zeugenaussagen Friedhofe BearbeitenStalag Friedhof I Bearbeiten Gemeindefriedhof Trutzhain nbsp Das zwischen 1940 und 1945 errichtete Eingangstor zum damaligen Stalag Friedhof 1 nbsp Das von franzosischen Kriegsgefangenen geschaffene Tor in Stacheldraht Optik nbsp Das 1943 in Anwesenheit des franzosischen Botschafters eingeweihte Mahnmal der trauernden Frau nbsp 1983 im Rahmen eines deutsch franzosischen Freundschaftstreffen eingeweihte Gedenktafel mit Namen von verstorbenen franzosischen Kriegsgefangenen und Angehorigen der ersten Trutzhainer Familien Zum Lager gehorten zwei getrennt voneinander angelegte Friedhofe die in teilweise umgestalteter Form bis heute bestehen Der erste dem Lager naher gelegene Friedhof war den verstorbenen westalliierten und polnischen Kriegsgefangenen vorbehalten Er dient heute als Gemeindefriedhof des Ortes Trutzhain Die dort begrabenen Gefangenen wurden inzwischen exhumiert und umgebettet Heute erinnern das historische Eingangstor und eine Skulptur an die Zeit des Gefangenenlagers Stalag Friedhof II Waldfriedhof Trutzhain Bearbeiten Waldfriedhof Trutzhain nbsp Graberfeld der Verstorbenen des IRO Hospitals nbsp Graberfeld der Verstorbenen des CI Camps nbsp Graberfeld der verstorbenen Serben Italiener und des Amerikaners nbsp Graberfeld der verstorbenen sowjetischen Gefangenen Gedenksteine nbsp Nach Kriegsende aufgestelltes russisch orthodoxes Holzkreuz mehrfach erneuert das aktuelle Kreuz steht seit 1986 nbsp 1959 1960 aufgestellter Stein mit kriegsverherrlichender Inschrift zur Erinnerung an die Verstorbenen des CI Camps und des Lagers Schwarzenborn nbsp Im Rahmen der Umgestaltung des Friedhofs 1966 aufgestellter Gedenkstein nbsp Im Rahmen einer Umgestaltung des Friedhofs im September 1992 errichtete Gedenktafel nbsp Im Rahmen einer Umgestaltung des Friedhofs im September 1992 errichtete Gedenktafel nbsp Im Rahmen einer Umgestaltung des Friedhofs im September 1992 errichtete Gedenktafel nbsp Im Rahmen einer Umgestaltung des Friedhofs im September 1992 errichtete Gedenktafel nbsp Erweiterung der bestehenden Gedenktafeln aufgrund neuer Erkenntnisse im November 1999 nbsp Erweiterung der bestehenden Gedenktafeln aufgrund neuer Erkenntnisse im November 1999 nbsp Einweihung weiterer Bronzetafeln aufgrund neuer Erkenntnisse zu den beerdigten Verstorbenen nbsp Einweihung weiterer Bronzetafeln aufgrund neuer Erkenntnisse zu den beerdigten Verstorbenen Die sowjetischen und serbischen Toten wurden hingegen auf dem weit abgelegenen Waldfriedhof anonym teilweise in Massengrabern verscharrt Im Gegensatz zu den Beerdigungen der westalliierten Gefangenen gab es bei den Beisetzungen keinerlei Zeremonien oder Beschriftung der Graber 1 Lediglich Betonpflocke mit Nummern wurden an den Grabern angebracht Auch die unter den italienischen Militarinternierten Verstorbenen lagen dort begraben bis sie 1957 exhumiert wurden Nach 1945 wurde der Friedhof auch zur Beerdigung von deutschen Internierten und Verstorbenen des IRO Hospitals Steinatal genutzt In der Zeit nach dem Krieg wurde vor allem auf die Pflege der Graber der nach 1945 begrabenen Verstorbenen wert gelegt wahrend die Graber der Kriegsgefangenen weitestgehend unbeachtet blieben Der Friedhof wurde mehrmals vom Verband der ehemaligen Internierten und Entnazifizierungsgeschadigten und anderen politisch rechts angesiedelten Gruppen als Versammlungsort genutzt 4 Erst in den 1980er Jahren wurde aufgrund von Nachforschungen des Arbeitskreises Spurensicherung des DGB Schwalm Eder der Blick wieder auf die Graber der Kriegsgefangenen gerichtet Nach einer volligen Neugestaltung wurde der Friedhof am 1 September 1992 offiziell als Mahn und Gedenkstatte Waldfriedhof Trutzhain eingeweiht 1 CI Camp 95 Ziegenhain BearbeitenNach der Befreiung und Auflosung des Kriegsgefangenenlagers am 30 Marz 1945 diente das Lager der US Army zunachst als Civil Internment Camp 95 CIC 95 zur Internierung von Mitgliedern der Waffen SS der NSDAP SA und SS Soldaten der Wehrmacht sowie von Frauen die beispielsweise dem BDM in fuhrenden Positionen angehort hatten Laut dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz befanden sich im Fruhjahr 1946 insgesamt 4973 Gefangene im Lager Ziegenhain 1 Intern war das Lager unter amerikanischer Aufsicht in eigener Verwaltung organisiert So wurden ein deutscher Lagerburgermeister ein Ordnungsdienst und ein Lagergericht installiert um demokratische Regeln und Grundwerte zu etablieren 1 Einen Schwerpunkt hierbei bildete die Lagerzeitschrift Ziegenhainer Lagerpost spater Lagerzeitung Ziegenhain die regelmassig auch uber den demokratischen Wiederaufbau Deutschlands und weltpolitische Themen berichtete Im Marz 1946 wurde das Lager geschlossen und ein Grossteil der Gefangenen entlassen Belastete Insassen und SS und SA Angehorige wurden teils in andere Lager wie das C I C 91 Darmstadt verlegt DP Lager 95 443 Ziegenhain BearbeitenNach Kriegsende losten antisemitische Ubergriffe und das Pogrom von Kielce im Sommer 1946 unter den osteuropaischen Juden eine Massenflucht aus Bis 1949 emigrierten etwa 200 000 uberwiegend polnische Juden in die westlichen Besatzungszonen Deutschlands Anfang August 1946 richtete die US Army in den leer stehenden Baracken des Stalag Ziegenhain das DP Lager 95 443 Ziegenhain ein Fur die sogenannten Displaced Persons DPs wurde es zur Durchgangsstation fur die ersehnte Ausreise nach Palastina Grossbritannien Kanada Australien Sudamerika oder in die USA Durchschnittlich belief sich die Belegzahl des Lagers auf ca 2000 Personen Dem Lager angeschlossen war ein TB Sanatorium bei Steina dort befindet sich heute die Melanchthon Schule Steinatal Bei der Betreuung des Lagers wurde die US Army von der United Nations Relief and Rehabilitation Administration UNRRA unterstutzt Ausgebildete Betreuungsteams versorgten vor allem die psychisch und physisch leidenden Insassen 1 Die interne Lagerorganisation ubernahmen die Bewohner in eigener Verantwortung Die US Army unterstutzte sie dabei vor allem durch materielle Guter und medizinische Betreuung Zum DP Camp gehorten unter anderem eine Schule ein Kindergarten verschiedene Amter eine Lagerpolizei ein eigenes Gericht ein Lagerkomitee sowie eine Synagoge deren Wandmalereien zum Teil erhalten geblieben sind Das DP Lager wurde am 4 November 1947 aufgelost Die verbliebenen DPs wurden in den DP Lagern Jagerkaserne und Hasenhecke Kassel untergebracht 1 Fluchtlinge und Heimatvertriebene Bearbeiten Hauptartikel Trutzhain Als nach dem Zweiten Weltkrieg Fluchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und dem Sudetenland in die westlichen Besatzungszonen Deutschlands stromten bot sich das inzwischen geraumte Lager als Unterkunft an Im Januar 1948 pachtete der Kreis Ziegenhain das Gelande fur funf Jahre Im Fruhjahr 1948 erfolgten die ersten Einweisungen und binnen kurzer Zeit entwickelte sich durch eine gezielte Ansiedlungspolitik die Fluchtlingssiedlung zu einem florierenden Handwerks Gewerbe und Industriestandort Als Folge dieser wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung kam es am 1 April 1951 zur Grundung der selbststandigen Gemeinde Trutzhain Gedenkstatte und Museum Trutzhain Bearbeiten nbsp Eingang Gedenkstatte und Museum TrutzhainDie Gedenkstatte und Museum Trutzhain wurde 2003 eroffnet Sie gehort zu den zentralen NS Gedenkstatten in Hessen 4 Die Ausstellung basiert auf den Bestanden des ursprunglich von Horst Munk initiierten Museums fur den Frieden das von Munk in Zusammenarbeit mit der Kyffhauserkameradschaft Trutzhain und der Vereinigung ehemaliger franzosischer Kriegsgefangener des Lagers Ziegenhain Les anciens du Stalag IX A 1983 gegrundet wurde 1995 beschlossen die Stadtverordneten von Schwalmstadt aufgrund dieser Bestande eine wissenschaftlich fundierte und padagogisch aufgearbeitete Gedenkstatte zu errichten Das Museum ist in einer ehemaligen Wachbaracke untergebracht und zeigt die Vorgeschichte des Ortes Trutzhain von 1939 bis 1951 Der thematische Schwerpunkt liegt auf der Zeit des Kriegsgefangenenlagers wobei vor allem die Leidensgeschichte der verschiedenen Kriegsgefangenengruppen dargestellt wird 5 Zum Konzept der Gedenkstatte gehoren auch der historische Ortskern und die beiden Friedhofe Informationstafeln im Aussenbereich ermoglichen Besuchern die eigenstandige Erschliessung des Ortes Neben der Dauerausstellung werden temporare Ausstellungen gezeigt und es finden Veranstaltungen wie Lesungen Vortrage und Lehrerfortbildungen statt Eine Fachbibliothek ein Archiv und Zeitzeugenfilme stehen zur Verfugung Literatur BearbeitenGedenkstatte und Museum Trutzhain Vom Stalag IX A Ziegenhain zur Gemeinde Trutzhain Schwalmstadt 2003 ISBN 3 9807657 1 7 Die Behandlung war eines zivilisierten Volkes nicht wurdig Zeitzeugen erinnern sich an ihre Kriegsgefangenschaft im Stalag IX A Ziegenhain Gedenkstatte und Museum Trutzhain Schwalmstadt 2010 ISBN 978 3 9810624 7 2 Die Gedenkstatte und Museum Trutzhain Probleme einer angemessenen Erinnerung in NS Gedenkstatten mit multiplen Vergangenheiten nach 1945 ein Fallbeispiel Magisterarbeit Universitat Giessen Giessen 2011 Die ehemalige Landsynagoge Roth und Gedenkstatte und Museum Trutzhain HLZ Wiesbaden 2013 ISBN 978 3 943192 12 4 Download pdf Hans Peter Fohrding Heinz Verfuhrt Als die Juden nach Deutschland flohen Ein vergessenes Kapitel der Nachkriegsgeschichte Kiepenheuer amp Witsch Koln 2017 ISBN 978 3 462 04866 7 Der rote Faden des Buches ist die Geschichte der 1929 in Lodz geborenen Lea Waks die ab 1946 im DP Lager Ziegenhain lebte wo 1947 auch ihr Sohn der israelische Historiker Ruwen Robbi Waks geboren wurde 6 Weblinks BearbeitenGedenkstatte und Museum Trutzhain Schwalmstadt http www bpb de geschichte zeitgeschichte deutschlandarchiv wagner20130321 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h i j Karin Brandes Hans Gerstmann Gedenkstatte und Museum Trutzhain 2000 S 10 12 Roddie Edmonds The Righteous Among The Nations Yad Vashem Nicht mehr online verfugbar In www yadvashem org Archiviert vom Original am 4 Juli 2016 abgerufen am 12 Oktober 2016 nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www yadvashem org Karin Brandes Hans Gerstmann Gedenkstatte und Museum Trutzhain 2000 S 10 12 a b Hans Gerstmann Vom Lagerfriedhof II des STALAG IX A zur Mahn und Gedenkstatte In Monika Holscher Die ehemalige Landsynagoge Roth und Gedenkstatte und Museum Trutzhain Hessische Landeszentrale fur politische Bildung Wiesbaden 2013 S 19 Waltraud Burger Gedenkstatte und Museum Trutzhain Die Dauerausstellung Trutzhain 2012 BR Fernsehen Historiker Ruwen Robbi Waks50 902813888889 9 2720444444444 Koordinaten 50 54 10 N 9 16 19 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stammlager IX A amp oldid 229839827