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Der International Linear Collider ILC ist ein geplanter Linearbeschleuniger fur Elektronen und Positronen mit einer Schwerpunktsenergie von 500 GeV und einer Gesamtlange von 34 km 1 2 Als moglicher Standort wird die Prafektur Iwate im Norden Japans diskutiert 3 Der ILC ware ein Nachfolgeprojekt fur den Large Electron Positron Collider LEP an dem die bisher hochste Energie fur Elektron Positron Kollisionen von 209 GeV erreicht wurde Schematische Ubersicht des geplanten ILCIm Dezember 2018 sprach sich ein Komitee von japanischen Naturwissenschaftlern die das Projekt begutachtete gegen den Bau aus Die Kosten von geschatzt 32 Milliarden Euro waren zu hoch im Vergleich zum erwarteten Erkenntnisgewinn 4 Der Bau des ILC steht damit in Japan vor dem Aus Eine Rolle spielte dabei auch dass am LHC bis auf die Entdeckung des Higgs Teilchens keine grossen Neuentdeckungen gemacht wurden Inhaltsverzeichnis 1 Ubersicht 2 Der Beschleuniger 3 Forschungsziele 3 1 Untersuchungen des Higgs Bosons 3 2 Untersuchungen des Top Quarks 3 3 Suche nach unbekannten Elementarteilchen 3 4 Verhaltnis zum Large Hadron Collider LHC 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseUbersicht BearbeitenDer ILC ist ein Projektvorschlag fur einen Elektron Positron Beschleuniger dessen Schwerpunktsenergie mit mindestens 500 GeV weit uber der bisher erreichten Energie fur Elektron Positron Kollisionen von 209 GeV liegt Damit ware es erstmals moglich die Eigenschaften des Higgs Bosons und des Top Quarks an einem Elektron Positron Beschleuniger zu untersuchen was andere und genauere Messungen erlaubt als an einem Proton Beschleuniger wie dem Tevatron oder dem Large Hadron Collider LHC an denen diese Teilchen zuerst nachgewiesen wurden Ein weiterer Forschungsgegenstand wird die Suche nach neuen unbekannten Elementarteilchen sein 5 Im Unterschied zu dem bisher hochstenergetischen Elektron Positron Beschleuniger LEP ist der ILC kein Kreisbeschleuniger sondern ein Linearbeschleuniger Damit wird die Begrenzung der Strahlenergie bei Kreisbeschleunigern uberwunden die aus dem zunehmenden Energieverlust durch Synchrotronstrahlung resultiert Um Energieverluste zu minimieren ist geplant supraleitende Beschleunigermodule aus Niob einzusetzen die bei einer Temperatur von 2 0 K 271 C betrieben und mit flussigem Helium gekuhlt werden 6 Der Beschleuniger besteht aus zwei jeweils ca 17 km langen Armen Im Hauptbeschleuniger des einen Arms werden Elektronen im anderen Positronen auf eine Energie von 250 GeV beschleunigt Diese Strahlen werden in einem Strahlfokussierungssystem gebundelt und im Wechselwirkungspunkt zur Kollision gebracht Es ist geplant zwei Detektoren zu bauen die im Wechsel in die Wechselwirkungszone geschoben werden konnen um Daten zu nehmen 7 Der Beschleuniger BearbeitenAnders als bei Ringbeschleunigern wie dem LHC lassen sich beschleunigte Teilchen nur einmal verwenden es mussen also standig neue Teilchen beschleunigt werden Dazu werden zunachst alle 200 ms insgesamt 1312 Gruppen von Elektronen Bunches aus einer Photokathode freigesetzt Diese werden auf 5 GeV beschleunigt und gelangen in einen Speicherring Damping Ring in dem sie innerhalb von 200 ms komprimiert werden Dies ist notig um die geplanten hohen Kollisionsraten zu erreichen Anschliessend werden die Elektronen an ein Ende des langen Beschleunigertunnels geleitet und von dort aus in Richtung Kollisionspunkt beschleunigt Nach der Beschleunigungsstrecke werden die Elektronen durch einen Undulator geleitet und setzen dabei Gammastrahlung frei Diese wird auf eine Titanplatte geleitet wo uber Paarerzeugung Positronen und Elektronen erzeugt werden Die Positronen werden ebenfalls in einen Speicherring geleitet und innerhalb von 200 ms verdichtet Danach werden sie zum anderen Ende des Beschleunigertunnels gefuhrt und von dort aus beschleunigt Sie erreichen den Kollisionspunkt 200 ms nach den Elektronen mit denen sie erzeugt wurden sie treffen also auf die Elektronen des nachsten Zyklus Zwischen den Beschleunigungsstrecken und dem Kollisionspunkt werden fur Elektronen und Positronen jeweils ein 2 2 km langes beam delivery system gebaut das die Teilchenpakete auf eine Lange von 0 3 mm eine Breite von 700 nm und eine Hohe von 6 nm komprimiert 8 Die Beschleunigertunnel der Hauptteil des ILCs soll mit einer Lange von bis etwa 31 km mehr als zehnmal so lang wie die des Linearbeschleunigers SLAC in Kalifornien sein Mit der Fertigstellung ist nicht vor 2019 zu rechnen 9 Die supraleitende Technologie fur den Beschleuniger wird bereits an dem Freie Elektronen Laser FLASH am DESY in Hamburg erprobt und wird auch in dem europaischen Rontgenlaserprojekt XFEL Verwendung finden Geplant ist den ILC mit zwei Detektoren auszurusten Da die Teilchenstrahlen nur an einem Punkt kollidieren werden die Detektoren seitlich verschiebbar sein und konnen sich somit mit den Messungen abwechseln Forschungsziele BearbeitenDer ILC wird Elektronen und Positronen mit Schwerpunktsenergien zwischen 200 und 500 GeV kollidieren ein Ausbau auf 1000 GeV 1 TeV ist moglich 10 Die zentralen Forschungsziele sind Prazisionsmessungen der Eigenschaften des Higgs Bosons insbesondere Masse und Zerfallsbreiten Prazisionsmessungen der Eigenschaften des Top Quarks insbesondere Masse und Kopplungen Suche nach bisher unbekannten Elementarteilchen zum Beispiel supersymmetrische Partner von Elementarteilchen Untersuchungen des Higgs Bosons Bearbeiten Das Higgs Boson wurde 2012 am Beschleuniger LHC des CERN in Genf entdeckt Das Higgs Boson nimmt im Standardmodell der Elementarteilchenphysik eine Sonderstellung ein Es ist das einzige Teilchen ohne Spin Eigendrehimpuls Die Existenz des Higgs Bosons ist eine Konsequenz des Higgs Mechanismus der erklart weshalb elementare Teilchen wie Elektronen Quarks sowie die Trager der schwachen Wechselwirkung Masse besitzen Das erklart insbesondere warum die schwache Wechselwirkung die z B fur den radioaktiven Beta Zerfall verantwortlich ist so schwach und kurzreichweitig ist Die Kopplung an das Higgs Feld fuhrt dazu dass die W und Z Bosonen die die schwache Wechselwirkung vermitteln eine Masse von 80 bzw 91 GeV haben und deshalb nur uber extrem kurze Distanzen von ca 10 17 m 1 100 Protonradius ausgetauscht werden konnen Im Standardmodell der Teilchenphysik existiert das sogenannte Hierarchieproblem Quantenkorrekturen fuhren dazu dass die Masse des Higgs Bosons stark sensitiv auf die Energieskala ist an der das Standardmodell seine Gultigkeit verliert Viele Losungsansatze fur das Hierarchieproblem basieren auf der Annahme neuer Elementarteilchen z B supersymmetrische Partner oder neuer Wechselwirkungen In solchen Fallen erwartet man etwas andere Eigenschaften des Higgs Bosons zum Beispiel andere Verzweigungsverhaltnisse in verschiedene Zerfallskanale als sie das Standardmodell vorhersagt Deshalb ist eine genaue Messung dieser Verzweigungsverhaltnisse von fundamentaler Bedeutung Untersuchungen des Top Quarks Bearbeiten Das Top Quark ist mit einer Masse von 173 GeV was in etwa der Masse eines Gold Atoms entspricht das bei weitem schwerste Quark und das schwerste bekannte Elementarteilchen uberhaupt Aufgrund der grossen Masse koppelt das Top Quark starker als alle anderen Teilchen an das Higgs Boson und es tragt besonders stark zu Quantenkorrekturen von Eigenschaften anderer Elementarteilchen bei zum Beispiel zur Masse des W Bosons Top Quarks konnen an einem Elektron Positron Beschleuniger paarweise produziert werden als Paar eines Top Quarks und eines Top Antiquarks wenn die Schwerpunktsenergie oberhalb der sogenannten Top Schwelle bei der doppelten Top Masse von 346 GeV liegt Bei fruheren Elektron Positron Beschleunigern reichte die Energie zur Top Paarerzeugung nicht aus erst der ILC wurde diese Messung ermoglichen Eine Messung der Erzeugungsrate in Abhangigkeit von der Schwerpunktsenergie zeigt im Bereich um die Top Schwelle einen steilen Anstieg dessen Position und Hohe sehr genau durch die Theorie vorhergesagt werden und dadurch eine hochgenaue Messung der Masse und der Zerfallsbreite des Top Quarks ermoglichen Messungen der Verteilung der Flugrichtungen der Top Quarks der Erzeugungswinkel geben Aufschluss uber die verschiedenen Kopplungen von links und rechtshandigen Top Quarks an Z Bosonen Auch diese Messung ist ein empfindlicher Test der Vorhersagen des Standardmodells und Abweichungen wurden Ruckschlusse auf Physik jenseits des Standardmodells geben Suche nach unbekannten Elementarteilchen Bearbeiten Der ILC ware mit einer Schwerpunktsenergie von 500 GeV in der Lage Teilchen Antiteilchen Paare neuer unbekannter Teilchen mit einer Masse bis zu 250 GeV das entspricht etwa der Masse eines Uranatoms zu produzieren nach einem Ausbau auf 1 TeV Schwerpunktsenergie wurde sich dieser Bereich verdoppeln Daher wird die Suche nach neuen Teilchen ein Schwerpunkt der Forschung am ILC sein wie an jedem Teilchenbeschleuniger der eine hohere Energie erreicht als fruhere Anlagen Um ein neues Teilchen entdecken zu konnen muss dieses hinreichend oft erzeugt werden und Ereignisse mit dem neuen Teilchen mussen sich hinreichend sicher von anderen Ereignissen unterscheiden qualitativ oder quantitativ Daher ist die verfugbare Schwerpunktsenergie nur ein Parameter der die Aussicht beeinflusst neue Teilchen zu finden Andere Parameter sind der Typ der Strahlteilchen Elektronen und Positronen oder Quarks bzw Gluonen aus Protonen und die Rate mit der andere Ereignisse sogenannter Untergrund erzeugt werden Obwohl der LHC Beschleuniger am CERN schon jetzt Teilchen mit Massen oberhalb von 250 GeV oder 500 GeV erzeugen kann sagen einige Theorien Teilchen mit geringeren Massen voraus die voraussichtlich erst am ILC aufgrund der geringeren Untergrundrate entdeckt oder dort genauer untersucht werden konnten In vielen Modellen sind Daten von einem Elektron Positron Beschleuniger unbedingt notwendig um die Existenz neuer Teilchen in bestimmten Massenbereichen sicher nachweisen oder ausschliessen zu konnen Dies gilt auch fur viele Modelle im Bereich der Supersymmetrie in denen je nach den Werten einiger Parameter auch vergleichsweise leichte Teilchen unter Umstanden in Proton Proton Kollisionen zu selten erzeugt werden oder zu unauffallige Signale erzeugen um sicher nachgewiesen zu konnen Ein Elektron Positron Beschleuniger mit moglichst grosser Schwerpunktsenergie wie der ILC ware damit komplementar zum LHC Verhaltnis zum Large Hadron Collider LHC Bearbeiten Der Large Hadron Collider LHC ist seit 2008 im Betrieb und erreicht bei der Kollision von Protonen mit Protonen eine Schwerpunktsenergie von 13 TeV womit potentiell auch Teilchen erzeugt werden konnen deren Masse zu gross ist um sie beim ILC direkt erzeugen zu konnen Verglichen mit einem Proton Proton Beschleuniger hat ein Elektron Positron Beschleuniger mehrere Eigenschaften die seinen Einsatz trotz der im Regelfall geringeren Schwerpunktsenergie attraktiv machen Bei der Vernichtung von Elektronen mit Positronen steht die gesamte Schwerpunktsenergie fur die Erzeugung neuer Teilchen zur Verfugung wahrend bei Proton Proton Kollisionen und Proton Antiproton Kollisionen Gluonen oder Quark Antiquark Paare vernichtet werden die nur einen a priori unbekannten Teil der Schwerpunktsenergie tragen Dadurch ist die effektive Schwerpunktsenergie in Proton Proton Kollisionen um etwa eine Grossenordnung geringer als die nominelle Schwerpunktsenergie Durch die komplette Vernichtung der Elektron Positron Paare ist die gesamte Energie und der gesamte Impuls der entstehenden Teilchen bekannt Unsichtbare Teilchen wie Neutrinos konnen dadurch aufgrund ihres Ruckstosses nachgewiesen und vermessen werden Ruckstossmethode engl recoil method Proton Proton Kollisionen erfolgen dominant uber die Streuung von Quarks und Gluonen untereinander was zu grossen Raten von Ereignissen mit teils hochenergetischen Teilchenjets fuhrt die fur den Nachweis und die Untersuchung neuer Teilchen einen storenden Untergrund darstellen und hohe Anforderungen an den Betrieb der Detektoren stellt Demgegenuber ist die Untergrundrate in Elektron Positron Kollisionen um mehrere Grossenordnungen geringer Dieser geringere Untergrund macht es moglich seltenere Ereignisse oder solche mit weniger pragnanten Signaturen noch nachzuweisen die sich in Proton Proton Kollisionen nicht mehr vom Untergrund trennen lassen Insgesamt sind Elektron Positron Beschleuniger wie der ILC und Proton Proton Beschleuniger wie der LHC komplementare Forschungsgerate Elektron Positron Beschleuniger haben Vorteile in der Genauigkeit und bei der Untersuchung seltener Ereignisse insbesondere wenn diese durch die elektroschwache Wechselwirkung vermittelt werden wahrend Proton Anti Proton Beschleuniger wie der LHC hohere Energien erreichen und insbesondere bei der Untersuchung stark wechselwirkender Teilchen wie schweren Quarks oder deren hypothetische Superpartner die Squarks Vorteile bieten Weblinks BearbeitenInternational Linear Collider Offizielle Website englisch Artikel uber den ILC auf Welt der PhysikEinzelnachweise Bearbeiten T Behnke et al The International Linear Collider Technical Design Report Volume 1 Executive Summary 2013 arxiv 1306 6327 ILC TDR Vol 1 linearcollider org Rika Takahashi ILC candidate site in Japan announced 29 August 2013 abgerufen am 2 September 2013 Jan Osterkamp Neuer Teilchenbeschleuniger vor dem Aus Spektrum de 20 Dezember 2018 H Baer et al The International Linear Collider Technical Design Report Volume 2 Physics 2013 arxiv 1306 6352 ILC TDR Vol 2 C Adolphsen et al The International Linear Collider Technical Design Report Volume 3 II Accelerator Baseline Design 2013 arxiv 1306 6328 ILC TDR Vol 3 II T Behnke et al The International Linear Collider Technical Design Report Volume 4 Detectors 2013 arxiv 1306 6329 ILC TDR Vol 4 ILC Technical Design Report Volume 1 S 10 Online Version Barry Barish auf www linearcollider org englisch The ILC Technical Design ReportNormdaten Sachbegriff GND 7527094 8 lobid OGND AKS NDL 01152956 VIAF 252191226 Abgerufen 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