www.wikidata.de-de.nina.az
Hubert L Dreyfus 15 Oktober 1929 in Terre Haute Indiana 22 April 2017 in Berkeley 1 war ein amerikanischer Philosoph und Professor fur Philosophie an der University of California Berkeley Er beschaftigte sich hauptsachlich mit Phanomenologie Existenzphilosophie den philosophischen Auswirkungen von kunstlicher Intelligenz KI sowie der Philosophie von Psychologie und Literatur Dreyfus 2011 Inhaltsverzeichnis 1 Familie Ausbildung Beruf 2 Hintergrund 3 Dreyfus und Heidegger 4 Kritik von Dreyfus an der KI 5 Ehrungen 6 Schriften 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseFamilie Ausbildung Beruf Bearbeiten nbsp Hubert Dreyfus links vor seinem Berkeley Haus 1976 Hubert Lederer Dreyfus war der Sohn von Stanley S und Irene Lederer Dreyfus und wurde in Terre Haute Indiana geboren Er studierte an der Harvard University B A 1951 M A 1952 und wurde 1964 bei dem norwegischen Philosophen Dagfinn Follesdal promoviert Dreyfus lehrte zwischen 1960 und 1968 am Massachusetts Institute of Technology Er arbeitete 1965 fur die Rand Corporation und war Gastprofessor an der Johann Wolfgang Goethe Universitat Frankfurt am Main und am Hamilton College in Clinton Oneida County New York 1968 wurde er Associate Professor of Philosophy an der University of California Berkeley von 1972 bis 1994 ordentlicher Professor an der University of California Berkeley und seit 1994 bis zu seinem Tode Professor an der Graduate School der University of California Berkeley Er hatte zahlreiche Gastprofessuren an nationalen und internationalen Universitaten inne 2 2004 05 amtierte er als Prasident der American Philosophical Association Pacific Division 3 Hintergrund BearbeitenDreyfus wurde bekannt durch seine Kritik an der Kunstlichen Intelligenz und als Autor des 1972 erschienenen Buches Was Computer nicht konnen Die Grenzen kunstlicher Intelligenz Eine uberarbeitete Fassung erschien 1979 unter dem Titel What Computers Still Can t Do Im Jahre 1964 veroffentlichte Dreyfus sein Buch Alchemy and Artificial Intelligence das die Arbeiten von Allen Newell und Herbert A Simon angriff Beide waren die fuhrenden Kopfe auf dem Gebiet der Kunstlichen Intelligenz Dreyfus stellte nicht nur die Ergebnisse der beiden in Frage sondern kritisierte auch deren grundlegende Voraussetzungen Intelligenz entsteht durch die Manipulation physischer Symbole nach entsprechenden formalen Regeln Er glaubte dass das Forschungsprogramm der KI zum Scheitern verurteilt sei Er war jedoch 1967 der erste Mensch der gegen ein Schachprogramm verlor gegen MacHack VI von Richard Greenblatt 1980 veroffentlichte Dreyfus mit seinem Bruder Stuart Dreyfus ein Modell zur Fahigkeitenaneignung Dreyfus und Heidegger BearbeitenZusatzlich zu seinen Arbeiten auf dem Gebiet der kunstlichen Intelligenz wurde Dreyfus bekannt durch seine Arbeiten uber die europaischen Philosophen besonders Martin Heidegger und Michel Foucault die er analytisch geschulten Philosophen zuganglich machte So gehorte Dreyfus zur ersten US amerikanischen Ubersetzungsgruppe fur Heideggers Sein und Zeit Dies geschah in den funfziger Jahren als John Daniel Wild 1902 1972 in seinen Seminaren in Harvard an der Northwestern University und Yale Teile von Sein und Zeit ubersetzen liess Dreyfus war damals graduierter Harvard Student Als dieser 1952 bei einem Besuch in Oxford den kanadischen Philosophen Charles Taylor kennenlernte bildete sich der erste kleine Kreis an Heidegger Interessierten 4 Dreyfus Buch What Computers Can t Do 1972 ist in wesentlichen Teilen durch eine Rezeption Heideggerscher Philosophie gepragt 4 Heideggers Konzept der Welt siehe hierzu den Artikel Sein und Zeit steht fur Dreyfus der Moglichkeit einer kunstlichen Intelligenz aus zwei Grunden entgegen Erstens treten uns in der Welt niemals Einzeldinge entgegen denen wir dann erst eine Bedeutung beilegen sondern die Dinge sind fur uns immer in eine Bedeutungsganzheit eingebunden Der Hammer ist zum Hammern da Nagel halten die Bretter fur ein Haus zusammen das Haus dient dem Wohnen dem Schutz gegen Unwetter usw usf Dreyfus knupft hier an Heideggers Begriffe des Zeugs der Zeugganzheit und des Bewandtniszusammenhangs an Dieses Verstandnis der Dinge kann jedoch niemals in propositionaler Form ganzlich explizit gemacht werden apophantisches Als know what sondern ist immer nur einem Wesen das praktischen Umgang mit den Dingen immer schon vollzieht zuganglich hermeneutisches Als know how Zweitens besteht fur Dreyfus der Umgang mit der Welt nicht wesentlich darin dass wir in praktischen Situationen Moglichkeiten gleichsam berechnen Wir versuchen z B wenn wir die Sonne sehen nicht sie anzufassen wir sprechen nicht mit Steinen All dies jedoch musste geht man von den Vertretern der kunstlichen Intelligenz aus von einem Computerhirn geleistet werden Dies hielt Dreyfus aufgrund der Unendlichkeit der zu berechnenden Moglichkeiten fur nicht umsetzbar denn eine solche Maschine brauchte einen unendlichen Regelsatz um mit den Dingen in der Welt umzugehen Dreyfus hatte eine ganze Reihe von Schulern die sich auf Heidegger beziehen so z B Charles B Guignon Heidegger and the Problem of Knowledge 1983 John Richardson Existential Epistemology A Heideggerian Critique of the Cartesian Project 1986 John Haugeland Dasein s Disclosedness 1989 William Blattner Heidegger s Temporal Idealism 1999 Bezeichnend ist fur die an Dreyfus anknupfende Heidegger Rezeption dass er und seine Schuler sich fast ausschliesslich erkenntnistheoretischen Phanomenen zuwenden So wird Heideggers Konzept des In der Welt seins der Edmund Husserl Searlschen Auffassung von Intentionalitat entgegengesetzt aber der ganze zweite Abschnitt von Sein und Zeit also die Themen der Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit vernachlassigt Kritik von Dreyfus an der KI BearbeitenDie Kritik von Dreyfus an der kunstlichen Intelligenz KI basierte darauf wie er die vier primaren Annahmen der KI Forschung betrachtet Die ersten zwei Annahmen die er kritisierte nennt er biologische und psychologische Annahmen Die biologische Annahme besagt dass sich das Gehirn mit Computer Hardware und der Verstand mit Computer Software vergleichen lasst Die psychologische Annahme besagt dass der Verstand arbeitet indem er diskrete Berechnungen in der Form algorithmischer Regeln auf diskrete Darstellungen von Symbolen vornimmt Dreyfus behauptete dass die Glaubwurdigkeit der psychologischen Annahme auf zwei anderen basiert Der epistemologischen und der ontologischen Annahme Die epistemologische Annahme besagt dass die gesamte Tatigkeit von lebenden und leblosen Objekten im Voraus beschrieben werden kann durch mathematische Regeln und Gesetze Forscher auf dem Gebiet der KI argumentieren dass Intelligenz nichts anderes ist als formalen Gesetzen zu folgen Die ontologische Annahme besagt dass die Realitat tatsachlich aus einer Menge voneinander unabhangiger atomarer unteilbarer Fakten besteht siehe Fuzzy Logik Man begrundet dies dadurch dass Menschen innere Darstellungen der Realitat benutzen Auf der Basis dieser zwei Annahmen behaupten Forscher auf dem Gebiet der KI dass Erkenntnis durch Manipulieren innerer Symbole durch interne Regeln entsteht Deshalb sei das menschliche Verhalten in grossem Masse kontextfrei siehe Kontextualismus Daher sei auch eine echte naturwissenschaftliche Psychologie moglich die die internen Regeln des menschlichen Verstandes ausfuhrlich beschreibt genauso wie die Gesetze der Physik die externen Gesetze der physischen Welt beschreiben Aber genau diese Schlusselannahme bestritt Dreyfus Mit anderen Worten Er behauptete dass wir niemals unser eigenes Verhalten genau so verstehen werden wie wir Objekte etwa in der Physik oder Chemie verstehen also indem wir uns selbst als Ding betrachten dessen Verhalten durch objektive und kontextfreie wissenschaftliche Gesetze vorhergesagt werden kann Nach Dreyfus ist eine kontextfreie Psychologie ein Widerspruch in sich Die Argumente von Dreyfus gegen die Position einer quasi naturwissenschaftlichen Psychologie stammen aus der phanomenologischen Tradition speziell die Arbeit von Martin Heidegger Heidegger argumentierte dass unser Sein sehr stark kontextbezogen ist im Gegensatz zu der kognitiven Sicht auf der die KI basiert weshalb die beiden kontextfreien Annahmen falsch sind Dreyfus bestritt nicht dass wir die menschliche oder andere Aktivitat als durch Gesetze bestimmt ansehen konnen genauso wie wir die Realitat ansehen konnen als eine Ansammlung atomarer Fakten falls wir wollen Aber es bedeutet von da einen grossen Sprung hin zur Festlegung Nur weil wir Dinge so sehen konnen oder wollen es deshalb eine objektive Tatsache und damit der Fall ist Tatsachlich argumentierte Dreyfus dass sie nicht notwendig der Fall sind und deshalb jedes Forschungsprogramm das annimmt es ist so sehr schnell in tiefgreifende theoretische und praktische Probleme kommt Deshalb seien die gegenwartigen Bestrebungen der Forscher auf diesem Gebiet dazu verdammt fehlzuschlagen Es ist wichtig hervorzuheben dass Dreyfus nicht fur eine grundsatzliche Unmoglichkeit starker KI argumentierte sondern fur die Unzulanglichkeit sogesehen klassischer Forschungsansatze So vertrat er die Uberzeugung dass die Moglichkeit menschenahnlicher Intelligenz ein menschenahnliches Dasein voraussetze dessen Gegenwart sich in gesellschaftlich widerspruchlichem Kontext vollziehe Ein zu diesem Zweck konstruiertes Gerat brauche folglich einen Korper wie auch einen sozialen Kontext etwa eine Gesellschaft und eine durch kollektive Arbeit manipulierbare Umwelt da sich erst im zielgerichteten Zusammenspiel dieser Komponenten Bedeutung und Sinn ergeben und damit uberhaupt eine Grundlage fur intelligentes Handeln Ahnliche Ansatze gibt es in den Kognitionswissenschaften etwa von Vertretern des Embodiments und z B durch Rodney Brooks auch auf dem Gebiet der Robotik Ehrungen BearbeitenDie Erasmus Universitat Rotterdam verlieh Dreyfus die Ehrendoktorwurde Fur seine brillante und sehr einflussreiche Arbeit auf dem Gebiet der Kunstlichen Intelligenz und fur seinen ebenso herausragenden Beitrag zur Analyse und Interpretation der europaischen Philosophen im zwanzigsten Jahrhundert Zudem war er seit 2001 Mitglied der American Academy of Arts and Sciences Schriften BearbeitenAlchemy and Artificial Intelligence 1964 Continental Philosophy An Introduction What Computers Can t Do The Limits of Artificial Intelligence 1972 ISBN 0 06 090613 8 Deutsch Was Computer nicht konnen Die Grenzen kunstlicher Intelligenz Athenaum Konigstein Ts 1985 ISBN 3 7610 8369 6 What Computers Still Can t Do A Critique of Artificial Reason 1979 ISBN 0 262 54067 3 Neuauflage MIT Press 1992 ISBN 0 262 04134 0 mit Paul Rabinow Michel Foucault Beyond structuralism and hermeneutics Univ of Chicago Press Chicago 1982 deutsch Michel Foucault Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik Athenaum Frankfurt M 1987 ISBN 3 610 00732 X mit Stuart Dreyfus Mind Over Machine Free Press 1986 deutsch Kunstliche Intelligenz Von den Grenzen der Denkmaschine und dem Wert der Intuition Rowohlt Reinbek b Hamburg 1987 ISBN 3 499 18144 4 Being in the World Division 1 1991 On the Internet Routledge 2001 ISBN 0 415 22807 7 Internet 2002 mit Sean Kelly All Things Shining Reading the Western Classics to Find Meaning in a Secular Age New York 2011 mit Charles Taylor Retrieving Realism Harvard University Press New York 2015 deutsch Die Wiedergewinnung des Realismus Suhrkamp Berlin 2016 ISBN 978 3 518 58685 3 Literatur BearbeitenGeorge Lakoff Mark Johnson Philosophy in the Flesh the Embodied Mind and its Challenge to Western Thought Basic Books 1999 ISBN 0 465 05673 3 Mark A Wrathall Hrsg Heidegger Coping and Cognitive Science Essays in Honour of Hubert L Dreyfus MIT Press Cambridge Mass London 2000 ISBN 978 0 262 73128 7Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Hubert Dreyfus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Profilseite in Berkeley mit Bibliographie und aktuellen Aufsatzen Webcast Existentialism in Literature and Film Regents of the University of California 2006 archiviert vom Original am 30 April 2006 abgerufen am 29 April 2017 englisch Webcast Heidegger Regents of the University of California 2007 archiviert vom Original am 20100106044829 abgerufen am 29 April 2017 englisch Webcast Heideggers Being and Time Division II Regents of the University of California 2008 archiviert vom Original am 11 Januar 2008 abgerufen am 29 April 2017 englisch Webcast Man God and Society in Western Literature Regents of the University of California 2007 archiviert vom Original am 6 Februar 2007 abgerufen am 29 April 2017 englisch Leander Scholz Dreyfus Taylor Die Wiedergewinnung des Realismus Denken in und mit der Welt Manuskript der Deutschlandfunk Sendung Buchermarkt Das Buch der Woche 18 Dezember 2016 Detlef Borchers Was Computer nicht konnen zum Tode von Hubert Dreyfus Heise online 25 April 2017Einzelnachweise Bearbeiten In Memoriam Hubert Dreyfus American Philosophical Association 22 April 2017 abgerufen am 29 April 2017 englisch Yasmin Anwar Hubert Dreyfus preeminent philosopher and AI critic dies at 87 Berkeley News 24 April 2017 abgerufen am 29 April 2017 englisch Hubert L Dreyfus Curriculum Vitae University of California Berkeley Stand 16 Januar 2013 abgerufen am 29 April 2017 englisch American Philosophical Association Past Pacific Division Officers a b Charles B Guignon Heidegger der amerikanische Pragmatismus und die Analytische Philosophie In Dieter Thoma Hrsg Heidegger Handbuch Leben Werk Wirkung Metzler Stuttgart 2003 ISBN 978 3 476 01804 5 S 459 Normdaten Person GND 122891953 lobid OGND AKS LCCN n79052221 NDL 00465789 VIAF 29544900 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Dreyfus HubertALTERNATIVNAMEN Dreyfus Hubert L KURZBESCHREIBUNG US amerikanischer PhilosophGEBURTSDATUM 15 Oktober 1929GEBURTSORT Terre Haute IndianaSTERBEDATUM 22 April 2017STERBEORT Berkeley Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hubert Dreyfus amp oldid 232015863