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Herr Puntila und sein Knecht Matti ist ein ab 1940 1941 entstandenes Theaterstuck Bertolt Brechts das am 5 Juni 1948 im Schauspielhaus Zurich unter der Regie von Kurt Hirschfeld uraufgefuhrt wurde Als Vorlage diente ihm das Theaterstuck Sagemehlprinzessin der finnischen Dichterin Hella Wuolijoki auf deren Gut Brecht wahrend seiner Exilzeit in Finnland war Das Werk entstand mit Wuolijokis Unterstutzung fur einen Wettbewerb des finnischen Dramatikerverbandes Es wurde von Wuolijoki ins Finnische ubersetzt und 1946 unter dem Titel Der Gutsherr Iso Heikkila und sein Knecht Kalle veroffentlicht Neben dem Stuck von Hella Wuolijoki dienten Brecht die Erzahlung Der Brotherr von Maxim Gorki und Denis Diderots Roman Jacques der Fatalist und sein Herr als Anregung Ob er auch durch Charlie Chaplins Film Lichter der Grossstadt beeinflusst war in dem sich ein Millionar in betrunkenem Zustand mit einem armen Tramp befreundet ihn aber bei Nuchternheit verstosst lasst sich nicht mit Sicherheit nachweisen 1 DatenTitel Herr Puntila und sein Knecht MattiGattung VolksstuckOriginalsprache DeutschAutor Bertolt BrechtErscheinungsjahr 1950Urauffuhrung 5 Juni 1948Ort der Urauffuhrung Schauspielhaus ZurichPersonenPuntila Gutsbesitzer Matti Knecht des Herrn Puntila Eva Tochter des Herrn Puntila Attache Fredrik der Richter Schmuggleremma Sandra die Telefonistin Kuhmadchen Fina Stubenmadchen Laina Kochin Probst Probstin Viehdoktor Ober Dicker Mann Arbeiter Rothaariger Kummerlicher der rote Surkkala Advokat Waldarbeiter Apothekerfraulein Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Personen 3 Auffuhrungsgeschichte und Rezeption 4 Interpretation 5 Verfilmungen 6 Literatur Auswahl 7 Einzelnachweise 8 WeblinksInhalt BearbeitenDer finnische Gutsbesitzer Puntila ist nuchtern ein Ausbeuter und betrunken ein Menschenfreund Nuchtern will Puntila seine Tochter mit einem Aristokraten verheiraten betrunken mit seinem Chauffeur Matti Betrunken verlobt er sich nacheinander mit der Schmuggleremma dem Apothekerfraulein dem Kuhmadchen und der Telefonistin als die vier dann aber zum Spass auch wirklich auf der angesetzten Verlobung erscheinen jagt der nuchterne Puntila sie wieder vom Hof Seine Tochter Eva schatzt den Attache den sie nach Wunsch ihres Vaters heiraten soll zwar sehr hoch bezweifelt aber dass er der richtige Mann fur sie ist da sie ein sehr lebhafter Mensch sei und sich mit dem sehr zuruckhaltenden und stets korrekten Attache leicht langweilen konnte Um die Verlobung platzen zu lassen tauscht sie sogar vor eine Affare mit Matti in der Badehutte zu haben Der Attache scheint jedoch dem Chauffeur zu glauben dass sie nur Karten in der Badehutte gespielt hatten An diesem Punkt lasst sich daruber streiten ob er einfach zu naiv ist oder seine Schulden so gross sind dass er auf die ganz betrachtliche Mitgift angewiesen ist die er durch die Heirat mit Eva erhalt Alle Bemuhungen von Eva die Verlobung zu verhindern schlagen fehl Herr Puntila ist auf der Verlobungsfeier nicht betrunken als er einsieht dass der Attache ein Schwachling und kein Mann fur seine Tochter ist aber diese Einsicht veranlasst ihn sich zu betrinken Je betrunkener Puntila wird umso mehr missfallt ihm die Visage des Attaches sodass er ihn dann sogar aus dem Haus jagt und Steine hinter ihm herwirft Eva kummert das wenig im Gegenteil sie ist froh ihn los zu sein Als Puntila schliesslich den Chauffeur Matti zum Schwiegersohn bestimmt unterzieht dieser die Tochter des Reichen einem Examen in dem sie beweisen soll dass sie ihn glucklich machen konne Das Ergebnis dieses Tests Arm und reich konnen nicht zusammenkommen Eva erfullt einfach nicht die Anforderungen die Matti an eine Ehefrau stellt Am nachsten Morgen bemuht sich der nuchterne Puntila alles wieder in Ordnung zu bringen was er am vorherigen Tag angerichtet hat und fasst den Beschluss allen Alkohol den er besitzt zu vernichten damit so etwas nicht noch einmal geschehen kann Anstatt den Alkohol aus dem Fenster zu werfen beginnt er aber ihn aus einem Glas zu trinken welches ihm Matti diensteifrig gebracht hat und verspricht ihm den er vor kurzem sogar noch entlassen wollte erst eine Gehaltserhohung dann sogar einen Teil seines Waldes In der Schlussszene verlasst Matti in aller Fruhe den Hof da er eingesehen hat dass es so nicht mehr weitergehen kann und er nicht noch warten will bis Herr Puntila nuchtern aufwacht und ihn dafur zur Rechenschaft zieht Personen BearbeitenPuntila Der Gutsherr ist ein Kapitalist und Ausbeuter wenn er jedoch betrunken ist so avanciert er zum Menschenfreund beschreibt sich selbst als Kommunist Wahrend er betrunken ist wachsen auch seine moralischen Anspruche Sein Verhalten gleicht einer dissoziativen Identitatsstorung diese wird jedoch von Brecht nicht im Sinne eines medizinischen Befundes sondern als kunstlerische Metapher eingesetzt siehe Interpretation Matti Der Chauffeur des Puntila auch als Knecht bezeichnet ist neben dem Gutsherrn die zweite Hauptfigur des Stucks Matti ist zumeist gutmutig und ertragt seinen Vorgesetzten in der Regel ohne Widerworte Zuletzt verlasst er jedoch das Gut da er nach einer Nacht mit hohem Alkoholkonsum keine Zukunft fur sein Arbeitsverhaltnis mit Puntila sieht Eva Ist die Tochter des Gutsherrn sie soll mit dem Attache verlobt werden Diesen lehnt sie jedoch auf Grund seines Charakters ab und bevorzugt stattdessen den Chauffeur Matti mit dem es jedoch nicht zu einer Verlobung kommt Auffuhrungsgeschichte und Rezeption BearbeitenAn der Urauffuhrung die im Juni 1948 im Zurcher Schauspielhaus stattfand hatte Brecht einen wesentlichen Anteil Offiziell durfte er als Auslander nicht arbeiten deshalb tauchte sein Name auf der Besetzungsliste nicht auf Jedoch war er es der im Wesentlichen Regie fuhrte 2 Die Auffuhrung war bei der Fachkritik kein ungeteilter Erfolg Brecht wurde vorgeworfen dass er sich auch in der Komodie als ein Kanzelredner der Vernunft betatigt habe und mehr den Stil des Lehrgedichts bediene 2 Der Publikumserfolg war wohl ausschlaggebend dafur dass es allein im Jahr 1949 funfzehn Auffuhrungen in Westdeutschland gab nbsp Szenenbild aus der Urauffuhrung im Deutschen Theater Berlin Gisela Trowe und Erwin GeschonneckIm Oktober 1948 reisten Brecht und seine Frau Helene Weigel nach Ost Berlin wo Besprechungen uber ein eigenes Brecht Ensemble aufgenommen wurden Ab Februar 1949 wurde das Berliner Ensemble unter der Leitung von Helene Weigel aufgebaut Es war zunachst im Deutschen Theater untergebracht die Eroffnung fand am 12 November mit Herr Puntila und sein Knecht Matti unter der Regie von Bertolt Brecht und Erich Engel statt Das Buhnenbild stammte von Caspar Neher Brecht knupfte an die Zurcher Urauffuhrung an zumal Leonhard Steckel wie schon bei der Urauffuhrung den Puntila spielte Er veranderte jedoch die Zuge Puntilas der in Zurich sympathisch mit einigen ublen Anwandlungen im Zustand der Nuchternheit gewesen war In der Berliner Auffuhrung betonte Brecht die Gefahrlichkeit Puntilas indem er ihm eine andere Maske gab Der Volksschauspieler Erwin Geschonneck verkorperte in der Berliner Auffuhrung den Matti Die Inszenierung wurde einhellig gelobt Dennoch war Brecht nicht zufrieden er hatte asthetische Zugestandnisse gemacht und sah sich von seinem Ideal des echten radikal epischen Theater noch weit entfernt 2 Von dieser Auffuhrung liess Brecht ein Modellbuch anfertigen das eine Dokumentation der Inszenierung in Beschreibungen konzeptionellen Uberlegungen Probennotaten und Fotos enthielt und fur spatere Auffuhrungen des Stuckes eine Art inhaltlichen Leitfaden darstellte 3 Herr Puntila und sein Knecht Matti war wegen seines Volksstuck Charakters eines der popularsten Brecht Stucke und wurde in der Bundesrepublik wie in der DDR gleichermassen oft gespielt 1967 schrieben Peter Palitzsch und Manfred Wekwerth den Text als Opernlibretto um das von Paul Dessau unter dem Titel Puntila vertont wurde Die Urauffuhrung fand am 15 November 1966 in der Berliner Staatsoper statt Interpretation BearbeitenDie Verkehrung von Realitaten ist ein ubliches Komodienmuster Brecht nutzt sie in Puntila jedoch nicht nur um komische Verwicklungen zu erzeugen sondern vor allem in einem weltanschaulichen Sinne Puntila ist nur Mensch wenn er betrunken also nicht normal ist Da entwickelt er scheinbar einen sozialen Sinn ist voller Lebensfreude Genussfahigkeit und Humor Im nuchternen Zustand fallt er in den Zustand eines berechnenden rucksichtslosen und menschlich kalten Egoisten zuruck Er ist reduziert auf den kapitalistischen Gutsherren der Menschen nach ihrer Brauchbarkeit beurteilt und allein nach seinem Vorteil handelt Man konnte sagen die Rolle des Herren entfremdet ihn seines Menschseins Nur mit Hilfe der Droge ist es ihm moglich an die positiven Eigenschaften der Gattung anzuknupfen Brecht selbst machte darauf aufmerksam dass Puntila im Zustand der Trunkenheit keinesfalls vollstandig aus der sozialen Rolle des Gutsbesitzers aussteigt Er lasst auch im betrunkenen Zustand andere fur sich arbeiten so bei der Errichtung des Hatelma Berges aus Mobeln durch Matti Er uberschreitet und kaschiert lediglich die Klassenunterschiede durch joviale Gesten die sich fur die Betroffenen immer als hohl herausstellen wenn Puntila wieder nuchtern ist Brecht zeigt dass die Allgemeinmenschlichkeit mit der soziale Probleme lediglich bemantelt aber nicht verandert werden eine umso grossere Gefahr darstellt weil sie die Klassenkonflikte ubertuncht Es geht ihm darum den Abgrund zu zeigen der darin liegt dass da zwar ein freundliches menschliches Antlitz ist dass dies aber nichts und auch gar nichts an der Realitat der Unterdruckung und Ausbeutung andert 4 Die Verkehrung von Realitaten nutzt Brecht in diesem Stuck auch in zahlreichen Spielen so spielen Eva und Matti in der Sauna ein Liebespaar um den Attache abzuschrecken Spater spielt Eva eine Arbeiterfrau um Matti zu beweisen dass sie ihm eine gute Ehefrau ware Bei diesen Spielen zeigt Brecht dass Matti im Spiel seine angestammte Rolle verlassen also im eigentlichen Sinne spielen kann Puntila und Eva konnen dies nicht Sie vermogen den Rahmen ihrer sozialen Existenz nicht zu sprengen Dieser Gedanke knupft an das Hegelsche Paradox von Herr und Knecht an Obwohl der Herr die Macht uber den Knecht zu haben scheint ist es in Wirklichkeit der Herr der abhangig ist Er der sich selbstandig wahnt ist von der Arbeit des Knechtes abhangig denn nur die macht ihn zum Herren 5 In dieser Spiellogik steckt Brechts politische Botschaft dass eine Veranderung der gesellschaftlichen Verhaltnisse letztlich nicht von gutmutigen Kapitalisten sondern nur von den Knechten deren Reprasentant Matti ist zu erwarten sei Folgerichtig kundigt Matti am Ende des Stuckes Puntila die Gefolgschaft auf und verlasst das Gut Verfilmungen Bearbeiten1957 Herr Puntila und sein Knecht Matti DDR Aufzeichnung des Deutschen Fernsehfunks einer Inszenierung von Manfred Wekwerth und Peter Palitzsch 1960 Herr Puntila und sein Knecht Matti Osterreich Regie Alberto Cavalcanti 1966 Herr Puntila und sein Knecht Matti Deutschland Fernsehfilm Regie Rolf Hadrich 1979 Herra Puntila ja hanen renkinsa Matti Schweden Finnland Regie Ralf LangbackaLiteratur Auswahl BearbeitenHans Peter Neureuter Herr Puntila und sein Knecht Matti In Brecht Handbuch in 5 Banden Bd 3 hrsg von Jan Knopf J B Metzler Stuttgart 2001 ISBN 3 476 01829 6 S 440 456 Bernhard Spies Die Komodie in der deutschsprachigen Literatur des Exils ein Beitrag zur Geschichte und Theorie des komischen Dramas im 20 Jahrhundert Konigshausen amp Neumann Wurzburg 1997 ISBN 3 8260 1401 4 Einzelnachweise Bearbeiten Jan Knopf Brecht Handbuch Theater J B Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 1980 S 217 a b c Jan Knopf Brecht Handbuch Theater J B Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 1980 S 226 Theaterarbeit 6 Auffuhrungen des Berliner Ensembles Hrsg Berliner Ensemble Helene Weigel VVV Dresdner Verlag Dresden 1952 zitiert nach Jan Knopf Brecht Handbuch Theater J B Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 1980 S 221 Jan Knopf Brecht Handbuch Theater J B Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 1980 S 218Weblinks Bearbeitenhttps www suhrkamp de download blickinsbuch 9783518188507 pdf Leseprobe https www zeit de 1948 26 herr puntila und sein knecht Kritik der Urauffuhrung Normdaten Werk GND 4132897 8 lobid OGND AKS LCCN n2005007638 VIAF 311186109 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Herr Puntila und sein Knecht Matti amp oldid 234350789