Hermann Boßdorf (* 29. Oktober 1877 in Wiesenburg, Landkreis Zauch-Belzig; † 24. September 1921 in Hamburg) war ein deutscher Dramatiker und Balladendichter.
Leben Bearbeiten
Hermann Boßdorf stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Sein Vater Friedrich Boßdorf war Schneidermeister und Büdner, ab etwa 1882 Heimatunterbeamter in Wiesenburg. Hermann Boßdorf besuchte zunächst die Knabenschule seines Heimatortes Wiesenburg im Fläming. Sein Vater nahm Anfang 1888 eine neue Arbeit als Briefträger in Hamburg an und holte im Mai 1888 seine Frau und seine beiden Kinder Hermann und Anna nach Hamburg.
Nach der Schulzeit wurde Hermann zuerst Postgehilfe und machte danach eine Ausbildung zum Post- und Telegraphenassistent. 1909 wurde ihm der Titel Obertelegrafenassistent verliehen. Während seiner Arbeit im Hamburger Haupttelegrafenamt und durch seine schwedischen Kollegen lernte er Dänisch und Schwedisch. Dadurch war er in der Lage, Werke nordischer Autoren in den Originalsprachen zu lesen. Der Dichter litt schon seit längerern Zeiten an einem schweren Nervenleiden. Im Mai 1915 brach er infolge zu häufigen Nachtdienstes bei der Telegrafie im ersten Kriegsjahr zusammen, so dass sein Arzt Hermann Plaut ihn schon aufgegeben hatte. Im Mai 1917 wurde Hermann Boßdorf mit einem Ruhegehalt von 150 RM monatlich in den Ruhestand versetzt.
Der an dem Unterkörper fast gelähmte Dichter versuchte krampfhaft mit seiner schriftstellerischen Arbeit für seine Frau Bertha und seine bei sich wohnende Schwiegermutter zu sorgen. Ebenfalls sorgte er nach dem Tod des Vaters für seine Mutter, sowie für seine Schwester und deren beiden Kinder.
1899 hatte Hermann Boßdorf seine Frau Bertha (1873–1934) kennengelernt, die sich für übersinnliche Phänomene interessierte. Unter ihrem Einfluss beschäftigte er sich mit Astrologie und Telepathie.
In früher Jugend bereits hatte er hochdeutsche Dramen geschrieben, die um biblische Motive kreisten. Um 1900 verfasste er dann erste Gedichte.
Zeitgenossen berichten von der „gewaltig erschütternde(n) Wirkung“, die von Boßdorfs 1918 uraufgeführtem Drama De Fährkrog ausgegangen ist. Diese Wirkung nutzte die hamburgische Gesellschaft für dramatische Kunst für ihre kulturpolitischen Ziele. Das von Richard Ohnsorg geleitete Amateurtheater nannte sich fortan Niederdeutsche Bühne und verschrieb sich der Aufgabe, niederdeutsches Schauspiel öffentlich durchzusetzen. In schneller Folge verfasste Boßdorf – von Ohnsorg dazu angeregt und dramaturgisch unterstützt – seine Bühnenwerke für die Niederdeutsche Bühne Hamburg. Neben Fritz Stavenhagen ist Boßdorf so zum Wegbereiter der besonderen Kulturmission des Plattdeutsch-Theaters geworden.
Boßdorf schrieb in plattdeutscher Mundart. Sein literarisches Schaffen weist vier Hauptmotive auf: die verlorene Jugendgeliebte, die Sehnsucht nach dem Kind, den Ehebruch und den Tod. In seiner Wahl der dramatischen Stoffe ist Boßdorf sicherlich durch August Strindberg beeinflusst worden. Im Nachlass befindet sich eine Reihe unveröffentlichter Entwürfe und Fragmente.
Boßdorf starb im Alter von 43 Jahren und wurde in Hamburg auf dem Friedhof Ohlsdorf im Planquadrat B 14 südlich von Kapelle 4 beigesetzt.
Seine Werke werden auch heute noch gelegentlich aufgeführt, unter anderem im Hamburger Ohnsorg-Theater.
Boßdorfs gesammelte Werke wurden posthum von Willy Krogmann herausgegeben.
Ehrungen Bearbeiten
Zum 100. Todestag am 24. September 2021 fand in seiner alten Heimat in Wiesenburg eine Gedenkveranstaltung statt. Für den Dichter erschallten die Glocken der Marienkirche und in seiner Taufkirche wurde bei platt- und hochdeutschen Vorträgen, sowie Chorgesang an ihm erinnert. Szenen aus der Komödie "Kramer Kray", eine alte Aufzeichnung des Ohnsorg-Theaters, wurden in der Marienkirche gezeigt.
- In seinem Geburtsort ist eine Hauptstraße nach ihm benannt, vor seinem Geburtshaus steht ein Gedenkstein.
- Der Hermann-Boßdorf-Weg in Kiel-Pries ist nach ihm benannt.
- Die Boßdorfstraße in Bremen-Neustadt im Ortsteil Huckelriede ist nach ihm benannt.
- 1922 erfolgte die Benennung der Boßdorfstraße in Hamburg-Eimsbüttel.
- Im Hamburg-Haus Eimsbüttel gibt es den Hermann-Boßdorf-Saal.
Werke Bearbeiten
- Willy Krogmann: Hermann Boßdorf. Gesammelte Werke. 11 Bände, Hamburg 1952–1957
- Eekboom, plattdeutsche Ballade, 1911
- De Fährkrog, niederdeutsches Mysterium, 1919
- Bahnmeester Dod, niederdeutsche Tragödie, 1919
- Ole Klocken, niederdeutsche Balladen, 1919
- Eichen im Sturm, hochdeutsche Balladen, 1919
- De verhexte Karnickelbuck, lustige niederdeutsche Geschichten, 1919
- Der Postinspektor, hochdeutsche Humoresken, 1920
- Der Schädel vom Grasbrook, kuriose unheimliche Geschichten, 1920
- Kramer Kray, niederdeutsches Lustspiel, 1920
- Simson und die Philister, eine biblische Tragödie
- Dat Schattenspel. Plattdütsche Komeedie in een Akt
- De rode Ünnerrock, niederdeutsches Lustspiel, 1921
- Rode Ucht un anner Geschichten, übersinnliche Geschichten, 1921
- Letzte Ernte (Lieder, Balladen, Prosa), postum erschienen, 1922
Fragmente:
- Bernd Beseke, Tragödie, 1923
- Schane Hagenah, Schauspiel, 1925
- Störtebeker, Tragödie, 1928
Verfilmung Bearbeiten
- 1965: Der rote Unterrock – Regie: Günther Siegmund, mit Jochen Schenck, Otto Lüthje, Edgar Bessen, Hilde Sicks, Karl-Heinz Kreienbaum (Aufzeichnung aus dem Ohnsorg-Theater)
Hörspiele Bearbeiten
- 1924–26: De Fährkrog – Regie: Hans Böttcher, mit Richard Ohnsorg, Magda Bäumken, Hans Langmaack, Aline Bußmann, Hans Baas (Produzent: NORAG, Hamburg) (Fünf Liveübertragungen, mit fast der gleichen Besetzung. Nur die Rolle der Bußmann wurde abwechselnd auch von Erna Schuhmacher und Käthe Alving gesprochen)
- 1925–26: Dat Schattenspeel – Regie: Hans Böttcher (1925); Richard Ohnsorg (1926), mit Hermann Möller, Magda Bäumken, Adolf Johannesson, Ada Hamer (Produzent: NORAG, Hamburg) (Zwei Liveübertragungen)
- 1925–26: Bahnmeester Dod – Regie: Hans Böttcher, mit Richard Ohnsorg, Magda Bäumken, Hermann Möller, Ada Hamer (Produzent: NORAG, Hamburg) (Zwei Liveübertragungen)
- 1926: De rode Uennerrock – Mit Bruno Wolberts, Richard Ohnsorg, Magda Bäumken, Adolf Johannesson (NORAG, Hamburg)
- 1926: Kramer Kray – Regie: Hans Böttcher, mit Paul Möhring, Magda Bäumken, Richard Ohnsorg, Arnold Risch, Ada Hamer, Käthe Alving, Hedwig Genzmer (NORAG, Hamburg)
- 1950: Bahnmeister Dood (Produktion: NWDR Hamburg)
- 1950: Dat Schattenspeel – Regie: Fritz Börner (Produzent: RB)
- 1952: De Fährkrog – Regie: Eberhard Freudenberg, mit Carl Hinrichs, Margarethe Wisser, Hartwig Sievers (Produzent: RB)
- 1953: De Nacht mit Störtebeker – Regie: Eberhard Freudenberg, mit Walter A. Kreye, Carl Hinrichs, Hans Joachim Schenck (Produzent: RB)
- 1954: De rode Ünnerrock – Regie: Günter Jansen, mit Erwin Wirschaz, Günther Siegmund, Walter Scherau (Produzent: NWDR Hamburg)
- 1954: Kramer Kray – Regie: Eberhard Freudenberg, mit Carl Hinrichs, Hans Rastede, Ruth Bunkenburg (Produzent: RB)
- 1955: Bahnmeister Dood – Regie: Eberhard Freudenberg, mit Carl Hinrichs, Ruth Bunkenburg, Walter A. Kreye (Produzent RB)
- 1961: De Fährkrog – Mit Walter Scherau, Heidi Kabel, Gisela Wessel (Produzent: NDR)
- 1961: Kramer Kray – Regie: Wolfgang Harprecht, mit Carl Hinrichs, Hans Rolf Radula, Anneliese Tesch (Produzent: RB)
- 1977: Kramer Kray – Regie: Wolfgang Harprecht, mit Carl Hinrichs, Hans Rolf Radula, Anneliese Tesch (Produzent: RB/NDR)
- 19??: Kramer Kray – Regie: Günther Siegmund, mit Karl-Heinz Kreienbaum, Christa Johns, Heini Kaufeld, Edgar Bessen (Produzent: NDR)
Literatur Bearbeiten
- Carl Budich: Boßdorf als Lyriker und Balladendichter. Dissertation, Universität Hamburg 1927
- Heinrich Detjen: Hermann Boßdorf als Dramatiker. Pröpper, Hamburg 1936
- Albrecht Janssen: Hermann Boßdorf. Der Mensch, das Werk, der Dichter (= Niederdeutsche Bücherei. 111). Hermes, Hamburg 1927
- Willy Krogmann: Die Jugendgeliebte. Ein unbeachtetes Motiv im Schaffen Hermann Boßdorfs (= Niederdeutsche Bücherei. 207). Hermes, Hamburg 1948
- Ulf-Thomas Lesle: Stationen des Kampfes. In: Das niederdeutsche Theater. Von 'völkischer Not' zum Literaturtrost. Hamburg 1986, S. 104–116.
- Friedrich W. Michelsen (Hrsg.): Hermann Boßdorf. 1877–1921. Arbeitsgemeinschaft Niederdt. Tage in Hamburg e. V., Hamburg 1977.
- Walther Niekerken: Boßdorf, Hermann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 483 f. (Digitalisat).
- Johann Tietjen: Der dichterische Gebrauch der neuniederdeutschen Sprache im Drama anhand der plattdeutschen Dramen von Stavenhagen und Boßdorf. Dissertation, Universität Hamburg 1949.
Weblinks Bearbeiten
- Literatur von und über Hermann Boßdorf im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Hermann Boßdorf in den Historischen Pressearchiven der ZBW
- Werke von Hermann Boßdorf bei Zeno.org.
- Hermann Boßdorf in der Datenbank Die niederdeutsche Literatur
Einzelnachweise Bearbeiten
- G. H. J. Scholz: Der niederdeutsche Gedanke. Ms. ungedr. Archiv Ohnsorg-Theater.
- Verzeichnis von Ohlsdorfer Porträts bei fof-ohlsdorf.
- (Auskunft 2020 Friedhofsverwaltung)
- Hans-G. Hilscher, Dietrich Bleihöfer: Hermann-Boßdorf-Weg. In: Kieler Straßenlexikon. Fortgeführt seit 2005 durch das Amt für Bauordnung, Vermessung und Geoinformation der Landeshauptstadt Kiel, Stand: Februar 2017 (kiel.de).
Personendaten | |
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NAME | Boßdorf, Hermann |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Dramatiker und Balladendichter |
GEBURTSDATUM | 29. Oktober 1877 |
GEBURTSORT | Wiesenburg, Landkreis Zauch-Belzig |
STERBEDATUM | 24. September 1921 |
STERBEORT | Hamburg |