www.wikidata.de-de.nina.az
Heinrich Heinz Karl Tunnat 2 Januar 1913 in Trier 8 Februar 1999 in Offenbach 1 war ein deutscher SS Untersturmfuhrer des Einsatzkommandos 9 der Einsatzgruppe B Unter Alfred Filbert war er an der Ermordung von rund 40 000 Juden in Litauen Weissrussland und der Sowjetunion sowie als SS Hauptsturmfuhrer unter Herbert Kappler an der Durchfuhrung des Massakers in den Ardeatinischen Hohlen im Marz 1944 in Rom beteiligt und mitverantwortlich Im Jahr 1961 wurde er fur einige der durch ihn begangenen Massenexekutionen 11 000 gerichtlich nachgewiesene in Berlin zu vier Jahren Haft verurteilt er konnte sich aber seiner juristischen wie moralischen Verantwortung unter anderem fur das Massaker in Rom bis zu seinem Tod entziehen Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Vom Polizisten zum SS Hauptsturmfuhrer 3 Leben nach 1945 4 Archive 5 Literatur 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenHeinrich Tunnat wurde als Sohn des preussischen Reichsbahnbeamten Ober Lokomotivfuhrer Fritz Karl Tunnat und der Anna Margarethe Tunnat geborene Metzger in Trier geboren Sein Vater war zuvor nach zehn Dienstjahren aus dem Militardienst als Garde Kurassier Sergeant in Berlin ausgeschieden und zur Reichsbahn gewechselt Sein Grossvater Johann Heinrich Tunnat war Oberlehrer sein Grossvater mutterlicherseits Karl Metzger ebenfalls Reichsbahnbeamter Gemeinsam mit Heinrich Tunnat kam seine Zwillingsschwester Dorothea Tunnat zur Welt Diese ubernahm nach 1945 moralisch stellvertretend die Schuld ihres Zwillingsbruders die dieser wahrend des Holocaust mit seinen Massenexekutionen an Juden auf sich geladen hatte Dorothea wirkte als Diakonisse uber 40 Jahre lang bis zu ihrem Tod u a bei der Bahnhofsmission Sie kummerte sich bevorzugt um Obdachlose Alkoholiker und Randgruppen wie Sinti und Roma Vom Polizisten zum SS Hauptsturmfuhrer BearbeitenTunnat wurde nach dem Ende seiner Schulzeit Polizeibeamter im Regierungsbezirk Hannover Sein Vater war nach Gottingen versetzt worden Tunnat begeisterte sich fruh fur Adolf Hitler und die NSDAP wahrend sein Vater und ein alterer Bruder dem Nationalsozialismus ablehnend gegenuber standen Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 machte er schnell Karriere innerhalb des vom NS Regime infiltrierten Polizeiapparats Erst stieg er in der Polizei Direktion Hannover spater zum Polizeikommissar in Berlin Mitte auf Ab 1935 gehorte er der SS an 1936 wechselte er von der Berliner Kriminalpolizei zur Gestapo und damit in den Dunstkreis um Heinrich Himmler Zum 1 Mai 1937 trat er der NSDAP Mitgliedsnummer 5 219 699 bei 2 Im Fruhjahr 1941 wurde er aus dem Gestapo Dienst zu Bruno Streckenbach abkommandiert Von diesem der Einsatzgruppe B zugeteilt kam Heinrich Tunnat ab Mai 1941 im Einsatzkommando 9 unter Fuhrung von SS Obersturmfuhrer Alfred Filbert zum Einsatz Als SS Untersturmfuhrer fuhrte Tunnat selbstandig einen Zug an der wie sein Gerichtsverfahren vor dem Berliner Schwurgericht 1961 nachwies in Grodno Lida Molodeczno Newel Surasch Wilejka Wilna und Witebsk an der Erschiessung von mindestens 11 000 Menschen uberwiegend judische Frauen Kinder und Manner aktiv und direkt mitwirkte Fur diese grausamen gerichtlich nachgewiesenen Taten wurde Heinrich Tunnat im Juni 1961 als erwiesener Massenmorder zu vier Jahren Zuchthaushaft verurteilt Ende 1942 wurde Tunnat von der Ostfront nach Berlin zuruck beordert Beim Disziplinarverfahren gegen Alfred Filbert wurde er als Zeuge befragt Zeitgleich mit Herbert Kappler wurde Tunnat der inzwischen auf den Spitznamen Heinz horte im September 1943 der Sicherheitspolizei Rom zugeteilt Hier war er anfangs mit der Planung der Deportation von rund 10 000 italienischer Juden in die Vernichtungslager in Osteuropa befasst Auch bei der Festnahme von rund 1 200 Juden in Rom am 16 Oktober 1943 sowie deren anschliessender Deportation ins KZ Auschwitz Birkenau wirkte Tunnat federfuhrend mit Das Attentat in der Via Rasella vom 23 Marz 1944 als eine von Mitgliedern der Resistenza gezundete Bombe 33 deutsche Soldaten des Polizeiregiments Bozen totete und 67 verletzte fuhrte tags darauf zum Massaker in den Ardeatinischen Hohlen Fur jeden getoteten Deutschen sollten zehn unschuldige Italiener erschossen werden Kappler forderte den italienischen Gefangnisdirektor Caruso ultimativ auf ihm binnen 24 Stunden eine Liste mit geeigneten Todeskandidaten auszuhandigen Tunnat war von Kappler personlich mit der Abholung der Todeskandidaten aus den Gefangnissen Roms beauftragt Die Gefangenen wurden unter Tunnats Kommando mit Lastwagen zu den Sandsteinhohlen am Rande Roms an der Via Appia gebracht In Gruppen von je funf wurden die Todeskandidaten in die Hohle gezerrt wo auf Kapplers Befehl seine Offiziere personlich neben Heinrich Tunnat auch Carl Theodor Schutz Erich Priebke sowie die SS Untersturmfuhrer Ruepp Brandt und Reinhardt die Gefangenen per Genickschuss hinrichten mussten um ihre Treue gegenuber SS und dem Fuhrer unter Beweis zu stellen Nur Hauptsturmfuhrer Wetjen weigerte sich zunachst personliche Exekutionen vorzunehmen konnte schliesslich durch Tunnat und weitere Kameraden zur Teilnahme am gemeinsamen Massenmord uberredet werden Vor den anruckenden Alliierten brachte sich Tunnat nach Suddeutschland in Sicherheit Von Munchen aus setzte er sich im April 1945 nach Gottingen ab wo er Unterschlupf bei seiner Familie fand Leben nach 1945 BearbeitenNach Kriegsende 1945 gelang es Tunnat erfolgreich seine morderische Vergangenheit zu verbergen und zuruck in die Rolle eines Biedermanns zu schlupfen Er zog in die Britische Besatzungszone wurde entnazifiziert und begann 1947 in Oldenburg eine zweite burgerliche Karriere Schnell stieg er zum stellvertretenden Leiter der Handwerkskammer Oldenburg auf bevor ihn judische Fahnder um Simon Wiesenthal 1959 aufspurten Wenige Monate nach seiner Enttarnung wurde Tunnat verhaftet und kam in Hannover in Untersuchungshaft bevor er fur den Prozess nach West Berlin uberstellt wurde Im Prozess 3 wurden nur die osteuropaischen Massenmorde verhandelt Bei den Zeugenvernehmungen kamen zwei merkwurdige Aktionen Tunnats zur Sprache so als er neben judischen Mannern erstmals judische Kinder und Frauen erschiessen sollte den Befehl verweigerte Erst als ihm statt der blutjungen Rekruten denen er die grauenhaften Erschiessungen aus Sorge um ihre unschuldigen Seelen nicht zumuten wollte altere abgehartete SS Leute gestellt wurden setzte er den Erschiessungsbefehl um Der Vorgang zog keine disziplinarische Massnahme nach sich Eine weitere Auffalligkeit war die merkwurdige Aktion seines Zuges von Vilnius aus nach Trakai Hier fanden die SS Schergen unter Tunnat Karaer vor turkmenische Juden Statt diese judische Minderheit damals rund 350 Personen wie befohlen ins Ghetto Vilnius zu verbringen setzte er sich uber den Kopf seines Vorgesetzten direkt mit Berlin in Verbindung um abzuklaren wie er mit diesen Karaern verfahren solle Da Berlin nicht schnell genug antwortete brach er auf eigene Verantwortung die Aktion ab erneute Befehlsverweigerung und zog mit seinem Zug unverrichteter Dinge nach Vilnius zuruck Er liess die Karaer in Trakai zuruck was diesen das Leben rettete Erst am 13 Juni 1943 traf Georg Leibbrandt als Leiter der Politischen Abteilung Alfred Rosenbergs eine endgultige rechtsverbindliche Entscheidung nach der Karaer keine Juden im Sinne der Religionsgesetze des NS Regimes waren Diese Entscheidung erst sicherte ihnen als Minderheit in den besetzten sowjetischen und osteuropaischen Gebieten das Uberleben Nach Verbussung seiner Haftstrafe Mitte der 1960er Jahre kehrte Tunnat nicht nach Oldenburg zuruck sondern zog nach Offenbach wo er sein burgerliches Leben wieder aufnahm In Offenbach heiratete er erneut und grundete eine zweite Familie Anders als Erich Priebke wurde Tunnat vor seinem Tod nicht mehr fur seine Beteiligung am Massaker in den Ardeatinischen Hohlen Roms sowie seine weiteren Straftaten in Italien zur Rechenschaft gezogen Letztlich rettete ihn die Tatsache dass die italienischen Behorden ihn mit Heinz Tunnat einem bayerischen SS Obersturmfuhrer verwechselten mit dem Heinrich Tunnat jedoch weder identisch noch verwandt oder verschwagert war Somit blieb der ominose Heinz Heinrich Tunnat nach 1945 unauffindbar Heinrich Tunnat starb 1999 in Offenbach und wurde dort anonym beigesetzt Archive BearbeitenBundesarchiv Unterlagen Reichssippenamt Berlin Bundesarchiv Waffen SS Freiburg Staatsarchiv Ostpreussen Leipzig Litauisches historisches Staatsarchiv Vilnius Litauisches Zentrales Staatsarchiv Vilnius Archiv der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage Salt Lake City The United States Holocaust Memorial Museum WashingtonLiteratur BearbeitenAJR Information Vol XVII No 8 Association of Jewish Refugees Arunas Bubnys Vokieciu okupuota Lietuva Vilnius LGGRT Chronik des 20 Jahrhunderts Spiegel Verlag Martin Cuppers Wegbereiter der Shoah Die Waffen SS der Kommandostab Reichsfuhrer SS und die Judenvernichtung 1939 1945 Wolfgang Curilla Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Baltikum Christoph Dieckmann Der Krieg und die Ermordung der litauischen Juden Christoph Dieckmann Saulius Suziedlis THE PERSECUTION AND MASS MURDER OF LITHUANIAN JEWS DURING SUMMER AND FALL OF 1941 Saul Friedlander Das Dritte Reich und die Juden Wassili Grossmann Ilja Ehrenburg Hrsg Das Schwarzbuch Der Genozid an den sowjetischen Juden Hamburger Abendblatt 143 vom 22 Juni 1962 Hamburger Institut fur Sozialforschung Hrsg Verbrechen der Wehrmacht Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 1944 Ausstellungskatalog Hamburger Edition Justiz und NS Verbrechen Band XVIII Lfd Nr 540 Reinhard Kaiser und Margarete Holzman Hrsg Dies Kind soll leben Die Aufzeichnungen der Helene Holzman 1941 1944 Peter Klein Hrsg Die Einsatzgruppen in der besetzten Sowjetunion 1941 42 Die Tatigkeits und Lageberichte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD Edition Hentrich Berlin Helmut Krausnick Hans Heinrich Wilhelm Die Truppe des Weltanschauungskrieges Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938 1942 Deutsche Verlags Anstalt Stuttgart Klaus Michael Mallmann Andrej Angrick Jurgen Matthaus Martin Cuppers Hrsg Die Ereignismeldungen UdSSR 1941 Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion Veroffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg Bd 20 WBG Darmstadt Jurgen Matthaus Jenseits der Grenze Die ersten Massenerschiessungen von Juden in Litauen Juni August 1941 Kurt Patzold Der Massenmord an den europaischen Juden und die Geschichtswissenschaft Richard Rhodes Die deutschen Morder Die SS Einsatzgruppen und der Holocaust ubersetzt und bearbeitet von Jurgen Peter Krause Bastei Lubbe Bergisch Gladbach Joachim Staron Deutsche Kriegsverbrechen und Resistenza Katrin Stoll Die Herstellung der Wahrheit Strafverfahren gegen ehemalige Angehorige der Sicherheitspolizei fur den Bezirk Bialystok Diss an der Uni Bielefeld 2011 Reihe Juristische Zeitgeschichte Abteilung 1 Band 22 De Gruyter Berlin Boston Harald Welzer Michaela Christ Tater Wie aus ganz normalen Menschen Massenmorder werden S FischerEinzelnachweise Bearbeiten Sterberegister des Standesamtes Offenbach Nr 215 1999 French L MacLean The Field Men the SS Officers Who Led the Einsatzkommandos the Nazi Mobile Killing Units Schiffer Publishing 1999 ISBN 0 7643 0754 1 S 122 Gerichtsentscheid LG Berlin 620622 BGH 630409 Tatland Litauen Russland Weissrussland Tatort Grodno Lida Molodeczno Newel Surash Wilejka Wilna Witebsk Tatzeit 4107 4110 Opfer Juden Nationalitat Litauische Sowjetische Dienststelle Einsatzgruppen EK9 Verfahrensgegenstand Erschiessung tausender judischer Manner Frauen und Kinder durch das Einsatzkommando 9 auf seinem Marschweg von Ostpreussen uber Wilna und Wilejka nach Witebsk wo samtliche Einwohner des dortigen Ghettos ermordet wurden Weiter Erschiessungen in abseits der Route gelegenen Orten durch dahin entsandte Teiltrupps Normdaten Person Wikipedia Personensuche Kein GND Personendatensatz Letzte Uberprufung 17 Februar 2023 PersonendatenNAME Tunnat HeinrichALTERNATIVNAMEN Tunnat Heinrich Karl vollstandiger Name Tunnat Heinz Spitzname KURZBESCHREIBUNG deutscher SS Untersturmfuhrer des Einsatzkommandos 9 der Einsatzgruppe BGEBURTSDATUM 2 Januar 1913GEBURTSORT TrierSTERBEDATUM 8 Februar 1999STERBEORT Offenbach Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heinrich Tunnat amp oldid 242070973