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Hartmut Grundler 11 Januar 1930 in Humme 21 November 1977 in Hamburg war ein deutscher im Umweltschutz engagierter Tubinger Lehrer Am 16 November 1977 ubergoss er sich in Hamburg mit Benzin zundete sich an und starb funf Tage spater im Krankenhaus Seine Selbstverbrennung fand wahrend des SPD Bundesparteitages statt Sie war ein Protest gegen die von ihm behaupteten Falschinformationen in der Atompolitik der damaligen Bundesregierung speziell zu Asse II und die Weigerung Bundeskanzler Helmut Schmidts daruber mit ihm in Dialog zu treten Hartmut Grundler 1930 1977 Aufkleber Kein Plutonium nach Gorleben 1977 Gedenktafel fur die Selbstverbrennung von Hartmut Grundler an der Petrikirche in Hamburg Inhaltsverzeichnis 1 Beruflicher Werdegang 2 Tubinger Jahre von 1970 bis 1977 3 Grundlers Art der Offentlichkeitsarbeit 4 Grundlers Experiment mit der Wahrheit 5 Selbstverbrennung 6 Reaktionen und Wirkung 7 Veroffentlichungen Auswahl 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseBeruflicher Werdegang BearbeitenNach der Maurergesellenprufung 1952 einem abgebrochenen Architekturstudium an der TH Darmstadt und einem Padagogikstudium in Jugenheim 1957 59 war Grundler als Lehrer im hessischen Schuldienst tatig 1964 legte er nach einem halbjahrigen Fortbildungskurs in Franzosisch die Realschullehrerprufung ab Von November 1965 bis 1967 beurlaubt fur Deutschunterricht am Goethe Institut und dann im Rahmen des deutsch franzosischen Jugendaustauschs schloss er in Tubingen und Besancon ein Studium der Padagogik padagogischen Psychologie und Allgemeinen Sprachwissenschaft mit dem Abschluss eines Magister Artium 1969 ab Er begann eine Doktorarbeit zu einem psycholinguistischen Thema Tubinger Jahre von 1970 bis 1977 BearbeitenSchon fruh in Fragen des Umweltschutzes und der Politik engagiert arbeitete Grundler ab Ende 1970 im marxistisch leninistisch orientierten Tubinger Komitee fur Umweltschutz KfU mit Er grundete 1971 den satzungsgemass auf Gewaltfreiheit verpflichteten Tubinger Bund fur Umweltschutz BfU Wegen mangelnder Bereitschaft seinen eigenen von Gandhis Satyagraha inspirierten Weg gegenuber den Mehrheitsbeschlussen des Plenums aufzugeben wurde er dort jedoch bald ausgeschlossen und rief 1972 den kleineren Arbeitskreis Lebensschutz Gewaltfreie Aktion im Umweltschutz e V AKL ins Leben In Zusammenarbeit mit dem BfU kritisierte er die Stuttgarter Ausstellung Umwelt 72 scharf Auf der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Burgerinitiativen BBU am 27 28 April 1973 in Frankfurt wurde Grundler in den erweiterten Vorstand gewahlt Aufgrund eskalierender Auseinandersetzungen mit dem ersten Vorsitzenden Hans Helmuth Wustenhagen erfolgte am 14 November 1973 der Austritt der dezidiert am Lebensschutz orientierten Gruppe um Herbert Bruns zu der neben Grundler Dr H U Brand Dr D Heinemann und G Werner gehorten Ab 1974 engagierte er sich ebenfalls in der Auseinandersetzung um das fur Mittelstadt Kreis Reutlingen vorgesehene Atomkraftwerk Er setzte sich nachdrucklich fur einen koordinierenden Dachverband der verschiedenen Umweltschutzverbande ein der Ende 1975 unter der Schirmherrschaft von Altbundesprasident Gustav Heinemann als Deutscher Rat fur Umwelt und Lebensschutz entstand Am 25 Juli 1975 reichte Grundler bei Generalbundesanwalt Siegfried Buback erfolglos eine Strafanzeige gegen Forschungsminister Matthofer wegen Volkermordes ein Ab 1975 nahm er teils federfuhrend an insgesamt 20 Klagen gegen atomare Projekte teil Im Februar 1977 erhob er Verfassungsbeschwerde wegen Einschrankung seines Petitionsrechtes In seinem Nachlass fand sich kein Hinweis auf eine Antwort des Bundesverfassungsgerichts zu seinen Lebzeiten Grundlers Art der Offentlichkeitsarbeit BearbeitenIn der Uberzeugung dass seine Mitburger fur den Umweltschutz handeln wurden wenn sie nur gut genug informiert und in ihrer Verantwortlichkeit angesprochen wurden betrieb Grundler eine umfangreiche Offentlichkeitsarbeit Er stutzte sich besonders auf Flugblatter die er hauptsachlich in der Universitatsstadt Tubingen verteilte und verteilen liess Nach dem Prinzip Jeder weiss dass jeder weiss baute er zudem ein Kommunikationsnetz auf dessen Besonderheit war dass er seinen zahlreichen Schriften und Appellen die er an offentliche Personen und Entscheidungstrager richtete jeweils seinen Adressatenverteiler hinzufugte Grundlers Experiment mit der Wahrheit BearbeitenGepragt durch Gandhi versuchte er durch Hungerstreiks so in Wyhl Tubingen Kassel und zahlreiche offene Briefe an Parlamentarier Minister Journalisten usw eine Anderung in der Energiepolitik zu erzwingen Sein erster Konfliktpartner Bundesforschungsminister Hans Matthofer ging in dem von ihm im Juli 1975 zugestandenen Burgerdialog Kernenergie auf die Forderung nach Diskussion ein bekannte sich jedoch letztlich im Juni 1976 brieflich zur langfristigen Durchfuhrung des Atomprogramms Ab Sommer 1976 wandte sich Grundler an Bundeskanzler Helmut Schmidt Er forderte eine offentliche Klarstellung der im Juni 1976 in den Bonner Anhorungen im Forschungsausschuss am 2 Juni und im Innenausschuss am 9 Juni in seinen Augen offen zutage getretenen Widerspruche zum bis dahin gultigen Umweltprogramm der Sozialliberalen Koalition vom 29 September 1971 Der Kanzler antwortete ihm nie personlich Grundlers letzter im November 1977 deswegen geplanter unbefristeter Hungerstreik kam aufgrund ausserer Schwierigkeiten nicht zustande Selbstverbrennung BearbeitenAm 16 November 1977 Buss und Bettag ubergoss sich Grundler vor der St Petrikirche an der Monckebergstrasse in Hamburg mit Benzin zundete sich an und starb funf Tage spater im Krankenhaus 1 Seine Selbstverbrennung fand wahrend des SPD Bundesparteitages in Hamburg statt Sie war ein Protest gegen die fortgesetzte regierungsamtliche Falschinformation in der Energiepolitik besonders bezuglich der Endlagerung Presseorgane und Politiker darunter auch den Kanzler informierte er vorab schriftlich unter Beifugung seines politischen Testamentes Dieses stammte vom 14 November 1977 zwei Tage vor seiner Selbstverbrennung und trug den Titel Bitte weiterreichen Bitte verstandigen Sie rasch einen Publizisten aus Presse Funk Fernsehen Auch an Bundestagsabgeordnete Selbstverbrennung eines Lebensschutzers Appell gegen atomare Luge Auf einem doppelseitig bedruckten DIN A5 Flugblatt schrieb er darin von sich selbst in der dritten Person sprechend unter anderem Grundler nennt seine Aktion eine Tat nicht der Verzweiflung sondern des Widerstandes und der Entschlossenheit Er will dem Sachzwang der Profitgier des Dummenfangs der Uberrumpelung hier der Tragheit und Feigheit dort einen Sachzwang des Gewissens entgegensetzen Hartmut Grundler Flugblatt vom 14 November 1977In dem direkt an den Bundeskanzler gerichteten Anhang zu diesem Appell schrieb er weiterhin Ich wahle die letzte und ausserste Form des Protestes und nutze anstelle des zu erganzen seit drei Wochen geplanten granitenen Leuchtturms doch wenigstens noch die Sandburg zu einem Feuerzeichen Hartmut Grundler Anhang zum Flugblatt vom 14 November 1977Reaktionen und Wirkung BearbeitenDie Massenmedien berichteten kaum uber die Hintergrunde Wolfgang Hadecke kritisierte in seiner biographischen Schrift Der Skandal Grundler diesbezuglich besonders die Zeitschriften Spiegel und stern Generell beklagte er ein krasses Missverhaltnis zwischen der kargen schnell abklingenden Berichterstattung und der durftigen Kommentierung mit vielen Verzerrungen im Fall Grundler auf der einen Seite und der machtigen Emporung nach der Selbstverbrennung von Palach und besonders von Brusewitz auf der anderen Seite Grundler wurde nachdem ein geplanter Korso mit dem Leichenwagen durch verschiedene bundesdeutsche Statten seines Wirkens von Hamburger Behorden untersagt worden war am 30 November 1977 auf dem Tubinger Bergfriedhof unter Teilnahme von etwa 1000 Trauergasten aus dem In und Ausland beigesetzt Ins Grab mitgegeben wurde ihm auf seine briefliche Aufforderung hin das damals erschienene Buch Helmut Schmidts Als Christ in der politischen Entscheidung es war das angesengte Exemplar welches er bei seinem Fanal hochgehalten hatte Bei der anschliessenden auch durch Mitwirkung des Remstalrebellen Helmut Palmer tumultartig endenden Gedenkveranstaltung im Audimax der Universitat fanden auf dem Podium einige Vertreter zuvor zerstrittener okologischer Stromungen zueinander die spater teilweise bei den Grunen zusammenarbeiteten So sprachen neben dem Zukunftsforscher Robert Jungk und der Bundestagsabgeordneten Herta Daubler Gmelin SPD die das Parteitagsergebnis zu erklaren versuchte prominente Vertreter des Bundesverbandes Burgerinitiativen Umweltschutz BBU des Weltbundes zum Schutze des Lebens WSL des Bundes fur Lebensschutz BfL der Aktionsgemeinschaft Unabhangiger Deutscher AUD des Funf Prozentblocks und des Tubinger Bundes fur Umweltschutz BfU so dass das Schwabische Tagblatt titelte Marschiert jetzt die Grune Front In seinem noch existierenden Arbeitskreis Lebensschutz wurden zahlreiche Dokumente aus Grundlers Schaffenszeit wie auch aus der Folgezeit archiviert Die Sammlung wird auch als Grundlage einer erweiterten Biographie fortlaufend erganzt und durch Zeitzeugenaussagen bereichert Dieses Material wurde grossenteils von Wilfried Hufler verstorben 2014 aus Reutlingen betreut Zu Grundlers Todestag im Jahre 2017 gestaltete sein einstiger Mitarbeiter Wolfgang Wettlaufer noch eine Gedenkfeier in der Tubinger Eberhardsgemeinde Im September 2017 erschien bei dtv der Roman Ein Mensch brennt des Schriftstellers und Journalisten Nicol Ljubic in dessen Mittelpunkt Hartmut Grundler steht Veroffentlichungen Auswahl BearbeitenOffener Brief an Bundeskanzler Helmut Schmidt u a Offenbarungseid der Atomlobby 5 Oktober 1976 Kernenergiewerbung Die sprachliche Verpackung der Atomenergie Aus dem Worterbuch des Zwiedenkens Rowohlt Literaturmagazin 8 Die Sprache des Grossen Bruders Dezember 1977 Kernenergiewerbung Die sprachliche Verpackung der Atomenergie Aus dem Worterbuch des Zwiedenkens in Holzfeuer im holzernen Ofen Aufsatze zur politischen Sprachkritik hrsg von Hans J Heringer Tubingen Narr 1982 S 203 215 Literatur BearbeitenRoland Vital d i Roland Vogt Hartmut Grundler Nachruf aus bbu aktuell umweltmagazin Nov Dez 1977 neu in gewaltfreie aktion 2008 Nr 153 154 ISSN 0016 9390 S 39 41 Herbert Bruns Hartmut Grundler Fur Wahrheit und Redlichkeit im Lebensschutz und in der Biopolitik Selbstverbrennung eines Lebensschutzers in Biologische Abhandlungen Nr 53 54 Biologie Verlag Wiesbaden 1977 Walter Soyka Werden Tote mehr gehort als Lebende Der Rechtsweg Dokumentenreihe aus dem Archiv fur biologische Sicherheit Nr 4 22 November 1977 Inhalt u a Zum Freitod von Hartmut Grundler Informationsmaterial amp Dokumentationen zu Klagen gegen die waffenfahige Plutonium Technologie in Deutschland Hansjurgen Bulkowski Das nichtverstandene Signal Die Selbstverbrennung des Umweltpolitikers Hartmut Grundler Funkessay WDR 1978 Wiederholung 1988 Wolfgang Hadecke Der Skandal Grundler 1979 ISBN 3 7846 1201 6 Schrenk Martin Zwiedenken Zum Gedenken an Hartmut Grundler 213 Scheidewege Band 9 Jahrgang 1979 Roland Bohlinger Hrsg Der Mulheim Karlich Prozess der Klagergemeinschaft Forum Humanum Hartmut Grundler Klagerverband fur Volksgesundheit und biologische Sicherheit Dokumentation eines Justizskandals Verlag fur ganzheitliche Forschung und Kultur 1982 Wilfried Hufler Manfred Westermayer Hrsg Hartmut Grundler ein Leben fur die Wahrheit ein Tod gegen die Luge Schriften Dokumente Wurdigungen Gundelfingen G amp M Westermayer Verlag 1997 80 Seiten ISBN 3 923596 06 5 Udo Grashoff Tobias Barth Ein Tod fur das Leben Die offentliche Selbstverbrennung von Hartmut Grundler am 16 November 1977 in Hamburg Feature fur den SFB gesendet 13 November 2002 Roland Vogt Radikal sein aber nicht verstoren zum Grundler Gedenken Tubingen November 2007 in gewaltfreie aktion Nr 153 154 2008 ISSN 0016 9390 S 35 38 Wilfried Hufler Gedenkrede Hartmut Grundler Tubingen 16 November 2007 in gewaltfreie aktion Nr 153 154 2008 ISSN 0016 9390 S 17 24 Wilfried Hufler Ein Leben fur die Wahrheit ein Tod gegen die Luge Biographischer Abriss zum Grundler Gedenken Tubingen November 2007 in gewaltfreie aktion Nr 153 154 2008 ISSN 0016 9390 S 25 34 Christine Werner Ein Leben fur die Wahrheit Ein Tod gegen die Luge Die Selbstverbrennung Hartmut Grundlers und die Atompolitik SWR2 Radiofeature 30 Mai 2012 Nicol Ljubic Ein Mensch brennt dtv Munchen 2017 ISBN 978 3 423 28130 0 Jan Henrik Meyer Ein Fanal gegen okologisch unverantwortbar e Technik die Selbstverbrennung des Atomkraftgegners Hartmut Grundler 1977 In Didactica Historica Bd 9 2023 S 63 66 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Hartmut Grundler im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Ein Tod gegen die Luge Radiobeitrag von SWR2 Gunnar Hinck 40 Jahre Anti AKW Selbstverbrennung Er wollte ein ultimatives Zeichen in Die Tageszeitung taz vom 21 November 2017 Edo Reents Das schreckliche Feuerzeichen in FAZ 6 April 2011 Frank Buchmeier Atomprotest Das scheinbare Scheitern in Stuttgarter Zeitung 12 April 2011 Frank Keil Flammende Wahrheit Die Geschichte des Hartmut Grundler der sich 1977 aus Protest gegen die Lugen der Atomindustrie selbst verbrannte in DIE ZEIT Nr 17 20 April 2011 Einzelnachweise Bearbeiten Edo Reents Das schreckliche Feuerzeichen F A Z 6 April 2011 abgerufen am 16 November 2012 Normdaten Person GND 118542885 lobid OGND AKS LCCN n80000446 VIAF 20471795 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Grundler HartmutKURZBESCHREIBUNG deutscher Autor Selbstverbrennung als Protest gegen Lugen in der AtompolitikGEBURTSDATUM 11 Januar 1930GEBURTSORT HummeSTERBEDATUM 21 November 1977STERBEORT Hamburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hartmut Grundler amp oldid 236686106