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Hans Schnoor 4 Oktober 1893 in Neumunster 15 Januar 1976 in Bielefeld war ein deutscher Musikwissenschaftler Journalist und Musikkritiker In den spaten 1950er Jahren erregte er durch seinen Verriss von Arnold Schonbergs Uberlebendem aus Warschau mediale Aufmerksamkeit Hans Schnoor um 1930 fotografiert von Hugo Erfurth Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 1 1 Werdegang 1 2 Zeit des Nationalsozialismus 1 3 Nachkriegszeit 1 4 Schonberg Skandal 1956 2 Schriftlicher Nachlass 3 Publikationen Auswahl 3 1 Schriften 3 2 Arrangements 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben und Wirken BearbeitenWerdegang Bearbeiten Hans Schnoor war der Sohn eines Studienrats Nach einem musikwissenschaftlichen Studium in Leipzig bei Hugo Riemann und Karl Straube und der Promotion zum Dr phil bei Arnold Schering 1 war Schnoor zunachst Musikredakteur bei der Leipziger Freien Presse Seit Januar 1922 war er Leiter des Feuilletons und Musikredakteur der Dresdner Neuesten Nachrichten bevor er als Redakteur zum Leipziger Tageblatt wechselte 2 1926 kehrte Schnoor nach Dresden zuruck und war bis 1945 Musikredakteur des Dresdner Anzeigers und daneben Dozent an der Musikhochschule Dresden Wahrend dieser Zeit lernte er unter anderem Richard Strauss und Hans Pfitzner personlich kennen Neben seiner Tatigkeit als Musikredakteur betatigte sich Schnoor seit 1919 als Autor musikwissenschaftlicher Bucher 1926 publizierte er beispielsweise Musik der germanischen Volker im XIX und XX Jahrhundert Zeit des Nationalsozialismus Bearbeiten Bereits seit 1 Mai 1932 war Schnoor Mitglied der NSDAP Mitgliedsnummer 1 131 053 3 Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gehorte er zusatzlich der Deutschen Arbeitsfront und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt an und verfasste Musikkritiken im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie Im April 1933 lud er als Vorsitzender der Ortsgruppe Dresden des Kampfbunds fur deutsche Kultur verschiedene Musikkritiker zu einer Tagung mit Referaten uber die Oper im Dritten Reich ein 4 In der Neuauflage seines Konzertfuhrers Oratorien und weltliche Chorwerke schrieb er 1939 Das neue geistige Deutschland mit seinen bewegenden Gedanken Volk und Fuhrer Heimat Blut und Boden Rasse Mythos Heldengeschichte Ethos der Arbeit Gemeinschaft aller schaffenden Volksgenossen tragt in sich die alte metaphysische Sehnsucht nach kunstlerischer Idealisierung seiner hochsten Anschauungsguter 5 Dass Schnoor nicht nur ein strammer Nationalsozialist war sondern auch ein gluhender Antisemit zeigt exemplarisch eine Rezension uber die Neuausgabe des Riemann Musiklexikon durch den Nationalsozialisten Joseph Muller Blattau die Schnoor nicht weit genug ging Wie stark Riemanns Anschauungen seit 1919 seinem Todesjahre mit judischer Fixigkeit umgebogen worden sind davon brachten die Einsteinschen Neuausgaben in zahllosen Artikeln erdruckende Beweise vielfach glich das Lexikon einem judischen Ruhmestempel Man hatte nun nachdem im Reiche Adolf Hitlers die letztmogliche Trennung zwischen Nichtjudisch und Judisch im Bereiche des kulturellen geistigen und wissenschaftlichen Lebens durchgefuhrt ist auch im neuen Riemann eine entsprechend radikale Abwendung von der Editionspraxis eines Einstein erwarten konnen Was aber geschah Das ganze Judentum das sich in den letzten Jahrzehnten in unsere Kultur eingenistet hatte ist mit ausfuhrlichen Wurdigungen bedacht So steht ein Herr Adolf Aber als DJ lies Deutscher Jude in dem neuen Riemann Dieser deutsche Jude fruherer Leipziger Kritiker jetziger Londoner Grossgeschaftemacher in Musik ist mit seinen samtlichen Verdiensten aufgefuhrt obschon selbst die verjudete musikwissenschaftliche Zunft der Systemzeit bereits die Klaglichkeit seiner Veroffentlichungen beispielsweise seines Handbuchs der Musikliteratur festgestellt hatte obwohl dieser uble wissenschaftliche Hochstapler von Alfred Heuss langst vor 1933 moralisch vernichtet war und nur von einem sturen Zeitungsverleger aus Prestige Grunden gehalten wurde 6 Er schrieb fur die NS Zeitschrift Musik im Kriege Nachkriegszeit Bearbeiten Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Schnoor bis 1948 in der SBZ und konnte dort noch ein Buch zum 400 jahrigen Jubilaum der Sachsischen Staatskapelle Dresden publizieren 1949 zog er nach Bielefeld wo er Musikkritiker beim Westfalenblatt wurde Laut Fred K Prieberg schrieb Schnoor weiterhin Kritiken mit antisemitischem Unterton und dem Vokabular des NS Journalismus von ehedem 7 Gleiches liess sich auch uber mehrere musikwissenschaftliche an ein breites Publikum gerichtete Bucher sagen die Schnoor meist im C Bertelsmann Verlag publizierte In seinem erstmals 1955 erschienenen Nachschlagewerk Oper Operette Konzert schrieb Schnoor uber den judischen Komponisten Giacomo Meyerbeer dass diesem klassische Ideale der Musik und Kunst dem Wesen nach fremd gewesen seien und er Musik vor allem als Geschaft verstanden habe Damit griff er antisemitische Ressentiments auf mit denen auch Richard Wagner Meyerbeer und anderen judischen Komponisten begegnet war 8 Schonberg Skandal 1956 Bearbeiten Als Kritiker entfachte Schnoor im Juni 1956 einen Medienskandal nachdem er Arnold Schonbergs Holocaust Melodram Ein Uberlebender aus Warschau im Westfalenblatt bei einer Programmankundigung mit folgenden Worten verrissen hatte jenes widerwartige Stuck das auf jeden anstandigen Deutschen wie eine Verhohnung wirken muss Um das Mass der herausfordernden Unanstandigkeit vollzumachen hat der Dirigent dieser Sendung Hermann Scherchen wer sonst neben den Hassgesang des Schonberg Beethovens Musik zu Goethes Egmont gestellt Wie lange soll das noch so weitergehen 9 Wenige Tage spater nahm Schnoor als Korreferent von Winfried Zillig an einer Tagung der Evangelischen Akademie fur Rundfunk und Fernsehen in Arnoldshain im Taunus teil bei der die Einrichtung eines Kulturprogramms im Horfunk Drittes Programm auf der Tagesordnung stand Bei seinem Referat zum Platz der Neuen Musik stellte Zillig das Werk seines Lehrers Schonberg vor und zitierte zum Schluss aus dem Artikel seines Korreferenten Zillig verweigerte eine Diskussion mit Schnoor und verliess den Saal Zur Rede gestellt gab Schnoor eine halbherzige Erklarung ab Bereits zwei Tage spater erschien in der FAZ ein vierspaltiger Artikel von Walter Dirks uber die Tagung Bericht uber ein Scherbengericht 10 der sich ausschliesslich mit dem Fall Schnoor beschaftigte Dirks brachte in dem Artikel ein weiteres Zitat aus Schnoors Kolumne Wir und der Funk vom 29 Oktober 1955 wo Schnoor die angebliche Tyrannei der Re Emigranten in den deutschen Funkhausern angeprangert hatte und damit schloss Man wird bald soweit sein dass man offener und praziser uber alle diese Dinge reden kann Es wird einen Aufstand geben nicht der Massen sondern der Besten 11 Dirks warf Schnoor bei dessen Ablehnung der Neuen Musik einen antisemitischen Nationalismus und nationalsozialistisches Gedankengut vor gekoppelt mit der Frage ob hier nicht gegen geltende Gesetze verstossen werde 12 Nachdem sich auch Theodor W Adorno in die Debatte eingeschaltet hatte wurden weitere Details bekannt So hatte Schnoor Adorno in mehreren Kritiken als Verursacher der Frankfurter Vergiftung des WDR bezeichnet und ihn dabei mit seinem abgelegten Namen Wiesengrund benannt 13 Nachdem ihm der Musikwissenschaftler Fred K Prieberg in einer polemischen Sendung des SWF Baden Baden unter anderem nationalsozialistische Musikkritik vorgeworfen hatte 14 strengte Schnoor unterstutzt von seinem Verleger Hermann Stumpf eine Privatklage an Diese Klage wurde in erster Instanz mit der Begrundung abgewiesen dass Schnoor es sich gefallen lassen musse dass seine groben Angriffe in gleicher Weise erwidert werden 15 Eine Beschwerde Schnoors in der nachsten Instanz wurde erneut zuruckgewiesen Beim Gerichtsurteil wurde Prieberg nach 193 StGB das Recht auf freie Meinungsausserung zugebilligt und die Behauptung in Priebergs Sudwestfunk Sendung dass Schnoors Stil an die Ausdrucksweise des Schwarzen Korps erinnere als Tatsachenfeststellung bestatigt 16 1958 trat Schnoor als Redakteur in den Ruhestand 17 schrieb aber weiterhin musikgeschichtliche Werke Anfang 1962 publizierte er das teilweise autobiographische Buch Harmonie und Chaos Musik der Gegenwart in dem er keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen die Neue Musik machte und unter anderem Strawinski verriss stattdessen aber Richard Strauss und Hans Pfitzner als die bedeutendsten Komponisten des 20 Jahrhunderts herausstellte 18 Den Schonberg Skandal von 1956 bezeichnete er als eine Welle rufmorderischer Aktionen gegen seine Person 19 Schriftlicher Nachlass BearbeitenEin Teil des Nachlasses mit vermutlich samtlich im Westfalen Blatt veroffentlichten Artikeln befindet sich unter der Signatur 200 63 im Stadtarchiv Bielefeld 20 Darunter auch eine mehrteilige Artikelserie aus dem Jahr 1955 uber die von Schnoor als Augenzeuge miterlebte Bombardierung Dresdens in der Nacht des 13 Februar 1945 Publikationen Auswahl BearbeitenSchriften Bearbeiten 1919 Das Buxheimer Orgelbuch ein Beitrag zur deutschen Orgelgeschichte des 15 Jahrhunderts 1926 Musik der germanischen Volker im XIX und XX Jahrhundert Verlag Ferdinand Hirt Breslau 1932 Fuhrer durch den Konzertsaal Vokalmusik Band 2 Oratorien und weltliche Chorwerke 5 Auflage Breitkopf amp Hartel Leipzig 1937 Barnabas von Geczy Aufstieg e Kunst Rhapsodie in 10 Satzen Zeichnungen von Hugo Lange Guntz Verlag Dresden 1942 Weber auf dem Welttheater Ein Freischutzbuch Deutscher Literatur Verlag Dresden 1948 Dresden vierhundert Jahre deutsche Musikkultur Zum Jubilaum der Staatskapelle und zur Geschichte der Dresdner Oper Dresdener Verlagsgesellschaft 1951 Klange und Gestalten Ein Wegweiser zur lebendigen Musik fur Konzertfreunde und Funkhorer Schneekluth Darmstadt 1953 Geschichte der Musik Bertelsmann Gutersloh 1953 Weber Gestalt u Schopfung Verlag der Kunst Dresden 1955 Oper Operette Konzert Ein praktisches Nachschlagbuch fur Theater und Konzertbesucher fur Rundfunkhorer und Schallplattenfreunde 21 1960 Welt der Tonkunst Eine Einfuhrung in die Musikkunde Bertelsmann Gutersloh 1962 Harmonie und Chaos Musik der Gegenwart Lehmann Verlag Munchen 1968 Die Stunde des Rosenkavalier 300 Jahre Dresdner Oper Suddeutscher Verlag Munchen 1969 Kreis Wiedenbruck Musik und Theater ohne eigenes Dach Westfalisches Musikarchiv Hagen 1975 Geschichte der Musik 1 neubearbeitete Taschenbuchausgabe Deutscher Literaturverlag Melchert HamburgArrangements Bearbeiten 1943 Carl Maria von Weber Peter Schmoll Singspiel in 2 Aufzugen Neuer Text von Hans Hasse musikalische Einrichtung von Hans SchnoorLiteratur BearbeitenMonika Boll Nachtprogramm Intellektuelle Grundungsdebatten in der fruhen Bundesrepublik Darin Der Fall Schnoor Lit Verlag Munster 2004 ISBN 3 8258 7108 8 Ernst Klee Das Kulturlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 10 039326 5 Fred K Prieberg Musik im NS Staat Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1982 ISBN 3 596 26901 6 Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 Kiel 2004 CD ROM Lexikon Josef Muller Marein Musik hat nichts mit Politik zu tun In Die Zeit Nr 4 1962 Kritik zu Harmonie und Chaos Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Hans Schnoor im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Monika Boll Nachtprogramm Intellektuelle Grundungsdebatten in der fruhen Bundesrepublik Der Fall Schnoor unvollstandige Online Version Einzelnachweise Bearbeiten Hans Schnoor Harmonie und Chaos S 40 S 48 S 99 100 Hans Schnoor Harmonie und Chaos S 50 52 Ernst Klee Kulturlexikon S 537 und Fred K Prieberg Handbuch S 6269 Fred K Prieberg Musik im NS Staat Fischer Taschenbuch Verlag 1982 S 167 Zitiert nach Joseph Wulf Musik im Dritten Reich Eine Dokumentation Ullstein Frankfurt am Main Berlin Wien 1983 ISBN 3 548 33032 0 S 275 als abgekurztes Zitat auch bei Ernst Klee Kulturlexikon S 537 Hans Schnoor Peinliche Ehrenrettung des Riemann Deutsche Juden im neuen Musiklexikon in Dresdener Anzeiger 14 Marz 1939 Nachdruck in Melos 23 Jg 1956 September Heft S 264 265 Zitat Fred K Prieberg Musik im NS Staat Fischer Taschenbuch 1982 S 22 Hans Schnoor Oper Operette Konzert Gutersloh 1964 S 302 Monika Boll Nachtprogramm S 215 Zitat aus dem Westfalenblatt vom 16 Juni 1956 Der Bericht wurde auch im Juli August Heft der Musikzeitschrift Melos 23 Jg 1956 nachgedruckt Bericht uber ein Scherbengericht S 233 234 zu dem Schnoor im September Heft eine Gegendarstellung schrieb S 263 die von Dirks mit dem Text Scherbengericht Nr 2 repliziert wurde S 264 265 Zitat bei Monika Boll Nachtprogramm S 215 Monika Boll Nachtprogramm S 215 Monika Boll Nachtprogramm S 218 219 ausschliesslich mit seinem judischen Namen apostrophierte Fred K Prieberg Musik im NS Staat S 22 Prieberg nennt sich nicht mit Namen sondern bezeichnet sich als einen Mitarbeiter des Sudwestfunks Fred K Prieberg Musik im NS Staat S 22 sowie Anmerkungen S 413 Monika Boll Nachtprogramm S 219 Fred K Prieberg Handbuch S 6269 Josef Muller Marein Musik hat nichts mit Politik zu tun In Die Zeit Nr 4 1962 Rezension Hans Schnoor Harmonie und Chaos S 235 241 Zitat S 240 Archivsuche Archive in Nordrhein Westfalen Abgerufen am 17 Januar 2022 Publikation laut Monika Boll Nachtprogramm S 214 bereits 1953 Normdaten Person GND 116848901 lobid OGND AKS LCCN n85006004 VIAF 27192476 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Schnoor HansKURZBESCHREIBUNG deutscher Musikwissenschaftler Journalist und MusikkritikerGEBURTSDATUM 4 Oktober 1893GEBURTSORT NeumunsterSTERBEDATUM 15 Januar 1976STERBEORT Bielefeld Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hans Schnoor amp oldid 226880851