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Das Grubenungluck 1908 auf der Zeche Radbod kostete nicht nur 349 Menschen das Leben es hatte auch erhebliche soziale politische und technische Folgen Die Zeche Radbod verlor fast die gesamte Mannschaft der Nachtschicht die Angehorigen hatten mit finanziellen Problemen fertigzuwerden und losten eine Welle der Spendenbereitschaft aus die technische Ausrustung der Grubenlampen wurde verbessert und die Schaffung unabhangiger Sicherheitsbehorden im Bergbau hatte hier einen ihrer Startpunkte Postkarte 1908 mit der Handschrift Die Ungluckszeche Inhaltsverzeichnis 1 Ablauf des Ungluckes 1 1 Ursachen 1 2 Rezeption 1 3 Folgen 1 3 1 Politisch 1 3 2 Technisch 1 3 3 Wirtschaftlich 2 Literatur 3 Einzelnachweise 4 Weblinks 5 AnmerkungenAblauf des Ungluckes Bearbeiten nbsp Gedenkstatte in Bockum HovelAm fruhen Morgen des 12 November 1908 etwa gegen 4 20 Uhr 1 ereignete sich in der Zeche Radbod das bis dahin schwerste Grubenungluck des deutschen Steinkohlebergbaus Entweder durch eine defekte Wetterlampe oder eine durchgefuhrte Sprengung in einem Floz 2 wurde auf der dritten Sohle eine schwere Schlagwetterexplosion ausgelost Fast die gesamte Mannschaft der Nachtschicht 348 Kumpel kam ums Leben 35 weitere wurden teilweise schwer verletzt Nur 37 der Toten konnten geborgen werden Sie wurden in zwei Massengrabern auf dem alten Friedhof in Hovel beigesetzt 288 weitere Tote wurden spater gefunden 23 Bergleute blieben fur immer im Berg 3 Eine andere Quelle macht divergierende Angaben Von den 384 Bergleuten die sich unter Tage befanden wurden 17 unverletzt 36 tot und 30 mit schweren Verbrennungen aus der Grube geborgen 11 von ihnen erlagen spater ihren Verletzungen Infolge der Explosion entwickelte sich ein Grubenbrand der weitere Rettungsarbeiten unmoglich machte Daraufhin beschloss die Bergwerksdirektion nur 15 Stunden nach der Explosion die Schachte zu schliessen und die Grube zu fluten Bei der Wiederaufwaltigung Nutzbarmachung der Grube 1909 10 wurden 301 Leichen geborgen 4 An das Ungluck und die Toten erinnert die Gedenkstatte Zeche Radbod auf dem Ehrenfriedhof fur die Opfer im Hammer Stadtteil Hovel Die nach der Explosion wutenden Grubenbrande behinderten die Rettungsarbeiten durch Hitze und starke Rauchentwicklung Mit dem Beschluss die Rettungsarbeiten zu beenden wurden deshalb schon 15 Stunden nach dem Ungluck die Brandtore geschlossen die Bewetterung abgeschaltet und die Ventile der Wasserleitungen geoffnet um die Grube bis 200 m uber der ersten Sohle zu fluten 5 Mit dem Sumpfen der Zeche begann man am 17 Dezember 1908 die Arbeiten dauerten bis zum 25 Februar 1909 Dann unternahm man eine erste Befahrung um die Schaden zu sichten Bereits im Oktober wurde mit 701 Bergleuten die Forderung wieder aufgenommen dennoch zogen sich die Aufwaltigungsarbeiten bis ins Jahr 1910 hin Ursachen Bearbeiten nbsp Fundstucke nach dem Ungluck Zerstorte Uhr und zerstorte GrubenlampeAusgelost wurde die Schlagwetterexplosion vermutlich durch eine defekte Benzin Sicherheitslampe eine mogliche andere Ursache des Grubenunglucks konnte die gleichzeitig durchgefuhrte Sprengung in einem Floz gewesen sein wie der Einfahrer Moritz Wilhelm in seinen zusatzlich zum Untersuchungsbericht angefertigten personlichen Aufzeichnungen aufzeigt 2 Auch zuvor hatte es immer wieder Unglucke gegeben die durch defekte oder unsichere Benzin Sicherheitslampen ausgelost wurden 6 7 Das verbotene Offnen der Lampe oder eine defekte Lampe konnte jederzeit eine Explosion auslosen Neben den Lampen die ein erhebliches Sicherheitsrisiko bildeten spielten auch die allgemeinen Bedingungen auf den Schachtanlagen eine Rolle Sicherheitsmassnahmen wie sie heute selbstverstandlich sind waren noch nicht bekannt oder nicht weit verbreitet Ausserdem verteuerten sie den Abbau erheblich und banden Arbeitskrafte Dies konnte fur die Unternehmer in einer Zeit der rasanten Wirtschaftsentwicklung in der Eisenbahnen Schifffahrt und Stahlindustrien die Kohle benotigten und der Dampfantrieb in vielen Fabriken noch ohne Alternative war den Verlust von Marktanteilen bedeuten In der Folge wurde die Arbeitssicherheit oft vernachlassigt Daher wurden schon seit langerem Arbeitssperren und Uberschichten im Bergwerksbetrieb im Deutschen Reichstag beraten um Doppelschichten und ubermudete Arbeiter zu vermeiden Die Beratungen wurden auch am Tag des Unglucks fortgefuhrt 8 Radbod selbst war erst seit zwei Jahren in Betrieb Die Probebohrungen in diesem neuen Abbaugebiet hatten schon im Vorfeld erhebliche Mengen an Grubengas angezeigt 9 Moderne Bewetterungsmethoden mit denen Methanansammlungen vermieden werden konnen waren damals noch nicht verfugbar Seit der Einfuhrung des durch Alfred Nobel erfundenen Dynamits hauften sich bereits die Schlagwetter und Kohlenstaubexplosionen so dass 1881 die erste Schlagwetterkommission durch den preussischen Staat einberufen wurde Rezeption Bearbeiten Das Ungluck loste eine politische Diskussion uber Arbeiterschutzmassnahmen und Aufsichtspflichten aus insbesondere wurde ein Arbeitsschutzgesetz gefordert Die Nachricht vom Ungluck auf der Schachtanlage Radbod verbreitete sich schnell im Laufe des 12 Novembers Spatestens die grossen Abendblatter berichteten von dem Unfall im westfalischen Bergbau Schon gegen 13 19 Uhr eroffnete der Deutsche Reichstag in Berlin die 160 Sitzung des Hauses mit folgenden Worten Meine Herren bevor ich in die Tagesordnung eintrete mochte ich denjenigen welchen es noch nicht bekannt sein sollte die betrubliche Mitteilung machen dass eine schwere Grubenkatastrophe im westfalischen Bergrevier stattgefunden hat Meine Herren ich glaube in ihrem Sinne zu handeln wenn ich schon jetzt sage das wir der Reichstag das aufrichtigste Mitleid mit allen denjenigen haben welche durch diese Katastrophe an Leib und Leben geschadigt worden sind Lebhafte Zustimmung im Saal Wir treten in die Tagesordnung ein erster Gegenstand derselben ist erste Beratung der Rechnung der Kasse der Oberrechnungskammer 10 Die Tagesordnung des Hauses sah schon vor dem Ungluck auch eine Beratung zum Thema Arbeitssperren und Uberschichten im Bergwerks Betrieb vor So nahm der Abgeordnete Behrens in dieser Debatte schon Bezug zum Ungluck und verkundete dem Haus Es wurde mir soeben mitgeteilt das ein sehr grosser Teil der Bergleute bereits als tot aufgegeben wurde 10 Wahrend das Parlament daruber beriet wie kunftig die Uberstunden geregelt werden sollten so mancher Bergmann arbeitete damals doppelte Schichten und wie man mit der Schwarzen Liste umgehen solle die Bergarbeiter namentlich nannte die kunftig nicht mehr eingestellt werden sollten verbreitete sich die Neuigkeit im Reich und uber seine Grenzen hinaus Noch in die Beratungen an diesem Tag kam die Nachricht dass nach 15 Stunden die Grube geschlossen und die Wasserhaltung abgeschaltet worden war Der Abgeordnete Johannes Brejski ausserte sich dazu wie folgt Die Grubenverwaltung hat den Bergleuten welche noch in der Grube waren und vielleicht noch lebten die Luft durch Schliessung der Wetterfuhrung entzogen hat sie mit einem Schlage getotet 1 Bald nachdem so das Ausmass der Katastrophe offenkundig war trafen die ersten Beileidsbekundungen aus dem ganzen Land ein Sozialdemokraten und Gewerkschafter ausserten teilweise sehr harsche Kritik an den Sicherheitsbestimmungen und vorkehrungen Eitel Friedrich von Preussen ein Sohn Kaiser Wilhelm II reiste an um die Stimmung zu beruhigen 11 Der Reichstagsabgeordnete Hermann Molkenbuhr notierte hierzu in seinem Tagebuch 12 Die Bergpolizeibehorde hat die Unfallverhutungsvorschriften zu verbessern die Ausfuhrung zu uberwachen und nach den Unfallen die Untersuchung zu fuhren Wird eine Behorde je zugestehen dass ihre Vorschriften nicht ausreichten oder dass die Uberwachung ungenugend war Ich entwerfe einen Antrag in welchem die Schaffung einer Reichsbehorde zur Untersuchung von Unfallen im Bergbau gefordert wird Die Schiffsverluste die mit grossen Opfern an Menschenleben verknupft waren der Untergang des Dampfers Schiller an den Scillys und der Untergang der Deutschland an der Themsemundung fuhrten zur Schaffung der Reichsbehorde zur Untersuchung von Seeunfallen Warum kann nicht ein ahnliches Amt geschaffen werden welches auch die Bergpolizei Behorden uberwacht Der niederlandische Schriftsteller Herman Heijermans veroffentlichte uber dieses Ungluck 1911 das Drama Gluck auf 13 Folgen Bearbeiten Politisch Bearbeiten Ein Molkenbuhrs Anregung entsprechender Antrag zur Schaffung einer Aufsicht der Bergpolizeien wurde am 23 November als Gesetzesinitiative in den Reichstag eingebracht 14 Das Ungluck kann somit als einer der wichtigen Ausgangspunkte angesehen werden unabhangige Sicherheitsbehorden im Bergbau zu schaffen Technisch Bearbeiten Als Folge dieses Unglucks wurde im Deutschen Reich angeordnet dass in Schlagwettergruben ANM 1 die Benzinsicherheitslampen als Arbeitsgeleucht abgeschafft und durch neuartige elektrische Sicherheitslampen ersetzt werden Diese wurden nach der Wiederaufnahme der Forderung im Jahr 1909 zuerst auf der Zeche Radbod eingefuhrt Nach der Umstellung durften nur noch Steiger Wettermanner und Schiesshauer Wetterlampen benutzen Obwohl beim Grubenungluck in der Zeche Radbod kein Dynamit eingesetzt worden sein soll lieferte das Ungluck doch den Anlass eine eigene Versuchsstrecke fur die Untersuchung von Kohlenstaubexplosionen zu errichten 15 Da fur die 1894 zur Untersuchung von Grubengas und Kohlenstaub Explosionen gegrundete berggewerkschaftliche Versuchsstrecke 1908 der Umzug vom Gelande der Zeche Consolidation bei Schalke nach Dortmund Derne anstand und sie gleichzeitig mit der geplanten Versuchsstrecke der Knappschaftsberufsgenossenschaft vereinigt wurde konnte in den Jahren 1911 1913 die 200 Meter lange Kohlenstaub Versuchsstrecke Rohrdurchmesser 1 80 m errichtet werden Mit ihr gelang der wissenschaftliche Nachweis dass bestimmte Kohlenstaubarten Laufexplosionen verursachen konnen bei denen die Druckwelle einer gezundeten Staubexplosion fortlaufend abgelagerten Kohlenstaub aufwirbelt und so die Explosion sich durch die Strecken unter Tage ausbreitet wobei der Explosionsdruck immer starker wird Dieser an sich in Fachkreisen durchaus bekannte Effekt war von einigen Bergwerksbetreibern bis dahin immer noch bestritten worden Diese 200 m Strecke wurde bis 2013 benutzt um im Zweifelsfall die Explosionsgefahrlichkeit bestimmter Kohlenstaube zu prufen 16 Wirtschaftlich Bearbeiten Wirtschaftlich hatte die finanzielle Belastung aus dem Grubenungluck fur die Betreibergesellschaft Trier mbH erhebliche langjahrige Folgen die in dem Verkauf eines Teils ihrer Berechtsame an die Essener Steinkohlenbergwerke AG und der Zusammenlegung 1919 mit dem Koln Neuessener Bergwerksverein gipfelten 17 Literatur BearbeitenOlaf Schmidt Rutsch Ingrid Telsemeyer Hrsg Die Radbod Katastrophe Berichte und Zeichnungen des Einfahrers Moritz Wilhelm Klartext Verlag Essen 2008 ISBN 978 3 8375 0032 5 Wolfgang Pabst 350 Manner starben nun lasst uns tanzen Die Katastrophe in der Steinkohlen Zeche Radbod Hamm im November 1908 1 Auflage Pabst Science Publishers 1982 ISBN 3 89967 029 9 Bernd Braun Joachim Eichler Hrsg Arbeiterfuhrer Parlamentarier Parteiveteran Die Tagebucher des Sozialdemokraten Hermann Molkenbuhr von 1905 bis 1927 1 Auflage Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2000 ISBN 3 486 56424 2 Evelyn Kroker Michael Farrenkopf Grubenunglucke im deutschsprachigen Raum 2 Auflage Bochum 1999 ISBN 3 921533 68 6 Einzelnachweise Bearbeiten a b Wolfgang Pabst 350 Manner starben nun lasst uns tanzen MCWolf ISBN 3 923400 01 2 S 12 a b Olaf Schmidt Rutsch Ingrid Telsemeyer Hrsg Die Radbod Katastrophe Berichte und Zeichnungen des Einfahrers Moritz Wilhelm Essen 2008 S 64 manfred baeumer eu abgerufen am 24 Dezember 2012 Westfalisches Landesmuseum fur Industriekultur Zeche Zollern Dauerausstellung Explosionsgefahr im Kauenkeller Info Tafel Radbod 1908 Wolfgang Pabst 350 Manner starben nun lasst uns tanzen MCWolf ISBN 3 923400 01 2 S 31 32 Grubenungluck auf Schacht Grimberg der Zeche Monopol am 13 September 1901 1906 Grubenungluck von Courrieres in Frankreich mit 1099 Toten Wolfgang Pabst 350 Manner starben nun lasst uns tanzen MCWolf ISBN 3 923400 01 2 S 26 Zeitschrift fur praktische Geologie 1909 a b Wolfgang Pabst 350 Manner starben nun lasst uns tanzen MCWolf ISBN 3 923400 01 2 S 25 Thomas Parent Das Ruhrgebiet Vom goldenen Mittelalter zur Industriekultur 4 Auflage DuMont Reiseverlag Ostfildern 2007 S 308f Oldenbourg Wissenschaftsverlag Jahr 1908 S 104 Herman Heijermans Gluck auf dbnl In dbnl org Abgerufen am 13 Februar 2022 Stenografische Berichte des Reichstags Band 250 Anlagen Nr 1071 Wirtschaftsarchiv NRW Bestand 200 Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke Dortmund Derne Memento des Originals vom 17 Juni 2015 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www archive nrw de 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund Derne der Westfalischen Berggewerkschaftskasse 1894 1969 Verlagsdruckerei C Th Kartenberg Herne 1969 Festschrift Wirtschaftsarchiv NRW Bestand 145 Schachtanlage Radbod Bockum Hovel Memento des Originals vom 3 April 2015 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www archive nrw deWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Gedenkstatte Zeche Radbod Album mit Bildern Videos und Audiodateien nbsp Commons Zeche Radbod Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Fotos und weitere Informationen zu Gedenkstatten des Bergbaus Die Route der Industriekultur zur Zeche Radbod und zur GedenkstatteAnmerkungen Bearbeiten Als Schlagwettergruben wurden Bergwerke bezeichnet bei denen schlagende Wetter vorkamen Welches Bergwerk als Schlagwettergrube ausgewiesen wurde oblag dem zustandigen Oberbergamt Im Bezirk des Oberbergamtes Dortmund wurde jedes Bergwerk als Schlagwettergrube angesehen Quelle NA Herold Der Arbeiterschutz in den Preussischen Bergpolizeiverordnungen 51 686476 7 763303 Koordinaten 51 41 11 3 N 7 45 47 9 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Grubenungluck 1908 auf der Zeche Radbod amp oldid 230354080