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Die Grabenanlage von Herxheim ist eine archaologische Fundstatte aus der Jungsteinzeit auf dem Gebiet einer ehemaligen bandkeramischen Siedlung in Herxheim bei Landau im Landkreis Sudliche Weinstrasse von Rheinland Pfalz Bei Ausgrabungen fanden Archaologen grosse Mengen von Menschenknochen die in Stucke zerschlagen worden waren und Schnittspuren aufweisen wie sie beim Entfernen von Muskelgewebe durch Schneidwerkzeuge entstehen Man scheint akribisch alles Fleisch alle Sehnen und das ubrige Weichgewebe von den Knochen entfernt zu haben die danach mit wenigen Ausnahmen klein zerschlagen wurden Insbesondere die erhaltenen Schadeldacher Kalotten die sorgfaltig in eine schalenartige Form gebracht wurden lassen eine Schatzung der Opferzahl zu Demnach durften die Uberreste von uber 1000 Menschen in Herxheim begraben worden sein Dieser Befund ist in dieser Grossenordnung fur die Vorgeschichte Mitteleuropas einzigartig Ob es sich bei den Toten um Menschenopfer handelt ist in der Forschung umstritten Bislang stehen sich bezuglich der Interpretation der Fundstelle mehrere Hypothesen gegenuber wobei noch offen ist ob eine davon den Geschehnissen und den geistigen Vorstellungen der Menschen vor 7000 Jahren gerecht wird Einer der wenigen vollstandigen Schadel aus der Herxheimer Grabenanlage Inhaltsverzeichnis 1 Forschungsgeschichte 2 Die bandkeramische Fundstelle 3 Funde 3 1 Menschenknochen und zahne 3 2 Keramik 3 3 Steingegenstande 3 4 Tierknochen 4 Interpretationsansatze 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseForschungsgeschichte Bearbeiten nbsp Blick in eine Vitrine mit Schadelfunden im Museum HerxheimAnfang der 1990er Jahre beschloss die Gemeinde Herxheim am westlichen Ortsrand ein Gewerbegebiet erschliessen zu lassen Da in dem Gebiet bereits haufiger archaologische Funde freigelegt wurden beauftragte man die Speyerer Aussenstelle der Abteilung Landesarchaologie der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland Pfalz vorab mit grossflachigen archaologischen Grabungen Die Rettungsgrabung im Bereich der bandkeramischen Siedlung mit Doppelgraben dauerte von 1996 bis 1999 Die Grabungen leitete Annemarie Hausser Sie wurden technisch vom Grabungstechniker Michael Munzer der Aussenstelle Speyer der Landesarchaologie betreut Fabian Haack Knochengerate und Dirk Schimmelpfennig Silices bearbeiteten zwei Fundkategorien der Ausgrabungen im Rahmen von Magisterarbeiten Nach den Rettungsgrabungen im kunftigen Gewerbegebiet West wurden die Funde im Depot der Aussenstelle Speyer verwahrt Die Keramik sollte in Form einer Dissertation durch Annemarie Hausser weiterbearbeitet werden Deren Unfalltod im September 2002 machte diese Plane zunichte Ab Herbst 2003 koordinierte Andrea Zeeb Lanz seit 2001 zustandige Gebietsarchaologin der Landesarchaologie Speyer fur den Kreis Sudliche Weinstrasse und damit fur Herxheim Wissenschaftler um die Funde umfassend auszuwerten Die Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG forderte das Vorhaben von 2004 bis 2011 finanziell Da die angewandte Grabungstechnik bei der Grabung der 1990er Jahre viele fur eine Feinauswertung notwendige Detailbeobachtungen nicht erlaubte folgten von 2005 bis 2008 unter ortlicher wissenschaftlicher Leitung von Fabian Haack und der technischen Leitung von Grabungstechniker Michael Munzer Forschungsgrabungen im Zwickel zwischen Rohrbacher und Insheimer Strasse im Bereich eines weiteren deutlich kleineren Stuckes der Siedlung und der doppelten Grabenanlage Dies wurde zu grossen Teilen durch die finanzielle Unterstutzung der Gemeinde Herxheim ermoglicht Auch Landesmittel flossen in die Finanzierung ein Mittels moderner Grabungstechnik zum Beispiel Laser Tachymeter Fundeinmessung und einer dem Befund genau angepassten Grabungsmethode konnte die Auswertung der Befunde besser und erfolgreicher durchgefuhrt werden Neben der Untersuchung und Auswertung der Befunde auf Grundlage der Ergebnisse der Forschungsgrabung der menschlichen Knochen der Keramik der Steingerate und Tierknochen wurden im Rahmen des DFG Projektes auch umfangreiche archaometrische Analysen durchgefuhrt Dazu gehoren Isotopenuntersuchungen Sr O DNA Analysen und Tonanalysen Die Ergebnisse wurden in bislang zwei Banden der Reihe Forschungen zur Pfalzischen Archaologie FPA vorgelegt Zu Ergebnissen bezuglich der Keramik ist ein dritter Teilband der Reihe FPA Band 8 3 geplant 2010 fuhrte das DFG Team Grabungsleitung Fabian Haack als vorerst letzte invasive Massnahme zwei Sondageschnitte im Osten der Siedlungsflache durch um zu erkunden ob sich auf der Ostseite der Siedlung die Grabenanlage weiter verfolgen liess Diese Arbeiten wurden im Rahmen des Filmprojekts Lost cannibals of Europe vom National Geographic Filmteam dokumentiert Bei der 2004 durchgefuhrten Gesamt Geoprospektion des Areals war hier nichts zu sehen Tatsachlich wurde nur im sudlichen der beiden Schnitte ein Grabenkopf dokumentiert der moglicherweise ein Teil des inneren Grabens war Da weiter nordlich keine Grabenanlage gefunden wurde ist anzunehmen dass die zwei Graben nie geschlossen waren und die Siedlung an ihrer Ostseite kein Graben begrenzte Finanziert wurden beide Sondageschnitte von 2010 durch die National Geographic Society Die bandkeramische Fundstelle BearbeitenBeim Fundort von Herxheim im heutigen Gewerbegebiet West der Gemeinde gelegen handelt es sich um eine bandkeramische Siedlung die an drei Seiten von einem doppelten Graben umgeben ist Architektonische Grundform der beiden parallelen Graben sind lange schmale Gruben mit unterschiedlicher Profilform u formig v formig muldenformig Zahlreiche dieser langen Gruben wurden den Verfullschichten und Fundkonzentrationen zufolge gleichzeitig ausgehoben und fugen sich zu langen Grabensegmenten zusammen Es existiert eine Reihe von Erdbrucken zwischen Segmenten der Graben Zwei der Erdbrucken die am Innen und am Aussengraben an denselben Stellen liegen konnen als Grabendurchquerungen ehemaliger Wege durch die Siedlung interpretiert werden Innerhalb des doppelten Grabenringes liegt eine erosionsbedingt sehr schlecht erhaltene Siedlung der Bandkeramik 1 Die datierbaren Funde aus den Siedlungsgruben belegen dass die Dorfanlage von der Phase Flomborn ab etwa 5300 v Chr bis an das Ende der Linearbandkeramik in der Pfalz spatestens kurz vor 5000 v Chr durchgehend besiedelt war Am Ende ihrer Laufzeit anderte sich die Funktion der Siedlung allerdings offenbar Kurz vor oder schon in der letzten Phase der linearbandkeramischen Kultur wurde das Erdwerk in einer Folge von einzelnen Graben die in zwei mehrfach unterbrochenen Grabenringen angeordnet sind um die Siedlungsflache angelegt Die Ausgrabungen zeigen dass hier mehrfach ganzlich aussergewohnliche Ereignisse stattfanden in deren Verlauf insgesamt mehr als 1000 Menschen getotet und dann zerlegt wurden Die stark normierte und repetitive Behandlung der getoteten Opfer von Herxheim Zerlegung der Korper Entfleischung des Skeletts systematische Zerschlagung der Knochen Zurichtung der Schadel verweist die Aktivitaten an diesem besonderen Fundort in den Bereich ritueller Handlungen Dieser letzte Nutzungsabschnitt der Herxheimer Siedlung wird von den Forschern angesichts der auffallenden Befunde auch als rituelle Phase bezeichnet Der zeitliche Rahmen dieser Ereignisse wird durch das archaologische Fundmaterial relativ eng abgesteckt Die dazugehorigen Funde verzierter Keramik datieren in die jungste Phase der linearbandkeramischen Kultur und lassen sich dadurch auf einen Zeitraum von ungefahr 50 Jahren eingrenzen Die Ausgraber gehen jedoch davon aus dass die Ereignisse wahrend der die Knochen der etwa 1000 Individuen in die Erde gelangten sich auf einen noch einmal deutlich kurzeren Zeitraum beschrankten Dafur spricht ihnen zufolge die Tatsache dass in vielen Fallen zusammengehorige Keramikscherben und Knochenfragmente an unterschiedlichen Stellen der Grabenanlage zutage traten was darauf hindeutet dass grossere Teile der Graben auch gleichzeitig offenstanden Funde Bearbeiten nbsp Nicht typisch fur Herxheim ein nahezu vollstandiges Skelett 2 Unregelmassig in den Graben angeordnet fanden sich zahlreiche Konzentrationen von Funden deren Hauptanteil klein zerschlagene Menschenknochen darstellten zu denen auch Schadelkalotten und eine kleine Anzahl ganzer Schadel zu zahlen sind Es fanden sich auch viele Scherben verzierter und unverzierter Keramik zerstorte Steingerate und zahlreiche Fragmente wohl grosstenteils intentionell zerschlagener Mahlsteine sowie Tierknochen In kleineren Anteilen konnte Schmuck aus Tierknochen zahnen zum Beispiel Eberhauer und Kalkstein sowie Knochengerate aus Tierknochen geborgen werden Das Fundmaterial war in der Regel mit viel Erde vermischt und konnte nur in Ausnahmefallen als regelrechte Fundschicht am Grunde eines Grabensegmentes oder auf bereits eingeschwemmten oder eingefullten Erdschichten dokumentiert werden Die Verfullungsgeschichte der Graben ist sehr komplex viele Verfullschichten uberlagern sich und zeigen sehr deutlich dass es sich bei den Grabensegmenten keinesfalls um nacheinander angelegte und schnell verfullte Gruben handelt die sich gegenseitig uberschneiden sondern um durchgehende langere Segmente zweier Graben Ohne Rucksicht auf die Absatze im Sohlenbereich welche die ursprunglichen Aushebungseinheiten der langen Gruben anzeigen wurden die Fundkonzentrationen in den Graben deponiert wobei die Ausdehnung der Konzentrationen bis zu etwa 7 m langs des Grabens betragen kann Auch die unter und uber den Fundkonzentrationsbereichen liegenden Verfullschichten ignorieren die Absatze im Sohlenbereich der Graben ganzlich Auffallig ist dass sich im inneren Graben die Fundkonzentrationen haufen wahrend sie in den ausgegrabenen Bereichen des ausseren Grabens erheblich geringer an Zahl sind So wurde in der Forschungsgrabung auf der ganzen Lange von 30 m welche die Ausdehnung der beiden Graben im Grabungsareal 2005 2008 betrug im ausseren Graben lediglich eine einzige Fundkonzentration freigelegt Allerdings handelte es sich hier um eine ganz besondere Fundansammlung bestand sie doch aus funf isolierten aber vollstandigen Schadeln sowie einer Reihe von Langknochenfragmenten die eine intentionell anmutende Anordnung aufwiesen Neben den Graben als Deponierungsort von menschlichen Knochen qualitatvoller Keramik und anderen Artefakten zahlen auch einige Siedlungsbefunde im Grabenring offenbar zu Bestandteilen der Ritualhandlungen In einer Reihe von Gruben im Siedlungsbereich fanden sich die fur Ritualfundkonzentrationen typischen menschlichen Knochenfragmente verzierte Keramik unterschiedlicher Herkunft sowie Tierknochen und zerstorte Steingerate Angesichts der Massierung von Funden der Ritualaktivitaten in den Graben ist anzunehmen dass diese eine zentrale Rolle bei der Deponierung der Ritualuberreste einnahmen Menschenknochen und zahne Bearbeiten Die Herxheimer Menschenknochen zeigen zahlreiche Spuren gezielter Schnitte Von diesen kann eine Anzahl als Spuren der Zerlegung angesprochen werden etwa Schnitte an Gelenkenden und an Ansatzstellen fur Muskeln und Sehnen an den Langknochen Flache schmale Schnitte einerseits mittig auf das Schadeldach andererseits im Bereich uber den Ohren weisen auf das Abziehen der gesamten Kopfhaut hin Weitere Spuren wie leiterartige kurze Schabespuren an Langknochen und anderen Korperteilen legen eine sorgfaltige Entfleischung der Knochen nahe Manipulationsspuren am Schadel sind auf das Herausschneiden der Zunge und die Abtrennung des Musculus masseter zuruckzufuhren Anhand der Manipulationsspuren kann der Arbeitsablauf an den getoteten menschlichen Opfern vollstandig nachvollzogen werden Nach der Teilzerlegung Abtrennung der Extremitaten Herausschneiden der Wirbelsaule und damit Offnung des Brustkorbes wurden die Teilstucke der Korper akribisch von allen Weichteilen von Fleisch Sehnen und sonstigen Geweberesten befreit Danach zerschlug man in Ritualhandlungen die Knochen in kleine Fragmente bis zu 40 Splitter eines Langknochens stellen keine Seltenheit dar Die Schadel erfuhren eine Sonderbehandlung die Akteure der Ritualhandlungen schlugen mit gezielten Steinbeilschlagen Gesichtsschadel und Schadelbasis ab so dass nur noch das Schadeldach Kalotte ubrig blieb Von diesen schalenartigen Schadelkalotten fanden sich in den Ausgrabungen etwa 500 dazu noch zahlreiche Fragmente von weiteren Schadeldachern was die Zahl der Toten weiter erhoht Die menschlichen Uberreste wurden mit anderen Artefakten siehe unten in grosseren oder kleineren Fundkonzentrationen die Funde vermischt mit viel Aushuberde der Graben in die offenstehenden Segmente der Grabenanlage deponiert Da erst ca zwei Drittel der Grabenanlage archaologisch untersucht wurden ist von einer Gesamtzahl der hier im Rahmen eines aussergewohnlichen Rituals getoteten Menschen von mehr als 1000 Individuen auszugehen Feuer spielte offenbar eine Rolle bei den Ritualen nicht nur wurden in zahlreichen Stellen des Innengrabens unter oder zwischen den Funden Asche und Brandreste teils regelrechte Schichten davon dokumentiert auch an den menschlichen Uberresten wurden Brandspuren entdeckt So sind punktuell auf Schadelkalotten aber auch aussen und innen an den Bruchkanten der Kalotten schwarze und dunkelbraune Brandspuren sichtbar Langknochen zeigen ebenso wie kleinere Knochenfragmente vereinzelt Brandspuren Einzelne Unter und Oberkiefer sind ebenfalls von Brandeinwirkungen markiert teilweise sind dabei alle Zahne betroffen zerstorter Zahnschmelz teilweise nur die vorderen Zahne Strontiumisotopenanalysen erbrachten uberraschende Ergebnisse Von fast 100 beprobten menschlichen Individuen Zahnschmelz von Molaren M1 und M3 von vollstandigen Skeletten von isolierten Schadeln und vor allem von isolierten Kiefern aus den Fundkonzentrationen in den Graben erwiesen sind rund 90 als Fremde das heisst nicht in Herxheim oder Umgebung geborene oder aufgewachsene Opfer 3 Bei den Analysen fielen hohe Strontium Anteile der allermeisten Proben auf Die Personen wuchsen offenbar in hoheren Mittelgebirgsgegenden mit Granit bzw Gneissuntergrund auf Dies ist hochst erstaunlich als bisher deutliche Belege einer Besiedlung der Mittelgebirge durch Trager der bandkeramischen Kultur fehlen Die Vermutung es handele sich bei den Opfern von Herxheim demnach um Mesolithiker die als Gefangene in Herxheim bei Ritualhandlungen getotet wurden widerlegen die an denselben Zahnen beprobt wie die Isotopenuntersuchungen DNA Analysen Diese belegen dass sich die Opfer bezuglich ihrer DNA gut in das bekannte Spektrum bandkeramischer Menschen einfugen 4 Damit besteht eine zurzeit unerklarliche Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der Strontiumisotopenanalysen und der genetischen Untersuchungen die Identitat der Toten von Herxheim ist bislang unbekannt Keramik Bearbeiten nbsp Linearbandkeramische Funde verschiedener Stile aus der LBKNeben den menschlichen Knochen als Hauptfundgruppe mit besonderer Behandlung ist die Keramik unter den in den Konzentrationen von Herxheim am haufigsten vertretene Fundgruppe Auch sie weist Besonderheiten auf Die Tonware die mit den Knochen vergesellschaftet ist gehort in die jungste Phase der Bandkeramik der nur eine kurze Zeitdauer etwa 50 Jahre zugewiesen wird Es gibt mehrere zeitliche Ansatze fur diese etwa 50 Jahre jungste Linearbandkeramische Kultur LBK Die Datierungen schwanken zwischen dem 51 und dem 50 Jahrhundert v Chr In den Graben und auch in den Fundkonzentrationen selbst fanden sich auch Scherben alterer Phasen der LBK die als intrusive Funde der alteren Phasen der Siedlung von Herxheim zu bewerten sind In den Ausgrabungen wurde deutlich dass die Graben mehrfach altere Befunde schneiden so dass mit dem Erdaushub bei der endgultigen Verfullung der Graben auch altere Scherben in die Graben gelangten Diese haben mit den besonderen Handlungen am Ende der Herxheimer Besiedlungszeit nichts zu tun Die Keramik ist von herausragender Qualitat in Formgebung und Verzierungsausfuhrung zudem sind mindestens acht verschiedene Regionalstile der jungsten LBK vertreten Verzierte Gefasse in grosserer Zahl stammen aus so weit entfernten Gebieten wie dem unteren Elbtal Sarka Stil der jungsten LBK 400 km Luftlinie von Herxheim entfernt oder aus dem Elster Saale Gebiet Haufig vertreten ist Keramik im Rhein Main Schraffurstil Etwas mehr als die Halfte der verzierten Keramik ist im Pfalzer Stil verziert der erst vor wenigen Jahren anhand des Materials von Herxheim definiert wurde 5 Tonanalysen erbrachten das Ergebnis dass die in fremden Regionalstilen verzierten Gefasse nicht in der Pfalz hergestellt wurden so dass davon auszugehen ist dass Gemeinschaften aus verschiedenen teils weit entfernten Gegenden nach Herxheim kamen und Gefasse in dem bei ihnen heimischen Zierstil mitbrachten Die Keramik wurde wie auch die menschlichen Skelette intentionell vor Ort zerschlagen und mit den Knochenfragmenten in den Graben deponiert Zusammensetzungen von anpassenden Scherben uberwinden Strecken bis zu mehr als 200 m dabei treten auch Anpassungen von Scherben aus dem Aussengraben an Scherben aus Konzentrationen im Innengraben auf 6 Anhand der frisch erscheinenden Bruche der Gefassscherben wird deutlich dass diese nicht lange auf der Oberflache lagen sondern kurz nach ihrer Zerstorung in die Graben gelangten wo sie mit den anderen Funden schnell mit Erde bedeckt wurden Steingegenstande Bearbeiten Steingerate Silices und Mahlsteine gehoren ebenfalls zu den Inventaren der Fundkonzentrationen von Herxheim Diese wurden wie Menschen und Keramik intentionell zerstort Mahlsteine legte man offenbar teilweise erst ins Feuer um sie murbe zu machen bevor man sie zerschmetterte 7 Tierknochen Bearbeiten Auch bei den Tierknochen aus den Fundkonzentrationen in den Graben fallen Besonderheiten auf neben normalem Schlachtabfall fanden sich ungewohnlich zahlreich Bukranien und Aigikranien Die speziell zugerichteten Artefakte herauspraparierter Schadelteil an dem beide Rinder oder Ziegenhornzapfen sitzen werden allgemein fur die Vorgeschichte in symbolische rituelle Zusammenhange gestellt Auch zahlen zu den Tierknochen ungewohnlich viele Hundeknochen mehr als 280 Exemplare welche die Zahl der Hundeknochen in allen bisher ausgegrabenen LBK Siedlungen insgesamt weit ubertreffen die Knochen gehoren zu mindestens 10 vielleicht 13 Hunde Individuen 8 Die Hunde wurden offenbar gevierteilt und dann wahrscheinlich gebraten gegrillt und verspeist Eine Verspeisung von Hunden ist fur die bandkeramische Zeit ganzlich ungewohnlich da der Hund langst als Haustier galt und damit an sich kein konsumiertes Tier war Die Bearbeiterin jener Funde sieht in der potentiellen Hunde Verspeisung eine ungewohnliche vielleicht rituelle Mahlzeit 9 Interpretationsansatze BearbeitenBei der Anlage von Herxheim handelt es sich wahrscheinlich nicht um ein Massengrab man kann hier vermutlich nicht von Aktionen im Rahmen von Begrabnisritualen sprechen Damit unterscheidet sich Herxheim von anderen jungstbandkeramischen Fundplatzen wie etwa dem Massengrab von Wiederstedt sowie den Funden aus dem Massaker von Talheim dem Massaker von Halberstadt oder dem Massaker von Kilianstadten wo eine grossere Anzahl menschlicher Korper offenbar Opfer von Gewaltanwendungen todliche Schadelverletzungen Pfeile in Wirbeln etc unzeremonios und nicht in ublicher Bestattungslage der Linearbandkeramischen Kultur in Massengrabern hinterlassen wurden Auch die Situation der Siedlung mit Grabenanlage von Asparn dem Massaker von Schletz Niederosterreich wo sich in den Grabenkopfen beiderseits eines Eingangs in die innerhalb der Grabenanlage befindlichen Siedlung zahlreiche Tote fanden ist nicht mit Herxheim vergleichbar Die Toten in den Grabenkopfen und auch an anderen Stellen des Grabens um die Siedlung von Schletz werden als Verteidiger der Siedlung gedeutet die ihre Gemeinschaft vor Angreifern verteidigen wollten getotet und in die offenstehenden Graben geworfen wurden Diese Kampfsituation hat ebenfalls nichts mit der Szenerie von Herxheim zu tun Bislang fehlt jeder Vergleich zur einzigartigen Fundsituation in Herxheim Die Deutungen zum ratselhaften Befund von Herxheim haben seit 1996 viele Wandlungen durchgemacht War man sich anfangs noch nicht klar daruber ob es sich hier um die Spuren kriegerischer Auseinandersetzungen handelte oder um besondere Bestattungssitten 10 so schalte sich wahrend der Ausgrabungen eine Interpretationsrichtung fur die menschlichen Uberreste heraus die recht lange Bestand hatte Die Bearbeiter der menschlichen Uberreste der Rettungsgrabung Jorg Orschiedt und Miriam N Haidle favorisierten alternativlos die Interpretation von Sekundarbestattungen 11 man habe anderswo begrabenene Verwandte wieder ausgegraben in Herxheim ihre Knochen zerschlagen und als Knochenansammlung erneut beerdigt Die repetitive und streng normierte Behandlung menschlicher Individuen und ausgewahlter Artefakten belege hochrituelle Aktivitaten in Herxheim in der Endphase der Bandkeramik Diese Sekundarbestattungsthese wurde vom Grossteil des DFG Teams mit dem Fortgang der Forschungsgrabung mehr und mehr abgelehnt Die Behandlung der Menschen ist der Zurichtung von Tieren bei deren Schlachtung zur Nahrungsgewinnung gut vergleichbar was fur den Anthropologen der die Menschenknochen untersuchte Bruno Boulestin unterstutzt von der Anthropologin Anne Sophie Coupey ein schlagendes Argumente fur seine These des rituellen Kannibalismus in Herxheim darstellt 12 13 Boulestin legte fur seine Kannibalismusthese hauptsachlich statistisch untermauerte Argumente vor und halt den massenhaften Kannibalismus in Herxheim fur bewiesen 14 Eine andere Hypothese favorisiert die Totung der menschlichen Opfer als wichtigen Bestandteil der Ritualhandlungen ohne die Toten als Nahrung zu verwenden Dieses Modell schlagt fur Herxheim als Erklarung fur die Behandlung der Toten im Zuge der Rituale die extreme Manipulation menschlicher Uberreste extreme processing EP vor die als gesellschaftlich bedeutende Gemeinsamkeits und Identitatsgefuhle verursachende und oder verstarkende Massnahme zu verstehen ist Eingefuhrt wurde der Begriff EP erstmals von amerikanischen Anthropologen fur Befunde der Anasazi im amerikanischen Sudwesten Die extreme Zerstorung bzw Umwandlung menschlicher Korper in nicht mehr als menschlich identifizierbare Knochensplitter die normierte Herstellung von Artefakten Schadelschalen und die gleichartige Zerstorung wertvoller Artefakte passt gut in ein Modell von Feierlichkeiten einer besonderen ansonsten nicht fur die Vorgeschichte bekannte Art ritueller Handlungen Es wird vorgeschlagen dass auch Festmahle ohne Verspeisung menschlichen Fleisches Bestandteil jener Rituale waren Moglicherweise beruht die Zerstorung oder Unbrauchbarmachung der Gefasse und Geratschaften auf der in prahistorischen Zusammenhangen ofter zu beobachtenden Vorstellung von ritualisierten Artefakten die nachdem sie in Zeremonien eine heilige Rolle spielten durch Zerstorung dem spateren profanen Gebrauch entzogen werden mussen 15 Keramik Steingerate und Mahlsteine waren als Instrumente fur die Zubereitung und bei der Durchfuhrung ritueller Mahlzeiten sehr gut denkbar Siehe auch BearbeitenMuseum Herxheim Knochennadeln von HerxheimLiteratur BearbeitenAndrea Zeeb Lanz Hrsg Ritualised Destruction in the Early Neolithic The Exceptional Site of Herxheim Palatinate Germany Forschungen zur Pfalzischen Archaologie Band 8 1 Speyer 2016 ISBN 978 3 936113 09 9 Andrea Zeeb Lanz Hrsg Ritualised Destruction in the Early Neolithic The Exceptional Site of Herxheim Palatinate Germany Forschungen zur Pfalzischen Archaologie Band 8 2 Speyer 2019 ISBN 978 3 936113 15 0 Fabian Haack Die fruhneolithische Grabenanlage von Herxheim bei Landau Architektur Verfullungsprozesse und Nutzungsdauer Dissertationsschrift Freie Universitat Berlin Berlin 2014 online Andrea Zeeb Lanz Fabian Haack Ritual und Gewalt in Herxheim In Harald Meller Roberto Risch Kurt W Alt Francois Bertemes Rafael Mico Hrsg Rituelle Gewalt Rituale der Gewalt 12 Mitteldeutscher Archaologentag vom 10 12 Oktober 2019 in Halle Saale Tagungen des Landesmuseums Halle Band 22 1 Halle Saale 2020 S 181 196 Andrea Zeeb Lanz Gewalt im Ritual Gewalt an Toten Die Krise am Ende der Bandkeramik im Spiegel aussergewohnlicher Befunde In Thomas Link Heidi Peter Rocher Hrsg Gewalt und Gesellschaft Dimensionen der Gewalt in ur und fruhgeschichtlicher Zeit Violence and Society Dimensions of violence in pre and protohistoric times Internationale Tagung an der Julius Maximilians Universitat Wurzburg 14 16 Marz 2013 Universitatsforschungen zur prahistorischen Archaologie Band 259 Bonn 2014 S 257 270 Andrea Zeeb Lanz Herxheim bei Landau Pfalz einzigartiger Schauplatz jungsteinzeitlicher Zerstorungsrituale mit Menschenopfern Herxheim pres de Landau Palatinat Theatre extraordinaire des rituels de destruction avec sacrifices humains In Michael Koch Hrsg Archaologentage Otzenhausen Band 3 2016 Beitrage der Internationalen Tagung zur Archaologie in der Grossregion in der Europaischen Akademie Otzenhausen 14 17 April 2016 Nonnweiler 2017 S 101 122 Andrea Zeeb Lanz Hrsg Krisen Kulturwandel Kontinuitaten Zum Ende der Bandkeramik in Mitteleuropa Beitrage der Internationalen Tagung in Herxheim bei Landau Pfalz vom 14 17 06 2007 Marie Leidorf Rahden Westfalen 2009 ISBN 978 3 89646 440 8 Alisa Hujic Palaodontologische Untersuchungen an Skelettresten der bandkeramischen Grubenanlage von Herxheim bei Landau Pfalz Magisterarbeit Eberhard Karls Universitat Tubingen 2009 online Rouven Turck Zum Nachweis von Mobilitat im Neolithikum Isotopenanalysen menschlicher Individuen aus den jungstbandkeramischen Befunden der Grubenanlage von Herxheim bei Landau Pfalz Dissertation Universitat Heidelberg 2012 online Weblinks BearbeitenDFG Projekt Siedlung und Grubenanlage Herxheim b Landau Andrea Zeeb Lanz Herxheim ein rituelles Zentrum der Bandkeramik mit Menschenopfern und hohem Zerstorungspotential Zu den vorlaufigen Endergebnissen der wissenschaftlichen Auswertung des aussergewohnlichen Fundplatzes Herxheim bei Landau Veroffentlicht am 17 Februar 2020 archaeologie online de Grubenwerk als Massengrab Herxheim Markus Tremmel Das Projekt Herxheim Die Totengruben der zerstuckelten Leichen In Bayerische Archaologie Heft 6 2 2008 Florian Stark Hunderte wurden erschlagen zerteilt und entfleischt in Welt Online vom 15 September 2019Einzelnachweise Bearbeiten Andrea Zeeb Lanz Herxheim ein rituelles Zentrum der Bandkeramik mit Menschenopfern und hohem Zerstorungspotential Zu den vorlaufigen Endergebnissen der wissenschaftlichen Auswertung des aussergewohnlichen Fundplatzes Herxheim bei Landau In Archaologie Online vom 17 Februar 2020 abgerufen am 26 Juli 2023 mit Gesamtplan der Ausgrabungen zwischen 1996 und 2010 Siehe Andrea Zeeb Lanz Herxheim bei Landau Pfalz einzigartiger Schauplatz jungsteinzeitlicher Zerstorungsrituale mit Menschenopfern Herxheim pres de Landau Palatinat Theatre extraordinaire des rituels de destruction avec sacrifices humains In Michael Koch Hrsg Archaologentage Otzenhausen Band 3 2016 Beitrage der Internationalen Tagung zur Archaologie in der Grossregion in der Europaischen Akademie Otzenhausen 14 17 April 2016 Nonnweiler 2017 S 101 122 hier Abbildungen 6 und 12 Rouven Turck Where did the dead from Herxheim originate Isotope analyses of human individuals from the find concentrations in the ditches In Andrea Zeeb Lanz Hrsg Ritualised Destruction in the Early Neolithic The Exceptional Site of Herxheim Palatinate Germany Forschungen zur Pfalzischen Archaologie Band 8 Teilband 2 Speyer 2019 ISBN 978 3 936113 15 0 S 313 421 Jens Blocher Sylvia Figarski Joachim Burger Genomic analysis of early Neolithic samples from Herxheim Germany In Andrea Zeeb Lanz Hrsg Ritualised Destruction in the Early Neolithic The Exceptional Site of Herxheim Palatinate Germany Forschungen zur Pfalzischen Archaologie Band 8 Teilband 2 Speyer 2019 ISBN 978 3 936113 15 0 S 305 312 Christian Jeunesse Philippe Lefranc Samuel van Willigen Die pfalzische Bandkeramik Definition und Periodisierung einer neuen Regionalgruppe der Linearbandkeramik In Andrea Zeeb Lanz Hrsg Krisen Kulturwandel Kontinuitaten Zum Ende der Bandkeramik in Mitteleuropa Beitrage der internationalen Tagung in Herxheim bei Landau Pfalz vom 14 17 06 2007 Internationale Archaologie Band 10 Verlag Marie Leidorf Rahden Westfalen 2009 ISBN 978 3 89646 440 8 S 61 78 Anthony Denaire Pottery refits and connections from Herxheim In Andrea Zeeb Lanz Hrsg Ritualised Destruction in the Early Neolithic The Exceptional Site of Herxheim Palatinate Germany Forschungen zur Pfalzischen Archaologie Band 8 Teilband 2 Speyer 2019 ISBN 978 3 936113 15 0 S 25 40 Dirk Schimmelpfennig The lithic material from Herxheim with special emphasis on the 2005 2008 excavations and the latest LBK phase the ritual phase In Andrea Zeeb Lanz Hrsg Ritualised Destruction in the Early Neolithic The Exceptional Site of Herxheim Palatinate Germany Forschungen zur Pfalzischen Archaologie Band 8 Teilband 2 Speyer 2019 ISBN 978 3 936113 15 0 S 81 138 Luc A A Janssens Rose Marie Arbogast Andrea Zeeb Lanz Dogs of the final Bandkeramik at Herxheim refitting and pathology In Andrea Zeeb Lanz Hrsg Ritualised Destruction in the Early Neolithic The Exceptional Site of Herxheim Palatinate Germany Forschungen zur Pfalzischen Archaologie Band 8 Teilband 2 Speyer 2019 ISBN 978 3 936113 15 0 S 233 245 Rose Marie Arbogast Analysis of the faunal assemblages of the LBK site of Herxheim the larger mammals In Andrea Zeeb Lanz Hrsg Ritualised Destruction in the Early Neolithic The Exceptional Site of Herxheim Palatinate Germany Forschungen zur Pfalzischen Archaologie Band 8 Teilband 2 Speyer 2019 ISBN 978 3 936113 15 0 S 139 232 Annemarie Hausser Hrsg Krieg oder Frieden Herxheim vor 7000 Jahren Katalog zur Sonderausstellung Krieg oder Frieden Herxheim vor 7000 Jahren Speyer 1998 Miriam N Haidle Jorg Orschiedt Das jungstbandkeramische Grabenwerk von Herxheim Kreis Sudliche Weinstrasse Schauplatz einer Schlacht oder Bestattungsplatz Anthropologische Ansatze In Helmut Bernhard Hrsg Archaologie in der Pfalz Jahresbericht 2000 Speyer 2001 S 147 153 Bruno Boulestin Andrea Zeeb Lanz Christian Jeunesse Fabian Haack Rose Marie Arbogast Anthony Denaire Cannibalism in the Linear Pottery culture at Herxheim Palatinate Germany In Antiquity Band 83 2009 S 968 982 Bruno Boulestin Anne Sophie Coupey Cannibalism in the Linear Pottery Culture The Human Remains from Herxheim Archaeopress Oxford 2015 Bruno Boulestin Anne Sophie Coupey Cannibalism in the Linear Pottery Culture The Human Remains from Herxheim Archaeopress Oxford 2015 Andrea Zeeb Lanz The Herxheim ritual enclosure a synthesis of results and interpretative approaches In Andrea Zeeb Lanz Hrsg Ritualised Destruction in the Early Neolithic The Exceptional Site of Herxheim Palatinate Germany Forschungen zur Pfalzischen Archaologie Band 8 Teilband 2 Speyer 2019 ISBN 978 3 936113 15 0 S 423 482 49 145338 8 190703 Koordinaten 49 8 43 2 N 8 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