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Beim Massaker von Halberstadt wurden vor rund 7000 Jahren gegen Ende der Epoche der linearbandkeramischen Kultur neun jungsteinzeitliche Manner und Frauen durch stumpfe Gewalt getotet Ihre Leichen wurden in einem Massengrab im Bereich des heutigen Neubaugebiets Sonntagsfeld in Halberstadt Sachsen Anhalt achtlos und ohne Grabbeigaben in einer Grube abgelegt 1 Lage der Skelette bei ihrer Freilegung Zur besseren Unterscheidung wurden sie in dieser Abbildung nummeriert und eingefarbt Position der Schadelverletzungen die Ziffern beziehen sich auf die Nummerierung der Skelette Unnaturliche Lage zweier gebrochener Knochen rechter Oberarmknochen von Individuum 6 gelb rechter Oberschenkelknochen von Individuum 7 rot Inhaltsverzeichnis 1 Entdeckung des Massakers 2 Untersuchung der Funde 3 Interpretation der Geschehnisse 4 Siehe auch 5 Weblinks 6 BelegeEntdeckung des Massakers BearbeitenDas Massengrab wurde 2013 im Verlauf einer archaologischen Notgrabung durch ein Team des Landesamtes fur Denkmalpflege und Archaologie Sachsen Anhalt und des Instituts fur Anthropologie der Johannes Gutenberg Universitat Mainz entdeckt Die Grabung wurde wegen der geplanten Errichtung einer Wohnsiedlung durchgefuhrt da im Sonntagsfeld seit dem Jahr 2000 bereits mindestens 38 linearbandkeramische Graber mit sorgfaltig bestatteten Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts sowie Hinweise auf sechs linearbandkeramische Langhauser entdeckt worden waren 2 Das Massengrab hatte einen Durchmesser von rund zwei Metern Die Skelette befanden sich teils in Ruckenlage teils in Bauchlage nebeneinander und ubereinander ohne dass es wie zuvor in benachbarten Grabern aufgefunden eine einheitliche Ausrichtung der Korper gab Seitenlage mit angewinkelten Knien und Ausrichtung der Augen nach Suden oder Norden Grabbeigaben und Schnallen von Kleidungsstucken fehlten nur einige Keramikscherben wurden gefunden diese wurden als Siedlungsabfall interpretiert der zufallig beim Verfullen der Grube uber die Leichen geraten war Aus mehreren Radiokohlenstoffdatierungen wurde ein Alter der Funde von 7080 bis 6997 Jahren cal BP abgeleitet Untersuchung der Funde BearbeitenDas Massengrab wurde zunachst im Block geborgen und danach im Labor untersucht 3 Sieben der neun Skelette wurden zweifelsfrei als mannlich im Alter zwischen 25 und 40 Jahren identifiziert die beiden anderen als vermutlich mannlich und weiblich Der jungste Mann war 16 bis 20 Jahre alt die mutmassliche Frau 21 bis 26 Jahre Alle neun Personen galten folglich in ihrem damaligen sozialen Umfeld als Erwachsene Die Altersverteilung weicht stark ab von jener in den benachbarten Grabern in denen im Durchschnitt gleich viele Manner und Frauen sowie Erwachsene und Kinder beerdigt wurden aber insbesondere durch das Fehlen von Kindern auch von anderen Massengrabern aus dieser Epoche Als Todesursache wurden bei sieben der neun Toten harte Schlage gegen den Schadel identifiziert bei zwei Toten war der Schadel nicht mehr erhalten Fast alle identifizierbaren Schadelbruche wurden am Hinterkopf entdeckt und zwar sowohl im Bereich des Hinterhauptbeins als auch oberhalb und seitlich davon Zwei Drittel der Schadelverletzungen befanden sich auf der rechten Seite Ausserdem wurden unverheilte Bruche eines Oberschenkelknochens zweier Oberarmknochen und zweier Rippen festgestellt deren Bruchmerkmale darauf schliessen lassen dass sie durch gezielte Schlage verursacht wurden Die Leichen wurden laut Interpretation der Ausgraber achtlos ohne Rucksicht auf ihre individuellen Positionen in eine Grube geworfen Hierfur sprach u a die unnaturliche abgewinkelte Lage der gezielt in zwei Stucke zerschlagenen Bein und Armknochen siehe Abbildung Aus den nachgewiesenen Spuren von fleischfressenden Tieren und dem Fehlen etlicher Knochen bei grundsatzlich normaler Anordnung der Knochen wurde geschlossen dass die Leichen zwar vor ihrer kompletten Verwesung in der Grube abgelegt moglicherweise aber nicht sofort komplett mit Erde abgedeckt wurden Interpretation der Geschehnisse BearbeitenIm Unterschied zu den Opfern des Massakers von Kilianstadten des Massakers von Talheim und des Massakers von Schletz die an ihrem Wohnort getotet wurden sind die Opfer von Halberstadt nicht am Ort ihres Todes aufgewachsen Dies konnte durch eine Strontiumisotopenanalyse des Zahnschmelzes sowie durch zwei weitere Isotopenuntersuchungen 13C 12C und 15N 14N von Knochen Kollagenen belegt werden die Strontiumisotopenanalyse ermoglicht Aussagen uber die mineralogische Beschaffenheit des Bodens wahrend der Zahnbildung die beiden anderen uber die Zusammensetzung der Nahrung Auch das Fehlen von Kindern und das Uberwiegen junger Manner wurde im 2018 publizierten Fachartikel als Besonderheit des Geschehens von Halberstadt bewertet Aus diesen Fakten leiteten die Ausgraber ab dass es sich bei den Toten eher um gefangengenommene Angreifer eines misslungenen Uberfalls als um attackierte Bewohner der linearbandkeramischen Siedlung handelte Auch wurden die Toten von Halberstadt durch wenige gleichartige und gezielte Schlage gegen den Hinterkopf getotet was auf eine Hinrichtung hinweist Im Bericht uber die Ausgrabung wird das Geschehen in der Schlussphase der linearbandkeramischen Kultur vor 7000 Jahren wie folgt eingeordnet Klimabedingte Ruckgange der landwirtschaftlichen Produktion die zunehmenden Folgen ererbter Anspruche auf landwirtschaftliche Flachen und die zunehmende hierarchische Differenzierung gehoren zu den wahrscheinlichen Faktoren die den Anstieg sozialer Spannungen und letztendlich todlicher Konflikte zwischen unabhangig agierenden Gruppen fordern 51 876388888889 11 044444444444 Koordinaten 51 52 35 N 11 2 40 OSiehe auch BearbeitenGrabenanlage von Herxheim Massengrab von Wiederstedt Massaker von Potocani Massaker von KoszyceWeblinks BearbeitenMassen Hinrichtung in der Jungsteinzeit Auf scinexx de vom 27 Juni 2018 Belege Bearbeiten Christian Meyer Corina Knipper Nicole Nicklisch et al Early Neolithic executions indicated by clustered cranial trauma in the mass grave of Halberstadt In Nature Communications Band 9 Artikel Nr 2472 2018 doi 10 1038 s41467 018 04773 w Barbara Fritsch Erich Classen Ulrich Muller und Veit Dresely Die linienbandkeramischen Graberfelder von Derenburg Meerenstieg II und Halberstadt Sonntagsfeld Lkr Harz In Jahresschrift fur Mitteldeutsche Vorgeschichte Band 92 2011 S 25 229 Volltext Massengrab aus Halberstadt belegt neue Facette jungsteinzeitlicher Gewalt Memento vom 4 Dezember 2019 im Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Massaker von Halberstadt amp oldid 234596940