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Die Riten der Glockenweihe die sich im Fruhmittelalter in Lateineuropa herausbildeten werden heute nicht mehr praktiziert Es gab einen mozarabischen und einen frankisch gallischen Ritus Um die Jahrtausendwende setzte sich die frankisch gallische Form der Glockenweihe in der Westkirche allgemein durch und blieb in der Romisch katholischen Kirche fast unverandert bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil bestehen Der alte Ritus betonte stark die apotropaischen Krafte der Glocke mit entsprechender Bedeutung fur die Volksfrommigkeit Dass die Glocke den Namen eines Heiligen erhielt In honorem sancti N Pax tibi fuhrte zusammen mit den Riten der Besprengung mit Wasser und Salbung mit Chrisam zur volkstumlichen Bezeichnung des Ritus als Glockentaufe 1 2 Die 1038 gegossene Lullusglocke Bad Hersfeld Dass tonendem Metall in vielen Kulturen damonenabwehrende Krafte zugeschrieben werden ist aus der Vergleichenden Religionswissenschaft bekannt Das Besondere der mittelalterlichen Glockenweihe ist dass nicht die Macht der Glocke selbst die Damonen in die Flucht schlagen soll sondern die im Schall der Glocke horbare Stimme Gottes der Herr uber alle Damonen ist 3 1984 trat in der Romisch katholischen Kirche der Ordo benedictionis campanae in Kraft der mit dem mittelalterlichen Vorgangerritus so gut wie nichts mehr gemeinsam hat 4 Inhaltsverzeichnis 1 Mozarabischer altspanischer Ritus 2 Frankisch gallischer Ritus 3 Glockentaufe und Glockenpaten 4 Literatur 5 AnmerkungenMozarabischer altspanischer Ritus BearbeitenDie Quelle fur liturgische Segnungen und Weihen der mozarabischen Liturgie ist der Liber Ordinum seine wichtigste Handschrift ist der Codex 4 im Archiv der Abtei Santo Domingo de Silos Obwohl erst 1052 verfasst wird das darin enthaltene Textmaterial als wesentlich alter eingeschatzt Es geht vermutlich auf die westgotische Eigenliturgie zuruck die Bischof Julian von Toledo im spaten 7 Jahrhundert neu ordnete und die unter der toleranten maurischen Herrschaft weiter in Gebrauch stand Im Zuge der Reconquista ersetzte der frankisch gallische Ritus siehe unten den mozarabischen Ritus Das im Liber Ordinum enthaltene Formular der Glockenweihe wird ins 6 Jahrhundert datiert Marius Ferotin und Henri Leclercq sehen darin die alteste Form einer christlichen Glockenweihe uberhaupt 5 Der Ordo ist zweigeteilt in Exorzismus und Segnung Benedictio Beim Exorzismus wandte sich der Bischof vermutlich nach Westen und beschwor Satan den er abfallig als nichtswurdigen und unreinen Geist titulierte Da der Schopfergott auch das Metall und seinen Klang geschaffen habe und der Satan daran unbeteiligt gewesen sei befahl ihm der Bischof im Namen der gottlichen Majestat zu weichen 6 Die Kirchenglocke wurde in der nun folgenden Segnung als signum bezeichnet Das hob ihre Funktion als Signalinstrument besonders hervor Die Anamnese bezog sich auf die Signalinstrumente die das Volk Israel auf der Wustenwanderung begleiteten die Num 10 2 10 EU beschriebenen Silbertrompeten In der Epiklese schloss sich die Bitte an Gott moge die Kirchenglocke so segnen wie die Trompeten der Wustenwanderung Dann werden die Wirkungen aufgefuhrt die vom Schall der Kirchenglocke ausgehen sollen Sie offnen sozusagen die Kirchenturen fur den Gottesdienst hier gibt es einen Seitenblick auf die Glockchen am Gewand des biblischen Hohepriesters Aaron vgl Ex 28 33 34 EU Fur die Glaubigen diene das Horen des Glockentons als Tauferinnerung Juden und Abtrunnige perfidi hingegen wurden vom Glockenton erschreckt und womoglich bewegt der Gemeinschaft der Kirche beizutreten Die Benediktion schliesst mit einem Hinweis auf den Regenbogen als Gottes Friedenszeichen in den Wolken vgl Gen 9 12 17 EU Die damit verglichene Glocke ist gewissermassen ein akustisches Zeichen am Himmel 7 Frankisch gallischer Ritus BearbeitenDie frankisch gallische Form der Glockenweihe entwickelte sich unabhangig von der mozarabischen Form und setzte sich schliesslich auf deren Kosten allgemein durch Sie gilt als junger obwohl die wichtigste Handschrift die den Ordo ad signum ecclesiae benedicendum enthalt alter ist der Liber Sacramentorum Gellonensis wurde im spaten 8 Jahrhundert wahrscheinlich in der Abtei Sainte Croix in Meaux niedergeschrieben Er geht wahrscheinlich auf ein nicht erhaltenes um 760 in der Abtei Saint Pierre de Flavigny sur Ozerain verfasstes Mischsakramentar zuruck In erweiterter Form wurde dieses Formular der Glockenweihe uber das Mitte des 10 Jahrhunderts in Mainz zusammengestellte Pontificale Romano Germanicum in das Pontifikale der romischen Kurie aufgenommen 8 Der Ordo ist funfteilig Bereitung von Weihwasser mit einer Beimischung von Ol und Salz Waschung der Glocke innen und aussen mit diesem Weihwasser Weihegebet und Salbung der Glocke mit Chrisam Beweihraucherung der Glocke Schlussoration Das Weihegebet Deus qui per Moysen 3 bezieht sich im anamnetischen Teil ahnlich wie die Segnung des mozarabischen Ordo auf die Silbertrompeten der Wustenwanderung Israels Die Epiklese bittet um das Kommen des Heiligen Geistes Nachdem die Glocke mit einem Leinentuch abgetrocknet worden war bezeichnete sie der Bischof an mehreren Stellen mit Chrisamkreuzen sieben an der Aussenseite vier an der Innenseite was eine Analogie zur Taufe eines Menschen darstellt Das Pontifikale des Durandus differenzierte im spaten 13 Jahrhundert die Aussenseite der Glocke wurde mit oleum sanctum Krankenol gesalbt die Innenseite mit Chrisam Die Verwendung von Krankenol an dieser Stelle geht auf ein Missverstandnis der Hochscholastik zuruck Bis zur letzten Editio typica vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil zeichnete der Bischof sieben Kreuze mit Krankenol auf die Aussenseite der Glocke Die dabei zu sprechende Formel lautete Sanctificetur et consecretur Domine signum istud in nomine Patris et Filii et Spiritui Sancti in honorem sancti N 9 Die vier Kreuze der Innenseite entsprechen den vier Himmelsrichtungen die sieben Kreuze der Aussenseite der siebenfach wiederholten Formel Vox Domini Stimme des Herrn im begleitend gesungenen Psalm 28 29 der Gott als Herr uber das Gewitter feiert 10 Das Lutticher Rituale prazisierte dass von den sieben Kreuzen vier unten am Kranz angebracht werden sollten die drei ubrigen oben um die Haube herum so dass Dreiecke entstehen 11 Die folgende Oration Omnipotens sempiterne Deus qui ante archam foederis bezieht sich auf die Mauern Jerichos die beim Schall der biblischen Posaunen einsturzten und aussert den Wunsch der Klang der Glocke moge alle Angriffe des Bosen seien es Unwetter oder Versuchungen von den Glaubigen abwenden 12 Die Beweihraucherung der Glocke 4 erfolgte in einer sonst nicht ublichen Weise Dazu wurde die Glocke etwas angehoben Auf die gluhenden Kohlen des Weihrauchgefasses wurden Krauter Myrrhe und Weihrauchkorner gestreut und dieses unter die Glocke geschoben Die aufsteigenden Duftwolken fullten nun das Innere der Glocke vgl die Rubrik ut totum illum fumum colligat und quollen dann darunter hervor um an der Aussenwand der Glocke aufzusteigen Die Glocke wurde so ganz von Weihrauch umhullt und nahm dadurch gewissermassen die apotropaische Wirksamkeit des Weihrauchs an Dabei wurden Verse 17 bis 21 aus Psalm 76 77 gesungen die Donner Blitz und Sturm als Manifestationen Gottes beschreiben Dazwischen erklang der Kehrvers Wo ist ein Gott so gross wie unser Gott Das Fruhmittelalter sah Gewitter als Werk von Luftgeistern aereae potestates vgl auch Eph 6 12 EU das Ritual proklamierte Gottes Herrschaft uber diese Geister und durch die Beweihraucherung wurde die Glocke zu einem machtigen Werkzeug der Damonen bzw Gewitterabwehr Das Wetterlauten der Wetterglocke war als apotropaische Handlung die Unwetter vertreiben und Blitzeinschlag verhuten sollte weit verbreitet Das Schlussgebet 5 thematisiert die in den Evangelien erzahlte Stillung des Sturms durch Jesus Christus und bittet dass Christus die Glocke mit dem Tau des Heiligen Geistes durchdringen moge Wahrend der Schall der Glocke Damonen und andere Feinde der Glaubigen in die Flucht schlage moge er Engel herbeirufen um ihre Felder vor Schaden zu schutzen 13 Glockentaufe und Glockenpaten BearbeitenDie Bezeichnung der Glockenweihe als Glockentaufe geht bis in die Zeit der Karolinger zuruck Ein Kapitulare Karls des Grossen von 789 verbot die Glockentaufe ut cloccas non baptizent womit aber kaum die Glockenweihe an sich verboten werden sollte sondern damit verbundenes Brauchtum 14 In den liturgischen Buchern nicht enthalten ist der mittelalterliche Brauch Glockenpaten zu benennen womit die Analogie zum Sakrament der Taufe weiter verstarkt wurde 15 Im Spatmittelalter wurde dies z B mit Patenbriefen weiter ausgestaltet indem zahlreiche wohlhabende Personen zu Gevattern gebeten wurden die dadurch zu Patengeschenken an die Kirche verpflichtet waren Die mit der Glockentaufe verbundene Ausrichtung eines aufwandigen Festmahls gehorte zu den Beschwerdepunkten die die deutschen Reichsstande 1522 in Nurnberg den papstlichen Legaten vortrugen 16 Literatur BearbeitenAndreas Heinz Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe In Alfred Haverkamp Hrsg Information Kommunikation und Selbstdarstellung in mittelalterlichen Gemeinden Schriften des Historischen Kollegs Kolloquien Band 40 Oldenbourg Munchen 1998 S 41 70 Guido Fuchs Glocken segnen In Andreas Heinz Heinrich Rennings Hrsg Heute segnen Werkbuch zum Benediktionale Herder Freiburg Basel Wien 1987 S 367 373 Heinrich Otte Glockenkunde Weigel Leipzig 1858 Digitalisat Wird als Materialsammlung noch immer herangezogen trotz der antikatholischen Polemik des Autors Anmerkungen Bearbeiten Guido Fuchs Glocken segnen Freiburg Basel Wien 1987 S 368f Guido Fuchs Glockenweihe In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 4 Herder Freiburg im Breisgau 1995 Sp 750 751 Andreas Heinz Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe Munchen 1998 S 64f Andreas Heinz Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe Munchen 1998 S 41 Vgl auch Guido Fuchs Glockenweihe In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 4 Herder Freiburg im Breisgau 1995 Sp 750 751 Andreas Heinz Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe Munchen 1998 S 43f Andreas Heinz Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe Munchen 1998 S 44f Andreas Heinz Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe Munchen 1998 S 45 49 Andreas Heinz Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe Munchen 1998 S 50 52 Im romischen Ordo benedictionis campanae von 1984 ist die Chrisamsalbung entfallen das deutsche Benediktionale von 1978 enthalt nach der Besprengung mit Weihwasser und der Beweihraucherung eine Bezeichnung der Glocke an vier Stellen mit Chrisam als fakultatives Element Guido Fuchs Glocken segnen Freiburg Basel Wien 1987 S 371 Heinrich Otte Glockenkunde Leipzig 1858 S 10 Andreas Heinz Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe Munchen 1998 S 54 56 Andreas Heinz Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe Munchen 1998 S 56 59 Heinrich Otte Glockenkunde Leipzig 1858 S 9 Andreas Heinz Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe Munchen 1998 S 59 Heinrich Otte Glockenkunde Leipzig 1858 S 14 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Glockenweihe Mittelalter amp oldid 237893755