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Gerhard Paul Waldemar Joppich 5 November 1903 in Nieder Hermsdorf in Schlesien 7 Januar 1992 in Gottingen war ein deutscher Kinderarzt und Hochschullehrer Seine Spezialgebiete lagen auf den Gebieten der Infektionskrankheiten und der Immunologie Neben seinen Arbeiten zur Poliomyelitis wurde er vor allem bekannt weil er sich 1961 erfolgreich fur die Einfuhrung der Schluckimpfung in der Bundesrepublik Deutschland einsetzte Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Studium und Ausbildung Familie 1 2 Zeit des Nationalsozialismus 1 3 Nach dem Zweiten Weltkrieg 2 Wirken 3 Schriften 4 Literatur 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenStudium und Ausbildung Familie Bearbeiten Gerhard Joppich war der Sohn des Arztes Julius Joppich und dessen Ehefrau Selma geborene Kunkel 1 Nach seinem 1924 abgelegten Abitur am humanistischen Gymnasium in Waldenburg studierte Joppich Medizin in Berlin Wurzburg Munchen in Graz bei Franz Hamburger und in Breslau In Breslau legte er 1929 sein Staatsexamen ab und wurde 1930 promoviert Im August desselben Jahres erhielt er seine Bestallung als Facharzt fur Kinderkrankheiten 1930 31 wirkte Joppich zunachst als Assistenzarzt der Inneren Abteilung des Paulinenkrankenhauses in Wiesbaden und in der Chirurgie des Stadtischen Krankenhauses Wismar 1931 32 war er am Hygienischen Institut der Universitat Koln tatig und ab 1932 als Assistenzarzt bei Hans Kleinschmidt an der Universitats Kinderklinik in Koln ab Februar 1935 als Oberarzt ebendort 1936 habilitierte er sich fur Kinderheilkunde Ab August 1938 hatte er in Koln eine Privatdozentur inne Seit 1933 war er mit Emilie Mile Joppich geborene Noll verheiratet Joppich wurde Vater von funf Kindern 1 darunter der spatere Professor fur Kinderchirurgie Ingolf Joppich 26 Oktober 1936 Zeit des Nationalsozialismus Bearbeiten Joppich der wahrend der 1920er Jahre in der bundischen Jugendbewegung aktiv gewesen war trat zum 1 Marz 1932 der NSDAP bei Mitgliedsnummer 949 046 Er gehorte zu einer politisch aktiven Gruppe von Kinderarzten um den Kolner Ordinarius Kleinschmidt die sich nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in den Dienst einer Ideologie der Jugend des Fuhrers stellten Man wolle helfen so hiess es in einer gemeinsamen Erklarung Schaden zu uberwinden an denen die vergangene Zeit krankte damit ein gesundes lebensmutiges und opferwilliges der nationalsozialistischen Idee entsprechendes Geschlecht heranwachst 2 Die Gruppe der neben Kleinschmidt und Joppich auch Egon Unshelm Oskar Zschokke und Theodor Gott angehorten erhielt das Angebot den Aufbau der Hitlerjugend HJ mitzutragen und formulierte Leitsatze fur die in Bunde eingeordnete deutsche Jugend des Pflichtschulalters 3 Von 1933 bis 1942 war Joppich Gebietsarzt der HJ im HJ Gebiet Koln Aachen 1941 wurde er dort zum Oberarzt befordert Ab 1939 gehorte er im Rang eines Bannfuhrers ab Januar 1940 im Rang eines Oberbannfuhrers dem Stab der Reichsjugendfuhrung RJF an Von August 1939 bis Februar 1942 leistete Joppich als Unter Assistenz und schliesslich Oberarzt Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg wobei er sowohl am Westfeldzug wie am Uberfall auf die Sowjetunion teilnahm und mit dem Eisernen Kreuz II Klasse sowie mit dem Kriegsverdienstkreuz II Klasse und I Klasse mit Schwertern ausgezeichnet wurde Er wurde im Februar 1942 unabkommlich gestellt Ab 1942 leitete er die Abteilung Jugendmedizin im Amt fur Gesundheitsfuhrung der Reichsjugendfuhrung und gehorte dem Hauptamt fur Volksgesundheit in der NSDAP an Joppich veroffentlichte zahlreiche medizinische Studien mit Bezug auf die HJ In dem Programm zur Gesundheitsfuhrung der Jugend die 1939 vom Reichsarzt der HJ Robert Hordemann gemeinsam mit Joppich als Abteilungsleiter im Amt fur Gesundheitsfuhrung der RJF erarbeitet wurde beschrieben die beiden Autoren die Aufgaben des Arztes in HJ und BDM von der Erbpflege bis zur gesundheitlichen Wirkung der Sommerzeltlager der HJ Nach dem Krieg wurde diese Schrift verschleiernd als rein arztlich charakterisiert um die Autoren zu entlasten Dagegen weist Eduard Seidler auf den politischen Willen hin der dahinter gesteckt habe 4 Seit Oktober 1941 amtierte Joppich als Arztlicher Direktor und ab 1942 als Chefarzt des Kaiserin Auguste Victoria Hauses in Berlin das zugleich Reichsanstalt zur Bekampfung der Sauglings und Kindersterblichkeit war und spater Kinderklinik der FU Berlin wurde Im Auftrag der Reichsjugendfuhrung errichtete er dort eine Forschungsstelle fur arztliche Jugendkunde Im Marz 1943 ubernahm er die Leitung der Reichsarbeitsgemeinschaft Mutter und Kind 1944 wurde er zum ausserplanmassigen Professor fur Kinderheilkunde in Berlin berufen Nach dem Zweiten Weltkrieg Bearbeiten Joppich blieb bis 1954 Direktor des Kaiserin Auguste Viktoria Hauses das mit Grundung der Freien Universitat Berlin 1948 zur Universitatskinderklinik wurde Joppich war damit einer der Grundungsordinarien der Medizinischen Fakultat an der FU Berlin zum ordentlichen Professor fur Kinderheilkunde war er 1948 ernannt worden 1954 wechselte er als Nachfolger seines Lehrers Kleinschmidt nach Gottingen wo er die Direktion der Universitats Kinderklinik ubernahm Er wurde 1972 emeritiert Joppich gehorte zahlreichen Verbanden und Vereinigungen an Bei der Grundungsfeier des Berliner Landesverbandes des Paritatischen Wohlfahrtsverbandes im Mai 1950 wurde er zum Vorsitzenden gewahlt 1960 amtierte er als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft fur Kinderheilkunde die ihn 1974 zum Ehrenmitglied wahlte Von 1961 bis 1966 war er Prasident der Deutschen Vereinigung zur Bekampfung der Kinderlahmung Er war von 1966 bis 1969 Mitglied des Wissenschaftsrates und seit 1963 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina Fur den Wissenschaftsrat sass Joppich einer Kommission vor welche die Plane fur das Zentralinstitut fur Seelische Gesundheit an der Universitat Mannheim begutachtete Im Jahr 1963 wurde Joppich Ehrenmitglied der Chilenischen Bolivianischen Finnischen Venezolanischen und korrespondierend auch der Schweizer Gesellschaft fur Kinderheilkunde 1974 auch Ehrenmitglied der Nordwestdeutschen und der Deutschen Gesellschaft fur Kinderheilkunde und 1978 der Berliner Medizinischen Gesellschaft 1977 wurde er mit der Albrecht von Haller Medaille der Universitat Gottingen geehrt 1980 wurde er Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft fur Sozialpadiatrie 1982 erhielt er den Ott Heubner Preis der Deutschen Gesellschaft fur Kinderheilkunde 1987 der Rotarier mit dem Grossen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet Wirken BearbeitenJoppich war Verfasser diverser Fachpublikationen Des Weiteren betatigte er sich als Mitherausgeber des Archivs fur Kinderheilkunde der Zeitschrift fur Kinderchirurgie und des Lehrbuchs fur Kinderheilkunde 5 Mit seinem Schwerpunkt auf Mikrobiologie befasste sich Joppich vor allem mit Infektionskrankheiten und Immunologie In seiner Kolner Zeit arbeitete er zu Lungenentzundungen und Kinderlahmung Polio Wahrend einer Polio Epidemie in Koln 1938 fuhrte er mit seinem Kollegen J W Cammerer Lumbalpunktionen an Kontaktpersonen von Poliokranken durch Dabei stellten sie fest dass bei einem Drittel der Untersuchten ein charakteristischer Liquor Befund vorlag ohne dass Krankheitsbeschwerden aufgetreten waren Dadurch identifizierten sie die Liquor Poliomyelitis 6 Nachdem er 1961 die Prasidentschaft der Deutschen Gesellschaft zur Bekampfung der Kinderlahmung von Kleinschmidt ubernommen hatte befurwortete Joppich den Einsatz des neuen oralen Lebendimpfstoff gegen Polio nach Albert Sabin und setzte sich fur die Einfuhrung der Schluckimpfung ein 7 Er gilt als derjenige der die Polio Schluckimpfung in der Bundesrepublik Deutschland durchsetzte 8 Bayern und Nordrhein Westfalen erklarten sich als erste dazu bereit andere Bundeslander schlossen sich an sodass 1962 bereits 22 Millionen Personen gegen Polio geimpft wurden 7 Die Zahl der Erkrankungen ging von 4 673 im Jahr 1961 auf 291 im Jahr 1963 zuruck Die Schluckimpfung wurde deshalb als grosser Erfolg gefeiert 9 Joppich war evangelisch und gehorte in der Bundesrepublik Deutschland zu den Medizinern welche die nationalsozialistischen Medizinverbrechen und die von Kinderarzten in der Zeit des Nationalsozialismus begangenen Euthanasie Verbrechen tabuisierten Unter seiner Leitung verfolgte die Deutsche Gesellschaft fur Kinderheilkunde 1960 eine zuruckhaltende Linie im offentlichen Skandal um Werner Catel 10 1972 verfasste Joppich eine Laudatio zum 80 Geburtstag von Ernst Wentzler Darin liess er dessen Tatigkeit als zweiter padiatrischer Gutachter beim Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb und anlagebedingten schweren Leiden welcher die Kindereuthanasie steuerte unerwahnt 11 1983 hielt er einen Festvortrag uber Franz Hamburger Der Historiker Sascha Topp attestiert dem Vortrag revisionistische Zuge da darin ausschliesslich Hamburgers wissenschaftliche Leistungen referiert aber seine Nahe zum Nationalsozialismus und seine antisemitischen Kampagnen als Vorsitzender der Fachgesellschaft ausgeblendet wurden 12 Schriften BearbeitenUber retrograde Inhaltsverschiebungen im menschlichen Dickdarm 1931 Die kruppose Pneumonie des Kindes Untersuchungen uber die Art und Beeinflussbarkeit ihres Ablaufes Karger Basel u a 1937 mit Robert Hordemann Hrsg Die Gesundheitsfuhrung der Jugend Lehmanns Munchen 1939 mit Hans Kleinschmidt und Carl Coerper Hrsg Die ubertragbare Kinderlahmung Mit besonderer Berucksichtigung der Erfahrungen aus der Kolner Epidemie 1938 Hirzel Leipzig 1939 mit Kurt Hofmeier Hrsg Lehrbuch fur Sauglings und Kinderschwestern 2 Auflage Enke Stuttgart 1944 Kinderpflegelehrbuch fur Sauglings und Kinderschwestern 3 Auflage Enke Stuttgart 1951 Die Sterblichkeit der ersten Lebenstage Bericht uber die Tagung der Deutschen Vereinigung fur die Gesundheitsfursorge des Kindesalters e V 9 September 1954 Essen Berlin 1955 Das Kind im Jahrhundert des Kindes Rede zur feierlichen Immatrikulation am 24 November 1956 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1957 Der Kampf gegen die Kinderlahmung Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1958 Aus dem Tagebuch des Kaiserin Auguste Victoria Hauses In Berliner Medizin Organ fur die gesamte praktische und theoretische Medizin 1959 S 13 14 und Franz Josef Schulte Neurologie des Neugeborenen Springer Berlin Heidelberg New York 1963 mit anderen Handbuch der Kinderheilkunde Springer Berlin Heidelberg New York 1966 Stoffwechsel des Neugeborenen Ergebnisse e Symposions uber Neonatale Biochemie in Deidesheim Weinstr 24 26 Okt 1968 Metabolism of the newborn Hippokrates Verl Stuttgart 1970 Emil Feer und Gerhard Joppich Kinderheilkunde Zum Lehrbuch der Kinderheilkunde begrundet von E Feer herausgegeben von G Joppich 22 Auflage Fischer Stuttgart 1971 ISBN 978 3 437 00085 0 24 Auflage 1980 als Hrsg Bakterielle Infektionen im Kindesalter Ed Roche Grenzach Wyhlen 1975 Literatur BearbeitenThomas Beddies Du hast die Pflicht gesund zu sein Der Gesundheitsdienst der Hitler Jugend 1933 1945 Be Bra Wiss Verl Berlin 2010 ISBN 978 3 937233 62 8 zugleich Medizinische Habilitationsschrift Universitat Berlin Charite 2009 Michael Buddrus Totale Erziehung fur den totalen Krieg Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik Saur Munchen 2003 ISBN 3 598 11615 2 Walter Habel Hrsg Wer ist wer Das deutsche Who s who 24 Ausgabe Schmidt Romhild Lubeck 1985 ISBN 3 7950 2005 0 S 588 Rudolf Vierhaus Hrsg Deutsche Biographische Enzyklopadie Band 5 Hitz Kozub 2 Auflage Saur Munchen 2006 ISBN 978 3 598 25035 4 S 391 H R Wiedemann Gerhard Joppich In Honour of his 80th Birthday In European Journal of Pediatrics Band 141 1983 S 2 Einzelnachweise Bearbeiten a b Wer ist wer Das Deutsche who s who Band 29 Schmidt Romhild 1990 S 640 Eduard Seidler Judische Kinderarzte 1933 1945 Entrechtet Geflohen Ermordet Jewish Pediatricians Victims of Persecution 1933 1945 S Karger Basel 2007 ISBN 978 3 8055 8284 1 S 23 Eduard Seidler Judische Kinderarzte 1933 1945 Entrechtet Geflohen Ermordet Jewish Pediatricians Victims of Persecution 1933 1945 S Karger Basel 2007 ISBN 978 3 8055 8284 1 S 52 66 Eduard Seidler Judische Kinderarzte 1933 1945 Entrechtet Geflohen Ermordet Jewish Pediatricians Victims of Persecution 1933 1945 S Karger Basel 2007 ISBN 978 3 8055 8284 1 S 52 53 Rudolf Vierhaus Hrsg Deutsche Biographische Enzyklopadie Band 5 Hitz Kozub Munchen 2006 S 391 Meinhard von Pfaundler Handbuch der Kinderheilkunde Ein Buch fur den Praktischen Arzt Erganzungswerk Springer Berlin Heidelberg 1942 ISBN 3 642 90967 1 S 443 a b A Windorfer u P Wutzler Die deutsche Vereinigung zur Bekampfung der Kinderlahmung Vortrag anlasslich der Festveranstaltung zur 50 Jahrfeier der Deutschen Vereinigung zur Bekampfung der Kinderlahmung In Polio Nachrichten Festschrift zum 20 jahrigen Jubilaum des Bundesverbandes Poliomyelitis e V Thermalbad Wiesenbad 2011 S 16 f Geburtstag Prof Dr Gerhard Joppich In Deutsches Arzteblatt 85 H 49 8 Dezember 1988 A 3530 PDF Ulrike Lindner Gesundheitspolitik in der Nachkriegszeit Grossbritannien und die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich Oldenbourg Wissenschaftsverlag Munchen 2004 ISBN 3 486 20014 3 S 257 Sascha Topp Geschichte als Argument in der Nachkriegsmedizin Formen der Vergegenwartigung der nationalsozialistischen Euthanasie zwischen Politisierung und Historiographie V amp R unipress Gottingen 2013 ISBN 978 3 8470 0127 0 S 192 194 Sascha Topp Geschichte als Argument in der Nachkriegsmedizin Formen der Vergegenwartigung der nationalsozialistischen Euthanasie zwischen Politisierung und Historiographie V amp R unipress Gottingen 2013 ISBN 978 3 8470 0127 0 S 160 Sascha Topp Geschichte als Argument in der Nachkriegsmedizin Formen der Vergegenwartigung der nationalsozialistischen Euthanasie zwischen Politisierung und Historiographie V amp R unipress Gottingen 2013 ISBN 978 3 8470 0127 0 S 179 Normdaten Person GND 1035103575 lobid OGND AKS LCCN n84067623 VIAF 74305266 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Joppich GerhardALTERNATIVNAMEN Joppich Gerhard Paul Waldemar vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher KinderarztGEBURTSDATUM 5 November 1903GEBURTSORT Nieder HermsdorfSTERBEDATUM 7 Januar 1992STERBEORT Gottingen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gerhard Joppich amp oldid 230688302