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Das Feierliche Gelobnis von Bundeswehrrekruten am 6 Mai 1980 im Bremer Weserstadion war die erste Gelobnisfeier seit Bestehen der Bundeswehr die als offentliche Grossveranstaltung ausserhalb einer Kaserne durchgefuhrt wurde Dabei entwickelten sich aus Protesten verschiedener Gruppen gewaltsame Ausschreitungen die in der bis dahin grossten Strassenschlacht der Bremer Stadtgeschichte gipfelten 1 2 Das Weserstadion in der Pauliner Marsch zwischen Weser links und Osterdeich Bildmitte angrenzend die Bebauung der Ostlichen Vorstadt 2005 Inhaltsverzeichnis 1 Planung 2 Proteste und Mobilisierung im Vorfeld 3 Demonstration und Auseinandersetzung 4 Reaktionen 5 Literarische Verwertung 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweisePlanung BearbeitenDas Jahr 1980 markierte das 25 jahrige Bestehen der Bundeswehr und der Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der NATO 3 4 Aus Anlass dieses Jubilaums wurden erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine Reihe offentlicher Rekrutenvereidigungen angesetzt Als Auftakt sollten 1200 Rekruten der Bundeswehr am Abend des 6 Mai 1980 dem 25 Jahrestag des Beitritts der Bundesrepublik zur NATO offentlich im Bremer Weserstadion vereidigt werden 2 Weitere Vereidigungen waren unter anderem am 11 September 1980 im Jahnstadion in Kamen 5 am 6 November 1980 auf dem Konigsplatz in Munchen und am 11 November 1980 im Niedersachsenstadion in Hannover angesetzt Fur den 25 Jahrestag der Grundung der Bundeswehr den 12 November 1980 war schliesslich ein offentliches Gelobnis auf dem Munsterplatz der damaligen Bundeshauptstadt Bonn geplant 6 nbsp Burgermeister Hans Koschnick vor 1985 nbsp Verteidigungsminister Hans Apel 1978 Laut Berichten des Spiegel sollen der Generalinspekteur der Bundeswehr und die Fuhrungen der Teilstreitkrafte sich noch im Marz 1980 dafur eingesetzt haben das Jubilaum durch eine militarische Feldparade mit Vorbeimarsch von Panzern und Artillerie sowie dem Uberflug von Kampfgeschwadern zu begehen Bundeskanzler Helmut Schmidt SPD und Verteidigungsminister Hans Apel SPD lehnten dies jedoch ab Stattdessen sollten Gelobnisfeiern mit grossem Zapfenstreich abgehalten werden Die Freie Hansestadt Bremen wurde fur die Auftaktveranstaltung ausgewahlt weil dort 25 Jahre zuvor 1955 das erste offentliche Gelobnis in der Geschichte der Bundeswehr stattgefunden hatte Bremens Burgermeister Hans Koschnick SPD hatte dem Wunsch Apels entsprochen und zugestimmt 7 Zur Begrundung gab er an dass sich die Bundeswehr schliesslich nicht vor der Gesellschaft zu verstecken brauche 1 Gleichzeitig erstarkte seit 1979 die Friedensbewegung in der Bundesrepublik insbesondere im Zuge der Proteste gegen den NATO Doppelbeschluss die angekundigte Nachrustung atomarer Mittelstreckenraketen in Westeuropa 7 Laut Spiegel warnten daher das Bundesamt fur Verfassungsschutz BfV der Militarische Abschirmdienst MAD und der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr Jurgen Brandt vor moglichen militanten Unruhen Jedoch hatten Bundes und Landesregierung auf der Traditionspflege beharrt Zu der Gelobnisfeier reiste Bundesverteidigungsminister Apel an Am Nachmittag des 6 Mai 1980 lud Burgermeister Koschnick 400 Gaste aus Politik und Gesellschaft sowie hohe Militars aus Bundeswehr und NATO Staben in das Bremer Rathaus Proteste und Mobilisierung im Vorfeld BearbeitenLinke Gruppen aber auch viele SPD Mitglieder in Bremen waren gegen das Massengelobnis Verschiedene Parteigliederungen von der Arbeitsgemeinschaft fur Arbeit uber die Frauen in der SPD bis hin zu den Jusos verurteilten die geplante Veranstaltung Die Delegierten der SPD Unterbezirke Bremen West und Bremen Ost 7 protestierten gegen uberflussiges Sabelrasseln und unzeitgemasses Brimborium Sie forderten eine Vereidigung in einem normalen Rahmen am besten auf dem Kasernenhof Der SPD Landesvorsitzende in Bremen Konrad Kunick empfahl offentlich auf uberholte militarische Traditionsformen zu verzichten 1 Auch der Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW rief zu den Protesten auf wahrend der DGB diese verurteilte und seinen Mitgliedern eine Teilnahme untersagte Vertreter christlicher Kirchen beteiligten sich an der Vorbereitung und Durchfuhrung einer Demonstration als Teil der Initiative gegen die offentliche Rekrutenvereinigung am 6 Mai 8 Das Komitee fur Frieden Abrustung und Zusammenarbeit und die Marxistische Gruppe verteilten im Vorfeld in Bremen Flugblatter mit Protestaufrufen Auch der Kommunistische Bund Westdeutschland KBW rief zu Protesten auf 1 Der KBW war 1973 aus dem Kommunistischen Bund Bremen entstanden und forderte die Ersetzung der Polizei und des stehenden Heeres durch die allgemeine Volksbewaffnung ausgehend von den Kommunen 9 Insgesamt wurden drei Demonstrationen angemeldet Um 16 30 Uhr sollte eine vom KBW und der Bremer Burgerinitiative gegen Atomenergieanlagen unterstutzte Demonstration vom Hauptbahnhof zum Goetheplatz ziehen Von dort folgte ab 17 30 Uhr ein Demonstrationszug zu den Weserterrassen der anschliessend in eine friedliche Kundgebung mit Kulturprogramm bis 23 Uhr ubergehen sollte Diese Demonstration war von der Initiative gegen die offentliche Rekrutenvereinigung am 6 Mai angemeldet worden die von Jusos Jungdemokraten der Gewerkschaftsjugend kirchlichen Gruppen sowie den Studentenvertretungen der Bremer Hochschulen unterstutzt wurde 7 Ab 19 30 Uhr hatte der KBW eine zusatzliche Kundgebung direkt zum Weserstadion am Osterdeich angemeldet 10 Demonstration und Auseinandersetzung Bearbeiten nbsp Bei der Demonstration wurde ein VW Bus der Bundeswehr umgeworfen nbsp Osterdeich vor dem Weser stadion hinten rechts 2015 nbsp Typische Strassenszene im Bremer Ostertor viertel 2014 nbsp Fruherer Innenraum des Stadions baulich noch ahnlich wie 1980 2008 Noch vor Beginn der Feier versammelten sich rund 10 000 Demonstranten 11 Der Demonstrationszug der Initiative mit 8 000 Teilnehmern verlief zunachst ohne besondere Vorkommnisse Dann losten sich aus der Demonstration Gruppen von vermummten und teilweise behelmten Demonstranten und warfen Pflastersteine sowie Molotowcocktails auf die Polizei und die anwesenden Soldaten Es kamen auch Eisenstangen und andere Schlaggerate zum Einsatz 4 Demonstranten setzten Fahrzeuge der Bundeswehr in Brand Schatzungen zur Zahl der gewalttatigen Demonstranten schwanken zwischen 300 und 1000 Personen Laut Untersuchungsausschuss zu den Ereignissen wurden dabei u bereinstimmend eine bis dahin nicht erlebte Militanz und Entschlossenheit der Gewalttater festgestellt die ohne Vorbereitung oder Vorgeplankel auf die Ordnungskrafte eindrangen und aus einer Menschenmenge von 10 000 bis 15 000 Personen operierten 12 Im Ostertorviertel wurde eine den Bundesprasidenten Karl Carstens darstellende Puppe unter lautem Jubel verbrannt 4 Am Zaun um das Stadion waren zunachst nur 100 Polizisten eingesetzt die sich mehreren hundert Militanten gegenubersahen Die Polizei forderte Verstarkung an Mehrfach versuchten Demonstranten das Stadion zu sturmen dessen Tore von Polizei und Feldjagern der Bundeswehr mit Not verteidigt Der Spiegel wurden Zweimal gelang es Demonstranten die Tore aufzubrechen Polizei und Soldaten konnten die eindringenden Protestierer jedoch zuruckdrangen 12 Laut Spiegel wurden Polizeihubschrauber mit Leuchtkugeln und Feuerwerksraketen beschossen Der Polizeifunk wurde gestort Vier VW Busse der Bundeswehr die Richtung Stadion fuhren wurden von Demonstranten angehalten die Soldaten fluchteten und ein Bus ging in Flammen auf Ab 18 30 Uhr war der erst kurz zuvor geoffnete Einlass in das Stadion durch Demonstranten behindert Bis nach 19 Uhr wurden Zuschauer durch verschiedene zum Teil zwischen Gewalttatern und Polizei umkampfte Stadiontore eingelassen Bundesprasident Carstens Verteidigungsminister Apel und Burgermeister Koschnick wurden mit Helikoptern ins Stadion eingeflogen Mehrmals wurden grossere Gruppen von Demonstranten die das Gelobnis durch Larm Pfiffe und Sprechchore storten aus dem Stadion gedrangt 12 Einmal bildeten friedliche Demonstranten eine Kette zwischen Polizei und Militanten Sie wurden von Wasserwerfern der Polizei mit CS Gas Beimischung weggespritzt Am spaten Abend wollten sich die verbliebenen Demonstranten zuruckziehen Die Polizei nun verstarkt mit frischen Kraften aus Niedersachsen sperrte jedoch Nebenstrassen ab und schlug noch einmal zu 13 Die Polizei meldete anschliessend 257 verletzte Polizisten drei verwundete Soldaten und mindestens 50 verletzte Demonstranten Sechs Bundeswehrfahrzeuge brannten aus Polizeiwagen und Wasserwerfer waren beschadigt Zahlreiche Demonstranten wurden vorubergehend festgenommen 42 Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des schweren Landfriedensbruchs und Korperverletzung eingeleitet Der Sachschaden betrug umgerechnet 500 000 Euro 7 Ein VW Bus und ein Kleinlaster die als Lautsprecherwagen des Kommunistischen Bundes Westdeutschland gedient hatten wurden beschlagnahmt In den Fahrzeugen wurden Schlagstocke und Schutzhelme Gasmasken und wetterfeste Kleidung sowie Behalter mit destilliertem Wasser zum Auswaschen von Tranengas und Benzinkanister gefunden Das Gelobnis selbst verlief innerhalb des Weserstadions nicht storungsfrei die Sprechchore der Demonstranten waren zu horen der Hubschrauber und das Martinshorn der Polizeiwagen ubertonten zeitweise die Reden Die Veranstaltung begann mit einer Ansprache des Bundesprasidenten dann folgte die traditionelle militarische Zeremonie des Grossen Zapfenstreichs und abschliessend das Gelobnis der 1200 jungen Rekruten 7 Reaktionen BearbeitenAm Morgen nach den Krawallen meldete eine Nachrichtensprecherin von Radio Bremen Bei der Verteidigung sic von 1200 Bundeswehrrekruten ist es gestern Abend zu schweren Krawallen gekommen Der Versprecher wurde von vielen Kommentatoren aufgegriffen da er den realen Verlauf wiedergab 13 Bremens Innensenator Helmut Frohlich SPD sagte es habe sich um die schwersten Zwischenfalle in Bremen seit Kriegsende gehandelt Helmut Kohl damals CDU Vorsitzender sah in den Protesten einen in der Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Skandal 1 Der damalige Kanzlerkandidat Franz Josef Strauss sagte es habe sich um einen brutalen Angriff auf diese Gesellschaft gehandelt 1 SPD Fraktionschef Herbert Wehner bat offentlich um Verzeihung dass Soldaten und Offiziere der Bundeswehr durch Akte beleidigt und bedrangt worden sind die unserem demokratischen Gemeinwesen unwurdig sind 1 Ein ursprunglich fur den 14 Mai 1980 auf dem Rathausplatz in Emden geplantes offentliches Gelobnis von 400 Wehrpflichtigen wurde wegen der Vorfalle in Bremen aus Sicherheitsgrunden auf das Gelande der Emdener Karl von Muller Kaserne verlegt 14 Klaus Wolschner verwies im Ruckblick 2010 in der taz darauf dass zwar viele Demonstranten pazifistisch motiviert gewesen seien nicht jedoch die Organisatoren der Proteste Die DKP orientierten Friedensgruppen hatten eher die Bundeswehr im Interesse der DDR in Misskredit bringen die maoistischen und autonomen Gruppen mit quasi militarischen Mitteln die Nato schwachen wollen 13 Wolschner resumiert Die Schlacht war politisch gesehen enorm erfolgreich Zehn Jahre lang gab es danach in der ganzen Republik keine offentlichen Vereidigungen der Bundeswehr mehr 13 Fur Markus Mohr sorgten solche Proteste die massgeblich von 1976 bis zum Ende der sozialliberalen Koalition 1982 stattfanden dafur dass der seit 1965 gultige Traditionserlass der Bundeswehr uber den Haufen geworfen werden musste 15 Literarische Verwertung BearbeitenDer aus Bremen stammende Schriftsteller Sven Regener verarbeitete die Auseinandersetzungen in seinem Buch Neue Vahr Sud In der gleichnamigen Verfilmung des Romans wird die Schlacht am Weserstadion nachgestellt Literatur BearbeitenCarl Christoph Schweitzer Bremer Bundeswehrkrawalle Gefahren fur unseren Staat und ihre Verschleierung im Streit der politischen Parteien Nomos Baden Baden 1981 ISBN 3 7890 0720 X Weblinks BearbeitenKrawalle bei Vereidigung von Rekruten im Bremer Weser Stadion Archiv Video bei Radio Bremen 9 11 Minuten Nachrichtenfilm von 8 Mai 1980 buten amp binnen Ruckblick 30 Jahre danach Wahrend das Bremer Lokalmagazin in den aktuellen Berichten im Mai 1980 vor allem die offizielle Seite aus dem Stadion zeigte gab es im Ruckblick 30 Jahre danach mit den Bildern eines Hobby Filmers auch Einblick in die gewaltsamen Proteste vor dem Stadion Bericht des Untersuchungsausschusses des Bundestages vom 8 September 1980Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g Bremen Signale uberhort Der Spiegel 20 1980 Spiegel Online Hamburg abgerufen am 30 August 2017 a b Karl Heinz Janssen Braucht die Bundeswehr den Grossen Zapfenstreich In Die Zeit 21 November 2012 ISSN 0044 2070 zeit de abgerufen am 30 August 2017 Karla Muller Tupath Hans Koschnik Trennendes uberwinden Biografie Vorwarts Buch 2009 S 114 a b c Alexandra Knief Als die Bundeswehr in Bremen blutige Krawalle ausloste weser kurier de abgerufen am 30 August 2017 Aus der Front getreten DER SPIEGEL Nr 41 1980 S 55 online einsehbar Grun und Gloria DER SPIEGEL No 47 1980 S 21 24 Online einsehbar a b c d e f Kalenderblatt 6 5 1980 Zoff beim Grossen Zapfenstreich SPIEGEL ONLINE einestages Spiegel Online Hamburg abgerufen am 30 August 2017 Deutscher Bundestag Bericht des Verteidigungsausschusses als 2 Untersuchungsausschuss nach Artikel 45 a Abs 2 Grundgesetz zu dem Antrag der Mitglieder der Fraktion der CDU CSU im Verteidigungsausschuss auf Einsetzung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Vorgange im Zusammenhang mit den blutigen Krawallen anlasslich des offentlichen Gelobnisses von Bundeswehrsoldaten am 6 Mai 1980 Im Bremer Weserstadion PDF 1 9 MB Drucksache 8 4472 8 September 1980 S 14 Das letzte Gefecht In Die Zeit 22 November 2012 ISSN 0044 2070 zeit de abgerufen am 30 August 2017 Deutscher Bundestag Bericht des Verteidigungsausschusses als 2 Untersuchungsausschuss nach Artikel 45 a Abs 2 Grundgesetz zu dem Antrag der Mitglieder der Fraktion der CDU CSU im Verteidigungsausschuss auf Einsetzung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Vorgange im Zusammenhang mit den blutigen Krawallen anlasslich des offentlichen Gelobnisses von Bundeswehrsoldaten am 6 Mai 1980 Im Bremer Weserstadion Drucksache 8 4472 8 September 1980 S 17 Bremen Bundeswehr und Bambule Andre Anchuelo Jungle World 1998 19 a b c Deutscher Bundestag Bericht des Verteidigungsausschusses als 2 Untersuchungsausschuss nach Artikel 45 a Abs 2 Grundgesetz zu dem Antrag der Mitglieder der Fraktion der CDU CSU im Verteidigungsausschuss auf Einsetzung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Vorgange im Zusammenhang mit den blutigen Krawallen anlasslich des offentlichen Gelobnisses von Bundeswehrsoldaten am 6 Mai 1980 Im Bremer Weserstadion Drucksache 8 4472 8 September 1980 S 18 a b c d Klaus Wolschner Rekrutengelobnis Niederlage fur die Bundeswehr In die tageszeitung taz de abgerufen am 31 August 2017 Rollen in Bremen die Kopfe Apel bestatigt Der Senat war unterrichtet in Reutlinger General Anzeiger Nr 110 vom 12 Mai 1980 S 2 Markus Mohr Nicht einverstanden Junge Welt 6 Mai 2010 dokumentiert auf ag friedensforschung de Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gelobnisfeier in Bremen 1980 amp oldid 233646121