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Friedrich Karl Lensch 10 August 1898 in Neu Galmsbull Provinz Schleswig Holstein Konigreich Preussen 5 Januar 1976 in Hamburg war ein deutscher lutherischer Geistlicher und zur Zeit des Nationalsozialismus Direktor der Alsterdorfer Anstalten Inhaltsverzeichnis 1 Leben bis zum Nationalsozialismus 2 NS Zeit 3 Nachkriegszeit 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben bis zum Nationalsozialismus BearbeitenDer Pastorensohn Lensch lebte ab 1910 in Elmshorn und nahm nach dem 1917 bestandenen Abitur ein Theologiestudium an der Universitat Marburg auf In der Endphase des Ersten Weltkrieges musste er sein Studium unterbrechen und war 1918 noch an der Ostfront eingesetzt Nach Kriegsende setzte er sein Theologiestudium an den Universitaten Halle Tubingen und Kiel fort 1 Am 11 November 1923 wurde er in Kiel ordiniert und war danach Provinzialvikar in Preetz Ab Anfang Juli 1924 war er drei Jahre als Seemannspastor in Nordengland tatig und ab Ende August 1927 als Seemannspastor in Hamburg Anfang Juni 1930 wurde er Pastor der Kirche St Nicolaus die die Kirche der Alsterdorfer Anstalten ist Als Mitte September 1930 ein neuer Direktor der Alsterdorfer Anstalten gesucht wurde war er nicht der Wunschkandidat des Vorstands 2 Da aber alle anderen Gefragten absagten wurde er als Nachfolger Paul Stritters als Direktor berufen und blieb in dieser Funktion bis Anfang Oktober 1945 3 Lensch war politisch konservativ orientiert und lehnte die Weimarer Republik ab Daher wurde er auch Mitglied des Wehrverbandes Stahlhelm der antirepublikanischen antisemitischen und auf aussenpolitische Revanche fur die Niederlage im Ersten Weltkrieg bedachten DNVP 4 NS Zeit BearbeitenNach der Machtergreifung trat Lensch infolge der Uberfuhrung des Stahlhelms in die Sturmabteilung SA ein und erreichte in dieser NS Organisation den Rang eines Oberscharfuhrers 5 Zudem gehorte er der Deutschen Arbeitsfront DAF und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt NSV an 4 Lensch bemuhte sich seinen Betrieb gut mit den Nationalsozialisten kooperieren zu lassen Dafur wurde den Alsterdorfer Anstalten 1941 das Gau Diplom fur einen mustergultigen Betrieb verliehen 6 Lensch befurwortete Zwangssterilisationen nach dem Gesetz zur Verhutung erbkranken Nachwuchses und billigte diese auch an Insassen der Alsterdorfer Anstalten Der schon seit 1928 in Alsterdorf tatige NS Arzt und Psychiater Gerhard Kreyenberg und spatere Stellvertreter von Lensch war als Gutachter am Erbgesundheitsgericht Hamburg fur die Auswahl von Personen zustandig die sterilisiert werden sollten Patienten der Anstalt Alsterdorf waren schon 1933 seine ersten Opfer 7 Lenschs Haltung gegenuber seinen Patienten fand ihren Niederschlag durch ein 1938 von Lensch massgeblich gestaltetes neues Wandbildnis uber dem Altar bei der Renovierung der St Nicolaus Kirche auf dem Gelande der Alsterdorfer Anstalten Das Bild zeigt Jesus am Kreuz und 15 Personen die sich um ihn versammeln Zwolf dieser Personen tragen einen Heiligenschein drei nicht Unter den zwolf Personen finden sich Johannes der Taufer Martin Luther und auch Pastor Lensch selbst Die drei Personen ohne Heiligenschein sind Menschen mit Behinderung Michael Wunder die Anstaltsleitung und andere kritische Beobachter deuten das seit 1987 so dass im Grunde fur Lensch Menschen mit Behinderung also seine Patienten nicht zur Gemeinde gehorten Sie wurden als minderwertig dargestellt und standen ausserhalb der Gruppe der vollwertigen Gemeindeglieder Damit trat die nationalsozialistische Ideologie hinter diesem Altarbildnis deutlich hervor 8 Dass Reinhaltung der Rasse und Hoherzuchtung des Menschen beides Gedanken die Lensch propagierte Schritte auf dem Weg zur von Hitler propagierten Ausmerzung und Vernichtung der Schwachen und so nur eine Vorstufe zur Endlosung darstellten war Lensch und seinen nationalsozialistischen Freunden nicht bewusst 9 Dieses Bild stellte fur viele Jahre ein Problem fur die Bewohner Alsterdorfs dar so dass es zunachst verhangt wurde Am 4 Februar 2020 gab die Stiftung Alsterdorf bekannt dass das Wandbild mit der Mauer aus der Kirche entfernt werden sollte Das Bild wurde Kern einer Dokumentationsstelle zum Nationalsozialismus die der Hamburger Senat grosszugig bezuschusst hat 10 und am 9 Mai 2022 als Lern und Gedenkort eroffnet wurde 11 Ab 1938 beteiligte Lensch sich an der allgemeinen staatlichen NS Judenverfolgung und liess auf eigene Initiative 26 ihm anvertrauten judischen geistigbehinderten Insassen der Alsterdorfer Anstalten aus der Einrichtung abschieben 12 Teilweise wurden sie nach Hause entlassen Der grosste Teil dieser Menschen kam jedoch in staatlichen Versorgungsheimen unter so auch in Hamburg die nicht behindertengerecht eingerichtet waren Die meisten dieser Insassen wurden spater in Einrichtungen wie der Totungsanstalt Brandenburg ermordet 13 Lensch rechtfertigte die Abschiebung der Juden mit dem Druck der Finanzbehorden auf die Anstalt sich der judischen Insassen zu entledigen Michael Wunder und Harald Jenner die ersten Forscher die 1986 lange nach dem Ende des Dritten Reiches das Verhalten der Alsterdorfer Anstalten wahrend der Zeit des Nationalsozialismus erforschten hielten dies fur eine Schutzbehauptung und warfen Lensch rassischen Antisemitismus vor Dafur gab es auch Belege in den Akten So war beispielsweise uber einen Insassen berichtet worden seinen Kameraden gegenuber ein Scheusal widerspenstig und eigensinnig unordentlich verlangte dass die anderen ihn als Juden verstehen und sich nach ihm richten sollten oder Veranderte sich in letzter Zeit zu seinem Nachteil wurde unaufrichtiger unordentlicher in allem kam seine judische Art mehr zum Vorschein 14 Die Alsterdorfer Anstalten und ihr Direktor Lensch waren auch in die Totungsaktionen der nationalsozialistischen Euthanasiemassnahmen im Rahmen der Aktion T4 involviert indem sie bei der Verbringung von hunderten Insassen in die NS Totungsanstalten mithalfen In den NS Totungsanstalten wurden diese Geisteskranken ermordet sie verhungerten oder starben infolge der Verabreichung todlicher Medikamentencocktails Insgesamt wurden unter Mitwirkung von Lensch und seiner Verwaltung uber 600 Menschen deportiert wobei Lensch und seine Untergebenen von der Mordabsicht wussten 15 Von den 630 deportierten Bewohnern wurden bis zur Befreiung vom Nationalsozialismus 511 ermordet 12 Lensch bestritt nach dem Krieg etwas von dem Mordcharakter der Anstalten gewusst zu haben in die er seine Patienten verschickte Wahrend des Zweiten Weltkrieges war Lensch 1940 im Rang eines Obergefreiten bei der Geheimen Feldpolizei eingesetzt 5 Nachkriegszeit BearbeitenNach Kriegsende trat Lensch zu Zeit der britischen Besatzung Ende Oktober 1945 von seinem Posten zuruck um einer Entlassung zuvorzukommen 16 Er wurde noch 1945 entnazifiziert 17 Sein Alsterdorfer Nachfolger Volkmar Herntrich vermittelte ihm die Pfarrstelle der Christuskirche in Hamburg Othmarschen die er bis 1963 zur Zufriedenheit seiner Gemeinde innehatte 3 Es gab direkt nach dem Ende des NS Staates kein strafrechtliches Verfahren gegen Lensch Praventiv hatte Lensch eine Rechtfertigungsschrift uber seine Rolle in den T4 Vorgangen verfasst die unveroffentlicht blieb 18 Anfang der 1950er Jahre drangte Lensch auf Nachzahlung von Gehaltsteilen die er sich aus seinem wesentlich hoheren Gehalt als ehemaliger Anstaltsleiter der Alsterdorfer Anstalten errechnete Damit erzwang er eine Diskussion uber seine Rolle im Nationalsozialismus Daraufhin wurde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eroffnet das aber nach einiger Zeit stillschweigend eingestellt wurde Denn der fur ihn verantwortliche Leiter des Kirchenamtes in Kiel Oskar Epha war als Leiter der Ricklinger Anstalten des Landesvereins fur Innere Mission wahrend der NS Zeit ebenfalls tief in die Euthanasiemorde verstrickt Spater unter dem Eindruck der Heyde Sawade Affare fing die Offentlichkeit an sich mehr fur die Rolle der Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus zu interessieren Aber erst 1967 wurden auf die konkrete Anzeige eines ehemaligen Patienten von Alsterdorf und Begleiters eines Transports von Insassen in eine Totungsanstalt von der Staatsanwaltschaft Hamburg Ermittlungen gegen Lensch eingeleitet 1973 war die 870 seitige Anklageschrift gegen Lensch wegen Beihilfe zum Mord und Mord und einen weiteren Beschuldigten den ehemaligen leitenden Beamten in der Hamburger Gesundheitsverwaltung Kurt Struve fertig Der Prozess gegen Lensch wurde nicht eroffnet weil dem Beschuldigten kein Vorsatz bei seinen Handlungen nachgewiesen werden konnte Der Prozess gegen Struve wurde eingestellt weil Struve geltend machen konnte dass er teilweise obwohl sonst bei guter Gesundheit psychisch diesem Prozess nicht gewachsen sei so der mit der Anklage betraute Staatsanwalt Dietrich Kuhlbrodt in einem Buchbeitrag 1984 19 Die Leitung der Alsterdorfer Anstalten hatte ausserdem die Zusammenarbeit mit den Staatsanwalten boykottiert und ihnen wichtige Informationen vorenthalten 20 Literatur BearbeitenAngelika Ebbinghaus Heidrun Kaupen Haas Karl Heinz Roth Hrsg Heilen und Vernichten im Mustergau Hamburg Bevolkerungs und Gesundheitspolitik im Dritten Reich Konkret Literatur Verlag Hamburg 1984 ISBN 3 922144 41 1 Evangelische Stiftung Alsterdorf 150 Jahre Evangelische Stiftung Alsterdorf Magazin Alsterdorf 25 2013 Benjamin Hein auf Hamburger Homepage NS Dabeigewesene Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 2 Auflage Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 596 16048 8 Franklin Kopitzsch Dirk Brietzke Die Tater Friedrich Karl Lensch In Hamburgische Biografie Band 3 Wallstein Verlag Gottingen 2006 ISBN 978 3 8353 0081 1 Bodo Schumann Nach der Vernichtung Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen in der Hamburger Politik und Gesellschaft 1945 bis 1970 Veroffentlichungen des Hamburger Arbeitskreises fur Regionalgeschichte HAR LIT Verlag Munster 2018 ISBN 978 3 643 14178 1 S 51 55 Kurzbiografie Lenschs Michael Wunder Ingrid Genkel Harald Jenner Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus Hrsg Vorstand der Alsterdorfer Anstalten Rudi Mondry Hamburg 1987 ISBN 3 7600 0455 5 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Friedrich Lensch im Katalog der Deutschen NationalbibliothekEinzelnachweise Bearbeiten Harald Jenner Friedrich Lensch und die Alsterdorfer Anstalten 1930 1945 In Michael Wunder Ingrid Genkel Harald Jenner Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus Hrsg Vorstand der Alsterdorfer Anstalten Rudi Mondry Hamburg 1987 ISBN 3 7600 0455 5 S 133 Magazin der Evangelischen Stiftung Alsterdorf Nr 25 2013 Seite 10 a b Victoria Overlack Zwischen nationalem Aufbruch und Nischenexistenz Evangelisches Leben in Hamburg 1933 1945 Dolling und Galitz Verlag 2007 S 453 a b Bodo Schumann Nach der Vernichtung Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen in der Hamburger Politik und Gesellschaft 1945 bis 1970 Munster 2018 S 51 a b Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Frankfurt am Main 2007 S 366 Stephan Linck Fehlanzeige Wie die Kirche in Altona nach 1945 die NS Vergangenheit und ihr Verhaltnis zum Judentum aufarbeitete Hrsg Kirchenkreis Altona Hohenzollernring 22 22763 Hamburg 2006 S 31 Michael Wunder Die Karriere des Dr Kreyenberg Heilen und Vernichten in Alsterdorf Michael Wunder Ingrid Genkel Harald Jenner Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus Hrsg Vorstand der Alsterdorfer Anstalten Rudi Mondry Hamburg 1987 ISBN 3 7600 0455 5 S 113 Benjamin Hein Schlagwortregister Stadt Hamburg abgerufen am 16 Februar 2020 Ingrid Genkel Pastor Lensch ein Beispiel politischer Theologie In Michael Wunder Ingrid Genkel Harald Jenner Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus Hrsg Vorstand der Alsterdorfer Anstalten Rudi Mondry Hamburg 1987 ISBN 3 7600 0455 5 S 77 Peter Wenig Spektakular Kirche versetzt Mauer zum Gedenken an NS Opfer In Hamburger Abendblatt 4 Februar 2020 abgerufen am 16 Februar 2020 Lern und Gedenkort Evangelische Stiftung Alsterdorf abgerufen am 10 Juli 2022 a b Bodo Schumann Nach der Vernichtung Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen in der Hamburger Politik und Gesellschaft 1945 bis 1970 Munster 2018 S 52 Michael Wunder Harald Jenner Das Schicksal der judischen Bewohner der Alsterdorfer Anstalten Michael Wunder Ingrid Genkel Harald Jenner Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus Hrsg Vorstand der Alsterdorfer Anstalten Rudi Mondry Hamburg 1987 ISBN 3 7600 0455 5 S 155 167 Michael Wunder Harald Jenner Das Schicksal der judischen Bewohner der Alsterdorfer Anstalten Michael Wunder Ingrid Genkel Harald Jenner Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus Hrsg Vorstand der Alsterdorfer Anstalten Rudi Mondry Hamburg 1987 ISBN 3 7600 0455 5 S 161 Rudy Mondry Vorwort Michael Wunder Ingrid Genkel Harald Jenner Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus Hrsg Vorstand der Alsterdorfer Anstalten Rudi Mondry Hamburg 1987 ISBN 3 7600 0455 5 S 7 Benjamin Hein auf Hamburger Homepage NS Dabeigewesene Bodo Schumann Nach der Vernichtung Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen in der Hamburger Politik und Gesellschaft 1945 bis 1970 Munster 2018 S 54 Stephan Linck Fehlanzeige Wie die Kirche in Altona nach 1945 die NS Vergangenheit und ihr Verhaltnis zum Judentum aufarbeitete Hrsg Kirchenkreis Altona Hohenzollernring 22 22763 Hamburg 2006 S 33 Dietrich Kuhlbrodt Verlegt nach und getotet Die Anstaltstotungen in Hamburg In Angelika Ebbinghaus Heidrun Kaupen Haas Karl Heinz Roth Hrsg Heilen und Vernichten im Mustergau Hamburg Bevolkerungs und Gesundheitspolitik im Dritten Reich Konkret Literatur Verlag Hamburg 1984 ISBN 3 922144 41 1 S 160 Stephan Linck Fehlanzeige Wie die Kirche in Altona nach 1945 die NS Vergangenheit und ihr Verhaltnis zum Judentum aufarbeitete Hrsg Kirchenkreis Altona Hohenzollernring 22 22763 Hamburg 2006 S 35 Normdaten Person GND 12472891X lobid OGND AKS VIAF 77255535 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Lensch FriedrichALTERNATIVNAMEN Lensch Friedrich Karl vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher lutherischer Geistlicher und Leiter der Alsterdorfer AnstaltenGEBURTSDATUM 10 August 1898GEBURTSORT Neu GalmsbullSTERBEDATUM 5 Januar 1976STERBEORT Hamburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Friedrich Lensch amp oldid 239063417