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Das Fluchtlingslager Wagna meistens nur als Lager Wagna bezeichnet bestand von 1914 bis 1963 als Barackensiedlung auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Wagna deren Entstehen es wesentlich gepragt hat 1 Entsprechend der politischen Entwicklungen waren im Lauf der Jahrzehnte nicht nur Fluchtlinge sondern auch Umsiedler und Kriegsgefangene unterschiedlicher Herkunft untergebracht Zu Spitzenzeiten wahrend des Ersten Weltkrieges fanden uber 21 000 Personen dort Zuflucht was es zeitweise zur drittgrossten Stadt der Steiermark machte Die Anlage beherbergte kurzfristig aber auch eine Lehrerbildungsanstalt bzw ein Ausbildungslager der Wehrmacht Hauptportal des Lagers kurz nach seiner Errichtung Inhaltsverzeichnis 1 Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit 2 Zeit des Nationalsozialismus 3 Nachkriegszeit 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseErster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit Bearbeiten nbsp Der Kindergarten in einer Fotografie des k k Innenministeriums nbsp Zweisprachige Ausgangserlaubnis einer Lagerinsassin aus GorzIm Herbst 1914 begann das k u k Innenministerium eine Reihe grosser Barackensiedlungen zu planen da abzusehen war dass die Kriegshandlungen des Ersten Weltkriegs zu zahlreichen Binnenfluchtlingen fuhren wurden Die Siedlungen sollten fernab des Kriegsgeschehens im Hinterland liegen aber dennoch verkehrstechnisch gut zuganglich sein Im Fall von Wagna war die Lage nahe der Sudbahn ein wesentlicher Faktor Ursprunglich war ein Lager fur 6000 Personen geplant worden das aber schnell auf 10 000 Platze erweitert wurde Als das Lager im Dezember 1914 offiziell fertiggestellt war beherbergte es jedoch bereits 14 449 Personen 2 Die Anzahl der Baracken wurde von 25 auf 50 verdoppelt und die Infrastruktur stark ausgebaut 1915 verfugte das Lager uber Strom und Wasserversorgung befestigte Strassen funf Grosskuchen Backerei Werkstatt Nahstube Einrichtungen zur Kinderbetreuung Kapelle Krankenbaracken Bader um Epidemien vorzubeugen und eine Verwaltungskanzlei mit angegliederten besseren Wohnmoglichkeiten fur Beamte Klinikpersonal etc 3 Durch die starke Uberbelegung waren Infektionskrankheiten ein standiges Problem Epidemien von Flecktyphus Tuberkulose Pocken und Lungenentzundungen forderten von Oktober bis Dezember 1915 den Tod von 1539 meist minderjahrigen Personen 4 Die erste Welle an Fluchtlingen war aus dem Osten der Monarchie gekommen insbesondere ausgelost durch die Aufgabe Ostgaliziens durch die osterreichische Armee Diese wurden bis August 1915 jedoch zu grossen Teilen zuruckgeschickt oder erneut umgesiedelt Unmittelbar darauf wurde eine noch grossere Zahl an Fluchtlingen aus Friaul und Istrien untergebracht das Lager erreichte mit uber 21 000 Bewohnern seine maximale Grosse Personen von welchen angenommen werden konnte dass sie der osterreichischen Monarchie nicht treu genug ergeben waren wurden im Lager quasi interniert und durften es nur mit Genehmigung zu streng geregelten Zeiten verlassen Insbesondere betraf dies Teile der italienischen Fluchtlinge In weiterer Folge wurden im Lager separate Bereiche fur Deutschosterreicher Italiener und verbliebene Fluchtlinge aus Galizien eingerichtet die durch Metallgitter voneinander getrennt wurden 5 Als sich die Versorgungslage im Lauf des Jahres 1917 immer weiter verschlechterte wurde es den bis dahin internierten Fluchtlingen freigestellt das Lager zu verlassen und man ermutigte sie in ihre zerstorte Heimat zuruckzukehren 6 Dieser Lockerung vorausgegangen war ein Aufstand unter den italienischen Insassen ein osterreichischer Gendarm hatte im Lager einen Jungen aus Istrien erschossen Dies fuhrte zu Diskussionen in der italienischen Offentlichkeit und im Parlament Dieses installierte daraufhin eine hochrangige Delegation unter anderem mit dem jungen Alcide de Gasperi als Teilnehmer die sich fur eine Besserung der Zustande einsetzte 7 Nach dem Zerfall der Monarchie fanden deutsch osterreichische Verwaltungs und Eisenbahnbeamte in dem Lager Zuflucht welche im neuentstandenen Konigreich Jugoslawien unerwunscht geworden waren In den fruhen 1920er Jahren wurden verschiedene Teile des Lagers an unterschiedliche Hilfsgesellschaften fur Kriegsinvalide verkauft sowie einige Baracken um und abgebaut 1923 lebten in 36 Baracken 531 Personen Sie stellten damit immer noch fast 40 der Gesamtbevolkerung der Gemeinde Wagna 8 Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenNach dem Anschluss Osterreichs 1938 bekam der Gauleiter Sigfried Uiberreither den Auftrag in der Steiermark Zwischenlager fur etwa 25 000 Umsiedler aus der Sudbukowina einzurichten Diese sollten von der Volksdeutschen Mittelstelle aus ihrer Heimat Heim ins Reich geholt und falls fur geeignet befunden fur kunftige deutsche Kolonisierungen Osteuropas eingesetzt werden 9 Da die Errichtung der dafur notigen Transitlager sehr kurzfristig geschehen musste griff die Gauleitung auf jene Orte zuruck wo bereits Lager aus dem Ersten Weltkrieg bestanden hatten und noch Teile der Infrastruktur vorhanden waren Als im November 1940 die ersten Umsiedler eintrafen waren dennoch erst 25 der 60 geplanten Baracken im Rohbau fertig und grosse Teile der Einrichtung fehlten Unter Mithilfe der Umsiedler wurde das Lager bis Dezember provisorisch fertiggestellt 10 Bereits Ende September 1941 hatten die letzten Umsiedler das Lager wieder verlassen Die Baracken beherbergten nun 400 Studierende der Lehrerbildungsanstalt Marburg Diese sollten eingesetzt werden um das Schulsystem der 1918 an Jugoslawien verlorenen Untersteiermark wieder mit deutschsprachigem Personal zu besetzen 1942 wurde die Lehrerbildungsanstalt direkt nach Marburg Maribor verlegt und die Anlage zum Kriegsgefangenenlager umgerustet 11 Im September 1942 erfolgte die Verlegung des Kriegsgefangenenlagers Stalag Stammlager XVIII B von Spittal an der Drau nach Wagna Parallel wurden auch Gefangene aus dem Stalag XVIII D Marburg Maribor nach Wagna gebracht Das Lager existierte jedoch nur wenige Monate und wurde bereits Anfang 1943 nach Pupping in Oberosterreich verlegt In die wieder freigewordenen Baracken zog im August 1943 das Oflag Offizierslager XVIII A mit 1046 gefangenen franzosischen Offizieren Sie verblieben dort bis in die zweite Halfte des Jahres 1944 Zu den Verhaltnissen dieser nur kurz bestehenden Lager gibt es kaum verlassliche Angaben 12 Gegen Kriegsende waren bedingt durch den schrittweisen Verlust der Kontrolle am Balkan in rascher Folge wechselnde Einsatzbataillone der Wehrmacht in dem Lager untergebracht 13 Nachkriegszeit Bearbeiten nbsp Verbliebene Baracke in der heutigen Gemeinde WagnaMit Kriegsende wurde das Lager erst wieder fur Kriegsgefangene benutzt Nach der Konsolidierung der britischen Besatzungsmacht wurden jedoch eher Zivilisten sogenannte Displaced Persons dort untergebracht darunter auch zahlreiche Juden die auf den Transfer nach Palastina warteten Da das Lager 1940 unter grosser Eile und nur als temporare Unterkunft fur die Umsiedler aus der Bukowina errichtet worden war musste es von der britischen Verwaltung umfangreich saniert werden 1951 wurde ein Quarantanelager im nahen Ort Strass aufgelassen und in das Lager Wagna integriert Es fungierte von da an als Quarantanelager fur alle Fluchtlinge die aus sudostlicher Richtung osterreichischen Boden betraten 14 Im Mai 1948 wurde mit rund 4500 zu Versorgenden die hochste Auslastung erreicht danach ging die Zahl der Bewohner langsam zuruck Uber 70 der Bewohner waren alleinstehende Frauen oder Kinder unter 15 Jahren Das Lager wurde daher als sogenannte Fursorgelager gefuhrt und verfugte daher vermehrt uber Einrichtungen wie Spitaler ein Waisenhaus und sogar ein Altenheim 15 Wohn und Aufenthaltsraume waren dennoch knapp die Situation verbesserte sich jedoch als die Lagerbewohner Mitte der 1950er Jahre begannen sich in einem Lagerausschuss zu organisieren Dort bemuhte man sich die Ausstattung der lagereigenen Schulen und Kindergarten zu verbessern auch eine Lehrwerkstatt wurde eingerichtet 1960 wurde die Lagerkirche als Filialkirche offiziell anerkannt Die heutige Gemeinde Wagna hatte zu dieser Zeit selbst noch keine Pfarre 16 Der 1952 im Lager gegrundete Fussballverein SV Flavia Solva benannt nach dem unter dem Lagergelande liegenden romischen Municipium Flavia Solva wurde mehrmals steirischer Meister 17 1956 und 1957 stieg die Zahl der Lagerbewohner wieder an da verstarkt Fluchtlinge aus Jugoslawien nach Osterreich drangten Diese mussten uber die vorhandene Lagerinfrastruktur mitversorgt werden was zu einigen Konflikten zwischen den Neuankommlingen und den osterreichischen Bewohnern die ihrerseits mitunter von Jugoslawen vertrieben worden waren fuhrte Der Konflikt wurde durch den Bau eines zweiten Lagers im obersteirischen Eisenerz und strengere Auflagen fur die Anerkennung als Fluchtling entscharft 18 Nach der Mitte der 1950er Jahre wurde der offentliche Druck Barackenlager wie jenes in Wagna aufzulosen und die Bewohner in Sozialwohnungen unterzubringen immer grosser Ab 1956 plante die Gemeinde Wagna den Bau von Wohnhausern zu diesem Zeitpunkt lebten noch immer 1117 Personen in 70 Baracken Die Lagerbewohner selbst grundeten 1958 einen Bauverein um eigenstandig Projekte organisieren und beim Land um Fordermittel ansuchen zu konnen 19 Trotz dieser und weiterer Initiativen seitens der Lagerbewohner der Gemeinde Wagna und des Landes Steiermark dauerte die Aussiedlung aller Lagerbewohner bis 1963 an Letzte Baracke des Lagers war die Kirche ehe auch sie wie einige andere Baracken verkauft und abgebaut wurde 20 Eine Baracke steht heute denkmalgeschutzt an der Hauptstrasse der Gemeinde Literatur BearbeitenHeimo Halbrainer Lager Wagna 1914 1963 Die zeitweise drittgrosste Stadt der Steiermark In Universalmuseum Joanneum Hrsg Schild von Steier Kleine Schriften 23 2014 Graz 2014 ISBN 9783902095534 Heimo Halbrainer Die drittgrosste Stadt der Steiermark eine Stadt fur die Kriegsfluchtlinge in Wagna In Nicole Melanie Goll Werner Suppanz Hrsg Heimatfront Graz und das Kronland Steiermark im Ersten Weltkrieg Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark Band 96 Bohlau Wien Koln 2022 ISBN 978 3 205 21591 2 S 295 316 Paolo Malni Fuggiaschi Il campo profughi di Wagna 1915 18 Edizioni del Consorzio Culturale del Monfalconese Monfalcone 1998 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Fluchtlingslager Wagna Sammlung von Bildern Multimediale Aufarbeitung verschiedener Aspekte durch Studierende der TU Graz Lagerzeitung der Jahre 1915 bis 1918 digitalisiert durch die Osterreichische Nationalbibliothek Lager Wagna 1914 1963 Flavia Solva und Wagna Zwei besondere Orte Informationen zur Ausstellung des Landesmuseum Joanneum 2014 2016 Beitrag des Landes Steiermark mit Interviews von Historikern und Zeitzeugen italienischsprachige Website uber das Lager wahrend des Ersten Weltkrieges Einzelnachweise Bearbeiten https iam tugraz at akk projekte mujanic wojciechowska Abgerufen am 11 Juli 2018 Halbrainer 2014 26f Halbrainer 2014 31 Halbrainer 2014 37 Malni 1998 35 Halbrainer 2014 50f 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