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Erich Christian Wilhelm Martini 19 Marz 1880 in Rostock 5 Dezember 1960 in Hamburg war ein deutscher Zoologe Mediziner und der Begrunder der medizinischen Entomologie in Deutschland 1 Erich Martini undatiert Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Forschung und popularwissenschaftliche Arbeiten 3 Vorwurf der Beteiligung an biologischer Kriegsfuhrung 4 Ehrungen 5 Werke Auswahl 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseLeben BearbeitenErich Martini war Sohn des Oberlandesgerichtsprasidenten Carl Martini 1845 1907 und dessen Frau Agnes Caroline Christina geb Kessler 1855 1881 Nach dem Besuch von Gymnasien in Rostock und Schwerin studierte er von 1899 bis 1905 Zoologie und Medizin an den Universitaten in Rostock Tubingen und Munchen 1 Seine akademischen Lehrer waren unter anderem Friedrich Blochmann 1858 1931 Richard von Hertwig und Dietrich Barfurth 1902 wurde er unter Oswald Seeliger 1889 1907 in Rostock zum Doktor der Philosophie promoviert mit einer Arbeit uber die Entwicklung eines Fadenwurms 2 sowie 1905 zum Dr med mit einer Arbeit uber eine Thekamobe 3 1908 habilitierte er sich als Privatdozent fur Anatomie an der medizinischen Fakultat der Universitat Rostock mit einer Schrift uber Fadenwurmer 4 5 6 Weitere Veroffentlichungen zu Nematoden rundeten diese Arbeit ab 7 8 Als wissenschaftlich interessant werden seine Beobachtungen zur Zellkonstanz besprochen 1912 wurde Martini beauftragt am Institut fur Schiffs und Tropenkrankheiten Hamburg ISTK dem heutigen Bernhard Nocht Institut fur Tropenmedizin eine Abteilung fur Entomologie aufzubauen 9 1913 14 unternahm er eine Studienreise nach Nord und Mittelamerika Wahrend des Ersten Weltkriegs war er als Oberarzt und als Stabsarzt der Reserve an der Ostfront zunachst als Truppenarzt dann beim Stellvertretenden Generalkommando in Danzig tatig Hier befasste er sich mit dem durch Lause ausgelosten Fleckfieberproblem in Polen das in seinen Augen vor allem ein judisches Problem war Deshalb veranlasste er dass die uberwiegend judischen Holzflosser auf der Weichsel vor der Reichsgrenze einer grundlichen Reinigung auf dem Sanierungsschiff unterzogen und bei dieser Gelegenheit auch gleich gegen Cholera und Pocken geimpft wurden 10 Spater wurde er Chefarzt verschiedener Kriegslazarette in den Karpathen in den Alpen und in Italien zuletzt Malariahygieniker bei der Heeresgruppe Scholz auf dem Balkan Am 1 Januar 1919 kehrte er an das Hamburger Tropeninstitut zuruck 11 Er blieb dort bis zu seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst nach dem Zweiten Weltkrieg Direktor der Abteilung fur Entomologie Zwischenzeitlich heiratete er Erna Hansen eine seiner Mitarbeiterinnen am ISTK und hatte mit ihr zwei Kinder Oskar 1936 und Hildburg 1939 1 nbsp Grabstein Erich Martini auf dem Ohlsdorfer FriedhofAm 1 Mai 1933 vor der Aufnahmesperre trat Erich Martini in die NSDAP ein und am 23 September 1933 wurde er Mitglied des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes Ab 1936 leitete er die Wissenschaftliche Abteilung am Deutschen Hygienemuseum in Dresden 12 1940 berief ihn die Wehrmacht als Lehrer im Range eines Oberstabsarztes an die Militararztliche Akademie in Berlin 13 An der Militararztlichen Akademie leitete er ab April 1940 das Kolonialmedizinische Institut 12 Als Reichsfuhrer SS Heinrich Himmler 1942 die Einrichtung eines Entomologischen Instituts der Waffen SS und Polizei im Rahmen der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe plante schlug Wolfram Sievers Erich Martini und Peter Muhlens als Leiter vor Himmler war jedoch gegen Mediziner und Hygieniker Er wollte spezialisierte Zoologen weshalb schliesslich Eduard May den Posten erhielt 14 Martini wurde in den Beirat zur Unterstutzung der Arbeit des Instituts berufen Hier engagierte er sich vor allem fur die Sicherung der Waffen SS gegen Fleckfieber und andere Krankheiten die durch Lause ubertragen wurden 15 1945 liess sich Martini im Alter von 65 Jahren auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzen Er lehrte seitdem auch nicht mehr an der Universitat Hamburg 16 Nach Ernst Klee wurde Martini 1947 seitens der Militarregierung vom Dienst suspendiert 12 Kurz nach Kriegsende ist ein Briefwechsel von ihm mit seinem fruheren judischen Assistenten Otto Hecht uberliefert der nur durch rechtzeitige Emigration die Zeit des Nationalsozialismus uberlebt hatte Moglicherweise erhoffte sich Martini von ihm eine Entlastung in seinem Entnazifizierungsverfahren 17 Am 2 Dezember 1960 wurde Martini von einer Strassenbahn erfasst Beim folgenden Sturz erlitt er einen Schadelbruch und eine schwere Gehirnerschutterung Er starb drei Tage spater ohne je wieder zu Bewusstsein gekommen zu sein Erich Martini wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg Planquadrat O 16 nordlich Cordesallee ostlich Ringstrasse beigesetzt 18 Forschung und popularwissenschaftliche Arbeiten BearbeitenMartini forschte hauptsachlich auf dem Gebiet der angewandten und medizinischen Entomologie Mit seinem Buch Berechnungen und Beobachtungen zur Epidemiologie und Bekampfung der Malaria stellte er die Malariakontrolle auf eine quantitative Grundlage 19 Sein erstmals 1923 veroffentlichtes Lehrbuch der medizinischen Entomologie entwickelte sich zu einem Standardwerk und erschien zuletzt 1952 in vierter Auflage Mit dem 1936 erschienenen Sachbuch Wege der Seuchen versuchte er sein Fachgebiet zu popularisieren Es wurde ebenfalls nach dem Krieg wieder aufgelegt und mit dem Band Seuchen im Menschen fortgesetzt Ausserdem schrieb er eine Biografie von Bernhard Nocht Vorwurf der Beteiligung an biologischer Kriegsfuhrung BearbeitenFrank Snowden Professor fur Geschichte an der Universitat Yale hat ein Buch uber Malaria in Italien im 20 Jahrhundert geschrieben In ihm wirft er der Wehrmacht vor 1944 absichtlich in Italien eine Malaria Epidemie ausgelost zu haben nach seinen Worten das einzige bekannte Beispiel biologischer Kriegsfuhrung im Europa des Zwanzigsten Jahrhunderts 20 Zu dieser Aktion wurden angeblich die beiden fuhrenden deutschen Malaria Spezialisten Erich Martini und Ernst Rodenwaldt herangezogen Einer der grossen Propagandataten Benito Mussolinis war die Trockenlegung der Pontinischen Sumpfe gewesen wodurch eine komplette neue Provinz Littoria entstanden war Die Sumpfe waren seit der Antike als malaria verseucht beruchtigt gewesen 1943 landete die 5 US Armee in ihrem Italienfeldzug bei Neapel und kampfte sich in dem engen Korridor zwischen Apenninen und Mittelmeer Richtung Rom vor Ausserdem befurchtete die Fuhrung der Wehrmacht eine alliierte Landung bei Ostia In beiden Fallen schuf die Flutung der Pontinischen Sumpfe ein Wasserhindernis was durch das Kriegsrecht gedeckt war Bis zur Trockenlegung war die Muckenart Anopheles labranchiae der gefahrlichste Ubertrager von Malaria Erregern in dieser Gegend gewesen Anders als andere Anopheles Arten zeigt sie die Besonderheit dass sie auch mit Brackwasser zurechtkommt Im November 1943 besichtigten Martini und Rodenwaldt zusammen mit dem italienischen Malaria Spezialisten Enzo Mosna das kunftige Schlachtfeld wobei Mosna ihnen seine Befurchtung vortrug dass es durch die Flutung zu einem Wiederaufleben von A labranchiae kommen konne Bereits einen Monat zuvor waren die Entwasserungspumpen angehalten worden Snowden weist darauf hin dass einige Pumpen nun umgekehrt Salzwasser in die Sumpfe beforderten was mit einer militarischen Notwendigkeit nicht zu begrunden sei Andere Pumpstationen wurden gesprengt und Entwasserungsgraben vermint Der nationale Krisenvorrat an Chinin den Italien fur das erneute Ausbrechen einer Malaria Epidemie angelegt hatte wurde abtransportiert Auf den Verlauf der Kampfe hatten die deutschen Massnahmen keine Auswirkungen Die 5 US Armee durchquerte das Gebiet bevor im Juni 1944 die Malaria Saison wieder begann Der italienische Malaria Spezialist Alberto Coluzzi der unmittelbar danach die Gegend besichtigte hatte den Eindruck dass die Wehrmacht alles getan habe um eine moglichst grosse Epidemie auszulosen Tatsachlich litt die Zivilbevolkerung 1944 heftig unter Malaria Hatte es Anfang der 1940er Jahre nur rund tausend Falle gegeben so wird die Zahl fur 1944 auf uber 100 000 geschatzt Der Biowaffen Experte Erhard Geissler halt dagegen Snowdens Vorwurf fur unbegrundet Auch er bestatigt die Anwesenheit Rodenwaldts und Martinis interpretiert sie jedoch als Massnahme zur Sicherung der eigenen Truppen Geissler weist darauf hin dass sich auf deutscher Seite kein entsprechender Befehl in den Akten befinde Ausserdem hatte Hitler ausdrucklich und mehrfach wiederholt zumindest eine biologische Kriegsfuhrung mit Bakterien verboten 21 Ehrungen Bearbeiten1935 wurde Martini zum Mitglied der Leopoldina gewahlt 22 Im Jahre 1938 war er Mitglied im Prasidium des VII Internationalen Entomologenkongresses in Berlin 23 24 Die Deutsche Entomologische Gesellschaft ehrte ihn 1954 mit der Verleihung der Fabricius Medaille Im gleichen Jahr erhielt er auch die Escherich Medaille der Deutschen Gesellschaft fur angewandte Entomologie Beide Gesellschaften sind heute in der Deutschen Gesellschaft fur allgemeine und angewandte Entomologie zusammengeschlossen Weiterhin erhielt Martini die Bernhard Nocht Medaille und die bis 1930 fur hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der Mikrobiologie verliehene Fritz Schaudinn Medaille des ISTK Die Universitat Hamburg verlieh Martini zu seinem 80 Geburtstag die Ehrendoktorwurde 1 Werke Auswahl BearbeitenBerechnungen und Beobachtungen zur Epidemiologie und Bekampfung der Malaria auf Grund von Balkanerfahrungen Gente Hamburg 1921 Lehrbuch der medizinischen Entomologie 1923 3 Auf Fischer Jena 1946 4 uberarbeitete Auflage ebenda 1952 Wege der Seuchen 3 umgearbeitete und erweiterte Auflage Enke Stuttgart 1955 Bernhard Nocht Ein Lebensbild Bernhard Nocht Institut fur Schiffs und Tropenkrankheiten Hamburg 1957 Seuchen im Menschen Enke Stuttgart 1959 Insgesamt veroffentlichte Martini rund 300 Artikel Literatur BearbeitenGrete Grewolls Martini Erich Christian Wilhelm Martin In Wer war wer in Mecklenburg und Vorpommern 2011 Rainer Hering Martini Erich Christian Wilhelm In Hamburgische Biografie 2003 S 275 276 Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 2 Auflage Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 596 16048 8 Fritz Weyer Martini Erich In Neue Deutsche Biographie NDB Band 16 Duncker amp Humblot Berlin 1990 ISBN 3 428 00197 4 S 297 f Digitalisat Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Erich Martini im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Literatur uber Erich Martini in der Landesbibliographie MVEinzelnachweise Bearbeiten a b c d Fritz Peus Prof Dr Erich Martini zum Gedachtnis In Zeitschrift fur angewandte Entomologie Bd 48 1961 S 339 344 doi 10 1111 j 1439 0418 1961 tb03811 x Erich Martini Uber Furchung und Gastrulation bei Cucullanus elegans In Zeitschrift fur wissenschaftliche Zoologie Bd 74 Nr 4 1903 S 501 556 Tafeln XXVI XXVIII Erich Martini Beobachtungen an Arcella vulgaris In Zeitschrift fur wissenschaftliche Zoologie Bd 79 Nr 4 1905 S 574 619 Tafeln XXVIII XXX Erich Martini Uber Subcuticula und Seitenfelder einiger Nematoden I In Zeitschrift fur wissenschaftliche Zoologie Bd 81 Nr 4 1906 S 699 766 Tafeln XXXI XXXIII Erich Martini Uber Subcuticula und Seitenfelder einiger Nematoden II In Zeitschrift fur wissenschaftliche Zoologie Bd 86 Nr 1 1907 S 1 54 Tafeln I III Erich Martini Uber Subcuticula und Seitenfelder einiger Nematoden III Mit Bemerkungen uber determinierte Entwicklung In Zeitschrift fur wissenschaftliche Zoologie Bd 91 Nr 2 1908 S 191 235 Erich Martini Uber Subcuticula und Seitenfelder einiger Nematoden Vergleichend histologischer Teil IV Tatsachliches In Zeitschrift fur wissenschaftliche Zoologie Bd 93 Nr 4 1909 S 535 599 Tafeln XXV und XXVI Erich Martini Uber Subcuticula und Seitenfelder einiger Nematoden Vergleichend histologischer Teil V Zusammenfassung und theoretische Betrachtungen In Zeitschrift fur wissenschaftliche Zoologie Bd 93 Nr 4 1909 S 600 624 Sven Tode unter Mitarbeit von Kathrin Kompisch Forschen Heilen Lehren 100 Jahre Hamburger Tropeninstitut S 11 pdf Wolfgang U Eckart Medizin und Krieg Deutschland 1914 1924 3 7 Lause Fleckfieber Antisemitismus Ferdinand Schonigh Paderborn 2014 S 181 182 ISBN 978 3 506 75677 0 Gottlieb Olp Hervorragende Tropenarzte in Wort und Bild Arztliche Rundschau Munchen 1932 S 520 a b c Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Frankfurt am Main 2007 S 392 Rainer Hering dass sie im Gefuhle eigener Schuld so reagieren mochten wie ich es von Ihnen erhoffe Ein Briefwechsel uber das Dritte Reich zwischen den Tropenmedizinern Erich Martini und Otto Hecht 1946 47 In Zeitschrift des Vereins fur Hamburgische Geschichte Bd 84 1998 ISSN 0083 5587 S 185 224 hier S 188 pdf Erhard Geissler Biologische Waffen nicht in Hitlers Arsenalen Studien zur Friedensforschung Bd 13 Lit Munster 1999 ISBN 3 8258 2955 3 Rainer Hering dass sie im Gefuhle eigener Schuld so reagieren mochten wie ich es von Ihnen erhoffe Ein Briefwechsel uber das Dritte Reich zwischen den Tropenmedizinern Erich Martini und Otto Hecht 1946 47 In Zeitschrift des Vereins fur Hamburgische Geschichte Bd 84 1998 ISSN 0083 5587 S 185 224 hier S 190 pdf Franklin Kopitzsch Dirk Brietzke Hamburgische Biografie 2 Personenlexikon Christians 2003 ISBN 978 3767213661 Rainer Hering dass sie im Gefuhle eigener Schuld so reagieren mochten wie ich es von Ihnen erhoffe Ein Briefwechsel uber das Dritte Reich zwischen den Tropenmedizinern Erich Martini und Otto Hecht 1946 47 In Zeitschrift des Vereins fur Hamburgische Geschichte Bd 84 1998 ISSN 0083 5587 S 185 224 hier S 198f pdf Prominenten Graber Leonard Jan Bruce Chwatt und Julian de Zulueta The Rise and Fall of Malaria in Europe Oxford University Press 1980 S 87 Frank M Snowden The Conquest of Malaria Italy 1900 1962 Yale University Press New Haven und London 2006 S 187 the only known example of biological warfare in twentieth century Europe Erhard Geissler Deutsche biologische Kriegsfuhrung in Italien Nicht nur reine Spekulation sondern Verdrehung der Tatsachen In Wehrmedizinische Monatsschrift Bd 54 Nr 4 2010 S 131 137 Mitgliedseintrag von Erich Martini bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina abgerufen am 11 April 2015 F Weyer Erich Martini 80 Jahre alt In Anzeiger fur Schadlingskunde Bd 33 Nr 3 1960 S 44 Anonymos 1938 Die Aufgaben des VII Internationalen Entomologenkongresses Journal of Pest Science 14 8 86 87 doi 10 1007 BF02337873 Normdaten Person GND 116810785 lobid OGND AKS LCCN n2007060245 VIAF 84827096 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Martini ErichALTERNATIVNAMEN Martini Erich Christian Wilhelm vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher Zoologe Mediziner und der Begrunder der medizinischen Entomologie in DeutschlandGEBURTSDATUM 19 Marz 1880GEBURTSORT RostockSTERBEDATUM 5 Dezember 1960STERBEORT Hamburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Erich Martini Mediziner 1880 amp oldid 235638227