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Entdimensionalisierung oder Entdimensionierung ist das teilweise oder vollstandige Entfernen von dimensionsbehafteten Grossen wie z B Masseinheiten aus einer physikalischen Gleichung durch eine geeignete Substitution von Variablen 1 Mit Hilfe von dimensionslosen Variablen und dimensionsbehafteten Konstanten lassen sich Effekte eliminieren die aus der Wahl des Einheitensystems resultieren und intrinsische Konstanten des Systems etwa charakteristische Langen Zeiten oder Frequenzen finden Die Technik eignet sich daher zur Vereinfachung von Systemen von Differentialgleichungen Die Entdimensionalisierung ist verwandt mit der Dimensionsanalyse und der Dimensionsbetrachtung Inhaltsverzeichnis 1 Eigenschaften und Vorteile dimensionsloser Gleichungen 2 Vorgehen 3 Beispiele 3 1 Differentialgleichung erster Ordnung 3 2 Masse Feder System 3 3 Elektrischer Schwingkreis 4 Siehe auch 5 Literatur 6 EinzelnachweiseEigenschaften und Vorteile dimensionsloser Gleichungen BearbeitenIn einigen physikalischen Systemen wird der Ausdruck Skalierung als Synonym fur Entdimensionalisierung benutzt um anzudeuten dass manche Grossen nicht in einem allgemeinen Einheitensystem wie den SI Einheiten sondern relativ zu einer Einheit gemessen werden die durch das betrachtete System gegebenen ist Diese Einheiten werden intrinsische oder charakteristische Grossen des Systems genannt Eine solche charakteristische Grosse kann beispielsweise eine durchschnittliche Lebenszeit oder die Schwingungsdauer eines Pendels sein sodass die Zeit in dementsprechend skalierten System als Vielfaches dieser Grossen gemessen wird nbsp Die Reynolds Zahl bildet die Abhangigkeit von 4 dimensionsbehafteten Grossen in einer dimensionslosen Grosse ab und ermoglicht somit eine Reduktion der Dimensionalitat des Moody Diagramms Bei der Entdimensionalisierung entstehen in der Gleichung dimensionslose Kennzahlen beispielsweise in der Fluidmechanik die Reynolds Zahl aus der Entdimensionalisierung der Navier Stokes Gleichung die Euler Zahl oder die Prandtl Zahl Diese Referenzvariablen werden so gewahlt dass die neuen dimensionslosen Variablen typischerweise von der Grossenordnung Eins sind Die dimensionslose Formulierung definiert daher was klein bedeutet namlich wenn die dimensionslose Grosse kleiner als Eins ist 2 Durch die vollstandige Entdimensionalisierung einer Gleichung lassen sich die Parameter des Systems reduzieren in dem diese zu dimensionslosen Gruppen zusammengefasst werden 2 Mithilfe dieser dimensionslosen Gruppen lassen sich dann charakteristische Konstanten eines Systems aufdecken etwa Resonanzfrequenzen Langen oder Zeiten finden Durch das Zusammenfassen der Parameter zu dimensionslosen Gruppen lassen sich Systeme miteinander vergleichen So lassen sich zwei Systeme die in Realitat dasselbe Verhalten aber eine andere absolute Dimension besitzen beispielsweise ein Federpendel und ein Schwingkreis durch Entdimensionalisierung auf dasselbe dimensionslose Gleichungssystem zuruckfuhren Entdimensionalisierung ist zu unterscheiden von der Umwandlung extensiver Grossen in einer Gleichung in intensive da die Ergebnisse dieses Verfahrens immer noch einheitenbehaftet sind Vorgehen BearbeitenUm eine dimensionsbehaftete Gleichung in eine dimensionslose Gleichung umzuwandeln gibt es haufig mehrere Moglichkeiten wobei die optimale Wahl anfangs unklar ist 2 Ein unbekanntes System von Differentialgleichungen lasst sich daher mit folgenden Schritten entdimensionalisieren 1 Alle abhangigen und unabhangigen Variablen identifizieren 2 Jede unabhangige dimensionsbehaftete Variable f displaystyle varphi nbsp wird durch ein Produkt einer dimensionslosen Grosse f displaystyle hat varphi nbsp sowie einer dimensionsbehafteten Referenzvariablen f c displaystyle varphi mathrm c nbsp gemass f f f c displaystyle varphi hat varphi cdot varphi mathrm c nbsp ersetzt Der Wert der Referenzvariablen wird spater so festgelegt dass die dimensionslose Grosse von der Grossenordnung Eins ist 2 3 Mithilfe der Kettenregel werden alle dimensionsbehafteten Ableitungen durch Ableitungen der dimensionslosen Grossen nach einer anderen dimensionslosen Grosse ausgedruckt 4 Das System von Differentialgleichungen besteht nun im Allgemeinen aus Produkten dimensionsloser Terme die sich aus den dimensionslosen Grossen sowie ihren Ableitungen berechnen und dimensionsbehafteter Koeffizienten die sich aus Parametern und den Referenzvariablen berechnen Die dimensionsbehafteten Koeffizienten werden durch dimensionslose Gruppen ersetzt indem jede Gleichung durch den Koeffizienten vor dem Term der hochsten Ordnung oder eine andere Grosse von gleicher Dimension geteilt wird 5 Jede dimensionslose Grosse sowie ihre Ableitung ist laut obiger Annahme von der Grossenordnung Eins Die Referenzvariablen werden daher so festgelegt dass moglichst viele dimensionsbehaftete Koeffizienten ebenfalls die Grossenordnung Eins haben Ein Term der Gleichung ist klein wenn die dimensionslose Gruppe kleiner als Eins ist So lasst sich konkretisieren bei welchen Systemen ein Term vernachlassigbar ist 2 6 Fur jede verbleibende dimensionslose Gruppe wird eine neue Variable eingefuhrt sodass das Gleichungssystem sich in Abhangigkeit dieser Variablen schreiben lasst Beispiele BearbeitenDifferentialgleichung erster Ordnung Bearbeiten Betrachtet wird eine Differentialgleichung erster Ordnung mit konstanten Koeffizienten a b A displaystyle a b A nbsp a d x d t b x A f t displaystyle a frac mathrm d x mathrm d t bx Af t nbsp die gemass obigem Schema entdimensionalisiert wird 1 Die Gleichung enthalt eine unabhangige Variable t displaystyle t nbsp und eine abhangige Variable x displaystyle x nbsp 2 Ersetze x x x c displaystyle textstyle x hat x cdot x mathrm c nbsp und t t t c displaystyle textstyle t hat t cdot t mathrm c nbsp 3 Ersetze die Ableitung d x d t x c t c d x d t displaystyle frac mathrm d x mathrm d t frac x mathrm c t mathrm c frac mathrm d hat x mathrm d hat t nbsp dd und definieref t f t t c displaystyle textstyle hat f hat t f hat t cdot t mathrm c nbsp dd 4 Das Ergebnis a x c t c d x d t b x c x A f t displaystyle a frac x mathrm c t mathrm c frac mathrm d hat x mathrm d hat t bx mathrm c hat x A hat f hat t nbsp dd wird durch den Koeffizienten a x c t c displaystyle textstyle a frac x mathrm c t mathrm c nbsp vor dem Term der mit der Ableitung hochster Ordnung geteilt 5 Im Ergebnis d x d t b t c a x A t c a x c f t displaystyle frac mathrm d hat x mathrm d hat t left frac bt mathrm c a right hat x left frac At mathrm c ax mathrm c right hat f hat t nbsp dd treten die Parameter als zwei dimensionslose Gruppen b t c a displaystyle textstyle frac bt mathrm c a nbsp sowie A t c a x c displaystyle textstyle frac At mathrm c ax mathrm c nbsp auf Die erste enthalt nur die charakteristische Variable t c displaystyle t mathrm c nbsp und wird daher als erstes Eins gesetzt b t c a 1 t c a b displaystyle frac bt mathrm c a 1 Rightarrow t mathrm c frac a b nbsp dd Es folgt fur die zweite GruppeA t c a x c A b x c 1 x c A b displaystyle frac At mathrm c ax mathrm c frac A bx mathrm c 1 Rightarrow x mathrm c frac A b nbsp dd 6 Die resultierende dimensionslose Gleichung ist unabhangig von dimensionsbehafteten Parametern d x d t x f t displaystyle frac mathrm d hat x mathrm d hat t hat x hat f hat t nbsp dd Masse Feder System Bearbeiten nbsp Ein Masse Feder System bestehend aus einer waagerecht in x Richtung verschiebbaren Masse m an einer Feder mit Federkonstante k und Schwingungsdampfer mit Dampfungskonstante B die an einer Wand befestigt Die externe Kraft F die das System aus der Ruhelage auslenkt sei Null Fur ein Masse Feder System siehe Abbildung lasst sich folgende Differentialgleichung aufstellen m d 2 x d t 2 B d x d t k x 0 displaystyle m frac mathrm d 2 x mathrm d t 2 B frac mathrm d x mathrm d t kx 0 nbsp mit x displaystyle x nbsp die Auslenkung aus der Ruhelage in Meter m t displaystyle t nbsp die Zeit in Sekunden s m displaystyle m nbsp Masse in Kilogramm kg B displaystyle B nbsp Dampfungskonstante kg s 1 k displaystyle k nbsp Federkonstante kg s 2 Nach den Schritten 1 bis 4 erhalt man das dimensionslose Gleichungssystem d 2 x d t 2 B t c m d x d t k t c 2 m x 0 displaystyle frac mathrm d 2 hat x mathrm d hat t 2 frac Bt mathrm c m frac mathrm d hat x mathrm d hat t frac kt mathrm c 2 m hat x 0 nbsp 5 Die charakteristische Zeit lasst sich wahlen als t c m k displaystyle textstyle t mathrm c sqrt frac m k nbsp was einer Periode der ungedampften Schwingung entspricht 6 Es bleibt ein dimensionsloses Gleichungssystem das gedampfter harmonischer Oszillator genannt wird mit einer dimensionslosen Gruppe 2 D B m k displaystyle textstyle 2D frac B sqrt mk nbsp wobei der dimensionslose Parameter D displaystyle D nbsp Dampfungsgrad genannt wird d 2 x d t 2 2 D d x d t x 0 displaystyle frac mathrm d 2 hat x mathrm d hat t 2 2D frac mathrm d hat x mathrm d hat t hat x 0 nbsp Elektrischer Schwingkreis Bearbeiten nbsp Ein Schwingkreis bestehend aus einem ohmschen Widerstand R einem Kondensator mit Kapazitat C und einer Spule mit Induktivitat LFur einen elektrischen Schwingkreis siehe Abbildung lasst sich folgende Differentialgleichung aufstellen L C d 2 i d t 2 R C d i d t i 0 displaystyle LC cdot frac mathrm d 2 i dt 2 RC cdot frac mathrm d i mathrm d t i 0 nbsp mit i displaystyle i nbsp der elektrischen Stromstarke in Ampere A t displaystyle t nbsp die Zeit in Sekunden s C displaystyle C nbsp der elektrischen Kapazitat in Farad A2 s4 kg 1 m 2 R displaystyle R nbsp dem elektrischen Widerstand in Ohm A 2 s 3 kg m2 L displaystyle L nbsp die elektrische Induktivitat in Henry A 2 s 2 kg m2 Nach den Schritten 1 bis 6 erhalt man als dimensionsloses Gleichungssystem ebenfalls einen gedampften harmonischen Oszillator d 2 i d t 2 2 D d i d t i 0 displaystyle frac mathrm d 2 hat i mathrm d hat t 2 2D frac mathrm d hat i mathrm d hat t hat i 0 nbsp Wenn die dimensionslose Dampfungskonstante D displaystyle D nbsp des elektrischen Schwingkreises mit der Dampfungskonstante des Masse Feder Systems ubereinstimmt so zeigen beide Systeme das gleiche Verhalten Siehe auch BearbeitenGrosse der Dimension ZahlLiteratur BearbeitenC C Lin L A Segel Mathematics Applied to Deterministic Problems in the Natural Sciences SIAM 1988 Einzelnachweise Bearbeiten J Struckmeier Mathematische Modellierung 2 1 Skalierung Entdimensionalisierung und kleine Parameter S 45 abgerufen am 14 Mai 2017 a b c d e Steven H Strogatz Nonlinear Dynamics and Chaos Westview Press 2000 ISBN 0 7382 0453 6 S 64 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Entdimensionalisierung amp oldid 231109549