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Rahvarinne estnisch fur Volksfront war Ende der 1980er Jahre der Name fur eine demokratische Oppositionsbewegung gegen die sowjetische Herrschaft in Estland Sie loste sich nach Wiedererlangung der estnischen Unabhangigkeit Ende 1991 auf Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Erste Dissidentenbewegungen 3 Bildung der Rahvarinne 4 Singende Revolution 5 Kommunistische Gegenbewegung 6 Demokratische Wahlen 7 Wiedererlangung der staatlichen Unabhangigkeit 8 Auflosung 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenMit dem Amtsantritt des neuen Generalsekretars der KPdSU Michail Gorbatschow im Marz 1985 setzten auch Reformkrafte im 1940 von der Sowjetunion besetzten und annektierten Estland Hoffnungen auf eine Lockerung des rigiden kommunistischen Systems Wahrend die Spitze der Kommunistischen Partei Estlands EKP unter dem Ersten Sekretar des Zentralkomitees Karl Vaino die Reformbemuhungen Gorbatschows weitgehend ablehnte solidarisierten sich estnische Reformkreise mit der beginnenden Politik der Perestroika Umbau Anlass war in der Estnischen SSR die Kritik an den sowjetischen Planen zum umweltgefahrdenden Phosphorit Abbau bei Kabala Toolse und Rakvere Eine unabhangige Umweltbewegung grundete sich Ende 1986 Sie wurde im Laufe des Jahres 1987 immer politischer und organisierter Die sowjetischen Behorden gaben schliesslich den Protesten aus der Bevolkerung nach und stoppten die Plane fur den Phosphorit Abbau 1 Erste Dissidentenbewegungen BearbeitenErmutigt durch diesen Erfolg der Burgerbewegung grundeten politische Dissidenten Mitte August 1987 die Estnische Gruppe zur Veroffentlichung des Molotow Ribbentrop Pakts Molotov Ribbentropi Pakti Avalikustamise Eesti Grupp MRP AEG Sie wandten sich gegen die sowjetische Leugnung des geheimen Zusatzprotokolls des deutsch sowjetischen Nichtangriffspakts vom 23 August 1939 forderte dessen Veroffentlichung sowie die Beseitigung seiner Folgen Mit dem geheimen Zusatzprotokoll waren die deutsch sowjetischen Interessenspharen in Ostmitteleuropa abgegrenzt worden Finnland Estland Lettland sowie Polen ostlich der Flusse Narew Weichsel und San fielen in das sowjetische Interessengebiet Das Abkommen hatte die Besetzung Estlands durch die Sowjetunion im Juni 1940 vorbereitet war aber auch nach der Entstalinisierung von der Sowjetunion geleugnet worden Moskau bestand auf seinem Standpunkt dass sich Estland Lettland und Litauen im Sommer 1940 freiwillig der Sowjetunion angeschlossen hatten Der oppositionellen MRP AEG gelang es am 23 August 1987 ein offentliches politisches Treffen im Hirvepark Hirvepargi miiting in Tallinn abzuhalten ohne dass die Staatsmacht direkt eingriff Dies ermutigte die estnische Bevolkerung die sowjetische Staatsmacht weiter herauszufordern Ende 1987 grundete sich unter dem Namen Estnischer Denkmalschutzverein Eesti Muinsuskaitse Selts EMS eine grossere Vereinigung die sich mit Kritik an der Diktatur in Estland und der Forderung nach demokratischen Rechten und nationaler Selbstbestimmung an die Offentlichkeit wandte Eine Demonstration im Februar 1988 in Tartu wurde gewaltsam von der Polizei aufgelost Anfang 1988 wurden Forderungen nach Grundung einer oppositionellen demokratischen Partei der Partei der nationalen Unabhangigkeit Estlands Eesti Rahvusliku Soltumatuse Partei ERSP immer lauter Ihre Grundung gelang im August 1988 Beide Gruppierungen nutzten nationale estnische Gedenktage um ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen den estnisch sowjetrussischen Friedensvertrag von Tartu 2 Februar 1920 die Ausrufung der staatlichen estnischen Unabhangigkeit 24 Februar 1918 und den stalinistischen Deportationsterror vom Marz 1949 Am 1 2 April 1988 forderten estnische Intellektuelle offentlich einen demokratischen Wandel in der Gesellschaft und den Rucktritt der reformunwilligen kommunistischen Staatsfuhrer Karl Vaino und Bruno Saul Die Macht der kommunistischen Partei begann zu brockeln Bildung der Rahvarinne Bearbeiten nbsp Edgar Savisaar Aufnahme von 2005 Mitte April forderte der Oppositionelle Edgar Savisaar in einer Live Sendung des estnischen Fernsehens die Bildung einer legalen demokratischen Opposition der Estlandischen Volksfront zur Unterstutzung der Perestroika Eestimaa Rahvarinne Perestroika Toetuseks ERR kurz Rahvarinne Sie wurde rasch von einem eher losen Netzwerk Gleichgesinnter zu einer estnischen Massenbewegung die demokratische Reformen und eine weitgehende Loslosung Estlands von der Sowjetunion forderte Die offizielle Grundung der Rahvarinne fand am 1 2 Oktober 1988 in der Tallinner Linnahall statt 2 Die Rahvarinne arbeitete eng mit gleichgelagerten Oppositionsbewegungen in Lettland Latvijas Tautas Fronte und Litauen Sajudis zusammen Fuhrungspersonlichkeiten der Rahvarinne waren vor allem Edgar Savisaar Viktor Palm und Marju Lauristin Singende Revolution BearbeitenDie Rahvarinne forderte die sowjetische Staatsmacht inzwischen offen heraus Im April 1988 zeigten Oppositionelle offentlich in Tartu die in der Sowjetunion verbotene blau schwarz weisse Nationalflagge Estlands Im Juni 1988 musste auf Druck Gorbatschows der bisherige starke Mann der EKP Karl Vaino wegen Reformunwilligkeit seinen Platz raumen Nachfolger wurde am 16 Juni 1988 der reformorientierte Kommunist Vaino Valjas Bereits am 17 Juni 1988 organisierte die Rahvarinne an der Tallinner Sangerbuhne eine Massendemonstration mit 150 000 Teilnehmern Sie sangen estnisch patriotische Lieder einschliesslich der alten Nationalhymne Mu isamaa mu onn ja room und zeigten die Nationalflagge Estlands Die Singende Revolution formulierte ihre klaren nationalen und demokratischen Forderungen an die sowjetischen Machthaber Am 11 September 1988 organisierte die Rahvarinne in Tallinn die Demonstration Eesti Laul Das estnische Lied an der 300 000 Menschen ein Drittel der estnischen Bevolkerung teilnahmen Forderungen nach Demokratie und Loslosung von der Sowjetunion waren jetzt unuberhorbar Kommunistische Gegenbewegung BearbeitenIm Sommer 1988 bundelte sich eine kommunistische Gegenbewegung zur Rahvarinne Sie verlangte die Integritat der Sowjetunion und wandte sich gegen nationale estnische Bestrebungen Die Interliikumine offiziell Internationale Bewegung der Arbeiter der Estnischen SSR Eesti NSV Tootajate Internatsionaale Liikumine und der im Herbst 1988 gegrundete TKUN Gemeinsamer Sowjet der Arbeitskollektive Tookollektiivide Uhendnoukogu wollten am Status quo festhalten Die EKP spaltete sich immer mehr uber das weitere Vorgehen Sie schlug mehrheitlich ein Foderationsvertrag Estlands mit der Sowjetunion vor Am 16 November 1988 nahm der Oberste Sowjet der Estnischen SSR eine Erklarung uber die Souveranitat Estlands an und fuhrte weitreichende Anderungen in der Verfassung ein Gesetze der Estnischen SSR sollten Vorrang vor den Unionsgesetzen erhalten Die Beziehungen zwischen Estland und der Sowjetunion sollten auf Grundlage eines internationalen Vertrags definiert werden Diese Idee scheiterte aber am Widerstand aus Moskau Forderungen der gemassigten Rahvarinne nach Ausrufung einer Dritten estnischen Republik nach 1918 1940 und 1940 bis 1988 durch alle Einwohner Estlands einschl der Russen die erst nach der sowjetischen Besetzung Estlands 1940 ins Land kamen fand keine Mehrheit unter den estnischen Nationalisten die die Anerkennung der Kontinuitat der Republik Estland seit 1918 forderten 3 Demokratische Wahlen BearbeitenIm Januar 1989 verabschiedete das estnische Parlament ein Sprachengesetz das dem Estnischen offiziellen Status einraumte Der 24 Februar wurde wieder zum Unabhangigkeitstag erklart Die Rahvarinne bekam mit ihren Forderungen nach staatlicher Unabhangigkeit immer mehr Zuspruch Am 23 Februar wurde die Flagge der Estnischen SSR am Flaggenturm Langer Hermann in Tallinn eingeholt und am folgenden Tag die blau schwarz weisse estnische Nationalflagge wieder gehisst Am 23 August 1989 dem Jahrestag des Hitler Stalin Pakts organisierte die Rahvarinne den sog Baltischen Weg Balti kett an dem sich uber zwei Millionen Esten Letten und Litauer uber eine Strecke von 600 km von Tallinn bis Vilnius in einer Menschenkette verbanden Am 24 Februar 1990 fanden Wahlen zu einem oppositionellen Estnischen Kongress Eesti Kongress statt Ihm gehorten alle politischen Oppositionskrafte des Landes und Exilesten an Exekutivorgan des Estnischen Kongresses war ein 78 kopfiges Estnisches Komitee Eesti Komitee unter Vorsitz von Tunne Kelam Gleichzeitig spaltete sich auf dem 20 Parteitag der EKP im Marz die Kommunistische Partei in zwei Lager national gesinnte Reformkommunisten und moskautreue Anhanger Im selben Monat am 18 Marz 1990 fanden die ersten halbwegs freien Wahlen zum estnischen Parlament seit den 1930er Jahren statt Die Kandidaten der Rahvarinne errangen mit 24 und 45 Abgeordneten eine relative Mehrheit der 105 Sitze Der starke Mann der Rahvarinne Edgar Savisaar wurde vom neuen Parlament zum Ministerprasidenten gewahlt Am 30 Marz 1990 rief das Parlament eine Phase des Ubergangs aus die mit Wiederherstellung der Unabhangigkeit enden sollte 4 Im Mai wurde die Estnische SSR offiziell in Republik Estland umbenannt und die Verwendung der Staatssymbole der Estnischen SSR verboten 5 Unionsgesetze besassen keine Gultigkeit mehr Spannungen zwischen dem neugewahlten Parlament und dem Estnischen Kongress behinderten allerdings die Arbeit der Reformkrafte Wiedererlangung der staatlichen Unabhangigkeit BearbeitenAm 15 Mai 1990 kam es zu Demonstrationen der kommunistischen Krafte in Tallinn Moskau drohte Estland mit einer Wirtschaftsblockade und der Ausrufung des Notstands Allunionsbetriebe riefen zu Streiks auf Von parallelen sowjetischen Gewaltaktionen in Riga und Vilnius gegen zivile Ziele blieb Estland jedoch verschont Die Rahvarinne wurde inzwischen auch von anti kommunistischen russischen Reformkraften unterstutzt Im Marz 1991 organisierte die estnische Regierung ein antizipatorisches Referendum uber die Wiederherstellung der Unabhangigkeit der Republik Estland 77 8 der abgegebenen Stimmen lauteten auf Ja darunter ein Drittel der russischsprachigen Bevolkerung Estlands Als im August 1991 sowjetische Militars in Moskau einen Staatsstreich unternahmen und Gorbatschow sturzen wollten nahm das estnische Parlament am 20 August 1991 mit Unterstutzung der Rahvarinne eine Erklarung zur Wiederherstellung der estnischen Unabhangigkeit an Es rief gleichzeitig alle Staaten zur volkerrechtlichen Anerkennung auf Island machte am 22 August den Anfang gefolgt von Russland und Ungarn Damit war die endgultige Loslosung von der Sowjetunion vollzogen Sie wurde nach dem Scheitern des Putsches am 6 September 1991 auch von der Sowjetunion volkerrechtlich anerkennt Am 17 September 1991 wurden Estland Lettland und Litauen in die Vereinten Nationen aufgenommen Auflosung BearbeitenDie Rahvarinne loste sich mit der Erfullung ihres Zwecks der Erringung von Demokratie und Rechtsstaat in Estland und der Loslosung von der Sowjetunion nach der Wende auf Sie beendete offiziell am 13 November 1993 ihre Tatigkeit Die Volksbewegung ging in dem sich etablierenden neuen estnischen Parteienspektrum auf Am 12 Oktober 1991 grundete sich auf Grundlage der Rahvarinne die Rahva Keskerakond Volkszentrumspartei die spater zur Estnischen Zentrumspartei Eesti Keskerakond unter ihrem Vorsitzenden Edgar Savisaar wurde Eine verfassungsgebende Versammlung der zu gleichen Teilen Vertreter des Parlaments und des Estnischen Kongresses angehorten arbeitete eine neue Verfassung aus Literatur BearbeitenMati Laur et al History of Estonia Tallinn 2002 ISBN 9985 2 0606 1 S 307 315 Weblinks BearbeitenGeschichte Dokumente Bilder Hintergrunde estnisch Einzelnachweise Bearbeiten Archivierte Kopie Memento vom 9 Juni 2007 im Internet Archive Die Protokolle sind veroffentlicht unter J Nomm A Ottenson Hrsg Rahvakongress Eestimaa Rahvarinde kongress 1 2 X 1988 Materjalide kogumik Tallinn 1988 Archivierte Kopie Memento vom 9 Juni 2007 im Internet Archive Text in deutscher Ubersetzung Text in deutscher Ubersetzung Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rahvarinne amp oldid 233231720 Erste Dissidentenbewegungen